Kapitel 3
(Marenvs)
"Harry?" Etwas rüttelte an seiner Schulter. "H-a-r-r-y!" Das Schütteln brach ab, stattdessen packten nun zwei grobe Hände reichlich unsanft zu und hoben ihn halb hoch. "Wach auf, Junge!" Etwas kühles fuhr über seine Stirn und Harry, dessen Augenlieder mit Bleigewichten behangen zu sein schienen, stöhnte leicht. "Wsn?"
"Hagrid, Hagrid! Er hat etwas gesagt, er kommt wieder zu sich!" Eine zweite Stimme, links von Harry und viel zu nah an seinem Ohr, noch dazu viel zu schrill, um in diesem Moment angenehm zu klingen, stieß diesen Ruf aus. Erneut versuchte Harry etwas zu sagen, doch er gab einen Laut von sich, der mehr einem ersticktem Knurren gleichkam. Ihm war kalt, fürchterlich kalt.
"Junge, schlag die Augen auf! Nich wegdösen, klar? Hermine, hohl Hilfe! Ron, halt es!"
Harry konnte hören, wie sich eilige Schritte entfernten, gleichzeitig spürte er, wie sein Oberkörper noch ein wenig aufgerichtet wurde.
"Was ist nur passiert?" Durch den Schleier der überstandenen Ohnmacht erkannte Harry die Stimme seines besten Freundes, der besorgt eine Frage stellte, die nur schwer zu beantworten schien. Tatsächlich erwiderte der tiefe Bass des Wildhüters: "Is' jetzt nicht so wichtig. Halt es nur weiter gut fest."
"Hagrid!"
Ron schien empört und Harrys ohnehin verwirrte Sinne begriffen nicht, was um ihn herum geschah. Vielleicht wäre es keine schlechte Idee, tatsächlich die Augen aufzuschlagen. Aber er fühlte sich so schwach...
"Hey Harry! Bist doch sonst immer so stark. So'n bisschen Frost haut Dich doch nicht um. Komm schon..." Etwas rubbelte über seine Arme und Harry spürte, wie ihm langsam wärmer wurde.
"Hagrid, du solltest seine Haut dranlassen!" Ron schien tatsächlich nervös zu werden und wenn Harry nicht so unfähig gewesen wäre, sich zu bewegen, hätte er gerne gegrinst - obwohl Ron nicht ganz unrecht hatte, denn was immer Hagrid gerade tat, Harry fühlte sich, als wäre er in einen Mähdrescher geraten. Er wäre gerne aufgestanden, doch er konnte nicht mal die Augenlider heben. Oder doch? Harry blinzelte leicht und das Rubbeln hörte abrupt auf.
"Hagrid, er schlägt die Augen auf!"
"Ron, du musst es festhalten!", dröhnte der Wildhüter zurück und plötzlich war ein schrilles Quieken zu hören, wie von einem Ferkel, dem am Schwanz gezogen wird. Harry hörte ein gefluchtes "autsch", das nur von Ron stammen konnte und plötzlich stupste ihn etwas feuchtes an den Hals. Harry spürte, wie sich seine Härchen im Nacken aufrichteten und für einen schrecklichen Moment glaubte er, die Kälte wäre zurückgekehrt. Doch dieses Gefühl verschwand so schnell, wie es gekommen war und hinterließ nur eine fahle Erinnerung. Ron schien, was immer ihm entlaufen war, wieder eingefangen zu haben.
"Ro... Ron."
"Ja, Harry?" Der Rotschopf schien mit irgendetwas zu ringen, zumindest klang seine Antwort sehr gepresst, als müsse er mir aller Kraft etwas festhalten. Hatte Hagrid nicht verlangt...?
"Was... ist passiert?" Sprechen war anstrengend. Noch anstrengender jedoch schien es Harry, die Augen auch nur einen winzigen Augenblick offen zu halten, um das Gesicht seines Freundes erkennen zu können.
"Keine Ahnung, wir haben dich hier besinnungslos gefunden. Erinnerst du dich an etwas?"
"Nein... Kalt!"
Hagrid mischte sich ein. "Wir bringen dich auf die Krankenstation. Da vorne kommt Hermine mit Madame Pomefrey!"
Harry war zu erschöpft, um noch eine Antwort geben zu können und er hörte nur noch, wie aufgeregt durcheinander schnatternde Stimmen näher kamen, dann wurde es erneut schwarz um ihn.
Als Harry abermals an diesem Tag erwachte, wusste er sofort, dass etwas anders war. Ihm war nicht mehr kalt, ja, er fühlte sich sogar angenehm erholt. Die harte Wiese, auf der er eben noch gelegen hatte, war gegen eine weiche Matratze getauscht worden. Die Krankenstation!
Harry schlug die Augen auf - was ihm dieses Mal nicht die geringsten Probleme bereitete - und sah sich einem Anblick gegenüber, dem sogar Fluffy, Hagrids übellaunigem, dreiköpfigem Höllenhund alle Ehre gemacht hätte. Snape!
Der Professor für Zaubertränke stand am Fußende des Bettes und schenkte dem Jungen einen dermaßen hasserfüllten Blick, dass sich Harry sofort zurück an den See wünschte. Zum Glück starrte ihn Snape nicht sehr lange an, denn nun schoben sich zwischen ihn und Harry die Gesichter von Ron, Hermine und Dumbledore.
Alle vier sahen gleichfalls besorgt aus und Harry spürte, wie er unter den musternden Blicken leicht errötete. Es war ihm unangenehm, dass sie sich seinetwegen so große Sorgen machten - noch unangenehmer war es ihm, dass ihm diese Szene so bekannt vorkam. Wie oft hatte er schon hier gelegen? Langsam kam sich Harry selbst wie ein Waschlappen vor, der beim leisesten Anzeichen in Ohnmacht fiel.
Entschlossen setzte sich Harry im Bett auf, griff nach der Brille auf dem Nachttisch und fragte mit fester Stimme: "Ist etwas nicht in Ordnung?"
Dumbledore lächelte weise, während aus der Richtung wo Snape stand, ein abfälliges Schnauben zu hören war. Ron und Hermine schienen jedoch aus allen Wolken zu fallen. Sie drängten sich näher an das Bett und während Hermine fassungslos den Kopf schüttelte, schrie Ron ihn geradezu an: "Ob etwas nicht in Ordnung ist?! Du bist am See in Ohnmacht gefallen, dein Körper hat sich wie ein Eisklotz angefühlt, auf der Krankenstation ist Madame Pomefrey deinetwegen nicht zum Schlafen gekommen und Du wachst erst zwei Tage später wieder auf! DAS ist nicht in Ordnung!"
Obwohl dies alles sehr besorgniserregend klang, musste sich Harry doch ein Grinsen verkneifen. Rons Wangen hatten sich bei seinem Wutausbruch mindestens so rot wie seine Haare gefärbt und er gestikulierte wild mit den Händen, während er versuchte seinem Freund begreiflich zu machen, was für Sorgen er sich wirklich gemacht hatte. Hermine fand endlich ihre eigene Sprache wieder. Sie legte Ron beruhigend eine Hand auf den Arm und sah Harry skeptisch in die Augen, als hoffe sie, dort die Antworten auf ihre unausgesprochenen Fragen ablesen zu können. Laut aber sagte sie: "Wie fühlst du dich?"
‚Sehr gut', lag Harry auf der Zunge. Doch das stimmte nicht. Er fühlte sich nicht einfach ‚sehr gut' - er fühlte sich... wie neugeboren. "Besser wie nie", sagte er schließlich, selbst verwundert und sah fragend zu Dumbledore. Der alte Zauberer nickte, und obwohl Harrys Zustand doch eigentlich ein Grund zur Erleichterung gewesen wäre, schien Dumbledore im Gegensatz sogar äußerst besorgt. Auch Ron und Hermine warteten auf eine Erklärung des Direktors, der sich nun räusperte. "Nun, es ist schön, wenn es dir besser geht."
‚Nicht besser - geradezu... ich weiß nicht. Wie ein junger Gott?', dachte Harry, ließ sich aber nichts anmerken. Dumbledore fuhr fort: "Kannst du uns erzählen, was passiert ist?"
Harry nickte, sammelte kurz seine Gedanken und versuchte, sich nicht von dem Drang ablenken zu lassen, sofort aus dem Bett zu springen und wie ein Wilder durch die Krankenstation zu hüpfen. "Ich war am See-"
"Nachdem er Draco bedroht hatte und unverschämter Weise aus dem Klassenraum stürzte", fiel ihm Snape plötzlich ins Wort. Ron und Hermine warfen sich Blicke zu, die nur allzu leicht zu deuten waren und Dumbledore wandte sich seinem Professor zu. "Danke, Severus, das haben sie bereits an anderer Stelle ausführlich erläutert. Darüber werde ich mit Harry noch reden. Doch nun-", er wandte sich wieder dem Krankenbett zu, "erzähl doch bitte weiter."
Harry überlegte eine Weile und ertappte sich dabei, wie er eine Faust um die Bettdecke geschlossen hatte, um nicht mit den Fingern gegen die Matratze zu trommeln. Er fühlte sich voller Energie und wollte nicht länger im Bett bleiben. Es kostete ihn einige Anstrengung, sich zusammenzureißen. "Viel gibt es nicht mehr zu erzählen. Ich saß am Ufer-" ‚und wünschte Malfoy die Pest an den Hals'- "und plötzlich hörte ich ein Geräusch. Ich sah mich um, dann wurde es kalt." Es zitterte Harry leicht, als er daran zurückdachte. Er wusste noch, dass er eine grässliche Fratze gesehen hatte, bevor er zusammengebrochen war, aber er konnte sich nicht erinnern, wie dieses... "Gesicht" ausgesehen hatte. "Ich hörte Stimmen, die von Hagrid, Ron und Hermine. Aber richtig aufgewacht, bin ich erst hier wieder."
Es wurde sehr still in dem Raum und während Ron und Hermine ihrem Freund aufmunternd zulächelten, tauschten Dumbledore und Snape nur besorgte Blicke. Harry wandte sich an den Direktor. "Stimmt es, dass zwei Tage vergangen sind?"
Dumbledore nickte behutsam und seufzte. "Du weißt wirklich nicht, wer oder was dich da draußen angefallen hat?"
Harry schüttelte den Kopf und fragte nach einer Weile vorsichtig: "Professor, darf ich die Krankenstation verlassen?"
Dumbledore musterte ihn überrascht und Harry beeilte sich zu sagen: "Nunja, ich fühle mich wieder ganz gut und ich glaube nicht, dass es nötig ist, länger hier zubleiben."
"Was nötig ist und was nicht, entscheidet Madame Pomefrey", blaffte ihn Snape an. "Du solltest froh sein-" Weiter kam er nicht, denn Dumbledore fuhr ihm über den Mund. "Harry, fühlst du dich wirklich soweit wieder hergestellt?"
"Ja, auf jeden Fall!"
"Nun gut... Aber versprich mir, auf dich Acht zu geben."
Harry hätte gerne entnervt mit den Augen gerollt. Es ging ihm gut, warum machten sich alle solche Sorgen? Ja, es ging ihm geradezu ausgezeichnet, er hätte Bäume ausreißen können. Um Dumbledore zu beruhigen und um Snape zu ärgern, der sich bleich vor Wut auf die Lippe biss, lächelte Harry brav und nickte. Noch einen Moment länger musterte Dumbledore ihn, dann jedoch nickte auch er und machte sich auf den Weg, die Krankenstation zu verlassen, im Schlepptau Snape, der noch einen letzten bösartigen Blick auf das Bett warf, bevor er durch die Tür trat.
Harry war nun allein mit Ron und Hermine. Jetzt erst stieß er einen Stoßseufzer aus, ließ sich in sein Kissen zurückfallen und meinte gespielt verzweifelt: "Aufzuwachen und dieses Gesicht zu sehen ist ein furchtbarer Albtraum. Was hatte Snape hier zu suchen?"
Hermine sagte schnell, bevor Ron sich zu einer unbedachten Äußerung hinreißen ließ: "Er wollte sehen, wie es seinem Patienten geht."
"WAS?!" Harry saß wieder kerzengerade im Bett. "Seinem Patienten? Was ist passiert? Ist Madame Pomefrey jetzt Professorin für Zaubertränke?"
Ron lachte bei dieser Bemerkung, aber Hermine blieb weiterhin Ernst.
"Das war kein Scherz, oder?", versicherte sich Harry nun doch und Hermine schüttelte den Kopf. "Habe ich wirklich zwei Tage am Stück geschlafen?"
Ron bejahte. "Wir haben uns alle große Sorgen gemacht und Snape... Nunja. Madame Pomefrey war machtlos, darum musste unser Lieblingslehrer einen Trank für dich brauen."
"Dumbledore hat es tatsächlich zugelassen, dass mich Snape vielleicht vergiftet?!?"
"Harry!" Hermine schien wütend zu werden, was an sich schon ungewöhnlich genug war, doch dann schimmerten plötzlichen Tränen in ihren Augen und damit hatten weder Ron noch Harry gerechnet. Harry griff beruhigend nach der Hand von Hermine und Ron strich ihr sanft über den Rücken. Hermine schniefte kurz und schüttelte die Hände, die sie beruhigen wollten unwillig ab. Sie hatte sich wieder völlig in der Gewalt. Trotzdem war ihre Stimme leiser als üblich, als sie nun sagte: "Wenn Snape diesen Trank nicht gebraut hätte, wärst Du vielleicht gar nicht mehr aufgewacht..."
(Marenvs)
"Harry?" Etwas rüttelte an seiner Schulter. "H-a-r-r-y!" Das Schütteln brach ab, stattdessen packten nun zwei grobe Hände reichlich unsanft zu und hoben ihn halb hoch. "Wach auf, Junge!" Etwas kühles fuhr über seine Stirn und Harry, dessen Augenlieder mit Bleigewichten behangen zu sein schienen, stöhnte leicht. "Wsn?"
"Hagrid, Hagrid! Er hat etwas gesagt, er kommt wieder zu sich!" Eine zweite Stimme, links von Harry und viel zu nah an seinem Ohr, noch dazu viel zu schrill, um in diesem Moment angenehm zu klingen, stieß diesen Ruf aus. Erneut versuchte Harry etwas zu sagen, doch er gab einen Laut von sich, der mehr einem ersticktem Knurren gleichkam. Ihm war kalt, fürchterlich kalt.
"Junge, schlag die Augen auf! Nich wegdösen, klar? Hermine, hohl Hilfe! Ron, halt es!"
Harry konnte hören, wie sich eilige Schritte entfernten, gleichzeitig spürte er, wie sein Oberkörper noch ein wenig aufgerichtet wurde.
"Was ist nur passiert?" Durch den Schleier der überstandenen Ohnmacht erkannte Harry die Stimme seines besten Freundes, der besorgt eine Frage stellte, die nur schwer zu beantworten schien. Tatsächlich erwiderte der tiefe Bass des Wildhüters: "Is' jetzt nicht so wichtig. Halt es nur weiter gut fest."
"Hagrid!"
Ron schien empört und Harrys ohnehin verwirrte Sinne begriffen nicht, was um ihn herum geschah. Vielleicht wäre es keine schlechte Idee, tatsächlich die Augen aufzuschlagen. Aber er fühlte sich so schwach...
"Hey Harry! Bist doch sonst immer so stark. So'n bisschen Frost haut Dich doch nicht um. Komm schon..." Etwas rubbelte über seine Arme und Harry spürte, wie ihm langsam wärmer wurde.
"Hagrid, du solltest seine Haut dranlassen!" Ron schien tatsächlich nervös zu werden und wenn Harry nicht so unfähig gewesen wäre, sich zu bewegen, hätte er gerne gegrinst - obwohl Ron nicht ganz unrecht hatte, denn was immer Hagrid gerade tat, Harry fühlte sich, als wäre er in einen Mähdrescher geraten. Er wäre gerne aufgestanden, doch er konnte nicht mal die Augenlider heben. Oder doch? Harry blinzelte leicht und das Rubbeln hörte abrupt auf.
"Hagrid, er schlägt die Augen auf!"
"Ron, du musst es festhalten!", dröhnte der Wildhüter zurück und plötzlich war ein schrilles Quieken zu hören, wie von einem Ferkel, dem am Schwanz gezogen wird. Harry hörte ein gefluchtes "autsch", das nur von Ron stammen konnte und plötzlich stupste ihn etwas feuchtes an den Hals. Harry spürte, wie sich seine Härchen im Nacken aufrichteten und für einen schrecklichen Moment glaubte er, die Kälte wäre zurückgekehrt. Doch dieses Gefühl verschwand so schnell, wie es gekommen war und hinterließ nur eine fahle Erinnerung. Ron schien, was immer ihm entlaufen war, wieder eingefangen zu haben.
"Ro... Ron."
"Ja, Harry?" Der Rotschopf schien mit irgendetwas zu ringen, zumindest klang seine Antwort sehr gepresst, als müsse er mir aller Kraft etwas festhalten. Hatte Hagrid nicht verlangt...?
"Was... ist passiert?" Sprechen war anstrengend. Noch anstrengender jedoch schien es Harry, die Augen auch nur einen winzigen Augenblick offen zu halten, um das Gesicht seines Freundes erkennen zu können.
"Keine Ahnung, wir haben dich hier besinnungslos gefunden. Erinnerst du dich an etwas?"
"Nein... Kalt!"
Hagrid mischte sich ein. "Wir bringen dich auf die Krankenstation. Da vorne kommt Hermine mit Madame Pomefrey!"
Harry war zu erschöpft, um noch eine Antwort geben zu können und er hörte nur noch, wie aufgeregt durcheinander schnatternde Stimmen näher kamen, dann wurde es erneut schwarz um ihn.
Als Harry abermals an diesem Tag erwachte, wusste er sofort, dass etwas anders war. Ihm war nicht mehr kalt, ja, er fühlte sich sogar angenehm erholt. Die harte Wiese, auf der er eben noch gelegen hatte, war gegen eine weiche Matratze getauscht worden. Die Krankenstation!
Harry schlug die Augen auf - was ihm dieses Mal nicht die geringsten Probleme bereitete - und sah sich einem Anblick gegenüber, dem sogar Fluffy, Hagrids übellaunigem, dreiköpfigem Höllenhund alle Ehre gemacht hätte. Snape!
Der Professor für Zaubertränke stand am Fußende des Bettes und schenkte dem Jungen einen dermaßen hasserfüllten Blick, dass sich Harry sofort zurück an den See wünschte. Zum Glück starrte ihn Snape nicht sehr lange an, denn nun schoben sich zwischen ihn und Harry die Gesichter von Ron, Hermine und Dumbledore.
Alle vier sahen gleichfalls besorgt aus und Harry spürte, wie er unter den musternden Blicken leicht errötete. Es war ihm unangenehm, dass sie sich seinetwegen so große Sorgen machten - noch unangenehmer war es ihm, dass ihm diese Szene so bekannt vorkam. Wie oft hatte er schon hier gelegen? Langsam kam sich Harry selbst wie ein Waschlappen vor, der beim leisesten Anzeichen in Ohnmacht fiel.
Entschlossen setzte sich Harry im Bett auf, griff nach der Brille auf dem Nachttisch und fragte mit fester Stimme: "Ist etwas nicht in Ordnung?"
Dumbledore lächelte weise, während aus der Richtung wo Snape stand, ein abfälliges Schnauben zu hören war. Ron und Hermine schienen jedoch aus allen Wolken zu fallen. Sie drängten sich näher an das Bett und während Hermine fassungslos den Kopf schüttelte, schrie Ron ihn geradezu an: "Ob etwas nicht in Ordnung ist?! Du bist am See in Ohnmacht gefallen, dein Körper hat sich wie ein Eisklotz angefühlt, auf der Krankenstation ist Madame Pomefrey deinetwegen nicht zum Schlafen gekommen und Du wachst erst zwei Tage später wieder auf! DAS ist nicht in Ordnung!"
Obwohl dies alles sehr besorgniserregend klang, musste sich Harry doch ein Grinsen verkneifen. Rons Wangen hatten sich bei seinem Wutausbruch mindestens so rot wie seine Haare gefärbt und er gestikulierte wild mit den Händen, während er versuchte seinem Freund begreiflich zu machen, was für Sorgen er sich wirklich gemacht hatte. Hermine fand endlich ihre eigene Sprache wieder. Sie legte Ron beruhigend eine Hand auf den Arm und sah Harry skeptisch in die Augen, als hoffe sie, dort die Antworten auf ihre unausgesprochenen Fragen ablesen zu können. Laut aber sagte sie: "Wie fühlst du dich?"
‚Sehr gut', lag Harry auf der Zunge. Doch das stimmte nicht. Er fühlte sich nicht einfach ‚sehr gut' - er fühlte sich... wie neugeboren. "Besser wie nie", sagte er schließlich, selbst verwundert und sah fragend zu Dumbledore. Der alte Zauberer nickte, und obwohl Harrys Zustand doch eigentlich ein Grund zur Erleichterung gewesen wäre, schien Dumbledore im Gegensatz sogar äußerst besorgt. Auch Ron und Hermine warteten auf eine Erklärung des Direktors, der sich nun räusperte. "Nun, es ist schön, wenn es dir besser geht."
‚Nicht besser - geradezu... ich weiß nicht. Wie ein junger Gott?', dachte Harry, ließ sich aber nichts anmerken. Dumbledore fuhr fort: "Kannst du uns erzählen, was passiert ist?"
Harry nickte, sammelte kurz seine Gedanken und versuchte, sich nicht von dem Drang ablenken zu lassen, sofort aus dem Bett zu springen und wie ein Wilder durch die Krankenstation zu hüpfen. "Ich war am See-"
"Nachdem er Draco bedroht hatte und unverschämter Weise aus dem Klassenraum stürzte", fiel ihm Snape plötzlich ins Wort. Ron und Hermine warfen sich Blicke zu, die nur allzu leicht zu deuten waren und Dumbledore wandte sich seinem Professor zu. "Danke, Severus, das haben sie bereits an anderer Stelle ausführlich erläutert. Darüber werde ich mit Harry noch reden. Doch nun-", er wandte sich wieder dem Krankenbett zu, "erzähl doch bitte weiter."
Harry überlegte eine Weile und ertappte sich dabei, wie er eine Faust um die Bettdecke geschlossen hatte, um nicht mit den Fingern gegen die Matratze zu trommeln. Er fühlte sich voller Energie und wollte nicht länger im Bett bleiben. Es kostete ihn einige Anstrengung, sich zusammenzureißen. "Viel gibt es nicht mehr zu erzählen. Ich saß am Ufer-" ‚und wünschte Malfoy die Pest an den Hals'- "und plötzlich hörte ich ein Geräusch. Ich sah mich um, dann wurde es kalt." Es zitterte Harry leicht, als er daran zurückdachte. Er wusste noch, dass er eine grässliche Fratze gesehen hatte, bevor er zusammengebrochen war, aber er konnte sich nicht erinnern, wie dieses... "Gesicht" ausgesehen hatte. "Ich hörte Stimmen, die von Hagrid, Ron und Hermine. Aber richtig aufgewacht, bin ich erst hier wieder."
Es wurde sehr still in dem Raum und während Ron und Hermine ihrem Freund aufmunternd zulächelten, tauschten Dumbledore und Snape nur besorgte Blicke. Harry wandte sich an den Direktor. "Stimmt es, dass zwei Tage vergangen sind?"
Dumbledore nickte behutsam und seufzte. "Du weißt wirklich nicht, wer oder was dich da draußen angefallen hat?"
Harry schüttelte den Kopf und fragte nach einer Weile vorsichtig: "Professor, darf ich die Krankenstation verlassen?"
Dumbledore musterte ihn überrascht und Harry beeilte sich zu sagen: "Nunja, ich fühle mich wieder ganz gut und ich glaube nicht, dass es nötig ist, länger hier zubleiben."
"Was nötig ist und was nicht, entscheidet Madame Pomefrey", blaffte ihn Snape an. "Du solltest froh sein-" Weiter kam er nicht, denn Dumbledore fuhr ihm über den Mund. "Harry, fühlst du dich wirklich soweit wieder hergestellt?"
"Ja, auf jeden Fall!"
"Nun gut... Aber versprich mir, auf dich Acht zu geben."
Harry hätte gerne entnervt mit den Augen gerollt. Es ging ihm gut, warum machten sich alle solche Sorgen? Ja, es ging ihm geradezu ausgezeichnet, er hätte Bäume ausreißen können. Um Dumbledore zu beruhigen und um Snape zu ärgern, der sich bleich vor Wut auf die Lippe biss, lächelte Harry brav und nickte. Noch einen Moment länger musterte Dumbledore ihn, dann jedoch nickte auch er und machte sich auf den Weg, die Krankenstation zu verlassen, im Schlepptau Snape, der noch einen letzten bösartigen Blick auf das Bett warf, bevor er durch die Tür trat.
Harry war nun allein mit Ron und Hermine. Jetzt erst stieß er einen Stoßseufzer aus, ließ sich in sein Kissen zurückfallen und meinte gespielt verzweifelt: "Aufzuwachen und dieses Gesicht zu sehen ist ein furchtbarer Albtraum. Was hatte Snape hier zu suchen?"
Hermine sagte schnell, bevor Ron sich zu einer unbedachten Äußerung hinreißen ließ: "Er wollte sehen, wie es seinem Patienten geht."
"WAS?!" Harry saß wieder kerzengerade im Bett. "Seinem Patienten? Was ist passiert? Ist Madame Pomefrey jetzt Professorin für Zaubertränke?"
Ron lachte bei dieser Bemerkung, aber Hermine blieb weiterhin Ernst.
"Das war kein Scherz, oder?", versicherte sich Harry nun doch und Hermine schüttelte den Kopf. "Habe ich wirklich zwei Tage am Stück geschlafen?"
Ron bejahte. "Wir haben uns alle große Sorgen gemacht und Snape... Nunja. Madame Pomefrey war machtlos, darum musste unser Lieblingslehrer einen Trank für dich brauen."
"Dumbledore hat es tatsächlich zugelassen, dass mich Snape vielleicht vergiftet?!?"
"Harry!" Hermine schien wütend zu werden, was an sich schon ungewöhnlich genug war, doch dann schimmerten plötzlichen Tränen in ihren Augen und damit hatten weder Ron noch Harry gerechnet. Harry griff beruhigend nach der Hand von Hermine und Ron strich ihr sanft über den Rücken. Hermine schniefte kurz und schüttelte die Hände, die sie beruhigen wollten unwillig ab. Sie hatte sich wieder völlig in der Gewalt. Trotzdem war ihre Stimme leiser als üblich, als sie nun sagte: "Wenn Snape diesen Trank nicht gebraut hätte, wärst Du vielleicht gar nicht mehr aufgewacht..."
