KAPITEL1

Der Regen fiel hart und unerbittlich herab. Ein Vorhang eng um die Stadt gewunden. Es war kalt und windig. Längst hatten sich alle in die Häuser verzogen, um das Unwetter abzuwarten. Gemütlich saßen sie jetzt vor ihren Feuern, und belächelten die Natur. Ein kleiner Junge lief kurz heraus, und trieb mit lauten Rufen eine Ziege zurück in den warmen Stall, bevor er sich selbst schleunigst wieder ins Haus rettete. Die wenigen Wachen die auf den hohen Mauern Minas Tirith's tapfer ihren Dienst taten...Arwen konnte sehen wie kalt ihnen war. Sie spürte ihren Ärger und ihr Unbehagen. Seltsam... Warum hassten die Menschen den Regen so sehr? Warum versteckten sie sich, wenn er fiel? Er war doch nichts Böses...im Gegenteil. Eine Erlösung des Himmels. Die Luft roch nach Regen wunderbar frisch. Und wenn die Sonne wieder bequem und langsam hinter den Wolken auftauchte, und ihre Strahlen sich in den Regentropfen, die noch überall hingen brachen, schien die Welt wie mit Kristallen bestückt. Der Regen brachte das Leben. Sie konnten es leugnen, aber eine Existenz ohne ihn gab es nicht. Sie hatte schon oft gehört, das Menschen sich davor fürchteten nass zu werden...wie töricht! Warum? Dieses Wort: Warum...wie seltsam es doch jetzt klang. Jetzt, da es ihr schon so oft durch den Kopf gegangen war... Die Sicht auf die Welt aus ihrem Gemach, hoch oben im Palast, stellte sich Arwen wie durch einen Schleier dar. Geräusche waren gedämpft, und ihr Blick war verschwommen, denn das Glas der Fenster beschlug langsam unter ihrem warmen Atem. Eine weitere Torheit...Fenster mit Glas...verschlossen. Was, fürchteten die Menschen denn, könnte herein kommen, wenn sie offen waren? Kälte? Wind? Ah, ja....Menschen froren ja... Ein Gefängnis. Verschlossene Fenster. Ihr ganzes Gemach, der Palast die Stadt, Die Welt. Alles schien zur Zeit gefangen zu halten. Und sie konnte nicht entkommen. Was hielt sie noch hier? Jetzt da er fort war...? Simple Fragen...so einfach! Und doch, keine Antwort. Tage vorher schon, war es zu spüren gewesen. Seine Rückkehr in Mandos Hallen, war nur noch eine Frage der Zeit gewesen. Sie hatte sich darauf vorbereitet, schon seit sie ihre Wahl getroffen hatte. Trotzdem, taten alle Vorbereitungen nicht genug, um den Schmerz zu heilen der sie zerriss. Grau und schwer... Sie war müde. Müde hier zu sein. Müde weiter Verfall, Angst, Krieg und Verlust mit an zusehen. Freude war verschwunden... Kraft vergangen... Ein Universum, gefallen an einem Tag. Nur Mauern aus Stein, Trauer und Wut waren geblieben. Wut. Still, verdrängt...aber stets gegenwärtig. Leise Gedanken, die sie niemals wagen würde auszusprechen. Wie konnte er sie allein lassen? Einfach hier zurück? Er hatte seine Ruhe...wie egoistisch. Konnte er nicht ihre Trauer verstehen? Konnte er nicht ihren Schmerz ermessen, als sie sehen musste wie ihr Mann langsam verging? Und wenn er schon ging, konnte er dann nicht einfach verschwinden? Musste er noch immer hier sein und sie quälen...bis sie sich auf dem Boden wand? Es war so rein, so nah, so betäubend. Tötend und doch am Leben erhaltend. Quälend. Und obwohl sich der Tag in Taubheit, Müdigkeit und Schwärze dahinzog, war doch nichts schlimmer als die Nacht. Nichts um sich abzulenken, keiner zum Reden. Sie war allein mit der Nacht. Es fehlte einfach alles. Das Licht, das immer er zuletzt ausgelöscht hatte. Die Geräusche die sie beim Schlaf immer vernommen hatte, und die immer Sicherheit bedeuteten. Seine Wärme, sein Atem. Das Gewicht des Körpers neben ihr im Bett. Ihre andere Hälfte, alles was sie wusste und kannte war in einem Moment, nur ein Augenzwinkern lang, verschwunden. Gefallen, Zerbrochen... Arwen spürte Tränen in sich aufsteigen, doch als Schritte auf dem Flur näher kamen, schluckte sie sie herunter und erhob sich von dem Stuhl auf dem sie die ganze Zeit gesessen hatte. Der Regen würde weiter fallen. Vielleicht noch die ganze Nacht hindurch. Wie erwartet öffnete sich die Tür, und Arwen konnte die kleinen Schuhe einer Zofe auf dem Boden hören. "Mylady? Ist alles in Ordnung?" die Stimme der jungen Frau klang klein, und besorgt. "Ja." " Das Abendmahl ist vorbereitet. Wollt ihr es hier zu euch nehmen? Ich kann es hochschicken lassen." Arwen schloss kurz die Augen, ermahnte sich selbst und drehte sich um. "Nein, ich machte euch bereits genug Umstände. Ich werde im Speisesaal essen, so wie immer." Sie versuchte, das letzte bisschen Zuversicht, das sie hatte in ein Lächeln zu legen. Es fühlte sich nicht einmal für sie selbst glaubhaft an...

Arwen hasste den Speisesaal. Aber erst seid ein paar Tagen...vorher hatte sie ihn geliebt. Jetzt war es nur noch ein monotones Auftragen von Speisen... stilles Aufnehmen der Nahrung...nichts weiter...nicht mehr als eine lebenserhaltende Maßnahme. Noch nie war ihr dieser Saal kälter, größer und lauter vorgekommen. Wenn sie etwas mit dem Messer zerschnitt, oder ihr Glas wieder auf dem Tisch abstellte schien ein einfacher kleiner Ton ins unermessliche zu wachsen, furchteinflößend und kalt zu werden. Langsam wabberte er durch den Raum, wie ein Geist. Bevor er irgendwo schließlich verklang. Die Gemälde an der Wand. Gesichter alter großer Könige und Statthalter. Sie alle starrten. Mit ihren kalten Augen aus Ölfarbe, auf diese kindische, alleingelassene Frau die in Kummer und Selbstmitleid zerfloss. Wie lachhaft musste sie hier aussehen? Alleine in diesem großen Raum. Bedienstete hatten so viele Gänge aufgetragen. Für wen? Sie alleine? Was erhofften sie sich davon? Das ihr Schmerz gelindert wurde, das es ihr vielleicht gar nicht auffiel das ihr Mann nicht mehr da war? Warum taten sie so, als sei alles wie vorher? Wie konnten sie nur?! Arwen hätte sowieso nicht viel zu sich genommen. Allein weil ihr Hunger sich in Grenzen hielt und vor allem weil der ganze Saal, der ganze Palast über sie zu lachen schien... Sie wollte weg von hier. Nach dem Essen folgte eine formelle Bestandsaufnahme. Ein paar Zahlen...über die Wirtschaft der Stadt, Verteidigung, Ernte, Handel. Ja...natürlich. Hatten diese Sachen wirklich Bedeutung? Hatten sie sie jemals gehabt? Wenn ja, war es für sie nun unerkennbar. Das Leben musste weiterlaufen. Nur sie blieb auf der Stelle stehen. Zurückgelassen...Vom Weg abgekommen. Ein stiller Schrei, auf den niemand achtete. Wieso sollten sie auch...

Die Dunkelheit rollte sich wie eine Welle still, fast heimlich, über das Land. Eine Decke, dumpf und einschläfernd. Beängstigend und doch schön... In dieser Nacht war der Himmel immer noch verhangen, und der Regen hatte zugenommen. Die weiße Stadt war beleuchtet und nur wenig tat sich auf den Straßen. Weder Sterne noch Mond hatten eine Chance gegen das Unwetter anzuscheinen. Trotzdem hatten Nacht und Regen an diesem Abend eine seltsame Schönheit und einen seltsamen Zauber. Und obwohl Straßen und Wege völlig aufgeweicht waren und es eine klirrend kalte Nacht zu werden schien, zog es Arwen nach draußen. Sie wusste nicht wieso, aber frische Luft, belebte und klärte den Kopf. Leise legte sie sich einen Mantel um, zog die Kapuze tief ins Gesicht und schaffte es durch dunkle Gänge, um Ecken und über versteckte Treppen einen Weg nach draußen zu finden. In der Stadt regte sich nicht viel, zu dieser späten Zeit. Ein Karren gezogen von zwei Ochsen kreuzte Arwen's Weg. Und ihr Führer ein verschrobener, mit Narben gezeichneter, hagerer Mann erkannte sie nicht. Er hob nicht einmal den Blick. Der Boden der gepflasterten Straßen war glatt, und wäre sie nicht eine Elbin, hätte sie öfter als einmal ihr Gleichgewicht verloren. Doch einiger ihrer früheren Fähigkeiten, hatten sich mit ihrer Wahl ebenfalls langsam zurückgezogen. So zum Beispiel, glaubte sie an diesem Abend zu frieren. Noch niemals war ihr in einem einfachen Regen kalt geworden. Vielleicht aber war es auch die Trauer die sie immer wieder erschaudern ließ. Trauer schwer wie der Regen, niederfallend und hinwegspülend. Ein verschwinden von Erinnerungen, erstickt in Kummer... Sie war auf dem Weg zum Stadttor. Ein kleiner Spaziergang außerhalb der Stadt würde Abwechslung...vielleicht auch Linderung, oder zumindest Vergessen bringen. Wie erlösend doch Vergessen war. Plötzlich ertönte ein lauter Ruf von den Stadtmauern herab. Das Horn wurde geblasen. Ein kurzer einfacher Ton. Kein Zeichen für einen Angriff oder Wachablösung, nein. Reisende erreichten die Stadt. Arwen trat aus ihrem Versteck, einer kleinen Seitenstraße heraus und streifte die Kapuze ihres Mantels ab. Das Tor wurde mit lautem Knarren geöffnet und sie hatte freie Sicht. Statt einer kleinen Gruppe, kehrte nur ein einzelner Reiter in die Stadt ein. Der weiße Hengst der ihn mit aufgerichtetem Hals trug wurde ohne Sattel und Zaumzeug geritten. Ein Elb. Arwen kannte dieses Pferd. Nachdem das Tor hinter ihm geschlossen wurde, schwang sich der Reiter leicht vom Rücken des Pferdes, klopfte dem Tier den Hals und streifte ebenfalls seine Kapuze ab. Er war völlig durchnässt. Wasser tropfte an den Goldblonden Haaren zum Boden herab. Legolas, Prinz Düsterwaldes und König der Wälder Ithiliens war nach Minas Tirith gereist. Er drehte sich um und sah sie an. Tränen füllten ihr Augen. Und als Arwen auf ihn zulief, die Arme um ihn schlang und er die Umarmung erwiderte, schien der Regen, zumindest für heute Nacht, an Kraft zu verlieren.

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Wie wird Zofe eigentlich geschrieben?? Ist es so richtig?? Keine Ahnung.. Jedenfalls folgt bald Kapitel Zwei. Und ich bedanke mich bei allen für die bisher sehr netten Reviews! *großeumarmung*

Verlin