Kapitel Sechzehn

Es war schon Mittag als Haldir an Orophins Zimmertür klopfte. Nachdem er keine Antwort erhalten hatte, öffnete er die Tür und erstarrte. Ungläubig ging er langsam auf das Bett zu, in dem noch immer schlafen und eng aneinander gekuschelt Soreya und Orophin lagen. Er wollte schon was sagen, besinnte sich eines Besseren und verließ das Zimmer wieder. Die Tür schloss er mit einem lauten Knall und lief den Gang entlang in Richtung Ausgang. Wie konnte sie nur. Mit seinem Bruder. Er verstand die Welt nicht mehr und musste einfach nur noch hier raus.

Von dem lauten Knall wach geworden, setzte sich Soreya auf und rieb sich den Schlaf aus den Augen. Sie blickte neben sich und merkte, dass auch Orophin wach geworden war und sich ausgiebig streckte. „Morgen" murmelte sie und legte sich wieder hin. „Morgen" sagte er und zog sie automatisch wieder zu sich hin. Sogleich kuschelte sich Soreya an ihn und schloss die Augen. Zärtlich strich er ihr über den Rücken und tupfte ab und zu ein paar Küsse auf ihr seidiges Haar. Seine Lippen wanderten langsam nach unten, berührten erst ihre Stirn und dann ihre Nase. Soreya legte ihren Kopf in den Nacken und Orophin küsste sie auf den Mund. Die Küsse wurden leidenschaftlicher und sie begann sein Hemd aufzuknöpfen, welches sie ihm auszog und auf den Boden warf. Auch Orophin hatte ihr Hemd inzwischen geöffnet und bedeckte zärtlich ihr Gesicht und ihren Hals mit Küssen.

„Orophin" „Was ist?" antwortete er und tupfte weiterhin Küsse auf ihre Haut.

„Wir sollten lieber aufhören" flüsterte sie und vergrub ihre Finger in seinem Haar. Als er nicht reagierte und weiter nach unten wanderte, zog sie ihn kurzerhand zu sich nach oben. „Du hast Recht; tut mir leid, ich hab mich gehen lassen" meinte er und knöpfte ihr Hemd zu. Langsam stand er auf und zog sich an. „Ich glaube zu wissen, wer vorhin mit der Tür geknallt hatte. Ich werde ihn suchen und mit ihm reden" sagte Orophin und küsste sie ein letztes Mal. „Danke." Er lächelte und verließ kurz darauf das Zimmer. Langsam stand auch sie auf, um nach Haldir zu sehen.

Orophin wusste genau, wo er ihn suchen musste. Nein, nicht draußen in den Wäldern oder gar in seinem Zimmer. Er war wie immer, wenn ihm etwas nicht passte in dem kleinen, dunklen Zimmer, mit den vielen Büchern; in seiner kleinen privaten Bibliothek. Langsam öffnete er die Tür und sah ihn schon auf einem Stuhl sitzen und zum Fenster hinaus sehen; Er starrte regelrecht nach draußen und war so sehr in Gedanken versunken, das er ihn erst bemerkte, als er seine Hand auf seine Schulter legte. „Ich muss mit dir reden" begann Orophin und setzte sich neben ihn. „Es hat doch alles keinen Sinn mehr" sagte er ganz leise und ließ den Kopf hängen. „Doch, es hat noch einen Sinn und ich weiß, dass du sie über alles liebst. Tue dir einen Gefallen und hör dir an, was ich zu sagen habe und dann urteile" redete Orophin weiter und Haldir nickte nur.

In der Zwischenzeit hatte Soreya beide gefunden und beobachtete sie durch den kleinen Spalt, die die Tür offen stand. Am liebsten wäre sie ins Zimmer gestürmt, aber sie sollte sich zurück halten und eigentlich in ihr Zimmer gehen.

„Es ist nichts, rein gar nichts zwischen mir und ihr gelaufen. Ich hab gestern eueren Streit mitbekommen und nachdem sie fluchtartig das Zimmer verlassen hatte, hab ich nach ihr gesehen. Ich hab sie in mein Zimmer gebracht und als sie sich wieder beruhigt hatte, wollte ich sie zurück bringen, aber sie wollte nicht und so hat sie bei mir übernachtet." „Toll; hat sie dir das eingeredet? Wie kann sie nur. Mit meinem Bruder steigt sie schon ins Bett" murmelte Haldir und schüttelte den Kopf.

„Wieso willst du mir nicht glauben. Was hätte ich davon, wenn ich sie verteidige" sprach er weiter und hätte auch beinahe aufgegeben, wäre ihm nicht noch was eingefallen. „Weißt du noch, als wir dich an der westlichen Grenze besucht hatten. Da hast du selber gesagt, da sie sich im Schlaf an allem festklammert, was in ihrer Nähe liegt" meinte er und versuchte ihm zu beweisen, dass nichts gelaufen war. „Genau, da hat es anscheinend schon angefangen zwischen Euch" erwiderte er und sah ihn das erste mal an. Orophin hatte ihn noch nie so gesehen. Er war am Boden zerstört und wusste nicht mehr wem er was glauben sollte. Alles wurde ihm langsam zuviel und er schaffte es anscheinend nicht mehr, die Versammlung, Soreya, er und dieser verdammte Krieg.

Auch Soreya fuhr erschrocken zusammen, als sie sein Gesicht sah und brach vor der Tür lautlos zusammen. Die ersten Tränen liefen ihr übers Gesicht und mühsam versuchte sie ein Schluchzen zu unterdrücken. Haldir blickte zu Tür, stand auf und schloss diese ganz.

Erschrocken sprang sie auf und lief so schnell sie konnte weg. Nach wenigen Metern brach sie wieder zusammen und blieb im Flur sitzen. Es war auch ihr langsam zuviel und so fasste sie den Entschluss zu gehen; ja, sie würde gehen und dann hätte er seine Ruhe, müsste sich nicht andauernd Ärgern und hätte ein Problem weniger; es herrschte Krieg im Land und er hatte bestimmt was besseres vor, als nachts auf sie zu warten oder sich um sie Sorgen zu machen; langsam versuchte sie wieder aufzustehen, aber der nächste Weinkrampf schüttelte sie und so fiel sie zurück auf den Boden und versuchte sich wieder beruhigen.

„Haldir, geh zu ihr und rede mit ihr. Sie ist in ihrem Zimmer. Haldir, ich weiß ganz genau, wenn sie weg sein wird, machst du dir und mir Vorwürfe; ich kenn dich; bitte geh zu ihr" redete Orophin weiter auf ihn ein, doch langsam war er es leid und so stand er auf und ging zur Tür. Ein letztes Mal drehte er sich noch mal um. „Geh zu ihr, bevor sie weg ist" sagte er ein letztes Mal und verließ das Zimmer. Draußen erfuhr er, dass er sofort zu Galadriel gehen sollte und so machte er sich auf den Weg.

Haldir saß noch eine Zeit lang in dem kleinen Zimmer und überlegte lange, was er nun machen solle. Ja, er hatte einen Entschluss gefasst; er würde noch mal mit ihr reden, bis jetzt hatte sie ihm ja immer die Wahrheit gesagt, außerdem würde er es bestimmt merken, wenn sie ihn anlog; falls dies der Fall sein sollte, könne sie gleich ihre Sachen packen und gehen. Entschlossen stand er auf und machte sich auf den Weg zu ihrem Zimmer.

Nach wenigen Minuten hatte sich Soreya wieder soweit eingefangen, dass sie aufstehen und langsam zu ihrem Zimmer gehen konnte. Ab und zu musste sie stehen bleiben, um einen erneuten Weinkrampf zu unterdrücken. Sie bemerkte nicht, dass Haldir nur wenige Meter hinter ihr stand und sie genau beobachtete. Ihre Kleidung war zerknautscht, als wenn man in ihr geschlafen hätte; wahrscheinlich machte sie sich wieder Vorwürfe. Aber sie hatte nicht alleine daran Schuld. Nein, er war eifersüchtig, sogar auf seinen Bruder. Nie hätte er gedacht, dass er so eifersüchtig sein konnte.

Wieder schleppte sie sich ein paar Meter weiter, die Tür zu ihrem Zimmer war in Reichweite und mit aller letzter Kraft stolperte sie hinein und blieb erschöpft auf dem Bett liegen.

Langsam näherte er sich ihrem Zimmer und blieb kurz davor stehen.

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