1. Schwarze Magie
Die neue Lehrerin für Verteidigung gegen die dunklen Künste hatte ihn zu sich bestellt. „Mr. Malfoy, ich muss mit Ihnen sprechen, es geht um Ihren Sohn, hätten Sie demnächst einmal Zeit, in meine Sprechstunde zu kommen?" Natürlich hatte er keine Zeit für solche Dinge, was gingen ihn die dummen Streiche an, die Jungen in seinem Alter vielleicht ausheckten, eine Lehrerin sollte damit schon selber zurechtkommen, ohne gleich die Eltern zu bemühen. Aber nein, sie nannte ihm einen Termin, zu dem er doch bitte erscheinen sollte. Er hatte wirklich Wichtigeres zu tun. Es war ein entscheidender Moment für seine Karriere im Ministerium, er wollte auf einem strategisch wichtigen Posten sitzen, wenn es soweit sein würde, wenn der, dessen Name nicht genannt werden durfte, wieder die Macht ergreifen würde. Dann hätten die Weasleys und Dumbledores endlich auch einmal das Nachsehen, und die Gesellschaft würde von allen fremden Einflüssen gereinigt.
Er öffnete die Tür zum Büro dieser- wie hieß diese Frau gleich wieder?- und trat ein.
Der Besucher hatte nicht geklopft, stürmte einfach zur Tür hinein, was bildet der sich ein, dachte sie, als er mit einigen großen Schritten den Raum durchmaß, als wollte er ihr Büro in Besitz nehmen. Dann stellte er sich vor ihr auf, und fragte ungeduldig, worum es ginge, er habe seine Zeit nicht gestohlen, ob sie es bitte kurz machen könne.
Hochgewachsen, schlank, ganz in Schwarz gekleidet, stand er vor ihrem Schreibtisch und blickte mit kühlen graublauen Augen auf sie herab, langes weißes Haar fiel über seinen weiten Umhang, nach hinten zurückgekämmt, gab es seine hohe Stirn frei. Mit den Händen unterstrich er seine Worte, und nun wartete er auf ihre Antwort, äußerlich ruhig, aber seine Augen verrieten seine Ungeduld.
Sie erhob sich von ihrem Stuhl, so dass sie sich auf gleicher Höhe mit ihm befand, zwang sich, seinem Blick nicht auszuweichen, und sagte ruhig :"Ihr Sohn, Mr. Malfoy, hat in der Schule mit den dunklen Künsten experimentiert."
Spöttisch hoben sich seine Mundwinkel, wenn's weiter nichts ist, schien er sagen zu wollen… Sie fuhr fort: „Sie wissen, dass wir in unserer Schule strikte Grenzen gesetzt haben, und ich möchte Sie bitten, Ihren Sohn darauf hinzuweisen."
„Nun ja", sagte er," nicht alle setzen diese Grenzen in der gleichen Weise, es ist durchaus Ansichtssache, welcher Stoff gelehrt werden kann." Er hörte nicht auf, sie mit seinem Blick zu fixieren.
Dieser Mann nimmt mir den Atem, dachte sie, und fühlte, wie er sie durch seinen Blick, seine Präsenz, seine Worte, in die Enge drängen wollte. Aber das durfte sie nicht zulassen, sie musste standhalten, schließlich ging es um ihre Autorität gegenüber den Schülern, und die Prinzipien der Schule, die sie hier und jetzt zu vertreten hatte.
Sie erwiderte: „Es mag ja Ansichtssache sein, aber in dieser Schule ist eindeutig definiert, was zum Lehrstoff gehört und was nicht, und Ihnen als Mitglied des Schulrates dürfte das auch bekannt sein. Ich gehe davon aus, dass Sie Ihrem Sohn das begreiflich machen können."
Er war es nicht gewohnt, dass andere ihm so direkt entgegentraten. Die meisten Menschen waren von seinem Auftreten eingeschüchtert, und es gelang ihm im allgemeinen ohne Schwierigkeiten, andere von seinen Ansichten zu überzeugen und seine Pläne durchzusetzen. Diese Frau wagte es, ihm zu widersprechen, ihm vorzuschreiben, wie er sich verhalten sollte, sich in seine Erziehungsaufgaben einzumischen. Noch dazu gab sie ihm zu verstehen, dass sie durchaus wusste, auf welcher Seite er stand, und nicht nur das, sie zeigte ihm unmissverständlich, dass sie es nicht dulden würde, wenn sein Sohn oder er selbst sich nicht an die Regeln hielten. Zorn loderte in ihm auf, aber sofort zügelte er seine Gefühle, es war nicht klug, seine wahren Absichten zu zeigen, er würde warten müssen, bis seine Zeit gekommen wäre.
„Selbstverständlich", sagte er kühl, „ ich werde mit meinem Sohn sprechen, und der Vorfall wird sich nicht wiederholen."
„Danke", sagte sie, „und danke, dass Sie sich die Zeit für dieses Gespräch genommen haben." Aber da war er schon ohne ein weiteres Wort hinausgestürmt, und hinter ihm fiel die Tür krachend ins Schloss.
Was nimmt sich dieser Mann heraus, dachte sie empört, wie kann jemand so unhöflich, überheblich und arrogant sein, fragte sie sich. Wütend lief sie in ihrem Büro auf und ab, bis sie sich schließlich auf ihren Stuhl fallen ließ. Erst einmal musste sie sich wieder beruhigen, ihre Gedanken ordnen. Sie griff nach dem magischen Spiegel, der wie immer zunächst ihr Bild zurückwarf, dann aber ihre Gedanken zeigte. Wie in einem Kaleidoskop wirbelten die Bilder herum. Draco und seine schwarze Magie, sein Trotz, als sie ihn zurechtwies, die gleichen Augen wie sein Vater, der gleiche überhebliche, spöttische Blick, ihre Wut, ihre Ahnung, schwarze Magie, auch beim Vater, eine dunkle Aura umgab diesen Mann… Dann wirbelten alle Bilder durcheinander, der Spiegel verdunkelte sich für einen Moment, dann wurde er wieder klar und zeigte ein einziges deutliches Bild:
Da stand Lucius Malfoy und hielt sie, die Lehrerin für Verteidigung gegen die dunklen Künste, in seinen Armen; er beugte sich über sie und war im Begriff, sie zu küssen.
Sie wollte den Spiegel schon auf den Boden schleudern, besann sich aber im letzten Moment und legte ihn behutsam, mit der Spiegelfläche nach unten, in eine Schublade, die sie sorgfältig verschloss.
