So... Disclaimer gilt (leider) immernoch wie im Prolog - Gehört alles Tolkien *vor dem großen Meister verbeugt* Allerdings: Nur der Prolog war in der ersten Person geschrieben, auf Dauer kann ich so was nicht – ich hoffe ihr verzeiht mir das! ^^

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Schweigend wiesen die Elben Linya den Weg.

Ab und zu stolperte das Mädchen über eine Wurzel, wurde jedoch jedes Mal noch vor dem Fall von einem der Elben festgehalten.

Plötzlich bemerkte sie, wie sich der Untergrund änderte – nun liefen sie nicht mehr auf dem weichen Waldboden, sondern auf hartem Stein. Ihr wurde die Augenbinde abgenommen und Linya hielt den Atem an.

Ein Gebäude wie dieses hatte sie noch nie gesehen. Die Wände waren aus dunklem Stein gefertigt, so schien es ihr, doch sie waren mit vielen Verzierungen versehen.

Auf den ersten Blick sahen die Verzierungen alle gleich aus, als hätten sie eine gewisse Regelmäßigkeit, doch wenn man genauer hinsah, bemerkte man, dass die Muster immer anders waren. Nie waren sie gleich wie die vorangegangenen.

Vor einer großen Tür hielten die Elben schließlich an, und einer ging hinein.

Kurze Zeit später wurde auch Linya hereingerufen. Flankiert von zwei der Elben trat sie ein und sah sich in der Halle in der sie sich nun befand, genau so staunend um, wie zuvor in den Gängen.

Die Halle war riesengroß, mit lauter Säulen an den Seiten, in die feine Blattmuster eingeritzt waren.

Bald wurde ihr Blick jedoch von dem Elb gefangen genommen, der auf seinem Thron am anderen Ende der Halle saß.

Selbst im Sitzen sah dieser Elb so weise und majestätisch aus, dass Linya ihn einen Moment einfach nur anstarrte.

Als sie jedoch bemerkte, dass sich die beiden Elben an ihrer Seite in die Knie gingen und sich tief verbeugten, tat sie es ihnen nach und sank ebenfalls in die Knie und verbeugte sich, wie sie es bei den beiden Elben gesehen hatte..

Erst als der Elb mit einer sanften Stimme etwas in seiner Sprache sagte, erhoben sich die Elben wieder und nur Linya blieb weiterhin so knien – hatte sie doch nicht verstanden, was der Elb gesagt hatte.

„Steht auf!" ertönte kurz darauf dieselbe Stimme, jedoch in ihrer Sprache.

Sie stand wieder auf und bemerkte, dass der Elb sie aufmerksam musterte.

„Ihr seid keine Elbin..." stellte er schließlich erstaunt fest, und bevor Linya sich versah, hatte sie ihm auch schon schnippisch erwidert:

„Ehrlich? Oh vielen Dank, dass ihr mich noch einmal darauf hinweist, das hätte ich doch glatt vergessen..."

Noch ehe sie den Satz zu Ende gesprochen hatte, hätte sie sich am liebsten die Zunge abgebissen. Warum musste sie auch immer so schnippisch sein? Vor allem jetzt, da sie doch vollständig auf die Gnade dieser Elben angewiesen war, wollte sie nicht in einem Kerker enden. Sie wagte es gar nicht, den Elben anzusehen, aus Angst vor dem, was sie dann sehen würde.

Doch der Elb schmunzelte nur und fragte sie mit leicht amüsiertem Unterton: „Würdet ihr die Freundlichkeit besitzen, mir euren Namen zu nennen?"

‚Wie geschwollen man hier doch redet...' dachte sie. ‚Bei uns hätte man einfach gefragt ‚Wie heißt du?' Aber hier muss das natürlich anders sein...'

Laut sagte sie nur: „Ich heiße Linya. Linya Verdem." Es schien, als wollte der Elb gerade etwas sagen, als durch eine Seitentür ein weiterer Elb eintrat.

Ein Elb, der sie so sehr an Roux, ihren Bruder, erinnerte, dass alles um sie herum in den Hintergrund trat, dass sie vergaß, wo sie sich gerade befand.

„Roux?" flüsterte sie ungläubig.

Doch kaum hatte der Name ihre Lippen verlassen, wusste sie, dass das nicht Roux sein konnte. Roux war tot. So tot, wie sie eigentlich auch sein sollte. Sie war doch tot! Zumindest war sie in ihrer Welt gestorben, dass bewies ihr das Blut, das ihre ganze weiße Bluse und ihre Jeans befleckte.

Aber wenn sie tot war, und in dieser Welt gelandet; dann konnte doch ihre Familie, die ja schließlich auch gestorben war, ebenfalls hierher gelangt sein! Dieser Gedanke ergriff von ihr Besitz, breitete sich in ihr aus, bis sie nur noch daran denken konnte, wie ein Wiedersehen zwischen ihr und ihrer Familie ablaufen würde. Wieder und wieder spielte sich eine solche Szene vor ihren Augen ab, so dass sie gar nicht bemerkte, dass der soeben eingetretene Elb sie verwirrt ansah. Erst als er zu sprechen begann, blickte sie auf.

„Ú-nan Roux. Estar nin Mirál."

Er bemerkte, dass sie ihn nicht verstanden hatte, und übersetzte in die Gemeinsprache: „Ich bin nicht Roux. Mein Name ist Mirál."

Obwohl sie es bereits gewusst hatte, versetzte diese Gewissheit ihr einen Schlag. Nicht Roux. Natürlich nicht! Sie war ja auch nicht zum Elb geworden, nur weil sie in dieser Welt gelandet war – weshalb sollte Roux dann einfach zu einem Elb werden?

Und überhaupt – weshalb sollte ihre Familie hierher gelangt sein? Das mit ihr war wahrscheinlich nur ein Unfall gewesen, Zufall... Wie hatte sie überhaupt glauben können, ihre Familie wieder zu sehen?

Wahrscheinlich trug man in ihrer Welt schon längst die Körper zu Grabe und ein Priester predigte irgendetwas davon, dass ihre Seelen nun in den Himmel aufgestiegen waren – was aber nicht stimmte; sie war schließlich nicht in den Himmel gelangt, sondern in eine vollkommen andere Welt. Eine Welt, die sicher nicht der Himmel war.

Sie hatte im Kino oft genug gesehen, wie diese hässlichen Kreaturen – Ogs? – die Menschen und Elben angriffen, wie große Schlachten stattfanden; etwas, dass es im Himmel der Christen ganz sicher nicht gab, war dort doch alles wunderbar und schön und friedlich. Eine andere Frage drängte sich ihr auf: Was war aus ihrem Körper geworden? Wurde sie in ihrer Welt ebenfalls beerdigt?

Wie sollte das gehen? Immerhin stand sie hier, lebendig wie eh und je...

„Nennt mir euren Namen..." hörte sie durch ihre Gedanken hindurch die auffordernde Stimme von Mirál.

„Mein Name ist Linya Verdem..." antwortete sie, blickte ihn jedoch nicht an, sondern sah an ihm vorbei, auf einen Wandteppich.

Nun mischte sich auch der andere Elb wieder ein, der hier so etwas wie der König zu sein schien.

„Nun, Linya... Wie kommt ihr hierher? Könnt ihr uns das erklären?" fragte er.

Sie schüttelte verneinend den Kopf.

„Nein, ich kann es euch nicht erklären, ich weiß es selber nicht... Es war nur... Ich bin nicht aus dieser Welt." Sobald sie diese Worte ausgesprochen hatte, musste sie fast über sich selber lachen. ‚Ich bin nicht aus dieser Welt'. Wie sich das anhörte! Der König hätte allen Grund, ihr so etwas nicht zu glauben... Vor allem, da sie selbst ja nicht einmal eine logische Erklärung dafür hatte, weshalb sie in diese Welt gelangt war, nach ihrem Tod. Ihrem vermeintlichen Tod.

Und natürlich – der König sah sie mit genau dem ungläubigen Blick an, den sie erwartet hatte. Schnell fuhr sie fort:

„Ich... ich war mit meinen Eltern unterwegs.. In einem..."

Was wollte sie ihnen erzählen? ‚In einem Auto'? Woher sollten diese Leute hier wissen, was ein Auto war? Und wie sollte sie es ihnen erklären?

„Wir waren unterwegs. Wir wollten meinen Geburtstag feiern, doch.. wir hatten einen Unfall. Und dann... sind wir alle daran.. gestorben. Dachte ich zumindest. Ich dachte, dass ich gestorben sei – doch wie soll das möglich sein, wenn ich hier lebendig vor euch stehe? Ich weiß selber keine Erklärung dafür, wie ich hierher gelangt bin..."

Der König nickte.

„Nun, ich denke, ich muss darüber noch einmal nachdenken... Ihr solltet derweil vielleicht etwas neues zum anziehen bekommen.." meinte er, mit einem abschätzenden Blick auf ihre blutbefleckte Kleidung. Dann wandte er sich an Mirál. „Lasst Silivren rufen, sie soll ihr etwas neues geben.."

Mirál nickte und verließ eilig die Halle. Schon bald darauf kam er mit einer großen, schwarzhaarigen Elbin zurück.

Die Elbin lächelte Linya kurz schüchtern an und verbeugte sich dann vor dem König. „Mein König, ihr habt mich rufen lassen?"

Der König nickte und befahl ihr mit sanfter Stimme etwas in dieser so schönen Sprache, die Linya nicht verstand, worauf die Elbin nickte und Linya aufforderte: „Folgt mir, ich soll euch neue Kleider geben..."

Linya seufzte schwer, folgte der Elbin jedoch aus der Halle hinaus. „Ich bin Silivren... Und.. wie heißt ihr?" fragte die Elbin und sah Linya neugierig an. Zum dritten Mal an diesem Tag wiederholte sie den gleichen Satz: „Mein Name ist Linya. Linya Verdem.."

Silivren nickte nur schweigend und lief weiter vor ihr her durch die Gänge. Wäre Silivren nicht gewesen, Linya hätte sich wohl schon längst hoffnungslos verirrt.