Licht auf gebrochenem Glas:
Teil drei
Severus biss sich auf die Unterlippe und zögerte kurz, während er, aus sicherer Entfernung, den magischen Baum skeptisch beäugte. Er hatte ein ungutes Gefühl dabei, weil es Black gewesen war, der ihm den Tipp gegeben hatte. Aber dann hatte der dumme Gryffindor sicher damit gerechnet, dass Severus keinen Mut hatte, sich der Weide zu nähern. Tatsächlich wäre er nicht einmal überrascht, wenn sich die Herumtreiber irgendwo unter James' Umhang versteckt hielten und ihn beobachteten, ob er einen Rückzieher machte.
Das hieß, wenn dem beschränkten Gryffindor die Information nicht einfach rausgerutscht war. Das hatte er zuerst angenommen, aber als ihm Black nicht gefolgt war um ihn zu stoppen oder zu verhexen, war Severus zu der Erkenntnis gelangt, dass sie ihn reinlegen wollten. Sie wollten wahrscheinlich nur zusehen, wie er feige den Schwanz einzog.
Aber den Gefallen würde er ihnen nicht machen. Er würde ein und für allemal herausfinden, was das Geheimnis der Gryffindors war und mit etwas Glück würde er dieses Wissen dazu verwenden können um die vier von der Schule verweisen zu lassen. Sie würden es noch bereuen, dass sie ihn unterschätzt hatten.
Er näherte sich zögernd dem Baum und streckte den langen Stock, den er unterwegs gefunden hatte, so weit vor wie es ging.
Als er nur noch ein paar Meter vom Stamm des Baumes entfernt war, kam Leben in die Äste und sie begannen sanft hin und her zu wippen, wie wenn sie im Wind bewegt würden.
Severus erkannte nun wirklich einen knotenartigen Auswuchs am Fuß des Stammes, genauso wie ihm Black verraten hatte und da war auch tatsächlich eine dunkle Öffnung zwischen den Wurzeln.
Die Äste hörten mit ihrer wippenden Bewegung auf und zitterten nun warnend, während die ganze Baumkrone sich zu raffen schien um sich zur Abwehr vorzubereiten, sollte er auch nur einen Schritt näher machen.
Severus streckte die Arme so weit es ihm möglich war und reckte den Stab, ihn ganz hinten haltend, dem Knoten entgegen. Nur ein paar Zentimeter fehlten und mit einem mutholenden Atemzug machte er einen weiteren Schritt nach vorne und presste den Stock auf den Knoten.
Bei seiner letzten Bewegung waren die Äste sofort nach vorne geschossen, wie ein Pfeil, der von der Sehne geschnellt war und Severus hatte instinktiv die Augen zusammengepresst in Erwartung des Aufpralles.
Ein Aufprall, der nie kam.
Testend öffnete Severus sein rechtes Auge einen Spalt, doch der Baum war komplett regungslos. Snape entspannte sich und öffnete beide Augen. Die Äste der Peitschenden Weide hingen schlaff herunter, als wäre aus dem Baum selber alles Leben gewichen.
Also hatte Black auch damit nicht gelogen. Severus lächelte vor sich hin und sah sich suchend um. Es würde ihn nicht überraschen, wenn sich die vier nun zeigen würden um ihn davon abzuhalten in die Höhle zu gehen und ihr Geheimnis zu erfahren. Aber nichts geschah; sie waren wohl zu geschockt darüber, dass er es wirklich getan hatte. Es würde ihnen auch nichts helfen, wenn sie ihn nun stoppten. Black hatte einen Fehler gemacht und nun kannte er den Weg an der Weide vorbei. Selbst wenn sie ihn diesmal von hier fortschleifen würden, würde er jederzeit wiederkommen können.
Idioten.
Als sich nach einigen weiteren Sekunden niemand schimpfend auf ihn stürzte, trat er unter einigen schlaff hängenden Ästen zum Stamm des Baums hindurch und zwängte sich durch das Loch dort, bemüht, den Kontakt des Stockes auf dem Knoten so lange als möglich aufrecht zu erhalten.
Erst als er schon halb durch die Öffnung geschlüpft war, ließ er den Stock fallen und huschte, von den noch immer erstarrten Ästen weg, ganz in das Loch.
Sofort fiel die Höhle einige Meter scharf ab und Severus schaffte es nur schlitternd und mit Mühe, auf den Beine zu bleiben, bis sich der Boden wieder ausebnete. Dann fand er sich in einem modrig riechenden kleinen Gang wieder und er musste sich ganz schön bücken, um nicht mit dem Kopf anzustoßen. Hier war es dunkel und nur ein schwacher nächtlicher Lichtschein, der durch die Öffnung drang, erhellte düster den ersten Meter der Höhle.
Severus nahm seinen Zauberstab zur Hand und hob ihn vor sich. „Lumos", flüsterte er und sofort begann die Spitze des Stabes sanft zu leuchten und die lehmigen Wände der Höhle in fahles Licht zu tauchen. Der Gang verlor sich im Dunkel vor ihm und nur einige Windungen von sachte zuckenden Wurzelteilen waren hier und da durch den Dreck zu sehen.
Vorsichtig begann Severus die Höhle entlangzugehen. Seine Schritte machten seltsame Geräusche, die fast von den weichen, engen Wänden absorbiert zu werden schienen, während das Licht seines Zauberstabes wirre, unregelmäßige Flecken darauf zauberte.
Je weiter er vordrang, desto kühler und beklemmender wurde es und nur seine Schritte und sein Atem waren zu hören. Dennoch hatte Severus ein merkwürdiges Gefühl. Als würde er beobachtet.
Ein tiefes, leises Grollen kam vor ihm aus dem Dunkel, doch es war so schnell wieder verstummt, dass er überzeugt war, es wäre nur seine Einbildung gewesen. Trotzdem war es unheimlich hier und Severus merkte wie sich seine Nackenhaare aufrichteten und er seltsam unruhig wurde.
Er lief schon eine ganze Weile und nichts geschah, außer dem überwältigenden Gefühl, dass er nicht alleine war und gelegentlichen leisen, kaum vernehmlichen kratzenden Geräuschen. Nach einer scheinbaren Unendlichkeit wurde der Gang endlich größer und neigte sich nach einer Weile auch wieder leicht nach oben.
Und dann war es da plötzlich wieder. Weit vor ihm. Ein scharrender Laut, fast wie ein Knurren, diesmal laut und deutlich.
Severus stockte und sein Herz begann heftiger zu schlagen. Das war keine Einbildung. Am liebsten wäre er sofort umgekehrt. Etwas stimmte hier nicht. Was zur Hölle versteckten die Gryffindors hier? Vielleicht war es ja etwas gefährliches.
‚Ich habe keine Angst', redete sich Severus sofort ein, aber sein Körper schien nicht auf seine Stimme zu hören.
„Reiß dich zusammen, Snape", schalt er sich nach einer Minute. Sicher waren die Gryffindors nur vor ihm und versuchten ihm mit seltsamen Geräuschen schreiend aus der Höhle zu treiben, was morgen dann auch sicher die ganze Schule wissen würde. Severus tadelte sich selber, dass er beinahe auf den Plan reingefallen war. Wenn die vier hier etwas gefährliches verstecken würden, dann wären auch sie in Gefahr und hätten ihn sicherlich nicht hierher gelockt. So skrupellos waren nicht einmal James und seine Bande.
Er atmete tief ein und ging weiter. Vor ihm machte der Gang einen Bogen, so dass Severus nicht weiter sehen konnte, wo er hinführte. Er bewegte sich trotzdem weiter vorwärts, bis er plötzlich hastige Schritte hinter sich hörte.
„Snape, mach dass du hier rauskommst!" erklang James Potters drängende Stimme hinter ihm.
‚Verfluchter Mistkerl', dachte Severus und beeilte sich, weiterzugehen. Nun waren sie also doch gekommen um ihn vor ihrem Geheimnis fernzuhalten. Zu spät, er würde sich nicht mehr aufhalten lassen. Er beschleunigte seine Schritte noch mehr, das Licht seines Stabes in einer hellen, halbmetergroßen Blase den Weg leuchtend.
Severus war entschlossen, sich nicht von Potter aufhalten zu lassen.
Er wollte gerade um die Biegung gehen, als eine fellbedeckte Fratze mit glühenden Augen und langen Reißzähnen in den Lichtkegel des Stabes schoss und mit einem kehligen Knurren nach ihm schnappte.
Noch bevor er begriff was passierte, stockte sein Herz und er zuckte instinktiv zurück, stolperte einige Schritte und fiel rücklings auf den Boden, nur dadurch den tödlich aussehenden Reißzähnen entgehend. Das Vieh, das zu den Zähnen und Augen gehörte, brüllte laut und Severus wusste in dem Moment, dass er sterben würde. Zerrissen von dem Monster, das geifernd und knurrend im Schein des Lichtkegels einige Meter vor ihm stand.
„Verschwinde von hier, Snape!", schrie plötzlich jemand über ihm und eine Hand griff nach seinem Arm und zog ihn in die Höhe.
Unter Schock sah Severus von James Potter, der ihn zurückschob zu dem wolfsähnlichen Monster, das zu knurren aufgehört hatte und, mit der Nase in der Luft, den Duft des Neuankömmlings zu testen schien.
„Ganz ruhig, Remus", sprach Potter beruhigend auf das Vieh ein, während er, Severus hinter sich herdrängend, rückwärts von dem Monster... von Lupin... wegging.
„Mach ja keine ruckartigen Bewegungen, bis ich dir sage du sollst rennen", zischte Potter zwischen zusammengebissenen Zähnen hervor. „Dann mach, dass du so schnell als möglich zurück und aus der Höhle kommst. Sirius wartet bei der Weide und hält sie ruhig, dass wir schnell rauskommen."
Severus fühlte sich wie in einem unwirklichen Traum und schaffte es nur, widerstandslos zu nicken.
Potter sprach weiterhin beruhigend auf das Biest ein und es knurrte drohend und leise, bewegte sich allerdings nicht, als wäre es nicht sicher, ob der Gryffindor Beute oder Rudelmitglied war.
Potter drängte Severus weiter in die Dunkelheit zurück, bis die Gestalt des Wolfes langsam wieder mit der Finsternis verschmolz.
„Raus hier!" rief Potter schlussendlich und Severus rannte mit eingezogenem Kopf, stolpernd, und ohne sich umzusehen, los, seinen Zauberstab noch immer krampfhaft umklammert.
Er kümmerte sich nicht um den Schmutz, den er an die Kleidung bekam oder die kleinen Steine, die hier und da gegen seine Haut ritzten. Er rannte nur in blinder Panik, bis er das Licht der Öffnung vor sich erblickte und keuchend aus der Höhle stolperte.
Severus schaffte noch drei Schritte, bevor seine Beine nachgaben und er zitternd und nach Atem ringend zu Boden sank.
Für eine Weile verschwamm seine Umwelt, seine Lungen schienen die Luft, die ihm plötzlich dick wie Melasse vorkam, nicht mehr transportieren zu können, während sein Magen drohte, sich umzustülpen. Er nahm kaum wahr, wie Potter hinter ihm aus der Höhle kam und Black wütend erzählte, was dort unten vorgefallen war und dass, wäre er nicht aufgetaucht, Snape jetzt nicht mehr leben würde.
Erst nach einer Weile konnte Severus sich soweit beruhigen, dass er wieder fähig war, mit tiefen Zügen zu atmen.
„Verdammter Mist, Schniefelus. Was ist in dich gefahren, in die Höhle zu gehen?" zischte Potter hinter ihm, nach Atem ringend.
Severus konnte darauf nicht antworten. Er wollte es, wollte protestieren, den Gryffindor anschreien, dass sie ihn dort hineingelockt hatten, doch jeder Ton, den er eventuell hätte machen wollen, blieb in seiner Kehle hängen.
„Du Idiot. Sonst hörst du auch nie auf mich", erklang nun auch Blacks Stimme, wenn er auch irgendwie mehr rechtfertigend und enttäuscht, als wütend.
Dass es Black nicht sonderlich gestört hätte, wenn er soeben von dem Monster zerfleischt worden wäre, war in seinem Ton deutlich zu erkennen.
Das Monster... ein Werwolf. Remus Lupin war ein Werwolf.... Severus hatte immer nach einem Grund gesucht, um einen oder alle der vier Gryffindors von der Schule zu haben, und ein Werwolf zu sein, wäre ein sicherer Garant für eine verfrühte Heimreise, doch im Moment konnte sich der Slytherin nicht darüber freuen. Diese Zähne waren zu nah gewesen. Nachdem der erste Adrenalinschub sich nun gelegt hatte, brach der Schock umso heftiger über Severus herein und sein ganzer Körper begann zu zittern. Nah.... zu nah.
„Was ist hier los?" drang plötzlich eine andere Stimme zu ihnen und zum ersten Mal, seit er aus der Höhle heraus war, sah er auf.
Albus Dumbledore kam mit hastigen Schritten auf sie zu.
Potter und Black, die einen Meter neben ihm standen, wechselten einen nervösen Blick.
Severus wollte sofort sagen, was passiert war. Dass Black ihn in eine Falle gelockt hatte, dass er fast von Remus Lupin getötet worden war... doch noch immer hielt der Schock jedes Wort in seiner Brust gefangen.
„Wir können das erklären", hastete Black sofort.
Dumbledore blieb vor ihnen stehen und sah sie drei der Reihe nach, streng an. „Das hoffe ich doch. Warum seid ihr alle hier draußen um diese Zeit?"
Warum sah der Direktor denn nur ihn so an, als er das fragte?
„Ähm...", stotterte Potter. „Nun, es gab ein Problem..."
„Schni...Ich meine Snape ist zu der Weide gegangen und ist in den unterirdischen Gang gestiegen", fügte Black schnell hinzu.
Bei diesen Worten sah der Direktor wieder zu ihm hinüber, als erwartete er eine Rechtfertigung von seiner Seite. Severus schluckte und wollte sagen, dass es Blacks Schuld war; dass man ihn hierher gelockt hatte und dass er dabei fast getötet worden war. Lupin...
„Lupin ist ein Werwolf!" schoss es schließlich aus ihm heraus.
Er hätte viel erwartet. Schock, Unglauben oder Wut vielleicht, doch nicht das nachdenkliche Nicken des alten Zauberers. „Ich weiß."
WAS?? Severus war sich sicher, dass er sich verhört hatte. Dumbledore konnte nichts davon wissen, sonst hätte er Lupin doch sicher nie erlaubt auf der Schule zu bleiben.
„Stehen Sie auf, Mister Snape", fuhr Dumbledore streng fort. „Und es ist genau aus diesem Grund, dass niemand die Erlaubnis hat, sich der Weide zu nähern."
Severus kämpfte sich auf die Beine, die ihn nur mit Mühe zu tragen schienen. Dumbledore wusste es und trotzdem war Lupin auf der Schule....
„Wir haben ihn gewarnt", fiel nun Black mit theatralisch weinerlichen Stimme ein. „Er hat beobachtet, wie Madame Pomfrey mit Remus zu der Weide ging und hat vor uns angegeben, dass er ihnen das nächste Mal folgen würde. Wir sagten ihm, dass es gefährlich wäre und nahmen ihm das Versprechen ab, nicht hierher zu gehen. Aber er hat sein Versprechen nicht gehalten. James hat ihn gerade noch rechtzeitig rausgeholt, bevor ihn Remus angreifen konnte."
Severus starrte ungläubig auf Black. Was redete der nun für einen Mist. Es war Black gewesen, der ihn hierher gelockt hatte, doch dieser hatte ein flehendes Gesicht aufgesetzt und stieß nun, dem ebenfalls überrascht aussehenden Potter die Ellbogen in die Rippen. „Stimmt's nicht James?"
Der vielsagende Blick Blacks an seinen Freund, dass er mitspielen sollte, konnte Dumbledore doch nicht entgehen. Aber James schien zu verstehen, was sein Freund wollte und nickte zögernd. „Ja...richtig...."
Was für ein mieses Theater zogen die Beiden den nun ab?
„Ist das wahr, Mister Snape?"
War der alte Mann jetzt komplett übergeschnappt? Er konnte den Beiden dieses miese Schauspiel doch wohl nicht im Ernst abnehmen. Aber Dumbledore sah nicht im geringsten zweifelnd aus und starrte anklagend auf Severus.
„Nein, Sir. Black hat mich hergelockt", würgte er schließlich hervor. „Sie waren es, die mich in eine Falle gelockt haben. Black hat mir von dem Geheimgang und von dem Knoten am Stamm erzählt."
‚Na also, das sollte als Beweis reichen', dachte er verzweifelt. Wie hätte er sonst von dem Knoten wissen sollen. Auch Black und Potter schienen dies zu erkennen und begannen nervös ihr Gewicht zu verlagern.
„Ich habe ihn beobachtet", ertönte in dem Moment eine piepsige Stimme hinter ihm und Peter Pettigrew trat zu seinen Freunden. „Er hat einfach mit dem Stock rumgefuchtelt, um die Äste abzuwehren und ist dabei zufällig auf den Knoten gekommen."
Blacks und Potters Gesicht hellten sich sofort auf und sie warfen ihrem kleinen armseligen Freund einen dankenden Blick zu.
„Also, Mister Snape. Ich fasse einmal zusammen", sagte Dumbledore mit einer unheilverkündend, ruhigen Stimme. „Sie schleichen nachts verbotenerweise aus dem Schloss, gehen zu einer Weide, von der ich ausdrücklich gesagt habe, dass man sich ihr nicht zu nähern hat und dann haben Sie noch die Frechheit mich anzulügen?"
„Aber Sir...", versuchte Severus erneut, verzweifelt und beschämt feststellen, dass seine Augen feucht wurden. Wie konnte Dumbledore ihn nun auch noch beschuldigen? Es war doch nicht sein Fehler gewesen. Man hatte versucht ihn umzubringen.
MAN HATTE VERSUCHT IHN UMZUBRINGEN!
Verstand Dumbledore denn das nicht?
Die Bilder von den wilden Augen und den geifernden, unwirklich lang erscheinenden Fängen der Bestie brachen wieder über ihn herein und er merkte, wie er erneut zu zittern begann. Severus fühlte sich komplett ausgeliefert, jede verteidigende Haltung unter Dumbledores anschuldigendem Blick dahinschmelzend. Er wäre fast gestorben, die schrecklichen Bilder der scharfen Zähne und der faule Atem des Monsters waren wahrscheinlich für immer in seinem Gehirn festgebrannt, nur darauf wartend, dass er nicht aufpasste und sie ihn überwältigen konnten. Zu all dem Horror der noch immer tief in seinen Knochen saß, konnte er es nicht ertragen, dass ihn Dumbledore auch noch verriet. Als wäre er nur ein verängstigtes kleines Kind, sehnte sich alles in ihm nach jemanden, der diese Bilder und die bodentiefe Todesangst von ihm nehmen würde. Nach jemandem, der die Bilder von seinem inneren Auge verbannen und ihm das Gefühl der Sicherheit zurückgeben würde.
Hölle, der Sechzehn Jahre alte Severus Snape wollte in den Arm genommen werden und im Moment war es ihm vollkommen egal, wie unslytherinisch das war. Er wusste nicht, ob er sonst noch lange auf den Beinen bleiben konnte. Die Angst und die Enttäuschung über den Verrat, die ihn am ganzen Körper zittern ließen, stahl seine ganze Energie und er hatte keine Ahnung, wie ihn seine zu Pudding gewordenen Beine überhaupt noch tragen konnten.
Doch anstatt versichernder Worte und einer stützenden Haltung, sah ihn Dumbledore nur mit in die Seiten gestemmter Hände streng an, als hätte er etwas absolut Dummes getan, während er Sirius, der Schuld an der ganzen Sache hatte und hinter ihm versuchte ein Kichern zu unterdrücken, noch nicht einmal beachtete.
„Aber die Gryffindors...."
„Die Gryffindors haben eine Entschuldigung nachts draußen zu sein, Sie nicht, Mr. Snape und anstatt zu versuchen, die Schuld auf die vier abzuschieben, sollten Sie dankbar sein, dass James Sie gerettet hat.
Ich bin wirklich enttäuscht von Ihnen, Mr. Snape. Erst verstoßen Sie gegen die Regeln und bringen nicht nur sich selber in Gefahr, nein, Sie gefährden vor allem auch das Leben von James, der Sie retten musste und Remus, der, hätte er einen Mitschüler verletzt, mit schlimmen Konsequenzen hätte rechnen müssen."
Severus' Verzweiflung wuchs. Ein Mitschüler? War das alles was er war? Ein namenloser Schüler, der einen von Dumbledores' Lieblingen hätte in Gefahr bringen können? Die Worte seines Vaters, als er gefragt hatte ihn zum Bahnhof zu fahren, hallten wieder in seinen Ohren. ‚Das Leben wäre so viel einfacher, wenn du nie geboren wärst'
Sein Vater machte ihn gerne für alles Schlimme, das ihm widerfahren war, verantwortlich, doch dass Albus Dumbledore auch so dachte, hatte er, selbst wenn er es befürchtet hatte, bis dahin immer irgendwie zu verdrängen vermocht. Ein Stich des Verrates lockerte ein wenig den schraubstockartigen Halt der Panik und die Feuchtigkeit stieg nun endlich ungehindert in seine Augen, bevor sie als einzelne Träne seine Wange herunterlief.
Aber Dumbledore schien ob dem nur abgestoßen. „Sie sollten mindestens zu Ihren Handlungen stehen. Ich hoffe doch sehr, dass dies eine Träne der Reue ist. Dennoch werde ich mir nun wohl ernsthaft überlegen müssen, ob wir Ihre Präsents hier auf der Schule weiterhin dulden können."
Severus vergaß einen Moment zu atmen, als er dies hörte. Von der Schule verweisen? Ihn? Wenn er von der Schule flog, dann würde ihn sein Vater zu Tode prügeln. Er könnte nicht nach Hause. Er konnte dann nirgends hin.
„Aber...das...Bitte nicht..", brachte er krächzend hervor. Das konnte doch nicht passieren. Dies musste alles ein böser Traum sein. Er hatte doch nichts getan, verdammt noch mal.
„Leider würde ich aber dann eine Erklärung abgeben müssen, warum Sie von der Schule verwiesen worden sind, und das kann ich nicht, ohne Remus zu gefährden", fuhr Dumbledore ungehindert fort. „Deshalb werde ich den Vorfall nicht weiter erwähnen, sofern Sie mir versprechen, dass Sie es auch nicht tun."
Severus fühlte sich gleichzeitig erleichtert und noch mehr verraten. Dass Dumbledore Lupin bei seinem Vornamen nannte und er selber nur Mr. Snape war, sprach noch eine deutlichere Sprache, wo die Priorität des Direktors lag. Außerdem würde er nur nicht verwiesen, weil es Lupin gefährden würde, nicht seinetwegen. Aber warum auch? Er war ja nur ein unbeliebter Slytherin. Langsam aber sicher mischte sich Wut in seine Enttäuschung und Angst.
Dumbledore bedachte ihn mit einem durchdringenden Blick über seine Brillengläser hinweg. „Was Sie heute Abend herausgefunden haben, bleibt Ihr Geheimnis, das Sie nie verraten werden. Sollte bei den Slytherins auch nur ein Schimmer eines Verdachts über Remus' Geheimnis aufkommen, dann sind Sie weg von hier, verstanden?"
Severus konnte nicht mehr recht denken, so hielten ihn seine Emotionen gefangen. Folgendermaßen nickte er nur dümmlich.
„Ich werde allerdings trotzdem einen Brief an Ihre Eltern schreiben müssen, dass Sie bei Nacht draußen waren und zwei Mitschüler in Gefahr gebracht haben."
Irgendwo in seinem Innern wusste Severus, dass er damit Zuhause mit einer Tracht Prügel und einigen Tagen ohne Essen und Trinken in den Kerkern zu rechnen hatte. Sein Vater nahm es ihm sehr übel, wenn er dem Snapeischem Stolz und Ehre nicht genug Rechnung trug. Doch im Moment fühlte er sich nur hohl und dumpf in Terror, Unglauben und Verrat.
„Ich werde für einmal Gnade vor Recht ergehen lassen, Mr. Snape und Sie werden keine Punkteabzüge oder Strafarbeit kriegen, doch behalten Sie meine Warnung immer gut im Kopf. Nun gehen Sie sofort und ohne Umwege zurück in Ihren Schlafraum und wehe, ich erwische Sie noch einmal bei einer solchen Geschichte."
Severus konnte nicht verstehen, was hier eben passiert war. Wie wenn er in unsichtbare Watte gepackt worden wäre, war seine Umgebung um ihn dumpf geworden. Er hätte sterben können oder schlimmer noch, in einen Werwolf verwandelt und noch nicht einmal jetzt war jemand daran interessiert ihm zu helfen. Warum konnte er nicht einmal Gerechtigkeit erfahren und in etwas gewinnen? Es war unfair. So verdammt unfair.
Erneute Tränen stachen in seine Augen und bevor sie fallen konnten, drehte er sich um und rannte zum Schloss zurück.
Fast blind durch die Nässe, die seine Augen füllten, stolperte er die Eingangsstufen hoch und rannte in den Korridor, der zu den Kerkern und den Slytherin-Gemeinschaftsräumen führte.
Erst als etwas Kaltes durch ihn fuhr, so heftig, dass er das Gefühl hatte, sein Blut würde gefrieren, hielt er inne.
Er keuchte erschrocken auf, ob dem Gefühl, welches nur dadurch entstand, wenn ein Geist durch einen noch Lebenden fuhr. Doch keiner der Geister Hogwarts würde ohne Provokation so etwas tun, außer...
„Kleiner Slytherin hat es eilig?"
Peeves, dachte Severus entnervt. Er wischte sich die letzten Tränen aus den Augen, hoffend, dass der Poltergeist nicht bemerkt hatte, wie er geweint hatte. Ansonsten würde es morgen sicher die ganze Schule wissen. Eine weitere solche Erniedrigung konnte er, nach dem Verrat Dumbledores soeben, nicht ertragen.
„Oh, hat der kleine Schniefelus geweint?" kicherte der Poltergeist.
Dunkle Wut strömte in Severus wie ein Nebel zusammen und er sah zu dem, für seinen Geschmack, viel zu vergnügt aussehenden Peeves, der einen Meter über dem Boden hinter ihm schwebte, hoch.
Drohend fuhr er herum, kräuselte die Lippen und zog seinen Zauberstab, ihn auf die durchscheinende Gestalt richtend. Die Herumtreiber hatten ihn wieder einmal zum Narren gemacht und Dumbledore hatte dies noch übertroffen, durch seinen Verrat. Peeves hatte Pech, dass er gerade jetzt aufgetaucht war. „Du verdammter Geist. Ich werde dir ein für alle mal eine Lektion erteilen."
„Umbra dissipare!"
Ein blauer Strahl schoss auf den Geist zu, der sich mit einem Quietschen aus dem Weg warf und hinter einer der Rüstungen, die den Korridor hier unten säumten, versteckte. Die Rüstung klapperte unzufrieden mit dem Visier, doch bewegte sie sich nicht vom Fleck, sehr zur Erleichterung Peeves, der nun mit weit aufgerissenen Augen über deren Schulterplatten Snape anstarrte.
„Das darfst du nicht", kreischte er. „Das ist dunkle Magie. Es ist verboten einen Geist zu zerstören!"
„Sehe ich so aus, als ob mich das interessieren würde?" knurrte Severus wütend. Er wollte sich rächen für das was heute geschehen war und wenn er sich nur fest genug vorstellte, dass der Poltergeist Potter, oder sogar Dumbledore war, dann würde die Zerstörung diesem einen Teil der heiß brennenden Gefühlsinferno in seinem Innern besänftigen.
„Umbra dissipare!"
Diesmal duckte der Poltergeist gerade eben rechtzeitig den Kopf und der, für ihn absolut tödliche Strahl, schoss knapp über der Schulter der Rüstung hinweg.
In Panik kreischte Peeves und stieß seinen Schutz, hinter welchem er sich versteckte, kraftvoll vornüber.
Severus sprang hastig drei Schritte zurück um der fallenden Rüstung zu entgehen, die vor seinen Füssen mit einem ohrenbetäubenden Gescheppere und in ihre Einzelteile zerfallend auf dem Boden auftraf.
Der Helm kullerte direkt vor seine Füße und wieder schnappte das Visier, das direkt zu ihm aufzeigte entrüstet auf und zu.
Der Lärm, den das Metall verursacht hatte, als es auf dem Stein aufgeschlagen war, echote, von dem engen Steinkorridor getragen, noch einige Sekunden weiter.
Peeves nutzte diese Ablenkung um hastig durch die Decke zu verschwinden, weg von diesem verrückten Schüler, der nicht davon zurückschreckte, einen dunklen Fluch auf ihn zu hetzen, welcher ihn für alle Zeit zerreißen würde.
„Feiger Mistkerl", zischte Severus. Peeves war weg und Snape fühlte sich nach dem Angriff auf den Geist, entgegen seiner Erwartungen überhaupt nicht besser. Der Schmerz über Dumbledores Verrat war noch immer da, aber wurde nun auch von verzweifelter Wut begleitet. Er würde es ihnen allen schon noch zeigen...
Als Severus sich schon zu dem Gemeinschaftsraum weitergehen wollte, erklang vor ihm, erst ganz leise, aber immer lauter werdend, das rhythmische ‚Klipp klapp' harter Sohlen auf dem Boden. Eine Person näherte sich rasch.
Severus fluchte unterdrückt auf, doch bevor er auch nur in Betracht ziehen konnte wegzulaufen, kam auch schon Professor McGonagall hinter einer Wegbiegung hervor.
Severus verdrängte jedes Gefühl der Schuld, weil er gegen eine Regel verstoßen hatte. ‚Dumbledore hat mir schon die Leviten gelesen', dachte er bitter, da hatte er von McGonagall nichts mehr zu befürchten.
Die Lehrerin blieb hinter den am Boden verteilten, auseinandergefallenen Rüstungsteilen stehen, stemmte ihre Arme in die Hüfte und sah von den Metallteilen zu dem Schüler. „Mister Snape", bemerkte sie, als ob der Name allein schon Garantie für Regelverstöße war.
Severus kräuselte herausfordernd die Lippen. Die Frau sollte sich lieber einmal ihre eigenen Schüler vornehmen. Aber das goldene Gryffindor-Quartett konnte sich ja scheinbar alles erlauben, zumindest in Dumbledores Augen.
„Können Sie mir erklären, was Sie hier machen?"
Severus verengte die Augen aber antwortete nicht. Er hatte nichts getan, wofür ihn nicht schon Dumbledore zur Rede gestellt hatte und diesmal waren auch keine Gryffindors anwesend um ihn mit Lügen in Schwierigkeiten zu bringen.
„Nicht genug, dass Sie nachts in der Schule herumschleichen", fuhr ihn McGonagall an. „Sie machen auch noch einen solchen Krach, dass Sie alle anderen Bewohner des Schlosses wecken. Abgesehen, davon, dass Sie dabei nicht zurückschrecken, Hogwarts Rüstungen zu demolieren",
„Aber das war ich nicht!" verteidigte sich Severus. Seine Selbstkontrolle schmolz dahin, als er sich in einem erdrückenden Gefühl des Déjà-vu wiederfand.
McGonagalls Gesichtszüge versteiften sich vor Wut. „Lügen Sie mich nicht an. Hier ist niemand außer Ihnen."
„Aber Peeves...", versuchte Severus erneut sich zu verteidigen.
„Es wäre nicht das erste Mal, dass Sie den Poltergeist beschuldigen, Mister Snape. Aber diesmal kommen Sie nicht so einfach damit weg. Haben Sie mich verstanden?"
Der Anflug von Wut war schon wieder vollkommen verdampft. Glaubte ihm denn in dieser Schule überhaupt jemand?
„Professor McGonagall, ich schwöre..."
McGonagall hob warnend eine Hand. „Schwören Sie lieber nicht. Ihr Schwur ist nichts wert. Ich kenne Ihre Sorte und wenn Sie nicht endlich etwas Verantwortung lernen, dann wird es ein schlimmes Ende mit Ihnen nehmen, das kann ich Ihnen versichern."
Das tat weh. Fast so sehr wie Dumbledores Beschuldigungen. Doch was konnte er auch von der Gryffindor-Hauslehrerin anderes erwarten? Wenn selbst der Schuldirektor so voreingenommen mit Potter und seiner Bande war, dann wäre McGonagall wohl kaum besser. ER sollte Verantwortung lernen? Ein Witz.
„Zehn Punkte Abzug für Slytherin, außerdem werden Sie von morgen Abend an für eine Woche lang jeden Abend eine Strafarbeit bei Filch ableisten und Ihr nächster Ausflug zu Hogsmeade ist gestrichen. Vielleicht schaffen wir es doch noch, Ihnen beizubringen, sich an Regeln zu halten."
Strafarbeit? Aber Dumbledore hatte ihn doch schon erwischt und ihm keine Strafarbeit aufgegeben oder Punkte abgezogen. McGonagall durfte nicht einfach die Entscheidung des Direktors umgehen.
„Direktor Dumbledore hat aber schon..."
McGonagall, die immer aufgebrachter schien, unterbrach ihn wieder. „Die Tatsache, dass Sie mir immer nur widersprechen, erhärtet nur meine Meinung über Sie, Mister Snape. Dass ich den Direktor von Ihrem nächtlichen Ausflug berichten werde, darauf können Sie sich verlassen. Wundern Sie sich deshalb nicht, wenn er morgen noch eine Unterredung mit Ihnen hat. Und nun verschwinden Sie."
Noch vor ein paar Minuten hätte Severus gedacht, dass er sich unmöglich je schlechter fühlen könnte, nachdem ihm Dumbledore so in den Rücken gefallen war und seine Gryffindors beschützt hatte, doch er hatte sich geirrt.
Er sah McGonagall mit offenem Mund an, alles in ihm schreiend, sich zu verteidigen, etwas zu sagen, gegen diese Unfairness, doch irgendwie blieb jedes Geräusch in seiner Kehle stecken und brannte heiß in seinem Hals.
Zuhause war er nichts wert und auch nicht in Hogwarts. Er war ja nur der unbeliebte, fettige Slytherin.
Als seine Umwelt durch einen Schleier von Tränen zu verschwimmen begann, packte ihn ein übermächtiger Fluchtinstinkt. Er wollte weg hier. Nur weg.
Wortlos und so schnell er konnte, eilte er den Korridor entlang.
Kaum war er im Slytherinschen Gemeinschaftsraum angekommen, holten ihn die Ereignisse dieser Nacht ein. Black hatte versucht ihn in die Höhle zu locken. Der verdammte Bastard wusste, was mir Remus los war. Die überlangen, geifernden Reißzähne und die fast glühenden Augen blitzten wieder vor Severus' innerem Auge auf und er lehnte sich schaudernd gegen die Wand.
Er hätte getötet werden können. Black hatte versucht ihn umzubringen. Die Gryffindors wollten ihn ermorden und Dumbledore strafte sie noch nicht einmal. Nein, er war es gewesen, der beschuldigt wurde. Vom Direktor und auch McGonagall. Er würde nie gegen die Gryffindors ankommen. Egal was passierte, die Vier würden immer bevorzugt. Selbst wenn sie ihn irgendwann umbrächten, würde man sie höchstens belohnen.
Bei diesen Gedanken wurde ihm wirklich übel. Er eilte zum Knabenklo und übergab sich heftig in eine der Toilettenschüsseln.
Anmerkung von Lilith: Wiederholt nach mir: „DAS NÄCHSTE KAPITEL MACHT SINN!!" Ihr werdet merken, was ich meine, wenn Ihr es liest, (Falls es ausser Angel und Padfoot's mate überhaupt einer liest, sonst geht dies her nur an Padfoot's mate, da Angel den Plot schon kennt) aber behaltet im Kopf, dass ich, wenn ich schreibe, selten etwas unüberlegt tue.
An die Reviever:
Angel 1291. Du bist die Beste. Aber ich fürchte, dass nach ‚Von Mördern....' und derer Übersetzung erst mal Schluss ist. Will mal schauen, ob ich mich verbessert habe, bei den Saint Seiya fics, nach so viel Übung ausserhalb:-P
Padfoot's mate: Leider ist es so. Ich habe gerade wieder den Beweis dafür gesehen, als ich eine absolut geniale fic im Englischen gelesen habe, die nach fünf Kapitel erst mal 17 reviews hat. Ich habe mir schon überlegt, das Summary mal Testeshalber zu ändern und dann mal zu schauen, aber das wäre wohl gemein, wenn ich die Leser anlüge :-P Ach ja. Leider ist meine Betaleserin gerade auf Urlaub, deshalb kommt das nächste ‚Von Mördern...' erst, wenn sie zurück ist.
