Flucht aus dem Dschungel

Kapitel 3

Die anderen hatten einen beachtlichen Vorsprung und erreichten das Camp eine Weile vor Danny und dem Captain. Sie genossen das frische Wasser, dass man ihnen reichte und ruhten sich im Schatten zerstörter Baracken aus, als Danny und der Captain die Lichtung betraten.

Danny sah sich trotz seiner Erschöpfung überrascht um. Das war kein einfaches Camp, sondern schon eher ein befestigtes. Und das stand nicht erst seit gestern da. Harper und Fahey sahen ihm entgegen. Diese beiden waren Danny gegenüber immer mißtrauisch gewesen und hatte ihren Einfluß auf die anderen Gefangenen genutzt. Jetzt sahen sie, wie Macy Danny stützte.

"Wollen wir den Japs wirklich mitschleppen? Wenn er nicht laufen kann, dann bleibt er eben zurück!"

Die anderen Gefangenen brummte zustimmend. Danny seufzte. Er sah Macy nicht an, aber der konnte Dannys Resignation fühlen. Er führte Danny zu einem schattigen Plätzchen. Danny lehnte sich erleichtert gegen die Holzwand. Seine Beine zitterten.

"Edwards?"

Macy rief nach einem seiner Leute, der auch prompt Meldung machte.

"Ja, Sir."

Macy deutete auf Danny.

"Unser Freund hier ist schwer verwundet. Sorgen Sie dafür, dass Dr. Fredericks sich seiner annimmt."

Edwards salutierte und machte sich gleich auf, den Doktor aufzutreiben. Macy wandte sich an Harper.

"Sir, es wäre mir lieb, wenn Sie derartige Beschuldigungen unterlassen würden."

Harper sah ihn verwirrt an.

"Ich verstehe nicht, Captain. Der Mann ist ein Spion. Wie können sie ihm trauen?"

Macy schüttelte angewidert den Kopf.

"Haben Sie auch Beweise für ihre Behauptungen? Ich meine, außer den eingebildeten?"

Harpers Gesicht verzog sich zornig.

"Die Japaner haben ihn mehrmals am Tag ins Hauptquartier gerufen. Er trägt japanische Kleidung und sie behandelten ihn wesentlich besser, als jeden von uns."

Macy sah nachdenklich zu Danny hinüber. Vielleicht gab es da doch ein Geheimnis. Doch das würde er später lüften. Zunächst wollte er Harper in seine Schranken weisen.

"Das sind keine Beweise. Ich bin sicher Mr. Walker hat dafür eine plausible Erklärung. Ich möchte keine weiteren Beschuldigungen mehr hören, egal gegen wen. Wir müssen zusammenhalten, bis wir abgeholt werden."

Harper biß die Zähne zusammen um sich einen Kommentar zu verkneifen. Der Captain ließ sich von dem Bengel einwickeln...

***

Dr. Fredericks eilte auf die Lichtung und kam direkt auf Danny zu. Er hatte eine abgenutzte schwarze Ledertasche bei sich, die er neben Danny absetzte. Er sah in Dannys Augen, prüfte seine Reflexe. Macy stand nicht weit entfernt und wartete. Danny verlor seine Anspannung und begab sich bereitwillig in die Obhut des Arztes.

Fredericks untersuchte die Schußwunden und die große Wunde am Hals. Danny zuckte zusammen, als Fredericks die Wunden abtastete.

"Sie haben Glück, mein Freund. Die Wunden sind zwar erneut aufgebrochen, aber sie haben sich nicht entzündet. Wenn sie sich schonen sind sie bald wieder auf den Beinen."

Danny sagte dazu nichts. Er nahm an, dass der chinesische Arzt ähnliche Worte gewählt hatte. Aber Danny hatte ihn nicht verstanden. Als dann die japanischen Soldaten gekommen waren hatten sie zunächst nicht auf die Wunden geachtet und Danny hatte erneut mit dem Leben abgeschlossen. Lediglich der Befehl des Oberkommandos hatte die Japaner veranlaßt den Feind zu versorgen. Man erhoffte sich Erkenntnisse über Shangri-La. Schließlich war er den Angriff mitgeflogen. Also mußte er auch wissen, wo Shangri-La lag.

Danny hatte zunächst keine Ahnung, was Shangri-La war. Er sah seine Feinde verständnislos an. Erst nach einigen Erklärungen war ihm klar geworden, dass die Japaner nicht den blassesten Schimmer hatten, wo die amerikanischen Bomber gestartet waren. Und er verriet es ihnen auch nicht. Danny fürchtete, sie würden Folter anwenden, sobald er kräftig genug wäre.

Also hatte er sich kooperativ gestellt. Er hatte ein paar Dinge ausgeplaudert, die die Japaner aber längst wußten. Und er hatte sie davon überzeugt, dass er kein Pilot sondern nur Besatzung gewesen war und daher keine Koordinaten kannte.

Bis zum Zeitpunkt seiner Flucht hatte Danny den Eindruck gehabt, dass sie begannen ihm zu glauben. Er hatte also ein paar Märchen über die Fähigkeiten der Streitkräfte erfunden und sie in den Himmel gelobt. Heimlich hatte er sich über die alarmierten Blicke der Japaner amüsiert.

Die Flucht war ihm gerade recht gekommen. Vermutlich hätten sie sich nicht mehr lange täuschen lassen. Und dann hätten sie ihn als Kriegsverbrecher an die Wand gestellt. Wie einige seiner Kameraden. Stolz hatten sie ihm berichtet, wie man in Japan mit feindlichen Soldaten umsprang. Als der Doktor eine Spritze hervorholte hob Danny abwehrend die Hände.

"Beruhigen Sie sich. Ich werde Ihnen ein Schmerzmittel verabreichen. Sie werden einen klaren Kopf behalten. Aber sie müssen sich dennoch ausruhen, Sir."

Danny zögerte noch einen Moment. Aber als Macy ihm zunickte stimmte er der Injektion zu. Das Schmerzmittel schlug sofort an und Danny atmete erleichtert auf. Er legte den Kopf zurück und schloß die Augen. Zum ersten Mal seit mehreren Wochen war er einigermaßen schmerzfrei. Der chinesische Arzt hatte ihn mit Kräutern betäubt, aber die Japaner verschwendeten ihre kostbaren Drogen nicht an Feinde.

Macy hockte sich neben Danny hin und sah in den Himmel. Er hatte ein paar Fragen. Danny spürte seine Gegenwart deutlich.

"Wie bist Du in Gefangenschaft geraten, Danny Walker?"

Macy bezähmte seine Neugier nur mühsam. Die anderen Gefangene waren Missionare, Spione und Soldaten. Aber warum war Danny Walker hier? Ein Lächeln spielte um Dannys Lippen.

"Keine Ahnung, ob ich Ihnen das erzählen darf, Captain."

Verwirrt sah Macy zur Seite. Danny hatte immer noch die Augen geschlossen, aber ein spöttischer Zug lag um seinen Mund. Macy verdrehte die Augen.

"Ich glaube nicht, dass Du ein Verräter bist, Kleiner."

Von der anderen Seite der Lichtung hörten sie ein Schnauben. Harper und Fahey lauschten ihrer Unterhaltung.

"Bin mit einem Flugzeug abgestürzt. Vor fünf Wochen etwa."

"Warst Du auf dem Weg nach China?"

Danny nickte vorsichtig. Er wollte noch nicht zuviel preisgeben, solange sie nicht in Sicherheit waren.

"Ein chinesischer Arzt fand mich und rettete mein Leben. Dann kamen die Japaner und nahmen mich als Spion fest. Sie wollten Informationen, daher sorgten sie dafür, dass ich es überlebte."

Macy schaute nachdenklich drein.

"Und, bekamen sie Informationen?"

Danny nickte grinsend.

"Ich habe meiner Fantasie freien Lauf gelassen. Ich sollte Schriftsteller werden..."

Macy mußte auch grinsen.

"Nein, ernsthaft. Ich habe in meine Märchen ab und zu ein paar echte Informationen eingeflochten. Die Japaner überprüften sie und begannen mir zu glauben."

Macys entsetzter Gesichtsausdruck veranlasste Danny zu einem weiteren Grinsen.

"Hey, ich habe nichts strenggeheimes ausgeplaudert. Alles was ich ihnen erzählt habe, hätten sie auch ohne weiteres selbst herausgefunden, wenn sie danach gesucht hätten."

Harper und Fahey knurrten Danny von der anderen Seite der Lichtung an. Er beachtete sie nicht, sondern schloß wieder die Augen.

"Sie glauben mir nicht, oder?"

Macy schüttelte den Kopf.

"Ich hoffe nur, sie haben recht, was die Prioritäten der Informationen angeht!"

Danny nickte.

"Nichts, was in den Staaten nicht allgemein bekannt ist, Captain. Ich hänge an meinem Leben, aber ich bin kein Verräter!"

tbc