Kapitel 4- Glück im Unglück

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Im Dunkel des Waldes erkannte ich vor mir die Umrisse eines großen, umgestürzten Baumstammes. Ich kniff die Augen ein wenig zusammen um ihn besser erkennen zu können und legte in meiner Geschwindigkeit noch ein wenig zu. Einige Meter vor dem gut einen Meter dicken Stamm verkürzte ich meine Schritte um einen Bruchteil, taxierte und stieß mich mit dem rechten Bein vom Boden ab. Mit einem gewaltigen Satz setzte ich über den Baum. Auf der anderen Seite kam ich um ein Haar aus dem Gleichgewicht und ruderte kurz mit den Armen, wobei ich aber in keinster Weise mein halsbrecherisches Tempo verlangsamte.

Die Angst verlieh mir Flügel und blendete meinen Schmerz und leider auch meinen Verstand aus...Das Adrenalin jagte durch meinen Körper und all meine Sinne waren um ein Vielfaches geschärft.

Hinter mir hörte ich das leise, stetige Trommeln von Elvis' Pfoten, welche in einem schnellen Vierertakt auf den Waldboden tapsten.

Sträucher und Bäume zogen an mir vorbei während ich in wildem Zickzack diversen Hindernissen in Form von Büschen und dicken, mit dunkler Rinde bekleideten Wurzeln, auswich. Diese schienen sich in dem wenigen Licht, das ich hier hatte, geheimnisvoll zu bewegen und mir ein Bein stellen zu wollen.

Irgendwo über mir im Geäst schrie ein Käuzchen. Ich schrak dermaßen zusammen, dass ich im Laufen einen Luftsprung machte und beim Aufkommen stolperte. Ein zweites Mal gelang es mir nur um Haaresbreite, die Balance zu bewahren. Ich war mir sicher, sollte ich hinfallen, wäre ich diesen.....Viechern.. hoffnungslos ausgeliefert. Und ich wollte mir lieber nicht vorstellen, was sie mit mir anstellen würden.

Mir fiel auf, dass es schon merklich heller im Wald geworden war. Wahrscheinlich würde bald die Sonne aufgehen.

Vor mir erstreckte sich eine lange, durchgehende Gerade mit Gestrüpp. 'Mist.', fluchte ich in Gedanken. Natürlich dachte ich in meiner Angst nicht daran, mich nach einer lichteren Stelle umzuschauen, sondern brach schnurstracks gerade aus durch die dornenbewehrten Zweige.

Die nadelspitzen Dornen bohrten sich in meine Unterarme und Hände und schnitten lange Risse in mein ohnehin schon zerfetztes T-Shirt. Ein kleiner Ast schlug mir äußerst schmerzhaft in mein rechtes Auge, welches sofort anfing, höllisch zu brennen und zu tränen. Kleine Lichtblitze schossen über meine Netzhaut und mein Auge versagte seinen Dienst fast gänzlich. Ich konnte nur noch Umrisse und Schatten erkennen.

'Na super. Jetzt kann ich nur noch mit einem Auge was sehen..', seufzte ich innerlich.

Ungefähr zwei Meter weiter brach ich durch das andere Ende der Dornenwand und fand mich unversehens auf einer weiten Grasebene wieder.

Weit entfernt erhob sich die riesige Silhouette eines Gebirges. Dahinter schimmerte der Himmel gelblich. Bald würde die Sonne aufgehen.

Doch mehr als diesen einen flüchtigen Blick verschwendete ich nicht an meine Umgebung, sondern lief aus Leibeskräften weiter. Mein Hund hatte anscheinend keine Probleme, mit mir mitzuhalten. Ich hörte dicht hinter mir seine schnellen Schritte.

Zu allem Unglück waren aber auch die schweren Tritte und das Grunzen meiner Verfolger langsam, aber beständig näher gerückt.

*~*~*

Ungefähr zehn Minuten später pfiff ich aus dem letzten Loch. Ich war nahe dran, zusammenzubrechen. In meiner Seite stach bei jedem Sprung ein Messer zu und die kühle Morgenluft brannte in meiner Kehle.

Meine Muskeln waren völlig überanstrengt und wahrscheinlich total übersäuert. Selbst meine Angst konnte in mir keine Kraftreserven mehr mobilisieren. Und vom Adrenalin allein hat sich noch kein Muskel bewegt. Ich wahr nahe dran, einfach stehen zu bleiben, mich ins Gras fallen zu lassen und auf der Stelle einzuschlafen. Aber ich zwang mich dazu weiter zu laufen.

'Scheiße, was soll ich denn nur tun. Diese Hetzjagd halte ich höchstens noch 3 Minuten durch und dann haben sie mich.', rasten die Gedanken durch meinen Kopf.

Etwas schlug mir gegen den Hosenboden. Und nicht nur einmal, sondern bei jeden Tritt, den ich tat. Ich wunderte mich, weshalb mir das vorher nicht aufgefallen war. Ich verrenkte mir fast den Arm, als ich nach hinten tastete. Es fiel mir wie Schuppen von den Augen. Ich hatte doch ein Schwert!! Zwar nur ein uraltes, aber der Probe an dem Tag, als ich es fand nach, war es durchaus scharf genug, jemanden - oder etwas - zu töten.

Aber allein gegen mindestens 4 Monster und noch dazu auf dieser Steppe, das schien mir wie ein Kampf David gegen einen ziemlich riesigen Goliath. Zumal ich noch nicht einmal mit einem Schwert umzugehen wusste.

In diesem Moment sah ich ungefähr fünfzig Meter vor mir einen recht großen Felsen, der auf der Oberseite eben war. "Perfekt!!", rief ich, "so habe ich vielleicht eine Chance. Halt durch Elvis, mein Kleiner!!"

Ich änderte ein wenig meine Richtung und steuerte nun genau auf besagten Steinblock zu.

Als ich ihn endlich erreicht hatte, es schien eine Ewigkeit gedauert zu haben, kletterte ich behende daran hoch und neben mir hüpfte der Setter mit einem einzigen Satz hinauf. In einer fließenden Bewegung stand ich auf und wirbelte auf dem Absatz herum. Ich griff mit beiden Händen über meine rechte Schulter nach hinten und umfasste den Schwertgriff, wie ich es so viele Male in Filmen gesehen hatte. Langsam zog ich die schimmernde Klinge aus der Scheide. Ein leises Klirren ertönte. Der blutrote Edelstein funkelte in den ersten zaghaften Lichtstrahlen der Sonne und wieder durchströmte mich dieses warme Gefühl, ausgehend von der Waffe in meinen Händen. Es fühlte sich so.....richtig....an, sie zu halten und auf den Kampf zu warten.

Die vier unheimlichen Kreaturen waren noch ungefähr 20 Meter von meiner improvisierten Festung entfernt. Sie liefen in einem schnellen gleichmäßigen Rhythmus und ich konnte ihnen kein Zeichen der Erschöpfung ansehen. Mir hingegen lief der Angstschweiß in Strömen übers Gesicht. Säbelschwingend und laute Rufe ausstoßend, rannte sie mir entgegen.

Ich erhob meine Waffe.

Als jedoch der Erste mich erreicht hatte und nach mir hieb, konnte ich mich vor Schreck nicht rühren und sprang erst im letzten Moment zurück. Leider erwischte er mich so am linken Unterarm und fügte mir eine tiefe, stark blutende und schmerzende Wunde zu, die sofort anfing zu bluten.

Endlich löste ich mich aus meiner Starre und schwang das Schwert unbeholfen gegen meinen Feind. Dieser grinste dreckig über meine Unfähigkeit. Doch dann passierte etwas merkwürdiges. Mir war als würde das Schwert die Führung über mich übernehmen. Ich bewegte mich blitzschnell und wich geschickt den Hieben und Tritten der Angreifer aus. Gezielt setzte ich, oder besser das Schwert die Angriffe und parierte gekonnt. Meine Hände hielten das Schwert fest, ohne, dass ich ihnen den Befehl gab und mein Körper bewegte sich ohne mein Zutun. Aber diese Unfähigkeit, etwas zu tun war keineswegs unangenehm. Es war irgendwie beruhigend, zu wissen, dass mir das Schwert half.

Auf einmal bemerkte ich hinter mir eine Bewegung und riss mein Schwert hart nach hinten, so konnte ich gerade noch den Schlag parieren, der mich sicher in der Mitte auseinandergeschnitten hätte. Zur gleichen Zeit vollführte Einer vor mir eine ganze Drehung um sich selbst und streckte dabei ein sein Schwert von sich, offenbar ebenfalls in der Absicht, mich in mehrere Scheiben zu unterteilen. Leider übersah er dabei seine zwei Kollegen, denen er sauber die Köpfe abtrennte. Blut spritzte und die zuckenden Körper gingen zu Boden.

Ich schloß ekelerregt die Augen. Als ich ein paar warme Spritzer in mein Gesicht klatschen fühlte, war ich nahe dran mich zu übergeben. Doch wieder durchströmte mich diese Wärme und meine Übelkeit wurde zurückgedrängt und das Schwert und ich kämpften verbissen weiter.

Ich blutete mittlerweile aus zahlreichen Wunden und war der Ohnmacht schon gefährlich nahe.

Die Überraschung des Dämons, seine Kameraden umgebracht zu haben, nutze ich schamlos aus, stürzte mich ihm entgegen und rammte meine Waffe bis ans Heft ihn seinen Körper. Ich spürte den Widerstand, als das Metall sich durch die Wirbelsäule grub. Erneut drehte sich mein Magen um und ich musste würgen. Bittere Galle setzte sich auf meiner Zunge fest. Mit einem Ruck riss ich mein Schwert aus den Blutenden Körper und widmete mich dem Letzten der Angreifer.

Ich stand mit dem Rücken zur aufgehenden Sonne und kämpfte aus letzten Kräften. Dieses Vieh war einfach nicht totzukriegen!! Seit geschlagenen fünf Minuten duellierte ich mich nun schon mit ihm. Er kämpfte wirklich gerissen und mit allen Tricks, doch irgendwann kam mir der Zufall zu Hilfe. Ein heller Sonnenstrahl fiel in sein von Narben entstelltes Gesicht und er kreischte schmerzerfüllt auf und schlug die Hand vor die Augen. Dieser unbedachte Moment reichte aus, um meine Klinge vorschnellen zu lassen und ihm dem Kopf von den Schultern zu schlagen. Ich stand regungslos und sah zu, wie der schwer gepanzerte Körper der Höllenkreatur auf dem schwarz gefärbten Boden aufschlug.

Sobald alles still war und sich nichts mehr regte, verließ mich die geheimnisvolle Kraft so schnell wieder, wie sie gekommen war und ich hatte meinen Körper wieder unter Kontrolle.

Alles strömte auf mich ein: Die Müdigkeit, die Erschöpfung die Übelkeit.

Klappernd fiel das Schwert zu Boden. Meine Hände hatten nicht einmal mehr die Kraft, die leichte Waffe aus diesem geheimnisvollen Metall festzuhalten. Meine Knie gaben unter mir nach und ich sackte zu Boden. Einige Momente blieb ich regungslos liegen und lauschte meinem rasenden Herzschlag und meinem rasselnden Atem.

Dann kam der Schmerz. Er jagte durch meinen Körper wie geschmolzenes Metall und explodierte schließlich in meinem Kopf.

Ich schrie gepeinigt auf und mit einem heißeren Stöhnen hatte mich zum zweiten Mal an diesem Tag die Ohnmacht wieder in ihre erlösenden Arme gezogen.

TBC