7. Verhängnisvolle Entscheidung
Am Abend flog eine Eule an Auroras geschlossenes Fenster und klopfte mit dem Schnabel an das Glas. Sie öffnete und erkannte den winzigen Vogel und den Umschlag und das Briefpapier mit den Initialen. Als sie den Brief öffnete, fiel ein zierlicher verschnörkelter Schlüssel heraus. Auf dem Blatt stand: Samstag Abend 20.00 Uhr. L.M.
Sie drehte den Schlüssel vorsichtig zwischen den Fingern… Ja, es war ein Portschlüssel, und, ja, sie war unvorsichtig gewesen, ihn mit bloßen Händen zu berühren!
Sie nahm ihren Gedankensortierspiegel zur Hand. Er zeigte ihr Kerzenschein auf nackter Haut, Küsse und gewagte Zärtlichkeiten, das Spiel der Körper auf dem großen Bett unter dem Baldachin, den Moment, in dem sie den Fluch gelöst hatte und….
Sie klopfte auf den Spiegel. „Zeig mir einen einzigen vernünftigen Gedanken", flüsterte sie. Die Spiegelfläche wurde schwarz.
Sie griff nach ihrem Zauberstab. Wozu? Hätte der Schlüssel eine versteckte Macht gehabt, so wäre es jetzt ohnehin um sie geschehen. Trotzdem verpackte sie ihn nun mit Hilfe des Zauberstabs, ohne ihn zu berühren, in seinen Umschlag und schickte die Eule damit zurück.
Am nächsten Morgen jedoch erschien die Eule wieder an ihrem Fenster, und wieder hatte sie einen Brief im Schnabel. Diesmal benutzte Aurora sofort ihren Zauberstab, denn auch diesmal befand sich in dem Brief ein magischer Gegenstand: ein kleiner Stein, der in allen Regenbogenfarben schimmerte. Der Brief enthielt eine kurze Erklärung: Begib dich an einen Ort deiner Wahl und nimm den Stein in die Hand, wenn du mich sehen willst. Samstag Abend 20.00 Uhr.
Aurora betrachtete den Stein nachdenklich. Hätte sie den Schlüssel benutzt, so hätte sie sich in seine Hände begeben, nun aber war er es, der sich in ihre Hand begab. Er gab ihr mit dem Stein die Macht, ihn herbeizurufen!
Die ganze Woche über kämpfte sie mit sich, und am Samstag musste sie sich eingestehen, dass sie von Anfang an auf verlorenem Posten gestanden hatte. Sie traf ihre Vorbereitungen, mietete sich in einer kleinen Muggelpension in einem Ferienort am Meer ein und wartete im Zimmer auf den Abend. Der Stein begann zu leuchten und wurde von innen wie von einer Flamme erhellt, und sie nahm ihn in die Hand. Augenblicklich erfolgte ein lautes Plopp und Lucius stand direkt vor ihr.
Sie sahen sich an.
„Du hast mir nicht getraut", sagte er.
„Wäre das klug gewesen?" fragte sie.
„Nun, ich nehme an, du hast schlechte Erfahrungen mit mir gemacht." Er hob seinen Zauberstab.
„IM…"
„EX…"
kam es gleichzeitig von beiden, und die Zauberstäbe segelten langsam, als wären sie unschlüssig, was zu tun wäre, zu Boden.
Er trat nun auf sie zu und zog sie an sich, und schon war er dabei, den Verschluss ihres Umhangs zu lösen; langsam glitt der schwere Stoff über ihre Schultern hinab auf den Boden.
Sie begann, die silbernen Knöpfe seiner seidenen Weste zu öffnen…
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Sie hielten ihre Treffen geheim, ohne es abgesprochen oder auch nur voreinander zugegeben zu haben; jeder von beiden wusste nur zu gut, wie sehr diese Beziehung dem eigenen Ansehen schaden konnte.
Ich habe mich mit dem Feind, den dunklen Mächten, eingelassen, dachte sie, wie lange wird das gut gehen, aber wenn sie dann die kleine Eule vor dem Fenster sah, die den Umschlag mit seinen Initialen aus dem Schnabel in ihre Hand fallen ließ, wenn sie den Brief öffnete, auf dem er einen Treffpunkt mit Datum und Uhrzeit angab, nie war ein Gruß dabei, kein weiteres Wort, dann schlug ihr Herz höher, und sie dachte nur noch an das Wiedersehen.
Nun gab sie sich bereitwillig seiner Umarmung hin, und er, der bisher nur einen Gedanken gekannt hatte, nämlich das Streben nach Macht, und deshalb seit der furchtbaren Niederlage des Unnennbaren stetig daran arbeitete, diesem einen neuen Aufstieg zu ermöglichen, er, Lucius Malfoy, musste nun feststellen, dass der Gedanke an Aurora immer öfter alles andere verdrängte. Er wusste, dass diese unerklärliche Leidenschaft, die ihn gegen seinen Willen erfasst hatte, Vernunfterwägungen und Machtkalkül entgegenstand und ihm nur schädlich sein konnte, aber er hatte den Versuch aufgegeben, dagegen anzukämpfen.
Er verbrachte nun viel Zeit damit, ausgefallene Orte in der Muggelwelt zu finden, wo sie sich, ohne gesehen zu werden, treffen konnten, was ihn allerdings dazu zwang, heimlich auf dem Schwarzmarkt Goldstücke in Muggelwährungen umzutauschen, wobei er inständig hoffte, dass nicht Arthur Weasly ihm irgendwann auf die Schliche käme… er stellte sich schon die Schlagzeilen vor: „Muggelhasser Malfoy verbringt Urlaub in Muggelhotel!"
