3. Aufforderung zum Tanz
Am Abend des Festes nach dem üppigen Bankett begann der große Ball und die Musikkappelle spielte zum Tanz auf. Aurora saß am Lehrertisch und unterhielt sich mit Albus Dumbledore, als Lucius Malfoy an den Tisch trat und sie zum Tanz aufforderte.
Sie war sprachlos. Vor ein paar Tagen in ihrem Büro hatte er sie seine Geringschätzung noch deutlich spüren lassen, und jetzt forderte er sie zum Tanz auf? Am liebsten hätte sie ihn zum Teufel geschickt, aber sie hatte schon feststellen können, dass er nicht nur dem Schulrat angehörte, sondern auch im Ministerium eine wichtige Position innehatte, also überall bekannt und geachtet, wenn nicht gar gefürchtet war… als Lehrerin der Schule konnte sie an diesem Abend kaum wagen, seine Aufforderung abzulehnen.
Also nickte sie nur und ließ sich von ihm auf die Tanzfläche führen. Die Musik setzte ein, und sie begannen zu tanzen. Mit den ersten Schritten waren alle ihre Gedanken plötzlich wie ausgelöscht, während sie sich im Rhythmus der Musik bewegten und er sie immer fester an sich zog, seine Haare ihr Gesicht streiften, seine Nähe ihr den Atem nahm…
Was war geschehen? War sie dabei, ein Opfer der dunklen Künste zu werden, sie, die sie Jahre des Studiums verbracht hatte, um schwarze Magie zu erkennen und abzuwehren? Was hatte er mit ihr vor? Warum hatte sie keine ihrer Kenntnisse und Fähigkeiten angewandt, obwohl sie doch vom ersten Augenblick an gewusst hatte, dass er auf der falschen Seite stand, in zweifelhafte Machenschaften verwickelt sein musste…es wäre ihr doch ein leichtes gewesen, mehr herauszufinden… Und nun? Hatte er sie verhext? Einen Fluch über sie gelegt? Wie hatte das geschehen können? Sie musste sich befreien…
Warum tue ich das, warum tanze ich mit dieser Frau, dachte er, als die Musik begann, und wieder stiegen Ärger und Ungeduld in ihm hoch, als er an die erste Begegnung mit ihr im Lehrerbüro dachte, aber nun aber hielt er sie in seinen Armen, und alles, was er noch denken konnte, war, dass sie ihm gehören musste, koste es, was es wolle. Wie war es möglich, dass sie eine solche Faszination auf ihn ausübte? Er hätte sich mit der Frage befassen müssen, ob sie einen Zauber verwendet, ihn unter ihren Einfluss gebracht hatte. Wusste sie von seinen geheimen Plänen? Was hatte sie vor? Handelte sie gar im Auftrag Dumbledores? Doch er konnte und wollte nicht über diese Fragen nachdenken, denn es beschäftigte ihn ein übermächtiger Gedanke: Er musste sie wiedersehen.
Als die Musik zu Ende war, löste sie sich von ihm und wollte sich verabschieden, aber er hielt sie zurück:
"Aurora, wenn Sie mir keinen zweiten Tanz gewähren, darf ich Sie dann am nächsten Wochenende zu einem Glas ins Silberne Einhorn einladen?"
Ohne zu antworten, riss sie sich los und ging an ihren Platz zurück.
Am Lehrertisch beugte Dumbledore sich zu ihr und bemerkte: „Ganz ungewöhnlich, Malfoy bei einer solchen Gelegenheit hier zu sehen, gar nicht seine Art, wie ist übrigens die Geschichte mit seinem Sohn ausgegangen"? „ Ich habe ihn zu mir bestellt", erwiderte sie, „ihn gebeten, mit Draco zu sprechen." „Und wie hat er reagiert?" „Er hat mir klar zu verstehen gegeben, dass ihm gleichgültig war, was da passiert war." „Und?" „Ich wies ihn auf die Regeln hin, und er versprach, sich um die Sache zu kümmern, - was auch geschah." „Erstaunlich, ganz erstaunlich", versetzte Dumbledore, „Lucius scheint vor Ihnen Respekt zu haben, und das will viel heißen. Wie haben Sie das geschafft?" Sie zuckte die Achseln.
Spätabends in ihrem Zimmer nahm sie den Spiegel aus der Schublade; wieder zeigte er allerlei durcheinander wirbelnde Bilder, darunter Albus Dumbledore, der sie kopfschüttelnd ansah und warnend seinen Zeigefinger hob, das Bankett, den Sternenhimmel des Saales, die Tänzer, die sich im Takt der Musik bewegten…
In diesem Augenblick brachte eine kleine Eule einen Brief für sie, auf feinem Briefpapier mit eingeprägten Initialen L.M. „Silbernes Einhorn, Sonntag Abend, acht Uhr."
Nochmals warf sie einen Blick auf ihren Spiegel: Lucius hält sie in seinen Armen und küsst sie leidenschaftlich…
Was soll ich tun? fragte sie sich, und anstatt den Spiegel zu befragen, schloss sie die Augen: wieder sah sie die dunkle Aura, die ihn umgab, seine Machtbesessenheit und Arroganz, was ist sein Geheimnis, fragte sie sich, und was hat er mit mir vor? Sie nahm ihren Umhang ab und wollte ihn an den Kleiderhaken hängen, da bemerkte sie, dass eines seiner langen silbernen Haare auf dem Stoff hängen geblieben war; nachdenklich betrachtete sie es eine Weile, dann nahm sie ein Buch aus dem Regal und blätterte darin, bis sie fand, was sie gesucht hatte…
