8. Freunde die sich sorgen

„Das hat er doch nicht im Ernst gemeint? Er kann doch nicht…ich meine…. wir wollen ihm doch nur helfen", stammelte Molly Weasley und starrte noch immer fassungslos gegen die Tür, durch die Harry soeben verschwunden war.

„Doch Molly, das hat er sehr wohl ernst gemeint. Ernster als alles was er zuvor gesagt hat", seufzte Mr. Weasley leise und legte seiner Frau die Hand auf die Schulter.

„Er wird doch nicht noch einmal weglaufen?", fragte sie ängstlich, doch Moody schüttelte den Kopf, während sein magisches Augen Harry verfolgte.

„Nein, er geht nach oben in sein Zimmer."

„Ich verstehe dass nicht, ich meine…", sagte Mrs. Weasley mit Tränen in den Augen und schüttelte den Kopf.

„Nimm das nicht persönlich, Molly. Harrys Reaktion hat nichts damit zutun, dass er sich bei euch nicht wohlfühlt", sagte Remus matt und stand schwerfällig auf. „Doch ich denke, die Sache mit dem Portschlüssel war ein Fehler."

„Aber du hättest gar nichts anderes tun können, er ist noch ein Kind und…"

„Nein Molly, ein Kind ist er schon lange nicht mehr und der letzte kleine Teil, dem es bisher erlaubt war hin und wieder Kind zu sein, ist mit… Sirius Tod auch verschwunden", entgegnete Remus heiser und schloss für einen kurzen Moment die Augen.

„Der Tod ist der schwerste und bitterste Weg erwachsen zu werden", nickte Kingsley und rieb sich müde über das Gesicht.

„Aber wir müssen ihm doch irgendwie helfen. Er ist doch noch so jung…."

„Wir werden ihm helfen wo wir können, Molly, doch dieses Leid, dass er fühlt, kann ihm keiner abnehmen", seufzte Arthur Weasley.

„Der Junge ist stark, er wird damit klarkommen", brummte Moody und klopfte Molly Weasley auf die Schulter. „Der wird noch mal ein sehr tüchtiger Zauberer werden."

„Ich hoffe du hast Recht", sagte Remus mit einen schiefen Lächeln und wandte sich zum Gehen.

„Willst du noch mal mit ihm reden?", fragte Kingsley überrascht und zog eine Augenbraue nach oben.

„Heute nicht mehr", antwortete Remus knapp. „Ich werde Dumbledore noch eine Eule schicken und dann schlafen gehen."

* * * * *

Währendessen hatte Harry das Zimmer erreicht, welches er auch schon letztes Jahr zusammen mit Ron bewohnt hatte. Jemand hatte seinen Hogwartskoffer von den Dursleys mitgebracht und nun stand er, zusammen mit seinem Besen, neben dem Bett. Unsicher, ob er nun darüber erleichtert sein sollte, all seine Sachen bei sich zu haben, oder ärgerlich, weil dies ein sicheres Zeichen dafür war, dass er den Rest der Ferien hier verbringen musste, öffnete er den Koffer. Oben auf lagen die letzten Briefe die er im Ligusterweg erhalten hatte, zusammen mit seinem Zauberstab.

Mit dem beruhigenden Gefühl im Ernstfall nicht ganz schutzlos zu sein, legte er sich bäuchlings auf sein Bett. Seine Gedanken kreisten unaufhörlich um Remus Lupin, der ihn gegen seinen Willen hierher gebracht hatte, und von dem er, noch vor allen anderen angenommen hatte, dass er seine Beweggründe verstehen würde. „Und was hätte ich deiner Meinung nach tun sollen?", hörte er immer wieder dessen Frage, doch die einzige Antwort die er ihm darauf hätte geben können, wäre eine Entschuldigung gewesen. Auch wenn er sich noch so sehr dagegen sträubte, so wusste er doch, dass Lupin Recht hatte, aber an diesen Abend war er noch nicht bereit, dies zuzugeben.

Wenig später öffnete Ron die Tür und trat mit leisen Schritten ein.

„Schläfst du schon?", fragte er unsicher und blieb an der Tür stehen. Das fahle Mondlicht streifte sein Gesicht, auf dem sich deutlich das Unbehagen spiegelte.

„Nein", antwortete Harry, warf ihm einen kurzen Blick zu und beobachtete weiter den Hund, der sich neben seinem Bett räkelte, als wäre er hier Zuhause.

Ron nickte ohne Harry weiter anzusehen und legte sich ebenfalls auf sein Bett. Lange Zeit herrschte Stille, nur hin und wieder hörten sie Schritte durch das Haus schleichen, die ihnen sagten, dass die anderen nun auch zu Bett gingen.

„Hermine wird Ende der Woche auch kommen", sagte Ron nach einer Weile, den Blick an die Decke gerichtet.

„Wo ist Hedwig?", fragte Harry, ohne auf seine Aussage einzugehen.

„Oben bei den anderen Eulen. Als Tonks deinen Koffer holte, kam sie gerade vom Fuchsbau zurück."

„Gut."

Irgendwo ihm Haus ging eine Tür und wenig später liefen eilige Schritte an ihrem Zimmer vorbei. Ein leises Klopfen und erneut Schritte; doch diesmal waren es eindeutig zwei Leute die rasch nach unten liefen. Stimmengeflüster drang leise durch die geschlossene Tür und veranlasste Ron sich im Bett aufzusetzen, um zu lauschen.

„Was ist da draußen los?", flüsterte er leise, doch nun war nichts mehr zu hören.

Im Normalfall, wäre Harry neugierig gewesen, was dort draußen vor sich ging, doch nun war es ihm gleichgültig. Genau genommen versuchte er in diesen Moment überhaupt nicht zu denken, nicht daran, wo er war, nicht an das Gespräch in der Küche, nicht an Lupin oder sonst jemanden. Allerdings war das nicht so einfach; sobald er einen Gedanken verdrängt hatte, folgte sogleich der Nächste und immer so weiter. Erneut sah er Sirius durch den Torbogen fallen, hörte Bellatrix Lachen und Lupin, der ihn verzweifelt daran hinderte Sirius zu folgen. „Hätte er mich doch gehen lassen", dachte er bitter und ballte die Fäuste. „Dann wäre ich jetzt nicht hier, wüsste nichts über diese dämliche Prophezeiung und würde Sirius wieder sehen. Ich könnte mit ihm zusammen sein, ohne mir Sorgen machen zu müssen, dass sie ihn vielleicht finden und zurück nach Askaban bringen. Warum Remus, warum hast du mich nicht gehen lassen?"

Irgendwann musste er über diesen Gedanken eingeschlafen sein, denn als er erwachte, schimmerte bereits das erste Tageslicht durch die schweren Vorhänge. Ohne Ron zu wecken stand er auf und schlich lautlos aus dem Zimmer. Der Zeiger der großen Wanduhr im Korridor stand auf Fünf, als er auf Zehenspitzen nach unten schlich und Blacky ihm genauso leise folgte. Überall im Haus herrschte eine gespenstische Ruhe, in der selbst das leise Tappen von Blackys Pfoten unnatürlich laut wirkte.

Nach einem kurzen Aufenthalt im Bad begann Harry ziellos durch das Haus zu wandern. Der Hund folgte ihm wie ein lautloser Schatten. Eine wohltuende Vertrautheit ging von dem Tier aus, das Sirius Animagusgestalt so ähnlich sah, dass es Harry kurzfristig das unsinnige Gefühl gab, Sirius wäre in seiner Nähe.

Unschlüssig was er tun sollte, lenkte er schließlich seine Schritte zur Bibliothek. Ein muffiger Geruch von Staub und altem Papier schlug ihm aus dem düsteren Raum entgegen. Selbst der Morgensonne, deren erste Strahlen durch das breite, verschmutzte Fenster fielen, schien es nicht möglich zu sein, diesen Raum zu erhellen. Die bis zur Decke hochreichenden Regale, bogen sich unter dem Gewicht schwerer, alter Bücher, als seien sie nicht länger gewillt deren Last zu tragen. Ein großer alter Globus in der Ecke, war mit Staub und Spinnweben überzogen, genauso wie das etwas kleinere Modell, das die Sonne mit ihren Planeten darum darstellte. Wäre da nicht der alte Ohrensessel gewesen, auf dessen Lehne ein aufgeschlagenes Buch lag, hätte Harry behauptet, diesen Raum hätte seit mehr als hundert Jahren niemand mehr betreten.

Die mächtigsten Flüche des 18ten Jahrhunderts, stand mit goldenen Lettern auf dem braunen Ledereinband und Harry vermutete, dass dieses Buch, wenn überhaupt, nur in der Verbotenen Abteilung in Hogwarts zu finden war. Neugierig geworden ging Harry die langen Regalreihen entlang. Auch hier gab es eine Unzahl an Büchern über schwarze Magie, verbotene Zaubertränke und zu Harrys Überraschung, ein Buch mit dem Titel, „Transfer ins Totenreich - So kommuniziere sie mit den Verstorbenen" von Ignaz Gerwin Hussel. Vorsichtig zog er das Buch heraus, setzte sich auf das große breite Fensterbrett und begann zu lesen.

Die ersten Seiten enthielten eine Beschreibung von Hussels Leben, wie er begonnen hatte, alte längst vergessene Artefakte zu sammeln und deren Geheimnisse zu erforschen. Das Buch erzählte, wie Hussel nach Jahren der intensiven Forschung erkannte, dass einige dieser magischen Gegenstände nicht nur einzeln für sich Wirkung hatten, sondern auch die Möglichkeit bestand, diese Kräfte zu verbinden, wodurch ganz neue Wirkungsweisen zutage traten. Es folgte eine lange Auflistung und Beschreibung verschiedener Artefakte, die Harry überfolg, bis er zu dem Teil des Buches kam, in dem Hussel deren Gebrauch beschrieb.

Harry wusste nicht, wie lange er bereits gelesen hatte, bis die ersten Türen im Haus gingen und leise Stimmen zu ihm hereindrangen. Blacky begann leise zu winseln und als Harry aufsah, stand er auffordernd an der Tür.

„Tut mir leid, Blacky, daran hätte ich denken sollen, du musst sicher mal vor die Tür", sagte Harry entschuldigend, legte das Buch zur Seite und begab sich mit dem Hund nach unten.

„Guten Morgen, Harry!", gähnte Kingsley, als er ihm auf der Treppe begegnete.

„Morgen!", erwiderte Harry flüchtig den Gruß und ging mit dem Hund Richtung Eingangstür.

„Ich denke, der Hund muss mal raus", erklärte er, als Kingsley ihm mit misstrauischem Blick folgte.

„Klar!", nickte er verstehend. „Ich werde mich darum kümmern. Auch mir wird ein kleiner Morgenspaziergang gut tun. Molly ist bereits in der Küche und bereitet das Frühstück vor. Na komm, Großer!"

„Danke", seufzte Harry, während sein Blick Kingsley und dem Hund folgte, der dem Zauberer erst nach einigen Aufforderungen nach draußen begleitete. Immer wieder sah er traurig zurück, als wollte er Harry mit Blicken auffordern, ihm ebenfalls zu folgen.

„Soviel zum Thema kein Gefangener hier sein", grummelte Harry und steuerte verdrießlich die Küche an. Eine seltsame Leere packte ihn, als die Tür hinter dem Hund ins Schloss fiel und er schüttelte unwillig den Kopf.

Das ist nicht Sirius, das ist Andreas Hund und Lupin wird ihn sowieso bald zurückbringen", hörte er eine strenge Stimme in seinem Hinterkopf. „Du solltest dich erst gar nicht an ihn gewöhnen."

Er hatte fast die Küchentür erreicht, als er aufgeregte Stimmen hörte und stehen blieb.

„…und ich halte es trotzdem für Irrsinn", hörte er Mrs. Weasleys aufgebrachte Stimme. „Sieh ihn dir doch nur mal an, er wird das nicht mehr lange durchhalten. Das ist inzwischen die vierte Nacht in Folge, dass er nicht zum schlafen gekommen ist."

„Nun, er ist alt genug, um zu wissen was er sich zumuten kann und was nicht."

Dies war eindeutig McGonagalls Stimme, doch aus welchem Grund war sie so früh hier? Unsicher, ob ihn jemand bemerkt hatte, sah Harry sich um, doch dann siegte die Neugier und er lauschte weiter.

„Sollte man meinen, nur verhält er sich leider anders. Ich habe heute Nacht versucht mit ihm zu reden, leider ohne Erfolg. Er hört sich an was ich zu sagen habe, lächelt mich an, behauptet ich würde mir unnötige Sorgen machen, und geht", stöhnte Mrs. Weasley und Harry konnte sich bildhaft vorstellen, wie sie in einer resignierenden Geste die Arme hob.

„Hast du allen Ernstes etwas anderes erwartet?", seufzte McGonagall.

„Vermutlich nicht. Trotzdem kann ich doch nicht einfach zusehen, wie er sich kaputtmacht. Mittlerweile mach ich mir um ihn fast so viele Sorgen, wie um Harry."

„Mehr, als dass wir versuchen mit ihm zu reden, können wir nicht tun."

„Vielleicht könnte Dumbledore mit ihm reden."

„Das hat er doch schon getan, leider mit ebenso wenig Glück wie du. Es war früher schon schwierig an ihn heran zu kommen und jetzt scheint es so gut wie unmöglich. Er sieht diese Suche als seine Pflicht an und nichts wird ihn davon abhalten können, ausgenommen sein eigener Tod", sagte McGonagall niedergeschlagen und es entstand eine lange Pause im Gespräch. Noch während Harry sich krampfhaft überlegte, um wen sich seine Lehrerin und Rons Mutter so sorgten, unterbrach eine fremde, dunkle Stimme seine Überlegungen.

„Möglicherweise ist es genau das, was er sucht."

„Wie meinst du das? Du glaubst doch nicht ernsthaft, dass er sich umbringen will?", sagte Molly Weasley entsetzt.

„Nein, bewusst nicht. Vermutlich ist es eher so, dass ihm sein eigenes Leben derzeit nicht sonderlich wichtig ist", erklang wieder die fremde Stimme. „Unter Umständen fühlt er sich auch für den Verlauf der Ereignisse verantwortlich."

„Aber das ist doch Unsinn!"

„Natürlich…"

Ginny und Ron, die in diesen Augenblick die Treppe herunterkamen, unterbrachen Harrys Lauschen und er trat rasch einige Schritte zurück. Vertieft in ihr Gespräch, sahen sie ihn erst, als sie den Treppenabsatz erreicht hatten.

„Hey Harry!", lächelte Ginny und wandte sich zu ihrem Bruder. „Siehst du, ich sagte doch, er ist bereits beim Frühstück."

„Ist er nicht. Er steht kurz davor", neckte Ron sie mit einem breiten Grinsen.

„Morgen, ihr Beiden!", grüßte auch Harry und wartete bis sie ihn erreicht hatten.

„Bist du schon lange wach? Ich hab dich nicht gehört, als du gegangen bist", fragte Ron und versuchte seiner Stimme einen möglichst gleichgültigen Ton zu geben. Aber Harry musste nur einen kurzen Blick in das Gesicht seines Freundes werfen, um darin zu lesen, dass dieser sich wirklich gesorgt hatte.

„Ich konnte nicht mehr schlafen und bin in die Bibliothek gegangen", erklärte Harry, während er die Küchentür öffnete.

„Guten Morgen, Potter!", grüßte  Minerva McGonagall forsch. „Wie geht es ihnen?"

„Danke, gut!", entgegnete Harry, während er neugierig den fremden Mann betrachtete, der neben seiner Lehrerin am Küchentisch saß und Kaffee trank.

„Dies ist Professor Clark Silver, er wird ab dem nächsten Schuljahr in Hogwarts Verteidigung gegen die dunklen Künste unterrichten", erklärte McGonagall mit einem freundlichen Nicken zu dem Mann neben sich. „Und dies sind Harry Potter, Virginia Weasley und Ronald Weasley."

„Guten Morgen zusammen!", grüßte der hagere Zauberer fröhlich und streckte jedem seine sonnengebräunte Hand entgegen. Seine langen dunklen, an manchen Stellen schon leicht ergrauten Haare, waren im Nacken mit einem Lederband zusammen gebunden, was ihm zusammen mit dem farbenfrohen Hemd und den Jeans, das Aussehen eines in die Jahre gekommenen Hippies verlieh.

Für einen Moment musterte er die drei Neuankömmlinge interessiert, ehe er sich wieder seinem Frühstück widmete.

„Na steht nicht so rum, setzt euch!", sagte Mrs. Weasley ungeduldig und deutete auf den gedeckten Tisch, ehe sie sich wieder dem Herd zuwandte, an dem sie eben beschäftigt war Eier und Speck zu braten.

Harry hatten gerade damit begonnen, seinen Toast zu bestreichen, als eine reichlich verschlafene Nymphadora Tonks in der Küche erschien. Die kurzen lila Haare standen ihr in allen Richtungen vom Kopf ab und erinnerten Harry lebhaft an einen gefärbten Igel.

„Oh, war das eine Nacht!", stöhnte sie unter einem herzhaften Gähnen, ehe sie sich erschöpft auf den nächstbesten Stuhl plumpsen ließ.

„Einen wunderschönen guten Morgen, Tonks!", grüßte Silver und grinste sie breit an.

„CLARK!", schrie sie überrascht und war im nächsten Moment auf den Beinen. „Das darf doch nicht wahr sein!"

Plötzlich war alle Müdigkeit aus ihrem Gesicht verschwunden und sie fiel Silver freudestrahlend um den Hals. „Alte Freunde", schoss es Harry durch den Kopf, während Silver diese stürmische Umarmung nicht weniger herzlich erwiderte und die dunklen Augen in seinem wettergegerbten Gesicht leuchteten.

„Ich freu mich auch dich zu sehen", lachte er und sah sie forschend an. „Sieht so aus, als gäbe es viel zu erzählen", nickte er verstehend und plötzlich tauchte unter seinem Lächeln etwas wie Trauer auf.

Tonks schien das nicht zu bemerken; sie plauderte fröhlich drauflos, bis sich plötzlich die Küchentür öffnete und Kingsley, gefolgt von Blacky, zurückkam. Den Blick starr auf den Hund gerichtet, begann plötzlich Tonks Hand, in der sie gerade die Teekanne hielt, heftig zu zittern. McGonagall neben ihr, zog scharf die Luft ein und schien nicht weniger erschrocken, als sie den Hund erblickte.

„Das ist der Hund von dem ich euch erzählt habe", erklärte Molly Weasley und wollte nach der Kanne in Tonks Hand greifen, doch ehe sie diese zu fassen bekam, entglitt sie den zitternden Fingern und zerschellte auf dem vollbeladenen Frühstückstisch. Der heiße Tee ergoss sich über den Toast, doch Tonks schien das nicht wahrzunehmen, mit einem gurgelnden Stöhnen fuhr sie hoch, riss den Stuhl hinter sich um und machte einen Satz zurück. Silver war genauso schnell neben ihr und griff nach ihrem Arm.

„Alles in Ordnung", murmelte er, doch Tonks hatte sich im nächsten Augenblick schon losgerissen und stürmte mit aschgrauem Gesicht aus der Küche.

Zwei Stufen auf einmal nehmend, hastete Tonks die Treppen nach oben. Ihr Herz schlug so heftig in der Brust, dass es wehtat, während sich ihr Magen anfühlte, als hätte sie soeben Zement statt Tee geschluckt. Keuchend kam sie an ihrer Zimmertüre an, als Silver sie erreichte und ihren Arm festhielt, ehe er sie wortlos in eine Umarmung zog.

„Tut mir leid", schluchzte sie gegen seine Brust. „Tut mir leid."

„Was tut dir leid?", fragte er sanft und dirigierte sie behutsam in ihr Zimmer. „Tut es dir leid, weil du erschrocken bist? Da bist du nicht die Einzige."

„Ja, aber McGonagall ist wenigstens nicht hysterisch davon gelaufen", schluchzte sie noch immer und versuchte die Tränen aus ihrem Gesicht zu wischen.

„Ich denke mal, Sirius Black stand ihr auch nicht so nahe wie dir", sagte Silver leise und reichte ihr ein Taschentuch.

„Ich dachte im ersten Moment wirklich, Sirius würde durch die Tür kommen", schniefte sie und schüttelte unwillig den Kopf. „Dabei weiß ich doch…"

„Dies zu wissen verhindert nicht, dass es trotzdem wehtut", flüsterte er, setzte sich neben sie aufs Bett und legte den Arm um ihre Schultern.

„Oh Clark, ich vermisse ihn so schrecklich. Jeden Morgen wenn ich aufwache, denke ich, dass dies alles nur ein schrecklicher Traum war und ich bräuchte nur nach unten in die Küche gehen, um ihn wieder zu sehen. Doch dann… dann…weiß ich, dass es nicht so ist. Ich schließe die Augen und sehe ihn vor mir, wie er mit Remus streitet, wie er ihm sagt, dass er mit ins Zauberministerium geht. Er war so fest entschlossen, dass ihn niemand zurückhalten konnte und dort…"

Sie brach ab und vergrub das Gesicht in den Händen, während Silver sanft über ihren Rücken strich und tief seufzte.

„Albus hat mir erzählt was dort geschehen ist."

Tonks nickte und langsam beruhigte sich auch ihre Atmung wieder.

„Es war so unwirklich! Es war genauso wie in unserer Kindheit, Sirius und Bellatrix konnte sich früher schon nicht ausstehen, sie haben sich pausenlos gestritten. Ich weiß nicht, wie oft sie sich damals in der gleichen Weise gegenüber standen und nie ist etwas Ernsthaftes passiert. Doch dann im Ministerium…weißt du ich hab einfach nicht damit gerechnet…es ging so schnell…ich konnte es einfach nicht glauben…er kann nicht einfach fort sein."

Seinen Arm fest um ihre Schultern gelegt, hörte er ihr schweigend zu, während sie nervös das Taschentuch zwischen den Händen drehte und stockend weiter sprach.

„Ich wusste, dass ich mein Leben riskierte, als wir uns auf den Weg machten, doch ich hatte nie damit gerechnet Sirius zu verlieren. Nicht nach all dem was geschehen ist, nicht jetzt, da er wieder hier war und auch die Anderem ihm glaubten, dass er tatsächlich unschuldig ist. Wir hätten nur noch Wurmschwanz finden müssen und seine Unschuld hätte bewiesen werden können. Er wäre frei gewesen, Clark! Wir waren doch schon so nahe dran!"

„Ich weiß, er war schon in deiner Kindheit sehr wichtig", nickte Silver. „Das hat sich auch durch seinen Aufenthalt in Askaban nicht geändert."

„Er war der Einzige in dieser abartigen Familie, dem ich mich wirklich zugehörig fühlte. Er war immer zu Späßen aufgelegt, hat mich zum Lachen gebracht und mich immer verteidigt, wenn die Anderen sich über meine Tollpatschigkeit aufregten. Da war so viel Lebensfreude in seinem Wesen.

Als ich ihn letzten Sommer wieder getroffen habe, war von dieser früheren Fröhlichkeit fast nichts mehr übrig. In seinen Augen spiegelten sich der ganze Schrecken Askabans und auch seine Angst um Harry. Es tat so weh, das Leid in diesen einst so fröhlichen Augen zu sehen. Trotzdem hat er immer gekämpft, hat sich bemüht im Kampf gegen Du weißt schon wen hilfreich zu sein, auch wenn ihn in diesem verdammten Haus die Hände gebunden waren. Weißt du, je länger Sirius hier war, umso gereizter und depressiver wurde er, fast so, als würde dieses Haus genau das schaffen, was den Dementoren in 12 Jahren nicht gelungen ist. Die einzige Zeit in der es ihm etwas besser ging, war, als Harry hier war. Die Anwesenheit des Jungen hatte eine erstaunliche Wirkung, doch kaum war Harry wieder weg, begann er erneut ruhelos umher zu gehen. Er kam mir an manchen Tagen vor wie ein Tiger im Käfig, der nur darauf wartet, dass jemand die Tür aufmacht, damit er entfliehen konnte. Ich hätte ihm so gern geholfen, und konnte es nicht."

„Ich wünsche mir auch, dir zu helfen, aber manchmal geht das eben nicht in der Form wie wir es gern hätten" sagte er leise und drückte ihre Hand.

„Aber das tust du doch, du bist hier und hörst mir zu", sagte sie verwirrt und sah das erste Mal, seit sie das Zimmer betreten hatten in sein Gesicht. Zu ihrer Verblüffung lächelte er und langsam verstand sie, was Silver ihr damit sagen wollte.

„Und du glaubst, dass es Sirius weniger geholfen hat, als du für ihn da warst?", sagte er mit einem leisen Lächeln und schüttelte ungläubig den Kopf.

„Aber das ist doch…" 

„Es ist nichts anderes, Tonks. Seinen Freunden zu helfen, heißt nicht ihre Probleme lösen zu müssen; es geht darum ihnen beizustehen. Ich kannte Sirius nicht persönlich, doch glaube ich, dass es für ihn, nach seiner Sorge um Harry, mit am wichtigsten war, nicht allein zu sein; seine Freunde an seiner Seite zu wissen."

„Mag sein", stimmte sie zögernd zu, ehe sie lange Zeit ins Leere starrte.

* * * * *

Zur gleichen Zeit gingen Harry und Ron die Treppen nach oben.

„Hast du Lust auf eine Runde Zauberschach?", fragte Ron zögernd, als Harry schon den Weg zur Bibliothek einschlug.

„Eigentlich nicht", antwortete Harry und sah schuldbewusst zu Boden. „Ich wollte…"

„Schon ok, Kumpel, war nur ´ne Frage", sagte Ron rasch und klopfte ihm freundschaftlich auf die Schulter.

„Danke, Ron", atmete Harry erleichtert auf und lächelte zögernd.

„Schon gut, wir sehen uns später."

Mit einem Heben der Hand ging er davon und Harry kehrte, froh darüber Ron keine großen Erklärungen geben zu müssen, in die Bibliothek zurück. Der schwarze Hund trottete ihm nach, und als Harry sich auf die Fensterbank setzte, legte er sich friedlich zu seinen Füßen. Er hatte noch nicht lange gelesen, als er Lupins Stimme im Korridor hörte.

„Hallo Clark, das ist ja eine Überraschung! Dich hätte ich hier nicht erwartet."

„Oh hallo Remus! Ja, war eine kurzfristige Entscheidung von Dumbledore, dass ich die nächsten Tage hier bleiben sollte."

„Wir haben uns ja schon ewig nicht mehr gesehen, wie geht es dir?"

„Bestens! Im Gegensatz zu dir, du siehst aus, wie…"

„Sag es lieber nicht, ich weiß wie ich aussehe", sagte Lupin lachend. „Doch es schaut schlimmer aus, als es ist. Waren nur ein paar anstrengende Tage und Nächte."

„Wer soll dir das glauben?", seufzte Silver und schlagartig ging Harry ein Licht auf und er wusste, um wen das Gespräch in der Küche gegangen war. „Remus! Mrs. Weasley und McGonagall sprachen in der Küche von Remus." Ein beklemmendes Gefühl machte sich in seiner Magengegend breit, während er dem Gespräch der beiden Männer weiter lauschte.

„Lass gut sein", wehrte Lupin im unbeschwerten Ton ab. „Aber erzähl mal, was hast du die letzten Jahre gemacht? Albus hat mir erzählt, dass du ab September in Hogwarts unterrichtest."

Die folgende Antwort konnte Harry nicht mehr hören, da die beiden Männer nun aus seiner Hörweite gerieten.

* * * * *

Fortsetzung folgt….  

Autornote: An dieser Stelle möchte ich mich ganz herzlich für die vielen Rewievs bedanken, freut mich dass euch meine Story gefällt! 

Soviel positive Rückmeldungen sind ein ungeheuerer Ansporn schnell weiter zu schreiben!!! *ggg*