17. Nächtlicher Ausflug

Dieses helle Aufblitzen war genauso schnell verschwunden wie es gekommen war, und als Ron und Hermine die Augen öffneten, sahen sie in die überraschten Gesichter von Andrea und Lupin. Für einen kurzen Augenblick glitt ein leises Lächeln über Andreas müdes Gesicht, doch dies verschwand rasch und machte dem Ausdruck der Besorgnis Platz.

„Ron, Hermine, was ist los? Was tut ihr um diese Zeit hier?", sagte Lupin und trat mit raschen Schritten auf sie zu.

„Wir suchen Harry", antwortete Hermine, während Ron noch immer verblüfft Andrea anstarrte. „Er ist nicht in seinem Bett und wir haben keine Ahnung wo…"

„Fehlt etwas von seinen persönlichen Sachen? Hat er seinen Zauberstab dabei?", fragte Lupin rasch.

„Ich weiß nicht…"

„Gut lasst uns das als Erstes überprüfen", unterbrach Lupin ihn und warf Andrea einen fragenden Blick zu.

„Ich bleib hier", nickte sie entschlossen und folgte Ron und Hermine zur Tür.

Kurze Zeit später hatten sie das Schlafzimmer der Jungs erreicht und Ron öffnete den Deckel von Harrys Hogwartskoffer. Es dauerte nicht lange, bis er sich wieder aufrichtete und Lupin mit entsetztem Gesicht ansah.

„Der Tarnumhang ist weg, ebenso sein Zauberstab und der Feuerblitz."

„Ich wusste es", jammerte Hermine und Tränen traten in ihre Augen. „Ich wusste, dass so etwas kommen würde. Sein ganzes Verhalten die letzten Tage…"

„Was meinst du mit, sein ganzes Verhalten? Was ist die letzten Tage vorgefallen?", mischte sich nun erstmals Andrea ein, und ihr Gesicht spiegelt die dunkle Vorahnung wieder, die sich in ihr breit machte. „Hat Harry mit Tonks gesprochen?"

„Wieso mit Tonks?", fragte Remus verwirrt, doch Ron schüttelte, ohne auf Lupins Frage einzugehen, den Kopf.

„Nein, zumindest hat er nichts darüber gesagt."

„Ich denke, dies war auch gar nicht mehr nötig", schniefte Hermine, deren Tränen inzwischen ungehindert die Wangen hinabliefen.

„Gut. Bitte der Reihe nach. Was war mit Tonks?", sagte nun Lupin und eine Spur von Ungeduld schwang in seiner Stimme mit.

„Wir haben zufällig ein Gespräch mit angehört, in dem sich Tonks mit Snape über die Schutzzauber in Grimmauld Place unterhalten hat", begann Ron und sank erschöpft auf Harrys Bett nieder. „Na ja, eigentlich war es eher ein Streit…"

„Versteh schon…und weiter?", sagte Lupin, dem langsam ein Licht aufging.

„Harry kam im Anschluss zu mir und hat mich um das Schlangenamulett gebeten, weil er Kontakt mit dem Jenseits aufnehmen wollte", setzte Andrea Rons Erklärung fort. „Das entsprechende Buch hat Harry in der Bibliothek gefunden und erkannt, dass es von meinem Ururgroßvater geschrieben wurde."

„Ihr habt ein Geisterbeschwörungsritual veranstaltet?", fragte Remus entsetzt, doch noch ehe er Weiteres sagen konnte, hatte ihm Andrea beruhigend die Hand auf den Arm gelegt.

„Es war nicht gefährlich, außerdem trug Harry während des Rituals das Herzstück meines Salomonschilds."

„Ein Salomonschild?", stieß Hermine verblüfft aus, offensichtlich schien ihr der Name etwas zu sagen.

„Ein Herzstück?" Auch Lupin war von dieser Eröffnung perplex, doch Andrea wehrte weitere Erklärungen ab.

„Später! Das Salomonschild ist jetzt nicht so wichtig…oder…", Andrea zögerte und biss sich unschlüssig auf die Lippe, ehe sie ergeben fortfuhr. „…nun vielleicht doch. An jenem Abend, an dem ich hier abreiste, kam Harry, um mir die beiden Amulette zurückzubringen. Ich bat ihn, das Herzstück einstweilen zu behalten und es für mich zu verwahren. Er trägt es über dem Herzen."

Lupin schnappte nach Luft und starrte sie überrascht an, bis er schließlich die Augen schloss und ungläubig den Kopf schüttelte. Ein leises Lächeln umspielte seine Lippen, als er die Augen wieder öffnete und ihr prüfend ins Gesicht blickte.

„Du weißt was dies bewirkt, nicht wahr?", sagte er leise und strich ihr sanft über die Schulter.

„Natürlich", nickte sie und erwiderte etwas verlegen seinen Blick, ehe sie sich erneut an Hermine wandte, die sie noch immer ratlos ansah. „Ich werde es euch später erklären, doch nun erzähl mal weiter. Ich vermute, dass es noch weitere Vorkommnisse gab."

„Ja", seufzte Hermine und sah Ron hilfesuchend an. „An dem Abend, an dem wir das Ritual durchziehen wollten, schlichen wir nach oben. Im vorletzten Stockwerk hörten wir plötzlich Schritte und haben uns im nächstbesten Zimmer versteckt. Silvers Zimmer um es genau zu sagen, und da… na ja, wir hörten, dass jemand genau in dieses Zimmer kam und sind unter das Bett geflüchtet. Snape und Silver kamen herein, und da hat Snape einige Sachen gesagt, die Harry vielleicht nicht hätte hören sollen."

„Was genau?", fragten Andrea und Remus wie aus einem Munde und so wiederholte Hermine die Unterhaltung, die sie zu dritt belauscht hatten. Lupins Gesicht wurde erst weiß und als Hermine geendet hatte, sog er die Luft scharf ein und in seinen Augen blitzte es wütend auf. Andrea schien genau das auszusprechen, was in Lupins Gesicht geschrieben stand.

„Dieser gottverdammte Bastrad! Für diese Sprüche könnte ich ihn umbringen. Was…"

„Jetzt nicht!", unterbrach Remus sie scharf und sah dann besorgt zu Ron und Hermine. „Wie hat Harry darauf reagiert?"

„Gar nicht", seufzte Ron. „Er sagte nur, dass er so eine Reaktion von Snape erwartet hatte."

„Nachdem Snape und Silver das Zimmer verlassen hatten, sind wir nach oben und haben das Ritual versucht. Es hat nicht geklappt, doch auch darauf zeigte Harry keine große Reaktion", erzählte Hermine weiter. „Er tut so, als würde all dies einfach an ihm abprallen. Selbst Chos Tod schien ihn nicht groß berührt zu haben."

„Die einzigen Male, in denen er erkennbar reagiert hat, waren der Morgen, an dem Rasul Andreas Brief las und dadurch das Gespräch auf die Schutzzauber kam und Mum Rasul mehr oder weniger den Mund verboten hat. Obwohl Harry so tut, als ob er sich damit abgefunden hätte, dass uns niemand was sagt, hat Mum da einen wunden Punkt getroffen und er hat ziemlich fluchtartig die Küche verlassen. Nun und das andre Mal, ist er ziemlich ausgerastet, als Hermine und Ginny ihn überreden wollten mit uns Karten zu spielen. Er hat sogar gedroht, ihnen einen Fluch auf den Hals zu hetzen, wenn sie ihn nicht endlich in Ruhe ließen."

„Ja und heute Abend kam er dann ins Wohnzimmer, als sei alles in bester Ordnung und fragte ob er mit Karten spielen könnte", sagte Hermine und sah ängstlich zu Lupin. „Wir haben keine Ahnung, was wirklich in seinem Kopf vorgeht. Wir haben versucht mit ihm zu reden aber…"

„Schon gut, Hermine", seufzte Remus und trat ans Fenster. „Ich habe so eine Ahnung, was Harry vorhaben könnte."

Ron und Hermine sah gespannt zu ihm hinüber, doch er führte seine Vermutung nicht weiter aus. Ihnen den Rücken zukehrend starrte er in die Nacht hinaus, als könnte er dort eine Antwort sehen, die allen anderen verborgen blieb.

„Du denkst, dass er zu diesem komischen Tor ist?", durchbrach plötzlich Andrea die Stille und ging auf ihn zu.

„Ja, das denke ich", bestätigte er leise, ohne sie anzusehen. Plötzlich straffte sich seine Haltung und er drehte sich entschlossen um. „Ron, Hermine, ihr beide geht nach oben und weckt Silver. Erzählt ihm was vorgefallen ist, er weiß was weiter zu tun ist. Andrea, du solltest nach Hause zurückkehren, bevor dich hier jemand sieht."

„Nein", widersprach ihm Andrea und schüttelte energisch den Kopf. „Nein ich werde mit dir mitkommen und außerdem würde ich dich bitten, vorläufig keinen Alarm zu schlagen. Wir müssen nicht den gesamten Orden in Aufruhr versetzen um ihn zurückzuholen. Bitte, Remus, denk daran, wie Harry sich fühlt."

Lupin sah sie einige Augenblicke unschlüssig an, bis er schließlich tief einatmete und leise nickte. „Gut, aber wenn wir ihn dort nicht finden, bleibt uns kaum eine Alternative."

Andrea nickte und drückte dankbar seine Hand. „Wir werden ihn finden", sagte sie fest, als müsse sie sich selbst Mut zusprechen.

„Na schön", seufzte Lupin und wandte sich erneut an Ron. „Wenn ihr bis zum Morgen nichts von uns gehört habt, informiert Silver. Bis dahin bleibt in der Nähe der Küche, es kann sein, dass wir über den Kamin mit euch Kontakt aufnehmen."

Einige Minuten später, schwangen sich Andrea und Lupin auf einen Besen und verschwanden in der Nacht. Hermine hatte den Morgenmantel fröstelnd enger um sich gezogen und sah ihnen besorgt hinterher, als Ron sie aus ihren Gedanken riss.

„Komisch, dass Lupin Andrea so ohne weitere Diskussionen mitnimmt. Als Muggel kann sie ihm eh nicht helfen."

„Ich denke, er wird seine Gründe dafür haben", sagte Hermine abwesend. „Außerdem scheint es da einiges zu geben, das wir nicht wissen."

* * * *

„Viel zu einfach", schoss es Harry durch den Kopf, als er den düsteren, kreisrunden Raum erreicht hatte. Nichts hatte sich seit dem letzen Mal verändert. Noch immer war alles schwarz um ihn herum, Boden, Wände und die Unzahl an völlig identisch aussehenden klinkenlosen Türen, dazwischen Wandleuchter mit Kerzen, deren blauleuchtende Flammen sich auf den schwarzen Marmorboden spiegelten und ihm das Aussehen einer dunklen Wasseroberfläche gaben. Den Zauberstab fest in der Hand, lauschte Harry in die Dunkelheit, doch um ihn herum herrschte vollkommene Stille. Niemand schien seine Anwesenheit bemerkt zu haben.

„Jetzt nur noch den richtigen Raum finden", sprach er sich selbst leise Mut zu, während er sich unschlüssig umsah. Für einen Augenblick blieb er stehen, als sich Türen und Wände mit einem Rumpeln zu einer erneuten Rotation bewegten. Kaum war jedoch diese Bewegung zuende, ging er entschlossen auf die nächstgelegene Tür zu. Wie nicht anders erwartet, war sie auch diesmal verschlossen; ließ sich jedoch mit einem einfachen Alohomora öffnen. Der Raum mit den Prophezeiungen lag vor ihm. Für einen kurzen Moment erinnerte er sich daran, wie dieser Raum nach dem Kampf ausgesehen hatte, doch inzwischen waren alle Spuren davon beseitigt. Glasmurmeln gleich schimmerten die Prophezeiungen in den langen, bis zur Decke reichenden Regalen, aber diese interessierten Harry nicht. Entschlossen kehrte er dem Raum den Rücken und versuchte es mit der nächsten Tür.

Für einen Moment wich Harry erschrocken zurück, als ihm beim Eintreten ein langes lila Band an der Nase vorbeiflog. Ganz eindeutig, in diesem Raum war er bei seinem ersten Aufenthalt hier nicht gewesen. Überall in der Luft schwebten bunte Tücher unterschiedlicher Größe und Farbe, als würden sie durch einen riesigen Ventilator umhergewirbelt. In Harry schlug eine innere Alarmglocke an, als sich ein weiteres orangefarbenes Tuch auf ihn zu bewegte und er zog rasch die Tür wieder zu. Was auch immer in diesem Raum steckte, so harmlos wie diese bunten Tücher aussahen, würde es sicher nicht sein. Ein leichter Schauer lief ihm über den Rücken, als er an Rons Zustand dachte, nachdem dieser von dem seltsamen Gehirn attackiert wurde.

Die Türen um ihn veränderten erneut ihre Position. Mit einem mulmigen Gefühl im Magen sah er sich um, doch er war noch immer allein. Seine Hand mit dem Zauberstab zitterte, dennoch ließ Harrys Zauberspruch die nächste Tür aufspringen. Ein kurzer Blick in den düsteren Raum genügte, um Harry zu zeigen, dass er auch hier falsch war, entschlossen wandte er sich ab und versuchte es mit einer anderen Tür.

„Alohomora", flüsterte er und diesmal hatte er Glück. Er befand sich in dem gesuchten Raum. Ohne ein Geräusch zu verursachen ging er hinein und schloss die Tür hinter sich. Achtlos den Tarnumhang und den Feuerblitz fallen lassend, starrte er gebannt auf das Tor unter ihm; Totenstille herrschte hier. Seine eigenen Schritte hallten unnatürlich laut von den Wänden des rechteckigen Raums, als er sich langsam in Bewegung setzte. Der Weg über die Treppen nach unten erschien ihm diesmal unendlich lang zu sein, fast so, als würde sich das Podium mit der gleichen Geschwindigkeit entfernen, wie er darauf zuging. Einen Augenblick hielt er inne, denn er war sich sicher, ein Geräusch von oben gehört zu haben, doch so sehr er auch lauschte, nun war nichts mehr zu hören. Vorsichtig ging er weiter und nur das Knirschen seiner eigenen Schritte auf dem leicht sandigen Boden war zu vernehmen. Seinem Gefühl nach, mussten es Stunden gewesen sein, die er gebraucht hatte, um das steinerne Podest, auf dem der Torbogen stand, zu erreichen.

Mit einem letzten Blick zurück, vergewisserte sich Harry, dass er wirklich allein war und näherte er sich mit unsicheren Schritten dem Tor. Majestätisch ragte es vor ihm in die Höhe, während der alte, zerlumpte Schleier von einem imaginären Luftzug bewegt wurde. Auch wenn der Bogen sehr alt und marode, ja schon fast baufällig aussah, hatte er für Harry doch etwas Vertrautes. Was auch immer hinter diesem alten Vorhang verborgen sein mochte, es machte Harry keine Angst, im Gegenteil ein beinahe vergessenes Gefühl von Glück durchströmte ihn, je näher er dem Torbogen kam.

Wieder hörte er die flüsternden Stimmen hinter dem Schleier und diesmal war er sich fast sicher, ein unterdrücktes Lachen zu hören. Angespannt lauschte er, doch so sehr er sich auch konzentrierte, er verstand die einzelnen Worte nicht.

„Sirius!", flüsterte er, aber er erhielt keine Antwort. „Sirius!"

Er ging noch einen Schritt näher heran, konnte den steinernen Bogen fast berühren. „Sirius, bist du da? Kannst du mich hören? Sirius!", versuchte er es etwas lauter und seine eigene Stimme donnerte von den Wänden zurück.

Ungeduldig wartete er, bis seine eigene Stimme verhallt war und begann dann von neuem.

„Sirius!"

Erneut drang ein Wispern an sein Ohr, doch diesmal hatte er den Eindruck, dass es näher an ihn heran kam.

„Bitte, wenn du mich hörst, dann gib mir ein Zeichen", flehte er und legte die Hand auf den rauen Steinbogen. Feiner Staub rieselte von dem alten Mauerwerk, doch er erhielt auch diesmal keine Antwort. Irgendwo aus der Ferne drang ein Knirschen an Harrys Ohr, doch er hätte nicht sagen können, wo dieses Geräusch wirklich her kam.

„Sirius! Ich brauche dich, ich schaff das nicht allein."

Das Geflüster hinter dem Bogen verstärkte sich und wenn er auch kein einziges Wort verstehen konnte, so löste es doch ein warmes Gefühl von Glück in Harrys Herzen aus.

„In Ordnung!", sagte er fest und atmete tief ein. „Ich werde jetzt durch dieses Tor gehen und… und…hoffe, dass du…"

Er brach ab und starrte auf den seltsamen Schleier. Hatte dieser sich gerade stärker bewegt? Sein Kopf begann zu schwirren und in seinen Ohren sauste es, als wäre ein Schwarm Bienen hinein geflogen.

„Harry!", hörte er aus weiter Entfernung, eine vertraute Stimme seinen Namen rufen und unwillkürlich schüttelte er den Kopf um das Rauschen in seinen Ohren zu vertreiben.

„Sirius?"

Zaghaft streckte Harry die Hand aus und berührte den Vorhang, er fühlte sich merkwürdig leicht an. Eine Moment lang dachte er, dass er den Schleier noch gar nicht berührt hätte, so federleicht war der Kontakt gewesen. Unerwartet wurde ihm schwindlig, vor seinen Augen begann sich alles zu drehen und eine Sekunde später wurde ihm bewusst, dass er zu schweben begann. Seine Füße verloren den Kontakt zum Boden und ohne sich dagegen wehren zu können, trieb er plötzlich davon.

Fortsetzung folgt……….

Autor Note: Weiß schon, der Cliffhanger ist ein bisschen gemein….aber ich verspreche, ganz schnell weiter zu schreiben!

Vielen Dank für die lieben Reviews! Freu mich auch weiterhin euere Meinung dazu zu lesen!

Liebe Grüße von Sternchen!       (die nun genauso ungeduldig auf euere Reviews wartet, wie manche von euch auf das nächste Kapitel! Und vorsichtshalber eine große Flasche Baldrina für Kirilein bereitstellt.) *sfg*