AN: …so nun ist es geschafft, das nächste Kapitel ist da! *ggg* Viel Spaß!

13. Zweifel

Als Andrea am nächsten Morgen erwachte, herrschte im Haus bereits rege Betriebsamkeit. Hermine war fast bis Mitternacht geblieben und trotz der späten Stunde hatte es lange gedauert bis Andrea einschlafen konnte. Hermines Geschichte fesselte ihre Gedanken und hatte sie später noch bis in ihre Träumen verfolgt. Viele Zusammenhänge wurden für sie durch die Erzählung verständlicher, manches blieb jedoch noch immer rätselhaft; aber zusammengenommen ahnte sie, dass Harrys Verhalten nicht nur auf die Trauer um seinen Patenonkel zurückzuführen war.

Tief in diese Gedanken versunken, ging sie nach unten, als sie auf der Treppe mit jemand zusammenstieß.

„Können Sie nicht aufpassen?", herrschte sie derjenige ungehalten an.

„Entschuldigung, ich habe Sie nicht gesehen", sagte Andrea hastig und dachte, die Angelegenheit wäre damit beendet - doch dem war nicht so.

„Das ist mir klar. Wenn Sie sich in diesem Haus nicht mit der entsprechenden Vorsicht bewegen können, dann sollten Sie während der Zeit Ihres Aufenthalts in Ihrem Zimmer bleiben."

„Wie bitte?" Für einen Moment starrte sie den Mann, mit den ungepflegten schwarzen Haaren ungläubig an.

„Sind Sie auch noch taub?", antwortete er gereizt und fixierte sie mit einem herablassenden Blick, der Andreas Blut in Wallung brachte. Doch noch ehe sie etwas entgegnen konnte, drehte er ihr bereits den Rücken zu und ging mit weitausholenden Schritten davon.

„Muggel!", hörte sie ihn noch brummen und es lag so viel Zorn und Verachtung in diesem einen Wort, dass es sie unwillkürlich schauderte. Einen Augenblick später hörte sie erneut Schritte und trat rasch zur Seite um nicht noch einen Zusammenstoß zu riskieren, als sie Harry erblickte, der den Korridor entlang auf sie zukam und dem Mann wütende Blicke hinterher warf.

„Dieser schmierige, arrogante Bastard!", schimpfte Harry in einer Lautstärke, dass Andrea überrascht war, dass der Fremde dies nicht hörte. „Lassen Sie sich von ihm nicht einschüchtern, er hat Ihnen hier gar nichts zu sagen."

„Wer ist das?"

„Professor Severus Snape, unser Lehrer für Zaubertränke in Hogwarts", antwortete Harry grimmig und ließ eine lange Reihe an nicht sehr schmeichelhaften Kosenamen für seinen Lehrer folgen. Unter normalen Umständen hätte Andrea ihn sicherlich zur Ordnung gerufen, doch in diesem Augenblick war sie ebenfalls so wütend, dass sie sich beherrschen musste, Harrys Schimpfwörtern nicht noch ein paar saftige hinzuzufügen. So beschränkte sie sich darauf, tief durchzuatmen, ehe sie gefolgt von Harry die Küche ansteuerte.

„Sicher kein Vergnügen, sich von ihm unterrichten zu lassen. Ist er in der Schule ähnlich?"

„Den Schülern gegenüber, ja. Allerdings kann er mir in Hogwarts Hauspunkte abziehen, was er hier nicht kann und vermutlich ist das auch der Grund für seine gute Laune."

„Was sind Hauspunkte?", fragte Andrea, und Harry begann ihr, von den vier Häusern und dem Punktesystem in Hogwarts zu erzählen.

„Oh weh! Da kann er dir das Leben in der Schule ganz schön schwer machen", stöhnte Andrea und schenkte ihm ein mitfühlendes Lächeln.

„Das tat er schon von meinem ersten Schultag an", entgegnete Harry mit einem Schulterzucken. „Doch die Zeiten in denen ich Angst vor ihm hatte, sind vorbei!"

„Scheint Liebe auf den ersten Blick gewesen zu sein."

„Snape hat ein Problem damit, dass ich meinem Vater so ähnlich sehe."

„Und dieser Snape kannte deinen Vater", schlussfolgerte Andrea und seufzte verstehend. „Offensichtlich mochte er ihn nicht besonders."

„Mein Vater und seine Freunde waren schon immer ein rotes Tuch für Snape und das hat sich auch bis heute nicht geändert", erklärte Harry, als sie gerade die Küche betraten.

„Professor Snape!", berichtigte ihn sofort Molly Weasley, die offensichtlich Harrys letzte Worte gehört hatte.

„Hier im Grimmauld Place ist er nicht mein Lehrer", verteidigte sich Harry stur und nahm, mit einem kurzen Morgengruß, neben Tonks und Lupin Platz, während Andrea sich auf die gegenüberliegende Seite des Frühstückstisches, neben Silver setzte.

„Du solltest ihm trotzdem mit etwas mehr Respekt gegenübertreten", sagte Molly mit einem besorgten Stirnrunzeln.

„Solange er sich nicht wie eine Respektsperson benimmt, werde ich …", ereiferte sich Harry, doch Lupin legte ihm, mit einem sanften Lächeln die Hand auf den Arm.

„Übertreib es nicht, Harry!"

„Ihr hab nicht gehört, wie blöd er Andrea angemacht hat, nur weil sie ihn auf der Treppe übersehen hat", erklärte Harry grimmig, allerdings in gemäßigterem Ton.

Lupin seufzte tief und für einen kurzen Augenblick konnte Harry so etwas wie Groll in seinem Gesicht erkennen. Doch nicht nur Lupin schien sich über den Zaubertranklehrer zu ärgern, denn auch Tonks schüttelte ungehalten den Kopf.

„Die alte, Giftmischende Fledermaus ist nur grantig, weil Dumbledore ihn gebeten hat…."

„Tonks!", unterbrach Molly Wesley sie mit warnendem Blick. „Auch du solltest…"

„Harry hat Recht! Solange er sich wie ein engstirniger Idiot benimmt, kann er nicht wirklich Respekt erwarten!", schnitt sie Molly schroff das Wort ab.

„Offensichtlich ist er nicht der Einzige, der sich in letzter Zeit engstirnig benimmt", konterte Molly in nicht weniger aggressivem Ton, was Tonks dazu veranlasste, die Serviette wütend auf den Tisch zu schmeißen und mit einem zornigen Blick auf Mrs. Weasley die Küche zu verlassen.

„Was ist denn los?", wunderte sich Ron, der in diesem Moment zusammen mit Hermine die Küche betrat.

„Setzt euch!", befahl Mrs. Weasley barsch, fügte aber sofort wesentlich sanfter hinzu: „Was möchtet ihr trinken?"

Nach dem Frühstück gingen Harry, Ron und Hermine gemeinsam nach oben, während Remus und Silver sich bereiterklärten, Andrea bei der Fertigung des Dynamos zu helfen.

„Was war da vorhin eigentlich mit Tonks los?", fragte Ron sofort, nachdem sich die Tür zur Bibliothek hinter ihnen geschlossen hatte. „Und warum bezeichnet meine Mutter sie, als engstirnig?"

„Keine Ahnung!", seufzte Harry und zuckte die Schultern. „Irgendwie scheint sie ziemlich sauer auf Snape zu sein." Während er sich nach dem Buch umsah, in dem er am Vortag gelesen hatte, berichtete er seinen Freunden in kurzen Sätzen was vorgefallen war.

„Hm, um was Dumbledore ihn wohl gebeten hat?", grübelte Ron.

„Wahrscheinlich werden wir das eh nicht erfahren", seufzte Hermine, während sie das Fenster öffnete, um etwas frische Luft in den staubigen Raum zu lassen. „Ich vermute mal, dass es irgendetwas mit dem Orden zu tun hat."

„Meine Mutter brauch ich da auch nicht zu fragen", knurrte Ron und versuchte die Stimme von Mrs. Weasley zu imitieren. „Das geht euch nichts an, dafür seid ihr noch viel zu jung!"

Harry nickte zustimmend, nahm sein Buch zur Hand und ließ sich mit einem resignierenden Seufzer in den Sessel fallen.

„Sag mal, was liest du eigentlich die ganze Zeit?", fragte Hermine plötzlich und trat stirnrunzelnd näher an ihn heran.

Transfer ins Totenreich!", murmelte Harry und suchte die Seite, bei der er aufgehört hatte zu lesen. „Ist ein Buch, das Andreas Ururgroßvater geschrieben hat."

„Andreas Ururgroßvater war ein Zauberer", erklärte Ron, als er Hermines verständnislosen Blick sah. „War ein ziemlich durchgeknallter Typ, der mit magischen Artefakten experimentiert hat."

„Ich dachte, Andrea wäre ein Muggel", sagte Hermine verblüfft.

„Ist sie auch, allerdings mit magischen Ahnen. Hier, das Buch ist auch von ihm!"

Ron reichte ihr das Buch mit dem Titel Traumreise und vertiefte sich seinerseits in das Buch über Vergessene Flüche. Einen Moment betrachte Hermine ihre Freunde skeptisch, die ein mehr als ungewöhnliches Interessen an Büchern zu Tage legten, ehe sie sich ebenfalls in einen Sessel setze und zu lesen begann. Eine wohltuende Stille erfüllte den Raum, in der nur hin und wieder das Umblättern der Buchseiten zu hören war oder das Öffnen eines Fensters in einem der angrenzenden Räume. Die Vormittagssonne schickte warme Strahlen in den Raum und es dauerte nicht lange, da war Hermine über ihrem Buch eingenickt.

„Das Buch scheint gut zu sein! Hermine befindet sich bereits auf Traumreise" grinste Harry und deute auf die schlafende Hermine.

„He, was soll das?", flüsterte Ron in gespielt entrüsteten Ton. „Eigentlich ist es doch unser Part über den Büchern einzuschlafen, während Hermine wie eine Besessene darin schmökert."

Harry wollte ihm gerade antworten, als aus dem Nebenraum zornige Stimmen zu hören waren. Anscheinend drangen sie durch das geöffnete Fenster zu ihnen herein.

„…was heißt hier, das ist Zeitverschwendung? Es ist dieselbe Art von Schutzzauber,  wie wir sie auch im Grimmauld Place haben. Was spricht dagegen…"

„Ich bin nicht länger bereit mir ihre infantilen Spekulationen anzuhören. Was auch immer der Grund dafür sein mag, dass die Schutzzauber weiterbestehen, es bleibt eine Tatsache, dass er tot ist und dankenswerterweise hat er uns auch keine Nachkommen hinterlassen." Unverkennbar war es Snape, der hier mit dem, nur ihm eigenen zynisch, schnarrenden  Unterton antwortete.

„Und was, wenn er es nicht ist?" Dies war nun eindeutig die Stimme von Tonks und als Hermine bei deren letzten lauten Worten erwachte, deuteten ihr Harry und Ron gleichzeitig an, leise zu sein. Um ja kein Wort zu verpassen, schlichen sie auf Zehenspitzen zum Fenster und lauschten.

„Hören Sie mit diesem albernen Geschwätz auf! Sie waren dabei! Sie haben es mit eigenen Augen gesehen."

„Sagen wir mal so, ich habe gesehen wie er fiel, doch in Anbetracht der Umstände lässt mich das noch lange nicht an seinen Tod glauben", antwortete Tonks gereizt und Harry konnte sich gut vorstellen, wie sie Snape mit zornsprühenden Augen entgegensah.

„Dann schlage ich Ihnen vor, ins Ministerium aufzubrechen und selbst durch dieses Tor zu gehen. Vielleicht haben Sie ja Glück und Black hält ihnen die Tür auf! Inzwischen werde ich mich dem widmen, was Dumbledore uns aufgetragen hat. Sollten Sie wieder in die Realität zurückkehren, wissen Sie wo sie mich finden."

Im Nebenraum fiel die Tür mit einem lauten Krachen ins Schloss, gefolgt von einem ebenso lauten Scheppern, als etwas Hartes die geschlossene Tür traf.

„Fahr zur Hölle, verdammter Idiot!", fluchte Tonks ungehalten, doch dann wurde es wieder still, nur die Schritte des Zaubertranklehrers klangen noch kurzzeitig durch den Korridor.

Während Harry noch immer unbeweglich gegen die Wand zum Nachbarraum starrte, schnappte Ron ein paar Mal nach Luft, ehe er Hermine entsetzt ansah.

„Hab ich das jetzt richtig verstanden, Tonks glaubt, dass Sirius noch lebt?", hauchte er fassungslos.

Hermine antwortete ihm nicht darauf; mit einem besorgten Blick auf Harrys Rücken ging sie langsam auf ihn zu, wagte jedoch nicht ihn zu berühren. Das war allerdings auch nicht nötig, denn noch ehe sie etwas tun oder sagen konnte, drehte Harry sich um und sah ihr direkt in die Augen.

„Sag es nicht, Hermine, ich weiß es selbst", sagte er leise, aber das Zittern seiner Stimme war dennoch nicht zu überhören. Ohne ein weiteres Wort ging er an Hermine vorbei, aber noch ehe er die Tür erreicht hatte, hielt Ron ihn zurück.

„Harry, was hast du vor?"

„Nichts!", antwortete er tonlos und griff nach der Türklinke.

„Denkst du, wir sollten mit Tonks reden?", fragte Hermine zaghaft, doch Harry schüttelte energisch den Kopf.

„Nein, das bringt eh nichts, man wird uns sowieso nur die halbe Wahrheit erzählen."

Noch bevor Hermine oder Ron ihm widersprechen konnten, war er bereits verschwunden.

Harry wusste nicht, wie lange er schon ziellos durch das Haus gelaufen war. Das Buch in seiner Hand fest umklammert, hallten immer wieder dieselben Worte durch seinen Kopf. „Sie haben es mit eigenen Augen gesehen -  Sagen wir mal so, ich habe gesehen wie er fiel, doch in Anbetracht der Umstände lässt mich das noch lange nicht an seinen Tod glauben." Von welchen Umständen hatte Tonks gesprochen? Sirius war doch tot, oder etwa nicht? Man hätte es ihm, Harry, doch gesagt wenn wirklich Zweifel an seinem Tod beständen, oder nicht? „Sie haben dir auch nichts von der Prophezeiung erzählt oder davon, dass Voldemort die Verbindung nutzen konnte um dich zu manipulieren", sagte eine leise, aber hartnäckige Stimme in seinem Hinterkopf.

„Ich muss es wissen!", stieß er halblaut zwischen seinen zusammen gebissenen Zähnen hervor und warf einen letzten zweifelnden Blick auf das Buch in seiner Hand, ehe er an Andreas Tür klopfte.

„Hallo Harry, freut mich, dass du mich besuchen kommst", sagte Andrea überrascht, als sie die Tür öffnete und ihn einließ.

„Was macht Ihr Computer, funktioniert er?", fragte Harry und bemühte sich darum möglichst unbefangen zu klingen, als sie ihn mit einem neugierigen Lächeln betrachtete.

„Ja!", strahlte Andrea und deutete zu dem Schreibtisch in der Ecke, auf dem nun der Monitor stand. Daneben erblickte Harry ein merkwürdiges Gebilde, in dessen Zentrum sich ein Schwungrad drehte. „Die Idee mit dem Dynamo war klasse."

Harry nickte abwesend, während er den Drehbewegungen der Konstruktion zusah. Plötzlich wusste er nicht mehr, was er sagen sollte, oder wie er seine Bitte vortragen konnte.

„Was kann ich für dich tun, Harry? Ich vermute nicht, dass du nur gekommen, bist um dir die Maschine anzusehen."

„Nein" antwortete Harry zögernd und kaute nervös auf seiner Unterlippe.

„Na dann setzt dich mal, im Sitzen redet es sich besser."

Harry folgte stumm ihrer Aufforderung und ließ sich ihr gegenüber im Sessel nieder. Es dauerte eine Weile, bis er die richtigen Worte fand, doch wartete Andrea beharrlich bis er schließlich stockend zu sprechen begann:

„Vor ein paar Wochen hatte ich eine Vision… Voldemort manipulierte meine Gedanken und auf Grund dessen… sind meine Freunde und ich ins Zauberministerium…ich dachte, er würde Sirius gefangen halten. Doch das Ganze war… nur eine Falle und wir sind… blind hineingetappt. Wir trafen auf die Todesser, es kam zum Kampf und wahrscheinlich wäre dies unser Tod gewesen, wenn nicht die Mitglieder des Phönixordens uns zu Hilfe gekommen wären. Sirius wurde während des Kampfes von Bellatrix Fluch getroffen und… fiel rückwärts durch einen mysteriösen Torbogen. Ich rief nach ihm, doch er antwortete mir nicht und kam auch nicht wieder heraus. Als ich ihm zu Hilfe kommen wollte, hielt Remus mich zurück und sagte, dass…er …er nicht wieder kommen würde, dass er tot sei. Zuerst konnte ich es nicht glauben, und ich rief erneut nach ihm, doch… schließlich begriff ich…..Auch Dumbledore sprach später davon, dass Sirius …" Harry brach ab, unfähig es ein zweites Mal auszusprechen. Seine Lippen zitterten, während er schweratmend weiter erzählte. „Ich weiß nicht mehr was ich glauben soll… zuerst glaubte ich es nicht, dann habe ich mich damit abgefunden und nun….sagt Tonks, dass er vielleicht doch…doch noch…am Leben sein könnte."

„Kannst du mir genauer erzählen, was sie gesagt hat?", fragte Andrea mit einem Stirnrunzeln, und so erzählte Harry, wie er, Ron und Hermine durch das offene Fenster der Bibliothek, das Gespräch zwischen Snape und Tonks belauscht hatten.

„Hm, vielleicht solltest du mit Tonks darüber sprechen, oder mit Dumbledore und Remus. Sie können…."

„Nein!", sagte Harry hart und schüttelte entschieden den Kopf. „Sie würden mir vermutlich nicht die Wahrheit sagen."

„Du meinst, sie würden dich belügen?"

„Oh nein, lügen würden sich nicht!", sagte Harry bitter. „Was aber nicht heißt, dass sie mir deshalb die Wahrheit sagen. Manches verschweigen sie sehr bewusst, denn es könnte ja sein, dass es mich belasten könnte."

Andrea nickte mit zusammen gekniffen die Lippen und vielleicht war es gerade diese stumme Zustimmung, die es Harry plötzlich so einfach machte weiter zu reden.

„Sie wussten alle davon, dass Voldemort versuchen könnte in meine Gedanken einzudringen, doch keiner von ihnen hat es mir gesagt! Wahrscheinlich kannten auch alle diese dämliche Prophezeiung, aber niemand traute sich, es mir gegen Dumbledores ausdrücklichen Wunsch zu sagen. Es könnte ja mein seelisches Gleichgewicht erschüttern!" Harry holte kurz Luft, ehe er mit zornbebender Stimme fortfuhr. „Seit Jahren schickt Dumbledore mich in den Sommerferien zu den Dursleys und es wurden jedes Mal die schrecklichsten Wochen des Jahres; doch niemand hielt es für nötig mir den genaueren Grund zu sagen. Die Erklärung wäre so simpel und einfach gewesen, aber nein, ich war ja noch viel zu jung für die Wahrheit."

Je länger er redete, umso lauter und zorniger wurden seine Worte, bis ihm schließlich Tränen die Wangen hinabliefen. Doch diesmal waren es keine Tränen der Trauer - es war Wut und Frustration, die nun ungehindert aus ihm heraus brachen. Mit einer hastigen Bewegung wischte er die Tränen aus dem Gesicht und Andrea war sich fast sicher, dass Harry dies nicht einmal bewusst war.

„Habe ich Dumbledore nicht längst bewiesen, dass ich nicht so zerbrechlich bin, wie er anscheinend immer vermutete? Am Ende unseres ersten Schuljahrs gelang es uns den Stein der Weisen zu beschützen und es kostete uns fast das Leben. Im Alter von 12 Jahren kämpfte ich gegen einen Basilisken, mit 13 gegen Dementoren, mit 14 musste ich gegen meinen Willen am Trimagischen Turnier teilnehmen, mit 15 benutzte Voldemort meine Träume um mich in eine Falle zu locken… es klingt wirklich nach Ironie, doch erst nachdem es Sirius das Leben gekostet hat, dachte Dumbledore, dass dies nun der richtige Zeitpunkt ist, an dem ich diese schwere Last des Wissens tragen könne."

Harry lachte kurz und trocken auf, ehe er mit beißendem Sarkasmus weitersprach. „Einen prima Zeitpunkt hat er da gewählt, hätte nicht besser sein können! Das Ganze hat nur einen Haken: inzwischen glaube ich ihnen nicht mehr! Ich weiß nicht, was sie mir noch alles verheimlichen, nur weil sie mich angeblich schützen wollen. Man brachte mich gegen meinen Willen hierher, weil man ja nur mein Bestes möchte, doch ich bin hier ein Gefangener. Die Wahrheit ist, dass sie nur lange genug mein Leben erhalten wollen, bis irgendwann einmal die reelle Chance besteht, dass ich sie von Voldemort befreie!"

„Das sind harte Worte, Harry!", seufzte Andrea und versuchte gewaltsam ihre eigenen Tränen niederzukämpfen.

„Aber es ist die Wahrheit!", sagte Harry mit brechender Stimme und schloss die Augen, als könnte er damit die Welt um sich herum aussperren. Lange Zeit sagte keiner von beiden ein Wort; Harry  um seine aufgewühlten Gefühle wieder zu beruhigen und Andrea, weil sie wusste, dass jedes weitere Wort für den Augenblick überflüssig war. Nur das leise Surren des Dynamos durchbrach die Stille, bis sich plötzlich Harrys Haltung straffte und er sie flehend ansah. „Bitte, helfen sie mir! Ich muss wissen ob Sirius noch lebt. Ich bin schuld, dass er…"

„Nein, das bist du nicht, Harry!", unterbrach ihn Andrea energisch und griff unerwartet nach seiner Hand, die sie so fest drückte, dass es für einen kurzen Moment fast wehtat. „Ich möchte, dass du mir jetzt ganz genau zuhörst! Du versuchtest deinen Paten zu retten und konntest in jenem Augenblick keine andere Möglichkeit sehen, als die, ins Zauberministerium zu gehen. Du hast nach deinem Herzen gehandelt, genau wie Sirius, in dem er dir gefolgt ist. Niemand konnte wissen was geschieht und niemand kann dir Vorwürfe machen, wenn du den Menschen retten möchtest, der dir so nahe steht."

Andreas Reaktion kam für Harry so unerwartet und heftig, dass er sie einen Moment lang nur entgeistert ansah, bis er den Blick senkte und tief seufzte. „So einfach ist das nicht! Ich hätte es verhindern können….", sagte er leise und krallte die Finger seiner freien Hand so fest in die Polsterung des Sessels, dass seine Knöchel weiß hervor traten. „Es wäre alles anders gekommen, wenn ich…" Harry brach ab, als der dicke Kloß in seinem Hals jedes weitere Wort verhinderte.

„Vielleicht, vielleicht auch nicht!", seufzte Andrea, während sie noch immer seine Hand fest umschlossen hielt. „Der Mensch hat einen freien Geist, Harry, und deshalb müssen wir tagtäglich viele Entscheidungen treffen. Jede einzelne davon hat eine Auswirkung auf die folgenden Ereignisse, auch wenn wir uns dessen meistens nicht bewusst sind, oder es uns zu belanglos erscheint. Aber die Konsequenzen unseres Handelns sind so komplex, dass niemand von uns ahnt, was gewesen wäre, wenn wir uns anders entschieden hätten."

Als Harry nach einer Weile langsam nickte, seufzte Andrea erleichtert auf und gab nach kurzem Zögern seine Hand frei.

„Einiges von dem was du mir erzählt hast, kann ich sehr gut nachempfinden, weil ich es in ähnlicher Form erlebt habe. Aber… ich muss gestehen, ich weiß leider trotzdem nicht, wie ich dir wirklich helfen kann."

„Ich habe hier in der Bibliothek ein Buch gefunden und ich vermute, dass es sich bei dem Autor um ihren Ururgroßvater handelt."

Harry hielt ihr das Buch entgegen und als Andrea den Einband betrachtete, nickte sie verblüfft. „Ja, das ist eines seiner frühen Werke. Ich wusste gar nicht, dass davon überhaupt noch welche im Umlauf sind."

„Er beschreibt darin die Möglichkeit mit dem Jenseits in Kontakt zu treten."

„Ich weiß nicht, ob ihm das jemals gelungen ist", sagte Andrea zweifelnd. „Er war ein Theoretiker mit vielen verrückten Ideen, doch nur Wenige haben auch funktioniert."

„Auf Seite 180 steht eine Anleitung, man benötigt dafür ein bestimmtes Artefakt und ich wollte fragen, ob dieses Teil noch in Ihrem Besitz ist und wenn ja, ob Sie es mir leihen würden?"

Andrea blätterte auf die entsprechende Stelle und begann zu lesen. Ungeduldig wartete Harry, bis sie schließlich das Buch zur Seite legte und ihn nachdenklich ansah. „Dieses Amulett wird allgemein wegen seiner verschlungenen Linien als Schlangenschild bezeichnet. Es symbolisiert den Schöpfungsvorgang und soll den Eingang zur Anderwelt bewachen."

„Könnte ich es mir ausleihen?", fragte Harry spontan, doch im gleichen Moment bedauerte er schon diese hastig gestellte Frage. Etwas an der Art wie Andrea ihn ansah, irritierte ihn und plötzlich bedauerte er diese Bitte so direkt ausgesprochen zu haben. Für einen kleinen Augenblick schien Andrea über die Antwort nachzudenken, ehe sie langsam nickte.

„Ja, du könntest es dir ausleihen, doch bezweifle ich, dass es dir wirklich hilft. Ignaz beschreibt das Ritual, im Gegensatz zu den anderen, die ich von ihm kenne, sehr ungenau. Wie schon gesagt, es ist eines seiner frühen….aber warte mal….da fällt mir was dazu ein."

Andrea stand auf und begann die Bücher durchzusehen, die sich neben ihrem Schreibtisch am Boden stapelten, bis sie resignierend den Kopf schüttelte und die Kiste hervor zog, in der sich die restlichen Sachen ihres Haushalts befanden.

„Anastasia hat einige seiner Werke überarbeitest", murmelte sie mehr zu sich selbst, während sie in der Kiste wühlte, bis sie schließlich ein Buch in der Größe einer Streichholzschachte in der Hand hielt. „Meinst du, du könntest es in die richtige Größe zurückbringen?"

Harry nickte, zog seinen Zauberstab und tippte sacht dagegen, während er den entsprechenden Zauber murmelte. Mit einem leisen Plopp verwandelte sich das Buch zurück und nun konnte Harry sehen, dass es sich dabei um handschriftliche Aufzeichnungen handelte. Das Papier war vergilbt und an machen Stellen brüchig, so dass Andrea sehr  vorsichtig Seite für Seite umblätterte.

„Mir ist, als hätte ich über so ein ähnliches Ritual schon gelesen", sagte sie nachdenklich, während sie behutsam die einzelnen Blätter durchging. „Doch dies scheint es nicht zu sein."

„Ist dies auch ein Vermächtnis ihrer Großtante?", sagte Harry, der nach einiger Zeit seine Neugier nicht mehr zügeln konnte.

„Nein", grinste Andrea und plötzlich entstand ein spitzbübisches Lächeln auf ihrem Gesicht. „Es stammt direkt von meiner Urgroßmutter Anastasia. Ich habe es bereits vor länger Zeit aus dem alten Haus geholt und…" Sie brach ab, als müsse sie überlegen, wie viel sie ihm erzählen konnte, bis sie schließlich tief einatmete und nickte. „Nun das ist eine längere Geschichte, die ich dir später erzählen werde. Nur soviel vorab, ich fand eine Möglichkeit dieses Haus zu betreten und habe dies auch schon des Öfteren getan."

Andrea klappte, als sie auf der letzten Seite angekommen war das Buch zu und starrte einige Augenblicke ins Leere, bis Harry das Schweigen nicht mehr aushielt. Zu viele Fragen brannten ihn auf den Lippen, als dass er noch länger hätte warten können.

„Werden Sie mir helfen, Andrea?"

„Ich werde es versuchen, doch dazu brauchen wir genauere Informationen. Auch wenn dies ein relativ harmloses Ritual ist, sollten wir trotzdem die nötige Umsicht walten lassen. Außerdem möchte ich, dass du dir vorher über ein paar Dinge Gedanken machst. Zum einen, kann es sein, dass dieses Ritual nicht funktioniert und wir am Ende genauso viel wissen wie zuvor. Es besteht aber auch die Möglichkeit, dass wir erfahren, dass dein Pate sich nicht im Jenseits befindet und dann werden wir gezwungen sein mit einem erfahrenen Zauberer zu sprechen."

„Ich weiß!", nickte Harry niedergeschlagen.

„Zum anderen denke ich, dass Hermine und Ron sehr schnell spitz kriegen, was du anstrebst. Vorbereitungen dieser Art sind zeitaufwendig und lassen sich schwer verheimlichen, wenn man auf engen Raum zusammen lebt."

„Kann sein", gab Harry widerstrebend zu. „Eigentlich wollte ich sie da raushalten."

„Hm, denk einfach darüber nach! Zwischenzeitlich werde ich mal nach dem richtigen Buch suchen."

Sie stand mit einem leichten Schmunzeln auf, trat an ihren Schreibtisch und zog das Pentagramm, das Harry bereits in ihrer Wohnung gesehen hatte, aus der obersten Schublade.

„Sie wollen in das alte Haus gehen?", stieß Harry verblüfft aus, als ihm bewusst wurde wo sie suchen wollte. „Man wird nicht begeistert sein, wenn Sie den Grimmauld Place so ohne weiteres verlassen."

„Ich werde nicht um Erlaubnis fragen", antwortete sie in einem rätselhaft, verschwörerischen Ton und zwinkerte ihm kurz zu. „Du kannst hier warten, es wird nicht lange dauern!"

Noch ehe Harry genau begriff, was sie damit meinte, war Andrea auch schon verschwunden. Dies geschah ohne das leiseste Geräusch und so unvermittelt, dass Harry unwillkürlich nach Luft schnappte und verwirrt blinzelte. Einen Augenblick lang dachte er, sie hätte einen Tarnumhang übergeworfen, doch als er nach der Stelle griff, an der sie Sekunden zuvor gestanden hatte, war diese leer.

Fortsetzung folgt….. bald!

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Liebe Grüße von Sternchen!