Licht auf gebrochenem Glas
Teil 4:
"Professor Dumbledore?"
Die piepsige, jedoch drängende Stimme hinter ihm ließ Albus innehalten. Er war gerade dabei, an dem Wasserspeier vor seinen Räumen vorbei zum Frühstück in die Große Halle zu gehen, als er gerufen wurde.
Er drehte sich um und seine Augenbrauen hoben sich erstaunt. Was wollte Peter Pettigrew denn von ihm, und das so früh am Morgen?
Der dickliche Junge sah aus, als sei er den Weg hierher gelaufen und holte schwer schnaufend und prustend zu ihm auf, bevor er stehen blieb und, die Hände auf seine Knie abgestützt, nach Atem rang.
"Was gibt es denn so Wichtiges, mein Junge. Ist etwas nicht in Ordnung?"
Peter schnappte noch immer nach Luft, was es ihm unmöglich machte zu sprechen, doch er schüttelte verneinend den Kopf.
Dumbledore entspannte sich etwas. Da Peter ein enger Freund von den größten Ärgermachern Hogwarts war, hatte er sofort angenommen, dass sich die Jungen wieder in Schwierigkeiten gebracht hatten.
"Es geht um Snape, Direktor", brachte der Schüler schließlich zwischen zwei großen Schnaufern heraus.
Albus stöhnte innerlich auf. Wenn Peter zu ihm kam und sich über Severus Snape beschwerte, dann hatte es sicherlich wieder mit dem Streit zwischen dem Slytherin und der Gryffindor-Gruppe zu tun. Warum konnten sie alle dies Spielchen nicht ein für allemal sein lassen? Sein Leben wäre so viel einfacher und auch seine Bemühungen, den jungen Snape von seiner Selbstzerstörung zu bewahren, würden nicht so aussichtslos erscheinen.
"Was ist nun wieder passiert?" fragte er leicht überdrüssig.
Peter schien sich wieder etwas zu fassen, auch wenn er noch immer etwas heftig atmete.
"Wir haben ihn beobachtet, wie er gestern Abend Madame Pomfrey und Remus gefolgt ist." Peter machte eine verlegene Pause und seine Wangen verfärbten sich leicht Rosa. "Besorgt, er könne das Geheimnis erfahren, sind James, Sirius und ich ihm nachgestiegen."
Albus runzelte missbilligend die Stirn. Natürlich würden sich die Drei um ihren Freund sorgen, doch sie hätten auch ihn benachrichtigen können, damit er Severus stoppte, bevor dieser zuviel sah und dabei sich selber in Lebensgefahr brachte oder Remus gefährdete. Doch genauso wie Severus immer danach suchte die Gryffindors von der Schule fliegen zu lassen, waren diese darauf erpicht, dem Slytherin wann immer möglich eins auszuwischen. Albus hoffte nur, dass keine der beiden Seiten je zu weit gehen würden.
"Warum habt ihr mich nicht sofort benachrichtigt?" fragte er so beiläufig wie möglich und Peter senkte sofort den Blick und scharrte nervös mit einem Fuß eine imaginäre Staubfussel herum.
"Ich... wir...", stotterte er und Albus seufzte erneut, diesmal laut.
"Ist schon gut, Peter. Ich kann mir den Grund gut vorstellen. Was ist genau passiert?"
Peter hielt den Kopf weiterhin gesenkt, als wage er es nicht, ihm in die Augen zu sehen, wahrscheinlich weil er sich ihrer überstürzten Verfolgungsjagd schämte, vermutete Albus. Peter war kein schlechter Junge aber er hatte nicht allzu viel Selbstvertrauen. Schon deshalb war es verwunderlich, dass er es war, der die Beichte ablegen kam.
"Wir sind ihnen unter dem Tarnumhang gefolgt und Madame Pomfrey hat Remus hinunter in den Gang gebracht", fuhr Peter, dem Boden zugewannt fort. "Wir haben beobachtet, wie sich Snape versteckte und warteten bis Madame wieder zurückkam und zum Schloss ging. Dann hat Snape mit einem Stock den Knoten berührt, wie er es vorher Madame Pomfrey hat tun sehen und ist in den Gang herunter gestiegen."
Albus fühlte das Blut seinen Kopf verlassen. Wenn der Junge durch den Gang zu der heulenden Hütte ging, während Remus ein Werwolf war, dann konnte er getötet oder gebissen werden. War es das, was Peter ihm sagen wollte? Dass Remus Severus angefallen und getötet hätte? Nein, schalt er sich gleich selber. Das war nicht möglich, oder die Jungs hätten nicht bis zum Morgen gewartet um zu ihm zu kommen. Er atmete einmal tief durch und gewann seine Ruhe wieder. "Was ist dann geschehen, Peter?" drängte er den immer nervöser aussehenden Schüler.
James... James ist ihm gefolgt und hat ihn zurückgezerrt, bevor etwas passierte, aber Snape hat Remus in seiner Wolfgestalt gesehen."
Albus entspannte sich wieder vollkommen. Merlin sei Dank, war dem Jungen nichts passiert. Er dankte James innerlich. Vielleicht war ja auch noch nicht alle Hoffnung verloren, dass die Schüler irgendwann einmal ihren Groll begraben würden. James schien gestern Abend den ersten Schritt in diese Richtung gemacht zu haben.
Dass Severus nun über Remus' Geheimnis Bescheid wusste, damit konnte man umgehen. Er würde den Jungen in die Zange nehmen und ihm das Versprechen abnehmen müssen, nichts zu sagen.
"Danke, dass du mich informiert hast, Peter. Ich muss aber nun los um vor dem Frühstück mit Severus zu reden, bevor er die Chance bekommt, seinen Mitschülern etwas zu verraten."
Damit drehte er sich um, um zur Großen Halle zu gehen und Severus abzufangen. Jedoch eine Hand, die seinen Ärmel fasste und ein gequietschtes "Nein", von Peter ließ ihn innehalten. Sofort zog der Junge seine Hand wieder zurück, als hätte er verbotenerweise etwas sehr teures angefasst. "Das brauchen Sie nicht, Direktor. Er wird nichts sagen."
Albus musterte Peter misstrauisch. Solch ein Verhalten war mehr als untypisch für den scheuen Gryffindor, der nun nervös sein Gewicht von einem Bein auf das andere verlagerte.
"Snape war die ganze Sache sehr peinlich und er war so wütend, wie ich ihn noch nie gesehen habe. James hat ihm das Leben gerettet und ihm als Gegenleistung das Versprechen abgenommen, Remus' Geheimnis nicht zu verraten."
Albus nickte. Das machte Sinn.
Obwohl eine Lebensschuld damit nicht gesühnt werden konnte, würde sich jedoch jeder Zauberer, der auch nur etwas Stolz hatte, an das Versprechen halten müssen. Und Stolz hatte Severus wahrlich mehr als genug. Darum würde der jüngste Snape wohl auch am liebsten den Vorfall sofort vergessen und die Tatsache, dass seine Erzfeinde davon wussten, wie er sich selber fast umgebracht hätte, war sicher Salz in seiner Wunde.
Leicht stolz sah Albus auf Peter, der wieder den Blick auf seine Hände gesenkt hatte, die er nervös ineinander knetete. Dass Peter so viel Feingefühl hatte um zu erkennen, dass eine erneute Konfrontation mit Severus diesen nur noch mehr verletzen würde, hätte er nicht erwartet. Sollte er diese Angelegenheit wirklich auf sich beruhen lassen? Die Gryffindors sowie Severus hatten gegen die Regeln verstoßen. Severus aber auch Remus hatten in erheblicher Gefahr geschwebt. Doch James hatte, als es darauf ankam, die alte Feindschaft vergessen und seinen Rivalen gerettet, während Peter den Slytherin sogar jetzt zu beschützen suchte. Und Severus selber? der schien schon mehr als bestraft genug zu sein. Außerdem musste er sehr vorsichtig sein, wie sehr er den jungen Snape bedrängte, wenn er ihn nicht verlieren wollte.
"In Ordnung, Peter. Vergessen wir das Ganze. Ich vertraue Severus, dass er das Geheimnis wahren wird, wenn er es versprochen hat. Aber ich will keine nächtlichen Ausflüge mehr sehen und wenn ihr etwas beobachtet, dann will ich unterrichtet werden und nicht, dass ihr auf eigene Faust handelt."
Peter nickte und Albus wandte sich nach einem letzten Blick auf den Jungen um und ging den Korridor weiter.
"S... Sir?" kam noch einmal Peters Stimme und Albus hielt erneut inne, sich fragend, was denn nun noch kam.
"Ich... ich fürchte, Sirius hat einen Brief an Snapes Eltern geschrieben und ihnen gesagt, dass Snape nachts draußen erwischt worden war."
Albus schloss kurz die Augen.
Auch das noch. Das würde nicht leicht für den Jungen, wenn er auch noch mit dem Zorn seines schwierigen Vaters umzugehen hatte. Leider konnte Albus dagegen nun nichts mehr tun. Außerdem würde Augustus Snape auch sonst irgend einen Grund finden, um seinen Sohn zu unterdrücken und schlecht zu behandeln. Wenn nicht dies, dann etwas anderes. Einen großen Unterschied würde es auch nicht mehr machen.
***
Severus hatte den Kopf gesenkt und ließ seine langen Haare teilweise in sein Gesicht fallen.
Er hatte schon als Kind bemerkt, dass ihn diese Geste schützte. Er konnte sich so verstecken, unauffällig sein und oft schien ihn diese Taktik fast so unsichtbar zu machen, als wenn er einen Tarnumhang übergehabt hatte. Nichts sagen, sich nicht auffällig oder schnell bewegen und vor allem niemanden anschauen. Insbesondere vermied er es an diesem Morgen, zu den Gryffindors hinüberzusehen.
Als er zum Frühstück gegangen war, war er natürlich Black und Potter begegnet. Wo dieser Arschkriecher Pettigrew steckte, wusste die Hölle und warum Lupin fehlte, war ja seit letzter Nacht klar. Er würde von Dumbledore und Pomfrey bemuttert und gepflegt werden. Oh der arme, unschuldige Werwolf.
Unschuldig, pah!
Gegen seinen Willen drängten sich wieder das Bild der speicheltriefenden Zähne, die nach ihm schnappen wollten in sein Gehirn und er dachte selbst hier noch das wütende Knurren und Brüllen zu hören.
Diese Bilder verfolgten ihn seit letzter Nacht und wenn er auch nur teilweise eingeschlafen war, hatten sie ihn erschreckt hochfahren lassen. Im Schlaf hatte er nicht mehr unterscheiden können, ob er noch immer vor den Lefzen der Bestie war oder in Sicherheit in seinem Schlafzimmer. So hatte er die Nacht sitzend in seinem Bett zugebracht, den Rücken gegen das Kopfbrett gelehnt, seine Beine an den Körper gepresst und am ganzen Körper zitternd.
Mit Entsetzen bemerkte er wieder den Griff der Panik nach ihm tasten und seine Hand mit der Gabel, mit der er eben noch sein Rührei herumgestoßen hatte, begann heftig zu zittern. Er versuchte es zu unterdrücken, doch das Schlottern wurde nur noch schlimmer und als die Gabel anfing, durch sein Zittern auf den Teller zu klappern, legte er sie schnell ab und versuchte tief durchzuatmen, obwohl er merkte, wie sein Herz raste und er zu Hyperventilieren begann.
Er würde sich nicht wie ein kleines Kind verhalten, das Angst vor Monster unter seinem Bett hatte. Verdammt noch mal, er war Severus Snape...
Nach einigen Minuten, in denen er sich nur auf seine Atmung konzentrierte, sich selber immer wieder einredend, dass er stark war und das wegstecken konnte, ließ das Zittern nach.
Severus kannte die Zeichen einer Panikattacke und hatte in den Jahren gelernt, diese zu besiegen. Dennoch war er sich sicher, dass ihn das Bild des wütenden Werwolfes nicht so schnell loslassen würde.
Den Versuch, so zu tun als würde er essen, ließ er von da an jedoch sein. Er würde ja doch nichts hinunterbringen, so schlecht war ihm und mehr als eine hämische Bemerkung eines Tischnachbarn würde er auch nicht erhalten. Damit konnte er umgehen. Er erwartete nicht, dass sich die Slytherins gegen ihn stellen würden wenn sie die Wahrheit erführen. Gegen die anderen Häuser, vor allem die Gryffindors, rauften sich die Slytherins immer zusammen. Na ja, fast immer, aber im Haus selber gab es einen ununterbrochenen Machtkampf und seit einigen der erniedrigenderen Streiche der Herumtreiber war sein Platz sehr weit nach unten gerutscht. Wobei das irgendwie gar nicht stimmte. Severus stand außerhalb der Rangordnung. Er wurde geduldet, aber man wollte nicht unbedingt mit ihm gesehen werden. Außerdem verschaffte ihm sein Ruf, so gut in der dunklen Magie zu sein, sogar in seinem eigenen Haus genug Respekt, um die anderen auf Distanz zu halten. Selbst die Slytherins hatten Angst und er hatte auch nie etwas getan um diese Distanz zu überbrücken, danke vielmals. Er brauchte diese Kindsköpfe nicht. Der einzige, der nie vor ihm abgestoßen gewesen war und ihn sogar unter seine Fittiche genommen und in die Gruppe seiner Freunde integriert hatte, war Lucius Malfoy gewesen. Doch dieser war schon seit einiger Zeit nicht mehr an der Schule.
Wenn seine damaligen 'Freunde' noch hier wären, dann hätten Potter und die anderen nie so etwas gewagt. Wenn nur...
Als ein heftiges Rauschen die Ankunft der Eulen ankündigte, rückte er seinen Stuhl etwas zurück. Solange alle abgelenkt waren, konnte er sich davonschleichen, ohne dass es zu beschämend war, weil ihm jeder unter Kichern nachsah.
Doch er kam noch nicht einmal dazu, sich zu erheben, als ein großer Uhu, den er nur zu gut kannte, vor ihm landete. Das war Taxim, Lucius' Uhu, der rein schon von seiner Größe nur zu gut den Charakter der Malfoys wiederspiegelte. Uhus waren selten, schon allein deswegen, weil sie recht wild und verschlagen waren, und es schwer war, sie zu dressieren. Darum waren sie auch verboten teuer. Groß, verschlagen und teuer, genau Lucius' Kragenweite.
Der Vogel klappte ungeduldig nach Severus' Finger, den er gerade noch zurückzog, bevor das Biest ihm eine schöne Schramme verschaffen konnte.
"Ist ja schon gut", flüsterte Severus und band dem ungeduldigen Vogel das zusammengerollte Pergament vom Bein. Dieser hackte noch einmal nach Severus' Hand, als ob er das letzte Wort behalten wollte und riss ihm dabei einen kleinen blutenden Schnitt, danach plusterte er sein Gefieder und reckte den Kopf, bevor er sich mit zwei mächtigen Schwingenschlägen erhob um wieder zu verschwinden.
Severus betrachtete den Schnitt auf seinem Handrücken, aus dem langsam und dunkelrot ein Bluttropfen quoll.
Verfluchte Eule.
'Wenn mich der Werwolf erwischt hätte, dann hätte ich weit mehr Blut verloren', schoss es durch seinen Kopf und sein Herz begann wieder schneller zu schlagen, als ihn die Erinnerung erneut zu übermannen drohte. Schnell drückte er eine Serviette auf das Blut um es abzuwischen und so von seiner Sicht zu verbannen.
"Hast du Angst vor ein wenig Blut?" lachte Edith neben ihm. Er konnte die kleine Fünftklässlerin, die es zu lieben schien auf ihm herumzuhacken, nicht leiden. Die verbrachte all ihre tratschenden, kichernden, Make-up-gefüllten Tage mit ihren ebenso verabscheuungswürdigen Freundinnen oder vor dem Spiegel, obwohl alles Make-up der Welt wohl nichts gegen die zu eng beieinanderstehenden Augen und das viereckige Gesicht tun würden, dass sie aussehen ließ, als hätte jemand ihren Kopf als Klatscher benutzt.
Dennoch trafen ihn ihre Bemerkungen heute wie Salz in seinen Wunden.
Er versuchte so gut als möglich sie und ihre kichernden Freundinnen zu verdrängen und das erneut angewachsenen Zittern seiner Hände zu beruhigen, als er den Brief Malfoys öffnen wollte.
Er kam nicht weit, denn in dem Moment landete eine weitere Eule vor ihm. Kasha, die Schleiereule seines Vaters und die Farbe des Briefes an Ihrem Bein, zeigte auch zu deutlich, was für eine Sorte Brief sie trug.
Severus' Hände verkrampften sich reflexartig, Lucius' Brief dabei in seiner Hand zerknüllend. Er wollte Kasha den Brief nicht abnehmen, doch er wusste, dass er keine Wahl hatte.
Seine Hände kaum noch unter Kontrolle, so sehr zitterten sie, band er den Brief von dem Bein der Eule und sofort hallte die wütende Stimme seines Vaters, lauter als er ihn jemals gehört hatte, durch den ganzen Raum.
WIE KANNST DU ES WAGEN, DICH NACHTS ERWISCHEN ZU LASSEN. DU BIST EINE SCHANDE FÜR UNSERE FAMILIE.
WENN ICH JEMALS WIEDER HÖRE, DASS DU ARMSELIGE ENTSCHULDIGUNG FÜR EINEN SNAPE SO ETWAS ABZIEHST, DANN WERDE ICH DICH ENTERBEN. DANN HABE ICH DIE LÄNGSTE ZEIT EINEN SOHN GEHABT. LIEBER KEINE KINDER ALS EINEN SOLCHEN SOHN WIE DU, DER EINEM NUR ÄRGER MACHT!
Es war mucksmäuschenstill in der Großen Halle als die Stimme verhallte und der Brief sich selber zerstörte.
Severus sah nicht auf, auch nicht, als das erste verhaltenen Kichern neben ihm ertönte. Das gedrückte Glucksen zog sich weiter und als einige Gryffindors laut zu lachen begannen, fingen auch andere an.
Severus sah nicht auf und knüllte Lucius' Brief nur noch fester zusammen.
"Hat Daddy geschimpft, Sevilein?" kicherte Edith.
"Hey, Schniefelus, hat auch dein Vater endlich erkannt, was für ein Versager du bist?" drang Sirius' Stimme zu ihm hinüber, gefolgt von einigern Lachern.
"Das reicht, Mister Black", dröhnte Dumbledores Stimme über den Saal und nach und nach verstummten die Lacher, auch wenn ein verhaltenes Gekicher noch immer von hier und da zu hören war.
Severus hatte weiterhin den Kopf gesenkt und bekämpfte die Tränen, die in seinen Augen stachen, während er versuchte, den Klumpen, der sich in seinem Hals gebildet hatte, hinunterzuschlucken.
Erst als sich eine Hand auf seine Schulter legte und eine freundliche Stimme sagte: "Wollen Sie lieber die Halle verlassen?" zuckte er zusammen. Was wollte Dumbledore hier? Natürlich, wenn er mitten in der Großen Halle zu weinen begann, wäre das wohl peinlich für den berühmten Dumbledore. Der Mann konnte sich seine Pseudo-Freundlichkeit sparen. Severus hatte gestern sein wahres Gesicht gesehen und das würde er nie mehr vergessen.
Der Kloß in seinem Hals wuchs zur Größe einer Melone und machte das atmen fast unmöglich. Mit einem Ruck befreite er seine Schulter von Dumbledores Griff. "Meine Familienangelegenheiten gehen Sie nichts an, Professor Dumbledore", spie er, bevor er realisierte, dass ihn der Direktor gestern gewarnt hatte und er für jede Übertretung der Vorschrift von der Schule verwiesen werden konnte.
So schnell er konnte, sprang er auf und eilte mit steifem Schritt, die letzten Reserven von Selbstbeherrschung aufrufend aus der Halle, einige leise Lacher noch immer hinter ihm herwehend.
Doch sobald die Türe der Grossen Halle hinter ihm ins Schloss gefallen war, brach seine Selbstbeherrschung zusammen und er rannte so schnell er konnte den Gang entlang in Richtung Kerker, während die Tränen schlussendlich losbrachen.
In seinem Versteck, dem verlassenen Lagerraum, angekommen, sank er in einer Ecke, den Rücken gegen die Wand, zusammen und schluchzte haltlos. Er wollte am liebsten sterben.
Wie lange er dort saß, wusste er nicht, aber als er sich endlich etwas beruhigt hatte, zog er seine Beine eng gegen seinen Körper und versuchte die Hoffnungslosigkeit in ihm zu unterdrücken. Warum machte ihm das alles so zu schaffen? Warum brachten es die anderen immer wieder fertig, ihn zum Weinen zu bringen? Er war nicht so. Immer hatte er gedacht er wäre stark. Dass der Spitzname, den ihm Black gegeben hatte, nicht stimmte, doch im Moment fühlte er sich einfach allein. Er wollte nicht mehr. Sein Leben lastete zu schwer auf seinen Schultern. Wenn er einfach hier unten bleiben würde, wer würde ihn schon vermissen? Severus hatte noch nie zuvor Selbstmord auch nur in Betracht gezogen und auch jetzt erschien ihm diese Idee zu unwirklich. Dennoch konnte er nicht noch mehr von dieser Erniedrigung und der Einsamkeit aushalten. Selbst ein verfluchter Werwolf wurde besser behandelt als er. Selbst so ein Freak wie Lupin hatte Freunde. Was war bloß so falsch gelaufen mit seinem Leben?
Es war fast so, als wäre seine Existenz verflucht. Er begann ernsthaft daran zu glauben, dass es nie aufhören würde. Es würde nicht enden mit der Schule. Egal wohin er ging, immer wieder würde es Leute wie Black und Potter geben, die ihn für seine Andersartigkeit bezahlen ließen. Es würde Menschen geben, wie sein Vater, für die nichts, was er je tun würde gut genug war und auch Menschen wie Albus Dumbledore, die vielleicht versuchten fair zu sein, aber für die er immer zweite Wahl blieb. Immer im Hintergrund und unwichtig.
Die Szene in der Höhle hatte gezeigt wie es war. Die Welt bestand aus Räubern, Mitläufern und Opfern und er würde immer in die letzte Kategorie fallen. Es schien sein Schicksal zu sein. Er war diesmal dem Tod entkommen, doch war er nicht unverletzt geblieben. Severus war sich sicher, dass ihn die Bilder des wütenden Werwolfes direkt vor seiner Nase und Dumbledores Verrat danach für den Rest seiner Tage verfolgen würden.
Er schniefte und rieb sich mit dem Ärmel seiner Robe über seine übernässten Augen und bemerkte dabei, dass er noch immer den zerknüllten Brief Lucius' in seinen Händen hielt. Der einzigen Person, die er jemals als so etwas ähnliches, wie einen Freund bezeichnet hätte.
Er gab seine verkrampfte Haltung auf und öffnete den Brief, noch immer gelegentlich schniefend.
Hallo Severus,
Wie geht es Dir denn so? Nachdem was ich so höre, hast Du es nicht einfach in der Schule und die Gryffindors machen Dir das Leben ganz schön schwer. Ich habe von einigen echt hinterhältigen Scherzen, die sie Dir gespielt haben, erfahren, aber von dem, was ich höre, zahlst Du nicht billig zurück. Das macht mich stolz, weißt Du. Ich habe Dich immer gemocht. Deshalb möchte ich Dir auch etwas zeigen, was Dich sicherlich interessieren wird. Egal, was diese verfluchten Gryffindors in Zukunft noch planen mögen, Du wirst der Letzte sein, der lacht und auf sie hernieder sieht, glaube mir.
Komme heute Abend um halb zwölf außerhalb der Mauern beim Westflügel. Ich werde dort auf Dich warten.
Lucius Malfoy
Oh, Malfoy hatte ja keine Ahnung. Das, was die Vier am vorherigen Abend durchgezogen hatten, konnte nicht mehr überboten werden, dennoch wärmten ihn Malfoys Sorge und freundlichen Worte ein wenig. Lucius hatte ihn nie schlecht behandelt und selbst, wenn Severus früher das Gefühl gehabt hatte, dass der ältere Junge seine Freundschaft nie gratis gab, dann war selbst eine so unechte Freundschaft doch das einzige an Fürsorge, dass er je erfahren hatte.
Und die Andeutungen des anderen Slytherin regten Severus' Neugier. Der Mann war der Erbe einer der wohlhabendsten und einflussreichsten Familien des Landes und vielleicht konnte er ihm wirklich zu etwas verhelfen, was ihn schlussendlich über die vier Gryffindors triumphieren lassen würde. Malfoy konnte ihnen hier in der Schule nicht viel anhaben, aber er hatte den Einfluss um jedem Zauberer die berufliche Laufbahn zu vernichten.
Ein heißes Gefühl von genugtuender Hoffnung durchströmte ihn und er lehnte den Kopf gegen den Stein zurück, sich ausmalend, was er den Vieren mit Lucius' Hilfe antun könnte.
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T.B.C.
An die Reviewer:
Ne-chan1: Remus bei Vollmond? Interessanter Gedanke. Wenn er zuvor etwas Wolfsbanntrank bekommen hat, dann könnte das ganz schön knuddelig werden. Auf jeden Fall lieben Dank für Dein tolles review.
Persephone Lupin: LOL. Fanfictions können schon eine gemeine Droge sein, gell :-D Geht mir mit Deinen auch immer so. Aber Du kannst doch nicht im Ernst 'Shedding one's soul schon fertig haben. Die MUSS weitergehen. Die Idee ist absolut genial. Ich wünsche Dir auf jeden Fall alles Gute fürs Examen. Du packst das schon. :-D
Patfoot's mate: *rotwerd* Danke fürs Kompliment. Die fic ist eigentlich schon fertig geschrieben, aber ich hab sie schon so oft durchgelesen, dass es mich ganz schön 'anschnägglet' es nochmals zu tun, um den nächsten Teil Hochzuladen. Wenig reviews haben auch einen Vorteil. Ich muss/darf nicht so viele Antworten schreien und brauche daher etwas weniger Zeit, ein neues Kapitel hoch zu tun, denn ich schreibe gerne Antworten, aber bei zu vielen, zieht es sich dann immer in die Länge und ich brauche eine längere, ruhige Pause dafür. (Und bei vier Kids sind solche Pausen selten :-P )
