Draco lag auf seinem Bett im Gryffindor Schlafsaal, bemüht, die Kopfschmerzen, die ihn seit einiger Zeit plagten, zu ignorieren. Angesichts des hektischen Treibens um ihn herum war dies allerdings kein so leichtes Unterfangen. Durch Dracos Vorhang, den er so fest wie nur irgend möglich zugezogen hatte, drang das dumpfe Stimmengewirr seiner "Kameraden" und gönnte dem Jungen keine Ruhe.
Draco verstand jedes Wort der Unterhaltung, denn natürlich dachten die anderen Gryffindors nicht im Traum daran, auf ihn Rücksicht zu nehmen und unterhielten sich laut und überdeutlich - vielleicht machten sie sogar mit Absicht so einen Krach. Besonders das Wiesel konnte sich nicht zurückhalten und übertönte mit seiner piepsigen Stimme noch alle anderen um ein Vielfaches.
‚Ich hasse sie!', fluchte Draco lautlos und wälzte sich zum wiederholten Male auf die andere Seite. Mehr als die Rücksichtslosigkeit der anderen Gryffindors, hasste er jedoch das Thema ihrer Unterhaltung: Harry Potter!
‚Oh, Harry, was ist nur passiert? Oh, Harry, geht es dir wirklich gut? Oh, Harry, du bist ja sooooo tapfer! Oh, Harry, lass mich dein Fußabtreter sein!' Dracos Laune erreichte ein nie gekanntes Tief. Seit Potter von der Krankenstation in den Gryffindorturm zurückgekehrt war, drehte sich die Welt einmal mehr nur um ihn. ‚Oh, Harry, wir haben uns ja solche Sorgen gemacht! Oh, Harry, was meinst du, was wir jetzt tun sollen? Oh, Harry, sitzt du auch bequem oder soll ich dir noch ein paar Kissen bringen?'
Dracos zog eine Grimasse. Im Gegensatz zu dem Geschwätz, das er hier ungewollt verfolgen musste, waren die Gespräche mit Crabe und Goyle von geradezu philosophischem Niveau. Das Wiesel hielt sich ran, immer neue Gründe zu erfinden, warum Potter am See wohl ohnmächtig geworden und erst zwei Tage später wieder aufgewacht sei. Die wenigsten dieser Phantasien waren auch nur im Ansatz so einfallsreich und logisch, dass man über sie länger als zwei Minuten grübeln konnte, ohne an dem, vom vielen Denken der letzten Stunde sicher sehr in Mitleidenschaft gezogenem Verstand des Wiesels zu zweifeln.
Seamus und Dean schienen alles, was Ron aufzählte, nachzuspielen und ernteten dafür viel Gelächter von den anderen Jungen. Sie hopsten durch den Raum, taten so, als seien sie Monster und grunzten dabei mal wie ein Eisbär mit Verstopfung oder quäkten laut wie ein rülpsender Frosch, was Nevilles Kröte plötzlich dazu veranlasste, sich auf die Suche nach einem paarungsbereiten Weibchen zu begeben. Sie sprang von Longbottems Schoß, woraufhin dieser entsetzt einen spitzen Schrei ausstieß und damit den Jungenschlafsaal in ein heilloses Chaos stürzte, weil alle gleichzeitig nach der Kröte greifen wollten, die aus Angst vor so vielen Händen keinen anderen Ausweg wusste, als unter ein Bett zu kriechen und sich von dort nicht mehr hervorlocken zu lassen.
Irgendwann gaben es die anderen Gryffindors auf, Nevilles Haustier durch gutes Zureden oder Drohungen wieder einzufangen und das Gespräch drehte sich wieder nur um eines: Harry Potter und das Monster vom See!
Hätte man Draco gefragt, er hätte die einzig richtige Erklärung für Potters unheimliche Begegnung sofort beim Namen nennen können: Halluzinationen! Wahrscheinlich hatte der arme Kerl nur einen Klatscher zuviel beim letzten Quidditch-Turnier abbekommen - oder er hatte sich einen neuen Trick ausgedacht, um wieder im Mittelpunkt zu stehen, von wo ihn Draco doch in den letzten Tagen eindeutig verdrängt hatte.
Dracos ohnehin schon mürrischer Gesichtsausdruck verfinsterte sich noch ein wenig mehr und er zog sich die Hälfte seines Kopfkissens über die Ohren, um endlich etwas Ruhe zu bekommen. Einige Momente lang funktionierte dies gut. Er hörte nur das Rauschen des Blutes in seinen Ohren und das dumpfe Pochen gegen seine Schläfen, ein Zeichen dafür, dass das Kopfweh noch lange nicht vorüber war. Doch auch dieser Schmerz ebbte allmählich ab.
Gerade, als Draco meinte, es endlich überstanden zu haben, wurde ruckartig der Vorhang vor seinem Bett zurückgerissen. Das unangenehm gleißende Tageslicht blendete den Ex-Slytherin und er hob schützend eine Hand über die Stirn, um seine Augen zu schützen. Gleichzeitig erkannte er die Silhouette der Person, die unmittelbar vor ihm stand, eine Hand noch am Vorhang, die andere lässig an der Seite baumelnd.
"Potter", zischte Draco, setzte sich schwungvoll auf, obwohl ihm dadurch nur ein neuer Schmerz durch die Schläfe schoss und starrte seinen Gegenüber zornig an. Doch sehr zu Dracos Verwunderung zeichnete sich im Gesicht seines Erzrivalen nicht Gehässigkeit ab, wie es der blonde Junge erwartet hätte. Mehr eine Mischung aus Verwirrung und Sorge schien sich in Potters Blick wiederzuspiegeln. Er stammelte: "Malfoy... du... du hast Kopfschmerzen."
Es war keine Frage, sondern eine Feststellung. Woher, zum Donnerwetternochmal, konnte Potter das wissen? Draco hatte sich alle Mühe gegeben, den anderen Gryffindors nicht zu zeigen, dass es ihm schlecht ging und ungewöhnlich war sein zugezogener Vorhang auch nicht. Wann immer er sich im Jungenschlafsaal aufhielt, zog er diesen Vorhang um sein Bett und die anderen Jungs verstanden die Aufforderungen, Draco ihn Ruhe zu lassen. "Was willst du?", knurrte Draco nun zwischen den Zähnen und versuchte, so herablassend und forsch wie immer zu klingen.
"Nich... nichts", erwiderte Potter und diesmal überwog eindeutig seine Verwirrung.
"Gut!", rief Draco, schwang die Beine über die Bettkante, stand auf und schritt hoch erhobenen Hauptes aus dem Schlafsaal und durch den Aufenthaltsraum, ohne auf die fragenden Blicke rings um sich zu achten. Was auch immer in Potter gefahren war, Draco nahm lieber seine Kopfschmerzen in Kauf, als sich länger mit diesem... diesem Simulanten in einem Raum aufzuhalten. Er stieg durch das Gemälde der fetten Dame und verließ den Gryffindorturm, nicht sicher, wohin er sich nun wenden sollte. Schließlich stapfte er in keine bestimmte Richtung los.
(Maren)
Als die Tür krachend ins Schloss gefallen war, herrschte Stille im Zimmer. Ron der eben noch versucht hatte, den seiner Meinung nach wahrscheinlichen Angriff einer Kreuzung zwischen einem Dementor und einem Wolf nachzuspielen, fand als erster seine Stimme wieder.
"Äh Harry, was war das?" Keine Antwort. "Harry? Harry!"
Es kam keinerlei Reaktion von dem Jungen, der noch immer wie in Trance auf das nun verlassene Bett starrte. Ron entschied, dass rufen allein wohl nichts nützte und schüttelte deswegen Harry heftig. Harry zuckte zusammen und sah sich völlig verwirrt um.
"Was ist denn Ron? Ist es Zeit fürs Abendessen?"
"Was los ist? Zeit fürs Abendessen? Wir haben vor zwei Stunden zu Abend gegessen! Oh, in Merlins Namen, geht es dir gut? Dir ist hoffentlich klar, dass du gerade freundlich mit Malfoy geredet hast. Mit Malfoy! Was ist bloß los mit dir? Ah, ich weiß schon, das muss irgendwas mit dem Angriff zu tun haben, irgendwelche Nachwirkungen. Ich glaube du solltest dringend auf die Krankenstation gehen. Schließlich ist Nett-Sein zu Draco Malfoy ein ernstes Problem. Ich kann immer noch nicht glauben, was ich da gesehen habe. Aber du kannst ja nichts dafür. Wir müssen jetzt ganz schnell auf die Krankenstation."
Ron begann Harry Richtung Tür zu ziehen, während Harry sich wunderte, dass Ron fähig war so eine Tirade loszulassen, ohne auch nur einmal Luft zu holen. Aber so amüsant dieser Gedanke auch war, er wollte bestimmt nicht wieder unter der Aufsicht von Madam Pomfrey stehen.
"Ron, lass mich los!"
Ron hörte nicht auf ihn und zog ihn weiter zur Treppe, die in den Aufenthaltsraum hinabführte.
"Ron, verdammt noch mal, ich sagte, lass mich los! Was denkst du dir eigentlich? Ich habe dir doch gesagt, dass es mir gut geht. Ich habe dir sogar gesagt, dass ich mich besser als je zuvor fühle, und das ändert sich nicht von einer Minute auf die andere. Warum wollen mich alle immer sofort in die Krankenstation stecken, sobald ich mich nicht genauso verhalte, wie es jeder von mir erwartet. Ich habe ein eigenes Leben, kann eigene Entscheidungen treffen und ich kann vor allen Dingen auf mich selbst aufpassen. Und der Krankenflügel ist NICHT mein Lieblingsort in Hogwarts. Was ist denn so schlimm daran, dass ich mit Malfoy geredet habe? Seid doch mal ehrlich, keiner von uns kennt ihn wirklich und vielleicht ist es an der Zeit, dass das geändert wird. Eins muss sich auf alle Fälle ändern, ich möchte nämlich nur einmal in meinem Leben in Frieden gelassen und nicht wie ein gestörtes Kind behandelt werden!"
Mit diesen Worten drehte er sich um, um festzustellen, dass der gesamte Aufenthaltsraum geschockt zu ihm hinaufschaute. Harry rauschte in bester Snape Manier mit wehender Robe die Treppe hinunter und zum Ausgang, dort drehte er sich noch einmal um.
"Das gilt übrigens für euch alle!", rief er erbost bevor er den Raum verließ.
Lee Jordan räusperte sich und sagte: "Uh, da ist aber jemand launisch."
Während die anderen nervös lachten, rannte Hermine sofort zu Ron, der noch blasser als sonst geworden war.
"Was ist nur geschehen?"
Nach einer langen Pause, riss sich Ron endlich zusammen und zuckte mit den Schultern.
"Kann ich nicht genau sagen, aber eins ist klar, was auch immer er sagen mag, es ist offensichtlich, dass hier irgendetwas nicht stimmt. Und ich denke wir müssen so schnell wie möglich herausfinden, was es ist. Hermine, ob du es glaubst oder nicht, irgendwie wusste er, dass Malfoy Kopfschmerzen hat und hat ihn darauf angesprochen, anstatt froh zu sein, dass er uns in Ruhe lässt. Und dabei schien er geistig total abwesend zu sein. Irgendwas müssen wir unternehmen, um ihm zu helfen."
Hermine blickte nachdenklich und besorgt drein.
"Nun, ich denke, dass wir heute nichts mehr tun können. Die Nachtruhe hat schon angefangen, aber ich gehe gleich morgen vor dem Frühstück in die Bibliothek und versuche etwas herauszufinden. Jetzt sollten wir versuchen ein wenig Schlaf zu bekommen."
Tröstend legte sie ihre Hand auf Rons Schulter.
"Keine Sorge, es wird schon alles gut werden. Harry wird schon bald wieder der Alte sein."
Froh, dass Hermine sich nun um das Problem kümmern würde, legte sich Ron zehn Minuten später ins Bett und fiel auch schon bald in einen tiefen Schlaf.
Harry rannte wütend den Korridor entlang, ohne auf den Weg zu achten. Er war so aufgebracht, dass er nicht aufhören konnte zu laufen. In letzter Zeit schien er auch nichts anderes mehr zu tun, als zu rennen. Aber irgendwie schien es die richtige Methode zur Stressbekämpfung zu sein.
Also rannte er weiter, wobei er nicht wusste, dass sein Weg ihn zu immer tiefer liegenden Teilen der Burg führte. Eigentlich wollte er jetzt nichts lieber tun, als auf irgendetwas einzuschlagen oder vielleicht mit dem Kopf gegen eine Wand laufen, aber stattdessen trugen ihn seine Beine immer weiter.
Er verstand seine eigenen Gefühle nicht mehr. Er war wütend auf Ron, weil dieser ihn wie ein Kleinkind behandelte. Er war wütend auf Malfoy, weil Malfoy einfach Malfoy war. Und er war wütend auf sich selbst, weil er so unfreundlich seinem besten Freund und freundlich gegenüber Malfoy gewesen war.
Malfoy, alles schien wieder bei Malfoy zu enden. Warum dachte er über ihn nach? Malfoy war sein Erzrivale, seine Nemesis! Warum war er freundlich zu ihm? Das war einfach wider der Natur. Warum sagte er, dass man Draco vielleicht einfach nur besser kennen lernen müsse? Warum nannte er ihn Draco?
Verwirrt schüttelte Harry seinen Kopf, um wieder klar denken zu können.
Ob es ihm wirklich gut ging, oder erlebte er gerade tatsächlich noch irgendwelche Nachwirkungen von dem Angriff? - Aber natürlich ging es ihm gut, sogar besser als je zuvor, oder nicht?
Immer noch völlig in Gedanken rannte er einen unbekannten Gang entlang. Als er an dessen Ende um eine Ecke lief, prallte er gegen etwas, was seinen Weg versperrte. Fluchend rappelte er sich auf, um zu sehen was es war.
ES war nichts anderes als Professor Snape, der auf ihn hinabsah, als sei er ein misslungener Zaubertrank...
(Eva)
Draco verstand jedes Wort der Unterhaltung, denn natürlich dachten die anderen Gryffindors nicht im Traum daran, auf ihn Rücksicht zu nehmen und unterhielten sich laut und überdeutlich - vielleicht machten sie sogar mit Absicht so einen Krach. Besonders das Wiesel konnte sich nicht zurückhalten und übertönte mit seiner piepsigen Stimme noch alle anderen um ein Vielfaches.
‚Ich hasse sie!', fluchte Draco lautlos und wälzte sich zum wiederholten Male auf die andere Seite. Mehr als die Rücksichtslosigkeit der anderen Gryffindors, hasste er jedoch das Thema ihrer Unterhaltung: Harry Potter!
‚Oh, Harry, was ist nur passiert? Oh, Harry, geht es dir wirklich gut? Oh, Harry, du bist ja sooooo tapfer! Oh, Harry, lass mich dein Fußabtreter sein!' Dracos Laune erreichte ein nie gekanntes Tief. Seit Potter von der Krankenstation in den Gryffindorturm zurückgekehrt war, drehte sich die Welt einmal mehr nur um ihn. ‚Oh, Harry, wir haben uns ja solche Sorgen gemacht! Oh, Harry, was meinst du, was wir jetzt tun sollen? Oh, Harry, sitzt du auch bequem oder soll ich dir noch ein paar Kissen bringen?'
Dracos zog eine Grimasse. Im Gegensatz zu dem Geschwätz, das er hier ungewollt verfolgen musste, waren die Gespräche mit Crabe und Goyle von geradezu philosophischem Niveau. Das Wiesel hielt sich ran, immer neue Gründe zu erfinden, warum Potter am See wohl ohnmächtig geworden und erst zwei Tage später wieder aufgewacht sei. Die wenigsten dieser Phantasien waren auch nur im Ansatz so einfallsreich und logisch, dass man über sie länger als zwei Minuten grübeln konnte, ohne an dem, vom vielen Denken der letzten Stunde sicher sehr in Mitleidenschaft gezogenem Verstand des Wiesels zu zweifeln.
Seamus und Dean schienen alles, was Ron aufzählte, nachzuspielen und ernteten dafür viel Gelächter von den anderen Jungen. Sie hopsten durch den Raum, taten so, als seien sie Monster und grunzten dabei mal wie ein Eisbär mit Verstopfung oder quäkten laut wie ein rülpsender Frosch, was Nevilles Kröte plötzlich dazu veranlasste, sich auf die Suche nach einem paarungsbereiten Weibchen zu begeben. Sie sprang von Longbottems Schoß, woraufhin dieser entsetzt einen spitzen Schrei ausstieß und damit den Jungenschlafsaal in ein heilloses Chaos stürzte, weil alle gleichzeitig nach der Kröte greifen wollten, die aus Angst vor so vielen Händen keinen anderen Ausweg wusste, als unter ein Bett zu kriechen und sich von dort nicht mehr hervorlocken zu lassen.
Irgendwann gaben es die anderen Gryffindors auf, Nevilles Haustier durch gutes Zureden oder Drohungen wieder einzufangen und das Gespräch drehte sich wieder nur um eines: Harry Potter und das Monster vom See!
Hätte man Draco gefragt, er hätte die einzig richtige Erklärung für Potters unheimliche Begegnung sofort beim Namen nennen können: Halluzinationen! Wahrscheinlich hatte der arme Kerl nur einen Klatscher zuviel beim letzten Quidditch-Turnier abbekommen - oder er hatte sich einen neuen Trick ausgedacht, um wieder im Mittelpunkt zu stehen, von wo ihn Draco doch in den letzten Tagen eindeutig verdrängt hatte.
Dracos ohnehin schon mürrischer Gesichtsausdruck verfinsterte sich noch ein wenig mehr und er zog sich die Hälfte seines Kopfkissens über die Ohren, um endlich etwas Ruhe zu bekommen. Einige Momente lang funktionierte dies gut. Er hörte nur das Rauschen des Blutes in seinen Ohren und das dumpfe Pochen gegen seine Schläfen, ein Zeichen dafür, dass das Kopfweh noch lange nicht vorüber war. Doch auch dieser Schmerz ebbte allmählich ab.
Gerade, als Draco meinte, es endlich überstanden zu haben, wurde ruckartig der Vorhang vor seinem Bett zurückgerissen. Das unangenehm gleißende Tageslicht blendete den Ex-Slytherin und er hob schützend eine Hand über die Stirn, um seine Augen zu schützen. Gleichzeitig erkannte er die Silhouette der Person, die unmittelbar vor ihm stand, eine Hand noch am Vorhang, die andere lässig an der Seite baumelnd.
"Potter", zischte Draco, setzte sich schwungvoll auf, obwohl ihm dadurch nur ein neuer Schmerz durch die Schläfe schoss und starrte seinen Gegenüber zornig an. Doch sehr zu Dracos Verwunderung zeichnete sich im Gesicht seines Erzrivalen nicht Gehässigkeit ab, wie es der blonde Junge erwartet hätte. Mehr eine Mischung aus Verwirrung und Sorge schien sich in Potters Blick wiederzuspiegeln. Er stammelte: "Malfoy... du... du hast Kopfschmerzen."
Es war keine Frage, sondern eine Feststellung. Woher, zum Donnerwetternochmal, konnte Potter das wissen? Draco hatte sich alle Mühe gegeben, den anderen Gryffindors nicht zu zeigen, dass es ihm schlecht ging und ungewöhnlich war sein zugezogener Vorhang auch nicht. Wann immer er sich im Jungenschlafsaal aufhielt, zog er diesen Vorhang um sein Bett und die anderen Jungs verstanden die Aufforderungen, Draco ihn Ruhe zu lassen. "Was willst du?", knurrte Draco nun zwischen den Zähnen und versuchte, so herablassend und forsch wie immer zu klingen.
"Nich... nichts", erwiderte Potter und diesmal überwog eindeutig seine Verwirrung.
"Gut!", rief Draco, schwang die Beine über die Bettkante, stand auf und schritt hoch erhobenen Hauptes aus dem Schlafsaal und durch den Aufenthaltsraum, ohne auf die fragenden Blicke rings um sich zu achten. Was auch immer in Potter gefahren war, Draco nahm lieber seine Kopfschmerzen in Kauf, als sich länger mit diesem... diesem Simulanten in einem Raum aufzuhalten. Er stieg durch das Gemälde der fetten Dame und verließ den Gryffindorturm, nicht sicher, wohin er sich nun wenden sollte. Schließlich stapfte er in keine bestimmte Richtung los.
(Maren)
Als die Tür krachend ins Schloss gefallen war, herrschte Stille im Zimmer. Ron der eben noch versucht hatte, den seiner Meinung nach wahrscheinlichen Angriff einer Kreuzung zwischen einem Dementor und einem Wolf nachzuspielen, fand als erster seine Stimme wieder.
"Äh Harry, was war das?" Keine Antwort. "Harry? Harry!"
Es kam keinerlei Reaktion von dem Jungen, der noch immer wie in Trance auf das nun verlassene Bett starrte. Ron entschied, dass rufen allein wohl nichts nützte und schüttelte deswegen Harry heftig. Harry zuckte zusammen und sah sich völlig verwirrt um.
"Was ist denn Ron? Ist es Zeit fürs Abendessen?"
"Was los ist? Zeit fürs Abendessen? Wir haben vor zwei Stunden zu Abend gegessen! Oh, in Merlins Namen, geht es dir gut? Dir ist hoffentlich klar, dass du gerade freundlich mit Malfoy geredet hast. Mit Malfoy! Was ist bloß los mit dir? Ah, ich weiß schon, das muss irgendwas mit dem Angriff zu tun haben, irgendwelche Nachwirkungen. Ich glaube du solltest dringend auf die Krankenstation gehen. Schließlich ist Nett-Sein zu Draco Malfoy ein ernstes Problem. Ich kann immer noch nicht glauben, was ich da gesehen habe. Aber du kannst ja nichts dafür. Wir müssen jetzt ganz schnell auf die Krankenstation."
Ron begann Harry Richtung Tür zu ziehen, während Harry sich wunderte, dass Ron fähig war so eine Tirade loszulassen, ohne auch nur einmal Luft zu holen. Aber so amüsant dieser Gedanke auch war, er wollte bestimmt nicht wieder unter der Aufsicht von Madam Pomfrey stehen.
"Ron, lass mich los!"
Ron hörte nicht auf ihn und zog ihn weiter zur Treppe, die in den Aufenthaltsraum hinabführte.
"Ron, verdammt noch mal, ich sagte, lass mich los! Was denkst du dir eigentlich? Ich habe dir doch gesagt, dass es mir gut geht. Ich habe dir sogar gesagt, dass ich mich besser als je zuvor fühle, und das ändert sich nicht von einer Minute auf die andere. Warum wollen mich alle immer sofort in die Krankenstation stecken, sobald ich mich nicht genauso verhalte, wie es jeder von mir erwartet. Ich habe ein eigenes Leben, kann eigene Entscheidungen treffen und ich kann vor allen Dingen auf mich selbst aufpassen. Und der Krankenflügel ist NICHT mein Lieblingsort in Hogwarts. Was ist denn so schlimm daran, dass ich mit Malfoy geredet habe? Seid doch mal ehrlich, keiner von uns kennt ihn wirklich und vielleicht ist es an der Zeit, dass das geändert wird. Eins muss sich auf alle Fälle ändern, ich möchte nämlich nur einmal in meinem Leben in Frieden gelassen und nicht wie ein gestörtes Kind behandelt werden!"
Mit diesen Worten drehte er sich um, um festzustellen, dass der gesamte Aufenthaltsraum geschockt zu ihm hinaufschaute. Harry rauschte in bester Snape Manier mit wehender Robe die Treppe hinunter und zum Ausgang, dort drehte er sich noch einmal um.
"Das gilt übrigens für euch alle!", rief er erbost bevor er den Raum verließ.
Lee Jordan räusperte sich und sagte: "Uh, da ist aber jemand launisch."
Während die anderen nervös lachten, rannte Hermine sofort zu Ron, der noch blasser als sonst geworden war.
"Was ist nur geschehen?"
Nach einer langen Pause, riss sich Ron endlich zusammen und zuckte mit den Schultern.
"Kann ich nicht genau sagen, aber eins ist klar, was auch immer er sagen mag, es ist offensichtlich, dass hier irgendetwas nicht stimmt. Und ich denke wir müssen so schnell wie möglich herausfinden, was es ist. Hermine, ob du es glaubst oder nicht, irgendwie wusste er, dass Malfoy Kopfschmerzen hat und hat ihn darauf angesprochen, anstatt froh zu sein, dass er uns in Ruhe lässt. Und dabei schien er geistig total abwesend zu sein. Irgendwas müssen wir unternehmen, um ihm zu helfen."
Hermine blickte nachdenklich und besorgt drein.
"Nun, ich denke, dass wir heute nichts mehr tun können. Die Nachtruhe hat schon angefangen, aber ich gehe gleich morgen vor dem Frühstück in die Bibliothek und versuche etwas herauszufinden. Jetzt sollten wir versuchen ein wenig Schlaf zu bekommen."
Tröstend legte sie ihre Hand auf Rons Schulter.
"Keine Sorge, es wird schon alles gut werden. Harry wird schon bald wieder der Alte sein."
Froh, dass Hermine sich nun um das Problem kümmern würde, legte sich Ron zehn Minuten später ins Bett und fiel auch schon bald in einen tiefen Schlaf.
Harry rannte wütend den Korridor entlang, ohne auf den Weg zu achten. Er war so aufgebracht, dass er nicht aufhören konnte zu laufen. In letzter Zeit schien er auch nichts anderes mehr zu tun, als zu rennen. Aber irgendwie schien es die richtige Methode zur Stressbekämpfung zu sein.
Also rannte er weiter, wobei er nicht wusste, dass sein Weg ihn zu immer tiefer liegenden Teilen der Burg führte. Eigentlich wollte er jetzt nichts lieber tun, als auf irgendetwas einzuschlagen oder vielleicht mit dem Kopf gegen eine Wand laufen, aber stattdessen trugen ihn seine Beine immer weiter.
Er verstand seine eigenen Gefühle nicht mehr. Er war wütend auf Ron, weil dieser ihn wie ein Kleinkind behandelte. Er war wütend auf Malfoy, weil Malfoy einfach Malfoy war. Und er war wütend auf sich selbst, weil er so unfreundlich seinem besten Freund und freundlich gegenüber Malfoy gewesen war.
Malfoy, alles schien wieder bei Malfoy zu enden. Warum dachte er über ihn nach? Malfoy war sein Erzrivale, seine Nemesis! Warum war er freundlich zu ihm? Das war einfach wider der Natur. Warum sagte er, dass man Draco vielleicht einfach nur besser kennen lernen müsse? Warum nannte er ihn Draco?
Verwirrt schüttelte Harry seinen Kopf, um wieder klar denken zu können.
Ob es ihm wirklich gut ging, oder erlebte er gerade tatsächlich noch irgendwelche Nachwirkungen von dem Angriff? - Aber natürlich ging es ihm gut, sogar besser als je zuvor, oder nicht?
Immer noch völlig in Gedanken rannte er einen unbekannten Gang entlang. Als er an dessen Ende um eine Ecke lief, prallte er gegen etwas, was seinen Weg versperrte. Fluchend rappelte er sich auf, um zu sehen was es war.
ES war nichts anderes als Professor Snape, der auf ihn hinabsah, als sei er ein misslungener Zaubertrank...
(Eva)
