11. Warnungen
Albus Dumbledore ging nachdenklich durch einem der vielen Kreuzgänge von Hogwarts; er machte sich Sorgen. Plötzlich schreckte er aus seinen Gedanken hoch. Die Tür eines der Lehrerbüros war aufgestoßen worden, und ein Mann stürmte mit eiligen Schritten heraus. Lucius Malfoy! Es war, als hätten seine Sorgen plötzlich menschliche Gestalt angenommen. Malfoy war die Inkarnation seiner derzeitigen Befürchtungen, die Vorbereitung der Rückkehr Voldemorts unter dem Deckmantel der Respektabilität….
Ich weiß nicht, warum ich ihn immer wieder gewähren lasse, dachte Dumbledore. Warum ich immer so höflich und verbindlich zu ihm bin. Nun ja, natürlich weiß ich es; er hat Einfluss, Macht und Geld, und er steht in der Gunst von Cornelius Fudge, - während meine eigene Position zur Zeit nicht sehr sicher ist… Niemand glaubt, was Harry auf dem Friedhof gesehen hat, und offiziell ist Malfoy ein hoch angesehener Vertreter der Zaubereraristokratie und genießt Vertrauen und Respekt…
Der Direktor stand immer noch im Gang und hatte hinter Malfoy hergeschaut, noch nachdem er um die Ecke verschwunden war. Jetzt erst bemerkte er, dass er vor Auroras Büro stand. Lucius war also bei ihr gewesen…
Und nun muss ich auch noch zusehen, dachte er weiter, wie er Aurora, meine liebste und begabteste Schülerin, verführt. Soll ich sie warnen? Würde sie denn auf mich hören? Aber sie hat ja die Gabe, durch den äußeren Anschein hindurch die wahren Sachverhalte zu erkennen. Ich sollte darauf vertrauen, dass ihr das auch dieses Mal gelingt… Es ist zumindest zu hoffen.
„Was wollte Lucius bei Ihnen?" fragte Dumbledore sie beim Abendessen.
„Nichts besonderes, eine Frage wegen Draco." „Wieder schwarze Magie?" „Nein, nein, im Gegenteil, er entwickelt sich zu einem sehr guten Schüler."
„Sie sind ja ganz blass, mein Kind, ist Ihnen nicht gut?"
„Doch, doch…"
„Denken Sie immer daran, Aurora, wenn Sie etwas auf dem Herzen haben, können Sie jederzeit zu mir kommen."
„Danke, das werde ich bestimmt tun."
„Ich bin beunruhigt", fuhr Dumbledore nachdenklich fort, „die Anzeichen mehren sich, dass die Macht der dunklen Seite wieder wächst. Die Todesser sollen sich mehrfach getroffen haben, das Dunkle Mal zeigte sich wieder, ich fürchte, alles geht wieder von vorne los, nun, da Voldemort seinen Körper wieder hat. Sie wissen, dass Sie hier an vorderster Front stehen, also seien Sie sehr wachsam."
„Ja, Professor, ich werde gleich die Sicherheitsvorkehrungen verstärken, auch für Harry, seien Sie unbesorgt."
„Und, Aurora", fuhr er fort, „wir sollten uns über die Gesinnung unserer Feinde keinen Illusionen hingeben. Nehmen Sie Malfoy, nach außen ein geachtetes Mitglied unserer Gesellschaft, niemand konnte ihm je eine Verbindung zur dunklen Seite nachweisen, aber ich persönlich habe gar keinen Zweifel an seiner Verstrickung, ich habe selbst erlebt, wie er vor einigen Jahren dafür sorgte, dass die Kammer des Schreckens geöffnet wurde. Er ist dabei mit beispielloser Skrupellosigkeit vorgegangen und hat bedenkenlos das Leben der Schüler aufs Spiel gesetzt. Leider war es damals nicht möglich, die ganze Geschichte zu beweisen. Und das ist noch nicht alles. Harry Potter hat ihn letztes Jahr im Kreise der Todesser, die am Friedhof Voldemorts Ruf gefolgt waren, gesehen, aber außer mir glaubt ihm niemand, Sie können es ja täglich beobachten; alle leugnen hartnäckig, dass Voldemort zurück ist!"
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Am besten beantrage ich gleich meine Suspendierung vom Dienst, dachte Aurora, man kann wirklich nicht sagen, dass ich meinen Pflichten nachgekommen bin. Was Dumbledore ihr da erzählt hatte, war ja nichts Neues für sie. Natürlich hatte sie gewusst, dass Lucius schwarze Magie praktizierte, das gab er ja sogar offen zu. Und sie hatte das Dunkle Mal gesehen und mehr als einmal erlebt, dass er dem Ruf des Unnennbaren folgte. Aber sorgfältig hatte sie es vermieden, über all das nachzudenken, und sorgfältig hatte sie auch beiseitegeschoben, was sie gesehen und intuitiv gespürt hatte, mit ihrer natürlichen Begabung, Dinge zu erkennen, die anderen verborgen blieben. Aurora, dass der Name auch zu einem Titel werden könnte, diese Hoffnung konnte sie nun begraben. Sie hatte kläglich versagt und das Unheil nicht erkennen, die Gefahr nicht kommen sehen wollen. Nun hatte Dumbledore sie ausdrücklich gewarnt. War sie für die Gefahr blind geworden, war es das, was diese unerklärliche Leidenschaft bewirkt hatte? Und worin bestand diese Gefahr genau?
Sie beschloss, ihren Spiegel zu befragen, und drehte und wendete ihn in ihren Händen. Er zeigte Hogwarts, in ein helles Licht getaucht, hier gab es also Sicherheit. An den Grenzen der Schule, dunkle Schatten, dann ein Ort, an dem sie wieder vermummte Gestalten in einem Kreis und das Dunkle Mal am Himmel sehen konnte…Plötzlich stand sie selbst in der Mitte, eine Schattengestalt beugte sich über sie, unvorstellbares Grauen erfasste sie und sie wurde von Schmerzen gepeinigt….
