Kapitel 3: Die Monster im Wald

Ein scharfer Schmerz durchzuckte mich, als ich so vorsichtig wie möglich meine Augen aufschlug. Das verschwommene Bild vor meinem Gesicht klärte sich ein wenig und nun konnte ich in schummerigem, fahlem Licht ein Stück laubbedeckten Bodens wahrnehmen.

Ich schloss daraus, dass mich der Wirbelsturm irgendwann mit voller Wucht gegen einen Baum geschleudert haben musste.

Ich startete den Versuch, mich halbwegs aufzurichten und zu kontrollieren, ob ich noch vollständig war. Stöhnend rollte ich mich herum, denn ich lag auf meinem linken Arm, der sich ganz taub anfühlte. Allerdings nur, solange man nicht dagegen drückte. Schmerzvoll verzerrte ich das Gesicht. Ich probierte meine Finger zu bewegen, aber mehr als ein Zucken brachte ich nicht zustande.

'Ich muss mir wohl einen Nerv eingeklemmt haben. Deshalb tut das auch so scheißweh..' diagnostizierte ich mich selber.

Auch mein Bauchraum und meine Gesamte linke Körperhälfte schmerzten höllisch. Mit der freien Hand zog ich behutsam mein verschmutztes T-Shirt hoch.

"Gute Güte!" stieß ich aus. Von der Schulter bis zum Knie war ich ein einziger blauschwarzer Bluterguss. Dazu zog sich quer über meine Bauchdecke noch ein hässlicher, grün und gelb verfärbter Streifen.

Zum Glück tat es momentan nicht so sehr weh, das es nicht halbwegs erträglich wäre. Aber ich verspürte ein mörderisches Hämmern in meinem Kopf, das mir fast die Tränen in die Augen trieb.

Versuchsweise machte ich ein paar unsichere Schritte auf dem feuchten Boden des Waldes.

"Ahhh, verdammt !!", zischte ich. Sobald ich mich nur einen Millimeter bewegte, fing meine Seite äußerst schmerzhaft an zu pulsieren. Wie ich es geschafft hatte, aufzustehen war mir ein Rätsel.

Nun nahm ich meine Umgebung etwas genauer in Augenschein. Um mich herum verstreut lagen fast all meine Habseligkeiten und das Schwert, das allem Anschein nach unversehrt geblieben war. Etwa einen Meter weiter war die Scheide des Schwertes in ein Matschloch gefallen.

'Toll. Ob ich die jemals wieder sauber bekomme?', dachte ich säuerlich, 'wo ist eigentlich Elvis ?'

Suchend blickte ich mich um und humpelte unter Schmerzen ein paar Schritte weiter. Ich vernahm ein leises Fiepen unter einen Brombeerstrauch.

"Elvis?", fragte ich leise.

Die dornigen Ranken erzitterten und ein mehr oder weniger lädierter Irish Setter kam hervor gekrochen. Er hatte einen blutenden Riss an einem Hinterlauf und noch ein paar kleinere Kratzer.

"Hey, komm Kleiner. Gehen wir nach Hause.", munterte ich ihn auf.

Ich sammelte alle meine Sachen ein und stopfte sie mir in die Hosentaschen, die Klinge schob ich in die Scheide zurück und band mir diese an den ausgefransten Lederbändern, die daran befestigt waren, um den Körper.

'Auf geht's! Aber wohin eigentlich?', dachte ich. 'Ich kenne den Wald in- und auswendig, aber diese Stelle habe ich noch nie gesehen. Komisch.'

Erst jetzt fiel mir auf, dass die Bäume auch irgendwie anders aussahen. Sie waren höher als gewöhnlich und ihre Rinde schimmerte leicht silbern und bronzen. Auch gab es Arten, die mir gänzlich unbekannt waren. Allesamt umgab sie eine etwas unheimliche Aura.

Ich beschloss, einfach einmal drauflos zu laufen. Irgendwann würde dieser Wald schon zu Ende sein. Und ich behielt Recht. Schon kurze Zeit später erreichte ich den Rand des Waldstücks.

Ich sah in den Himmel. Der Vollmond war schon sehr tief gesunken und der Himmel erhellte sich langsam von Osten her.

'War gestern nicht noch Halbmond?', fragte wieder diese kleine nervende Stimme in meinem Kopf.

'Kann schon sein, ich weiß nicht mehr genau', dachte ich zurück, 'Oh, mann. Jetzt rede ich schon mit mir selbst..'

Ich wanderte weiter den Waldrand entlang, als ich in der Ferne ein Licht erkannte. Es sah aus wie Feuerschein. Freudig beschleunigte ich meinen Schritt ein wenig, gerade so viel, dass ich die Schmerzen noch ertragen konnte. Vielleicht waren da ein paar Camper oder andere Leute, die mir helfen konnten.

Ich war noch etwa hundert Meter von dem Feuer entfernt, als mir ein bestialischer Gestank in die Nase stieg. Ausserdem hörte ich Geräusche, die sich verdächtig nach Metall, das gegeneinander geschlagen wird, anhörte. Wären wir nicht im 21. Jahrhundert gewesen, so hätte ich gesagt, dass es sich um Kampflärm handelte.

Auf einmal hörte ich ein lautes Gegröle, das unheimlich grausam klang und dann ein einzelnes, dreckiges Lachen.

Ich entschloss mich, doch lieber im Schutze des Waldrandes weiter zu gehen. Wer konnte schon wissen, was das für Verrückte waren.

Ich bewegte mich so leise wie möglich und kam bis auf eine Entfernung von zehn Metern an diese Typen heran. Der Geruch war mittlerweile so unerträglich, dass ich mehrmals Würgen musste.

Vorsichtig spähte ich durch die Zweige eines Buchsbaumes. Vor Entsetzen wollte ich zurückfahren, doch ich beherrschte mich in letzter Sekunde. Dann hätte man mich sicher bemerkt. Das hätte mir gerade noch gefehlt. In meinem Zustand von einer Horde Verrückter aufgelesen zu werden....na ich weiß nicht.

Um ein Lagerfeuer saßen etwa fünf der ekelhaftesten Wesen, die ich jemals gesehen hatte. Sie sahen aus wie aus einem schlechten Horror-Streifen. Zuerst meinte ich, das seien nur Kostüme bei irgend einer abstrusen Party. Doch das unheimliche Gefühl, dass das keine Kostüme sein könnten, machte sich unaufhaltsam in mir breit. Ich bekam eine Heidenangst, konnte mich jedoch nicht von Fleck rühren. Ich war wie gelähmt.

In der Mitte vor ihnen lag ein schrecklich verstümmelter Körper, der genauso aussah wie die anderen, noch lebenden Monster. Aus dem Leichnam quoll unablässig Blut. Schwarzes Blut.

Die anderen Viecher selbst hatten schwarze Haut und langes verfilztes und fettiges Haar. Unter ihren großen Helmen ragte spitze Ohren hervor und sie hatten schwere Kettenhemden an und trugen gefährlich blitzende Krummsäbel an der Seite. Zwei von ihnen hatten auch noch einen Bogen.

Sie wirkten wie der Realität gewordene Alptraum eines jeden kleinen Kindes, dass sich vor dem Monster im Wandschrank fürchtet.

Ich klammerte mich dennoch verzweifelt an die Meinung meines Verstandes, der behauptete, es gäbe keine Monster. Aber vor noch ungefähr einer Stunde, dachte ich auch noch, es gäbe keine Phönixe.

Der größte von ihnen ließ ein gehässiges Grinsen auf seinen zerrissenen Lippen sehen und sagte etwas in einer mir unbekannten Sprache. Offenbar hatte er den Anderen getötet, denn er war über und über mit dem schwarzen Lebenssaft befleckt.

Mir reichte es. Ich hatte genug gesehen und mir war egal, was das für Dinger waren oder ob sie überhaupt echt waren. Nur weg von hier. Ich wirbelte herum und rannte los. Vergessen waren die Schmerzen in meiner Seite, vergessen das Pochen in meinen Kopf.

In meiner Hast trat ich gleich nach meinem Schnellstart auf einen großen Ast, der mir einem Lauten knacken zerbrach.

'Scheiße !!', fluchte ich in Gedanken. Mir kam es so vor, als könnte man im gesamten Umkreis hören, dass ich mich hier, vor Angstschweiß triefend, befand.

Anscheinend hatte man mich wirklich gehört, denn ich vernahm die krächzende Stimme des Großen, wie er - seltsamerweise für mich verständlich - schrie:

"Was ist da? Los!! Wir sehen nach !!"

Kurz darauf das Geräusch riesiger Körper voll geballter Muskelkraft, die sich durch die Büsche schlugen.

'Gott steh mir bei!', sandte ich ein Stoßgebet zum Himmel.

"Elvis, lauf !!!" rief ich und sprintete los.

TBC