Am nächsten Morgen trafen sie sich wieder, dieses Mal in Obi-Wans Zimmer.
Kerina war aufgeregt, als sie das Zimmer betrat. Ihr war gestern abend, als sie noch einmal alles durchgedacht hatte etwas Wichtiges eingefallen, das sie unbedingt den zwei Jedi mitteilen wollte.
Qui-Gon war schon bei seinem Schüler, sie hatten bereits früh am Morgen zusammen meditiert. Als sie gespürt hatten, dass Kerina und Keraf sich näherten, hatten sie ihre Meditation beendet, denn sie fühlten Kerinas Aufregung und richteten nun ihre Blicke erwartungsvoll auf die junge Frau. Kerina kam auch gleich ohne Umschweife auf das Thema zu sprechen.
„Mir ist etwas Wichtiges eingefallen, das uns wahrscheinlich weiterhelfen wird und ich habe mich darüber geärgert, dass mir das nicht schon früher in den Sinn gekommen ist. Lorino hat Obi-Wan bestimmt von seinen Ermittlungen gegen die Organisation erzählt, oder?"
Der junge Jedi nickte und wartete gespannt, was nun folgen würde.
„In drei Wochen finden Wahlen zur Bestimmung des Regierungsoberhauptes statt. Momentan ist Tud Rigonse das Regierungsoberhaupt von Verida. Er wurde von den Kwaan-Brüdern bestimmt und er wird auch weiterhin Verida regieren, natürlich so, wie es die Organisation sagt. Diese Wahlen sollen bloss den Anschein einer freien Demokratie aufrecht erhalten, in Wirklichkeit ist es schon lange klar, dass Rigonse weiterhin an der Macht bleiben wird. Unser Staatssystem ist genauso korrupt wie alles andere auf Verida!"
Kerina schnaubte verärgert, fuhr dann aber fort.
„Mein Bruder hat Beweise gegen die Organisation und ihre Machenschaften gesammelt, die er eigentlich dem Jedi-Rat zeigen wollte, so wie es auch schon mein Vater vor ihm getan habt. Er hat das zwar nie ausdrücklich erwähnt, aber er hat mehrmals Andeutungen in diese Richtungen gemacht. Ich denke, dass er die Beweise tatsächlich hat und dass sie ausreichen würden, um den Rat zu überzeugen.
Es gibt jemanden, der auch bei den Wahlen mitmacht, der nicht von der Organisation aufgestellt wurde und deshalb nicht korrupt ist. Er wird aber keine Chance bei den Wahlen haben, denn das Volk hat zu grosse Angst vor der Organisation und auch wenn er gewinnen würde, würde die Organisation es fertig bringen, ihn nicht als Regierungsoberhaupt einzusetzen. Vielleicht sogar mit seinem Tod."
„Wie ist sein Name?" fragte Qui-Gon.
„Hev Ando. Er ist ein junger Mann mit grossen Zukunftsplänen und Visionen. Er könnte Verida aus dem Griff der Organisation befreien, wenn das Volk hinter ihm stehen würde und ihre Angst vor der Organisation los werden würde. Die Verbrecher könnten nichts mehr tun, wenn das ganze Volk unter einem mächtigen Oberhaupt versammelt gegen sie wäre."
Schweigen erfüllte den Raum. Jeder dachte über das nach, was Kerina eben gesagt hatte und plötzlich lag wieder Hoffnung in der Luft. Obi-Wan brach als erster das Schweigen.
„Ich glaube, das wird uns einen grossen Schritt weiter bringen. Bist du dir aber sicher, dass Lorino die Beweise hat?"
Kerina sah ihn an und schüttelte zögernd den Kopf.
„Nein, er hat fast nie mit mir darüber gesprochen. Er meinte, dass es mich bloss unnötig in Gefahr bringen würde. Aber ich vermute, dass er die Beweise hat."
Obi-Wan hatte Mühe, seinen Blick wieder von ihren dunklen Augen zu lösen und sich auf das Gesagte zu konzentrieren.
Qui-Gon hatte den Blick bemerkt und runzelte die Stirn. Es würde eine schmerzhafte Trennung geben, soviel stand fest. Aber anstatt eine Bemerkung darüber zu verlieren wandte er sich wieder ihrem momentanen Problem zu.
„Ich finde, das hört sich nicht schlecht an, auf jeden Fall lässt sich damit etwas anfangen. Wir müssen so bald als möglich nach Verida zurückkehren, ich bin mir sicher, Lorino könnte uns weiterhelfen."
Obi-Wan blickte seinen Meister leicht besorgt an und meinte dann:
„Der Rat hat uns doch untersagt, den Tempel auf unbestimmte Zeit zu verlassen. Wir sind schon wieder dran, eine Anweisung des Rates zu missachten!"
„Was sollen wir denn sonst tun, Padawan? Wir können nicht auf die Ermittlungen des Rates warten, dann wird es vielleicht zu spät für Lorino und Teani sein."
Obi-Wan wusste, dass es wahr war, was sein Qui-Gon sagte, dennoch machte er sich Sorgen. Sein Meister hatte schon so oft Auseinandersetzungen mit dem Rat gegeben, vielleicht würden sie einmal schärfere Massnahmen ergreifen und sich nicht nur mit einer Zurechtweisung begnügen.
„Ihr habt Recht, Meister. Wir müssen schnell etwas unternehmen und ich denke, die Wahlen wären ein geeignetes Ereignis um Lorino und Teani zu befreien."
Qui-Gon nickte zustimmend, fühlte aber noch immer die Zweifel und die Besorgnis, welche seinen Schüler erfüllten.
//Lass dich nicht von deinen Zweifeln und deinen Ängsten leiten. Der Rat wir später erkennen, dass wir richtig gehandelt haben. Die Jedi-Meister sind sehr weise und ich schätze ihre Erfahrung, aber trotzdem können sie sich manchmal nicht genug um jeden einzelnen Fall kümmern. Das ist unsere Aufgabe, Padawan.//
Kerina verstand zwar die stumme Verständigung zwischen Meister und Schüler nicht, sie wusste aber, dass sie stattfand. Mit gerunzelter Stirn wandte sie sich an Obi-Wan:
„Die Wahlen finden bereits in drei Wochen statt und ich denke nicht, dass du bis dahin wieder gesund bist. Ich bin eine Heilerin und ich habe Erfahrung mit Verletzungen."
Obi-Wan lächelte sie schelmisch an.
„Du hast vielleicht Erfahrung mit ‚normalen Patienten', aber du hattest wohl noch nie einen Jedi in Pflege, oder? Glaube mir, in zweieinhalb Wochen bin ich wieder ganz gesund oder zumindest in der Verfassung, um deine Familie zu retten. Mache dir um mich keine Sorgen!"
Kerina lief rot an, lächelte aber verlegen zurück. Manchmal vergass sie einfach, wie wenig sie eigentlich über ihn wusste.
Qui-Gon brachte ihre Gedanken wieder in die ursprüngliche Richtung zurück.
„Die Wahlen wären wirklich eine gute Gelegenheit, es hat dann bestimmt viele Leute und das Interesse der Öffentlichkeit ist auf diesen Anlass gerichtet. Allerdings sollten wir, wenn möglich, schon ein wenig früher dort sein. Bei den Wahlen sollten wir die Öffentlichkeit auf die Verbrechen der Organisation aufmerksam machen. Das ist unsere Chance, um einen entscheidenden Schritt gegen die Organisation zu tun. Lorinos Beweise werden darin eine wichtige Rolle spielen, angenommen, er besitzt sie wirklich. Wir werden keine Zeit haben um selbst Beweise zu besorgen."
Der Jedi-Meister warf Kerina einen abschätzenden Blick zu und sie nickte darauf entschlossen.
Vier Tage später wurde Obi-Wan aus der Heilung entlassen mit der Anweisung, sich ruhig zu verhalten. Oft sassen sie bei ihm und diskutierten die einzelnen Schritte durch.
Während der nächsten paar Tagen spazierte Obi-Wan häufig mit Kerina durch den Tempel. Er zeigte ihr seinen Lieblingsplatz im Saal der Tausend Quellen und manchmal sassen sie einfach nur da und lauschten dem feinen Plätschern. In solchen Momenten sehnte sich Obi-Wan so fest danach, sie in die Arme zu nehmen und einfach ihre Nähe zu spüren, dass sich sein Herz bei ihrem Anblick schmerzhaft zusammenzog. Einige Male hätten ihn seine Gefühle beinahe überwältigt und er war nahe dran gewesen, sie einfach an sich zu drücken und nie mehr loszulassen. Kerina schien diese heiklen Momente zu spüren, denn sie zog sich dann immer ein wenig von ihm zurück. Dabei wandte sie ihr Gesicht ab, aber dennoch konnte der junge Jedi oftmals die Tränen in ihren Augen glitzern sehen. Manchmal dachte er sich darauf:
‚In so vielen Dingen ist sie
stärker und vernünftiger als ich. Diese Nähe macht bloss alles noch schlimmer,
aber trotzdem bringe ich es nicht fertig, von ihr fern zu bleiben.'
Etwa eine Woche nach ihrer Rückkehr in den Tempel sassen Obi-Wan
und Kerina wieder im Saal der Tausend Quellen und
dieses Mal hatte sie sich weiter von ihm weggesetzt als jemals zuvor. Der junge
Jedi fühlte, dass sie sich auch seelisch immer weiter
von ihm entfernte. Er konnte ihren Kummer fühlen, aber er hatte Angst, dass
eine Bemerkung oder eine liebevolle Geste von ihm alles bloss noch schlimmer
machen würde. Voller Verzweiflung dachte er an den Rat seines Meisters. Qui-Gon hatte Obi-Wan zwar nicht
verboten, sich weiterhin mit Kerina zu treffen, aber
er war alles andere als erfreut darüber gewesen. Er hatte seinem Schüler
gesagt, dass es besser wäre, wenn sie sich nicht mehr sehen würden, denn das
vergrössere den Schmerz bloss. Obi-Wan wusste, dass
er Recht hatte, aber er konnte es nicht. Er hielt es ohne sie nicht aus, er
brauchte ihre Nähe und ihren Anblick, auch wenn er an ihrer Distanziertheit
fast zerbrach.
Ein leises Schluchzen riss ihn aus seinen Gedanken und er schaute besorgt zu Kerina hinüber. Obi-Wan spürte, wie nun ihre tief vergrabene Verzweiflung, ihr Schmerz und ihre Ängste hervor brachen. Er fühlte, wie ihre Gefühle sie in einen tiefen Strudel hinein zogen, aus dem sie alleine nicht mehr herauskommen würde. Wie schon einige Male zuvor war seine Unsicherheit und seine Zweifel plötzlich wie weggewischt. Ruhig stand er auf, ging zu ihr hinüber und schlang seine Arme in einer einfachen Geste um ihren schlanken, bebenden Körper. Ihre Schluchzer wurden lauter, aber sie drehte sich nicht weg, sondern versteckte ihr Gesicht in den Falten seiner Tunika und schmiegte sich eng an ihn. Der junge Jedi küsste ihr Haar und wiegte sie sanft in seinen Armen bis ihr Schluchzen verstummte und das Zittern aufgehört hatte.
Die Liebe floss zwischen ihnen, ähnlich wie die Macht zwischen Meister und Schüler, aber auf eine Art trotzdem völlig anders. Die Liebe war ungleich stärker, unkontrollierbarer und intensiver. Während die Macht Ruhe und Ausgeglichenheit ausstrahlte, wühlte die Liebe sein ganzes Innern auf. Die Macht half ihm, sein Zentrum zu finden, die Liebe hingegen warf ihn aus der Bahn und machte ihm ein klares Denken beinahe unmöglich. Trotzdem sah Obi-Wan da auch Ähnlichkeiten. Er fühlte sich sicher und geborgen in dieser Wärme und Zuneigung, das Gefühl war unbeschreiblich.
Langsam hob Kerina den Kopf bis sie ihm in die Augen sehen konnte und dann flüsterte sie heiser vom Weinen:
„Ich habe das so vermisst, Obi-Wan."
„Ich auch. Ich doch auch."
Beide schwiegen und vorsichtig näherten sich ihre Lippen, bis sie sich schliesslich berührten, behutsam und unendlich zart, als küssten sie sich das erste Mal. Die Welt um Obi-Wan wurde unwichtig, das einzige was in diesem Moment zählte, war dieses wundervolle, engelsgleiche Geschöpf, welches er in den Armen hielt und nach dem sich sein Herz so sehnte. Es war ihm gleich, wenn man sie zusammen entdecken würde, in diesem Augenblick hätte der ganze Jedi-Rat zusehen können, er hätte sich nicht von Kerina gelöst.
Nach einer, wie es Obi-Wan schien, unendlich langen Zeit hielt er inne und öffnete die Augen, um sie ansehen zu können. Er beobachtete, wie sie die Lider hob und ihn mit einem traumähnlichen Glanz in den Augen ansah.
„Meine Kerina. Ich möchte dich nie wieder loslassen."
Statt einer Antwort legte Kerina ihren Kopf auf seine Schultern. Sie fühlte seinen warmen Atem in ihrem Nacken und erschauerte behaglich.
‚Warum dürfen wir nicht glücklich werden? Weshalb hat er nicht einen anderen, normalen Beruf? Ich möchte bei ihm bleiben, für immer!'
Sie wusste, dass dies unmöglich war. Kerina lauschte auf das sanfte Plätschern in der friedlichen Stille und konzentrierte sich fest auf diesen wunderschönen Augenblick mit ihm zusammen. Sie hatte beschlossen, diesen Moment für immer in ihrem Herzen zu behalten, damit sie sich jederzeit an diesen wundervollen Tag erinnern konnte und an die Zeit, die sie gemeinsam verbracht hatten.
Nach einer Weile berührte Obi-Wan sie an den Schultern und drückte sie sanft ein wenig von sich, damit er sie anschauen konnte.
„Kerina, ich habe versucht, Distanz zu wahren, aber ich schaffe es einfach nicht. Ich ertrage es nicht, wenn du nur einen halben Meter von mir entfernt stehst, dein Gesichtsausdruck aber sagt, dass ich dich nie erreichen kann. Ich weiss, dass du das nur tust, um uns weiteren Schmerz zu ersparen, aber glaube mir, etwas Schlimmeres kann es für mich nicht geben! Lass uns bitte die verbleibende Zeit zusammen verbringen, so kurz sie auch sein mag."
Kerina schaute ihn an, sehr lange und sehr eingehend.
„Das wünsche ich mir auch, aber was ist mit Qui-Gon? Ich will nicht der Grund für eure Unstimmigkeit sein. Ich möchte, dass du weiterhin glücklich sein wirst, auch wenn wir getrennt sind. Ich habe deinen Meister kennen und schätzen gelernt, auf keinen Fall will ich, dass ihr beide wegen mir leidet."
„Ich denke, Qui-Gon wird es verstehen, wenn wir oft beieinander sind, bis zu unserer endgültigen Trennung. Er weiss, dass ihm meine ganze Treue gehört und dass ich bei ihm bleiben werde."
Kerinas Augen füllten sich bei dem Wort „endgültige Trennung" mit Tränen, aber tapfer kämpfte sie sie zurück und lächelte unsicher. Obi-Wan lächelte zurück und küsste sie sachte auf die Wange. Dann hielt er plötzlich inne und sagte mit Bedauern:
„Qui-Gon sucht mich, wir sind für heute Nachmittag zur ersten Lichtschwert-Lektion seit meiner Verletzung verabredet. Ich muss gehen."
Kerina nickte, liess ihn los und trat ein paar Schritte zurück. Obi-Wan überlegte einen Moment, schickte dann aber Gefühle und Bilder seiner Liebe und Zuneigung durch die Macht mit grosser Intensität zu ihr, welche sie umfingen, streichelten und liebkosten. Überrascht schnappte sie nach Luft. Er wusste, dass dies eigentlich nicht erlaubt war, aber es kümmerte ihn in diesem Augenblick wenig. Immer noch lächelnd drehte er sich um und ging hinunter zu den Übungshallen. Qui-Gon erwartete ihn bereits bei den Übungshallen und runzelte missbilligend die Stirn über die Verspätung.
„Obi-Wan, ich setze voraus, dass du pünktlich bist. Du weißt, dass ich es nicht leiden kann, wenn du zu spät kommst."
Der junge Jedi sammelte sich und versuchte, sein aufgewühltes Inneres mit einigen tiefen Atemzügen zu beruhigen. Er war sich sicher, dass sein Meister seine Unruhe bemerkt hatte. So ruhig wie es ging antwortete er:
„Es tut mir leid, Meister. Ich werde das nächste Mal pünktlich sein."
Qui-Gon musterte ihn noch einmal eingehend und nickte dann.
Obi-Wan ging in den Umkleideraum und wechselte rasch seine Jedi-Robe gegen einen Trainingsanzug. Beim Umziehen streifte er ungewollt mit der Hand über den festen Verband an seiner Seite. Seine Schulter war beinahe vollständig verheilt, aber die gebrochenen Rippen bereiteten ihm manchmal noch Probleme. Auf heftiges Ein- und Ausatmen oder einen Stoss reagierte seine Seite noch immer mit heftigem Schmerz. Er musste vorsichtig sein.
Entschlossen griff er nach seinem Übungs-Lichtschwert und trat in die Halle. Der grosse Raum war leer. Obi-Wan war froh darüber. Es mussten nicht unbedingt alle zuschauen, wenn er das erste Mal seit einigen Tagen wieder ein Lichtschwert in den Händen hielt.
Mit ein paar lockeren Übungen wärmten sich die zwei Jedi auf. Obi-Wan spürte, dass seine like Schulter noch etwas steif und unbeweglich war. Aber immerhin tat sie ihm nicht mehr weh, das war ein gutes Zeichen. Qui-Gon liess seinen Schüler eine Reihe einfacher Katas absolvieren, die für Obi-Wan normalerweise viel zu leicht gewesen wären. Aber dieses Mal war er froh, dass sie nicht allzu schwer waren, denn schon nach kurzer Zeit fing seine Seite an zu pochen und aus dem Pochen wurde später ein schmerzhaftes Hämmern.
„Dein linker Arm ist völlig ungeschützt, du musst besser auf deine Verteidigung achten. Ein Feind hätte deine Deckung sehr leicht durchbrechen können. Fange noch einmal von vorne an."
Der junge Jedi blieb schwer atmend stehen. Er versuchte, seine Atmung zu kontrollieren, aber es gelang ihm nicht. Schwere Atemzüge hoben seine Brust und liessen ihn hilflos nach Luft schnappen. Der Schmerz in seiner Seite nahm zu und für einen Augenblick wurde er von einem Schwindelgefühl erfasst.
„Padawan, geht es dir gut? Bitte sage mir, wenn du noch nicht bereit für diese Übungen bist, wir können das auch noch später machen."
Qui-Gons Stimme war freundlich und geduldig. Obi-Wan wollte aber diese Übungen nicht auf später verschieben. Er war wütend auf sich selbst und darauf, dass er nicht einmal mehr die einfachsten Katas fehlerfrei schaffte. Gereizt entgegnete er:
„Nein. Es geht mir gut. Können wir jetzt weiterfahren?"
Sofort bereute er seine Worte. Sein Meister hatte es nicht verdient, dass er ihn so anfuhr, er konnte ja schliesslich auch nichts dafür. Trotzdem schirmte er seine Gefühle noch mehr von Qui-Gon ab. Etwas tief in ihm drin rief Obi-Wan zu, dass es falsch war, was er da tat und dass er seinem Meister sagen sollte, wie es ihm wirklich ging. Aber er schwieg und kein Wort der Entschuldigung kam über seine Lippen. Stattdessen nahm er wieder die Anfangsposition ein. Bevor er noch einmal von vorne anfing, wagte der junge Jedi einen raschen Blick auf Qui-Gon. Dessen Gesicht war ruhig wie immer, aber Obi-Wan spürte, dass er seinen Meister mit der schroffen Antwort verletzt hatte.
Die blaue Klinge durchschnitt summend die Luft in schnellen Bögen, als Obi-Wan die Kata erneut begann. Er achtete dieses Mal besonders auf seine Verteidigung und bemühte sich, keine weiteren Fehler zu machen. Noch einmal wirbelte der helle Lichtstrahl durch den Raum, dann erlosch er und der junge Jedi blieb stehen, unbewegt und den Griff des Lichtschwertes fest umschlungen in der Hand.
„Das war gut."
Qui-Gons Lob war knapp, wie immer. Aber Obi-Wan fühlte sich schuldig und er hätte sich jetzt gerne für sein Verhalten von vorhin entschuldigt. Er wollte das neu erworbene Vertrauen nicht so schnell wieder verlieren. Aber irgendetwas hielt ihn zurück und wieder schwieg er.
Der gross gewachsene Jedi-Meister trat auf seinen Schüler zu und aktivierte sein Lichtschwert.
„Hast du Lust auf einen Übungskampf? Fühlst du dich fit genug dafür?"
Beides beantwortete Obi-Wan mit einem kurzen Nicken und er drängte seine schmerzenden Rippen in den Hintergrund. Um die konnte er sich später kümmern. Entschlossen aktivierte auch er sein Lichtschwert und liess es einige Male locker durch die Luft wirbeln. Er genoss das Gefühl des vertrauten Gewichts in seiner Hand und diese schimmernde Klinge, die aus purem Licht zu bestehen schien, faszinierte ihn immer wieder aufs Neue. Obi-Wan trat auf Qui-Gon zu und gab somit das Zeichen zum Kampf. In rasend schneller Abfolge zuckte Obi-Wans Lichtschwert vor und im nächsten Moment auch schon wieder zurück, um einen Schlag seines Meisters abzublocken. Anmutig griff dieser an und bestimmte mit einigen, schnell geführten Hieben das Tempo. Der jüngere Jedi wurde immer weiter zurück gedrängt und machte sich schliesslich mit einem Salto über den Kopf seines Meisters Luft. Qui-Gon aber reagierte augenblicklich und wartete kaum so lange, bis sein Schüler den Boden wieder berührt hatte, um erneut anzugreifen. Obi-Wan fiel durch diesen überraschenden Angriff aus dem Rhythmus und verlor dabei die Balance. Mit einer raschen Bewegung prellte der Jedi-Meister Obi-Wan die Waffe aus der Hand. Dieser stand nun geschlagen und nach Luft ringend da. Jetzt, da seine Konzentration nachliess und die Macht, die er während des ganzen Kampfes eingesetzt hatte, sich zurückzog, kehrte der Schmerz mit doppelter Wucht zurück. Sein Meister verschwamm vor seinen Augen und die Hand, die noch vor wenigen Augenblicken das Lichtschwert so sicher geführt hatte, fing an zu zittern. Jeder Atemzug war eine Qual und nur mühsam gelangte die Luft in seine Lungen.
Qui-Gon runzelte besorgt die Stirn. Er sah, wie sich der Blick seines Padawans verschleierte. Mit einem Schritt war er bei ihm und stützte ihn, als Obi-Wans Knie nachgaben und er ihn den Armen seines Meisters zusammenbrach. Qui-Gon fing das Gewicht seines Schülers auf und setzte ihn vorsichtig auf den Boden, mit der Wand als Stütze hinter seinem Rücken.
‚Wie konntest du nur denken, dass er bereits wieder vollständig gesund ist? Weshalb hast du seine Schmerzen nicht gefühlt? Warum hast du bloss so einen Kampf vorgeschlagen?!', schalte der Jedi-Meister sich selbst und wischte behutsam mit dem Ärmel den Schweiss vom bleichen Gesicht seines Padawans. Er hatte gespürt, dass etwas nicht in Ordnung war, aber er hatte auf Obi-Wans Urteilsfähigkeit vertraut. Er konnte ihn nicht auf ewig bemuttern, sein Schüler kannte seine Grenzen gut genug. Das hatte er jedenfalls zuvor gedacht.
Obi-Wans Lider flatterten und schliesslich schlug er die Augen auf. Qui-Gon sah darin einen verwirrten Ausdruck und der Jedi-Meister liess ihm Zeit, um sich umzusehen und sich zu erinnern.
Schliesslich blieb der Blick des jungen Jedi an seinem Meister hängen. Sofort flackerte in seinen Augen Erkennen auf und Obi-Wan wollte sich aufrichten. Aber seine Bewegungen waren schwach und fahrig, Qui-Gon drückte ihn sanft wieder nach unten.
„Ruhe dich zuerst aus und steh erst dann auf, wenn du dir sicher bist, dass deine Beine dein Körpergewicht tragen."
Qui-Gons Mine war ernst. Dann fügte er streng hinzu:
„Tu so etwas nie wieder. Ist dir eigentlich klar, dass du nicht nur deine Gesundheit, sondern auch das Gelingen unserer Mission aufs Spiel setzt? Ich werde das nicht dulden."
Vor Scham und Reue schaute Obi-Wan zu Boden und seine Wangen glühten. Wie konnte er bloss so dämlich sein? Der junge Jedi wusste, dass sie in einer Woche aufbrechen wollten und er hatte Kerina versprochen, bis dahin wieder gesund zu sein. Notfalls würde Qui-Gon ihn hier zurücklassen und das durfte er auf keinen Fall zulassen. Er kannte die Stärke und die Fähigkeit seines Meisters, aber diese Mission konnte er alleine nicht schaffen. Qui-Gon brauchte ihn, aber statt mit ihm zusammen zu arbeiten, benahm er sich wie ein trotziges Kleinkind. Obi-Wan hätte sich ohrfeigen können. Aber das brachte nun wirklich gar nichts. Er sollte sich besser darum kümmern, wie er diese Sache wieder ins Reine bringen könnte.
„Es tut mir leid, Meister. Ich war wütend auf mich selbst, weil nichts mehr so lief wie früher. Keinesfalls wollte ich die Mission gefährden. Ich... die gebrochenen Rippen bereiten mir noch immer Mühe. Ich dachte, dass das von selbst wieder verschwinden würde und ich wollte euch nicht noch mehr belasten. Bitte verzeiht mir, ich werde nicht noch einmal so dumm sein."
Qui-Gon seufzte und blickte auf das Bündel Elend zu seinen Füssen. Wie konnte er Obi-Wan böse sein, wenn es ihm schlecht ging? ‚Gar nicht', beschloss er und liess sich auf die Knie nieder. Obi-Wans Hände zitterten noch immer und seine Brust hob sich in kurzen, unkontrollierten Zügen. Der Jedi-Meister hob Obi-Wans Kinn, bis sich ihre Blicke trafen. Qui-Gon sah in Obi-Wans Augen bloss Reue und Ehrlichkeit.
„Ich habe etwas zu heftig reagiert. Es war nicht nur deine Schuld, Padawan. Ich hätte etwas merken und darauf reagieren müssen."
Der junge Jedi schüttelte darauf heftig den Kopf.
„Nein, Meister! Ihr müsst nicht immer die Schuld für meine Fehler auf euch nehmen, das ist nicht fair!"
Qui-Gon konnte sich trotz der Ernsthaftigkeit der Situation ein Lächeln nicht verkneifen, Obi-Wans beinahe entsetzter Ausdruck war einfach zu ungewohnt.
„Doch, Obi-Wan. Als dein Meister bin ich für deine Fehler verantwortlich und dafür, dass du daraus lernst.
Aber etwas muss ich noch erwähnen: Deine Schilde waren wirklich stark. Wenn ich dich nicht so gut kennen würde, hätte ich gar nichts bemerkt."
Auf Obi-Wans Gesicht stahl sich ein zaghaftes Lächeln.
„Ich hatte einen guten Lehrer, den besten den es überhaupt gibt."
Der Jedi-Meister hob eine Augenbraue und fragte unschuldig:
„Ach, tatsächlich?"
Obi-Wan fühlte Erleichterung in sich aufsteigen. Sein Meister war ihm nicht wirklich böse gewesen, nur besorgt. Vorsichtig stand er auf und stützte sich an der Wand ab.
„Geht's?"
„Ja, es geht schon. Ich muss doch nicht in die Heilung, oder? Die Heiler werden bloss noch besser auf mich aufpassen und uns so das Verlassen des Tempels erschweren."
„Nein, ich denke nicht, dass du dorthin gehen musst. Ich vertraue darauf, dass du es mir sagst, wenn etwas nicht in Ordnung ist."
Qui-Gon warf seinem Schüler einen langen, ernsten Blick zu. Obi-Wan fiel es schwer, diesem Blick stand zu halten, aber er zwang sich dazu und antwortete klar:
Ich werde es sagen, Meister. Ich bemühe mich stets, die gleichen Fehler nicht mehr als einmal zu machen. Dafür sind es zu viele, ich habe zu wenig Zeit um sie zu wiederholen, neue Fehler zu machen nimmt bereits meine ganze Zeit in Anspruch."
Qui-Gon grinste.
„Du schaffst es wohl jedes Mal, von einem ernsten Thema abzulenken, wie?"
„Naja, ich versuche es zumindest."
„Kein Versuchen es gibt, Padawan."
Langsam verliessen sie die Übungshalle und machten sich auf den Weg zu ihrem Quartier. Wenn Obi-Wan schwankte, stützte Qui-Gon ihn, aber der Jedi-Meister achtete darauf, dass sein Schüler aus eigener Kraft ging. Obi-Wan musste selbständig werden, er würde nicht immer für ihn da sein können. Und ausserdem sollte sein Padawan die Konsequenzen für sein Verhalten selbst tragen, denn Qui-Gon hatte darauf verzichtet, ihn zu bestrafen. So wie es ihm jetzt ging war Bestrafung genug.
Auf halbem Weg begegnete ihnen Kerina. Ihre Augen weiteten sich erschrocken, als sie Obi-Wans blasses Gesicht sah. Schnell trat sie auf die beiden Jedi zu und fragte besorgt:
„Was ist passiert?"
„Ich erzähle es dir oben, ich möchte das nicht hier auf den Gängen erklären", antwortete Obi-Wan mit müder Stimme und schaute sich um.
Kerina nickte verwirrt und ging mit ihnen zu Obi-Wans Zimmer. Dort angekommen liess sich der junge Jedi erschöpft auf die Couch fallen und konzentrierte sich einen Moment lang mit geschlossenen Augen nur auf das Atmen. Als er sich etwas besser fühlte, schlug er die Augen auf und erzählte Kerina, was geschehen war. Qui-Gon stand schweigend daneben. Er wartete noch, bis Obi-Wan zum Schluss gekommen war, dann verabschiedete er sich und liess die beiden alleine.
Obi-Wan schaute seinem Meister nach, wandte sich dann wieder zu Kerina um. Zögernd fasste er ihre Hand und spielte mit ihren Fingern. Kerina genoss das Gefühl seiner Wärme auf ihrer Haut und kuschelte sich näher an ihn heran. Gedankenverloren lehnte sie ihren Kopf an seine Schulter, worauf der junge Jedi mit einem behaglichen Seufzer einen Arm um sie legte und sie sanft an sich drückte. Seine Atemzüge wurden langsamer und schliesslich fielen ihm die Augen zu. Als Kerina fühlte, dass Obi-Wan eingeschlafen war, überlegte sie sich einen Moment lang, ob sie in ihr Zimmer zurück gehen sollte. Obi-Wan hatte Schlaf dringend nötig und er würde in seinem Bett bestimmt besser schlafen als auf der Couch. Ausserdem wäre Qui-Gon nicht gerade erfreut, wenn er erfahren würde, dass sie bei seinem Schüler übernachtet hatte. Nein, sie wollte sich jetzt nicht aus Obi-Wans Armen lösen, sie fühlte sich so wohl und sicher bei ihm. Sie würde dieses Gefühl nicht mehr lange geniessen können... Kerina entspannte sich und liess sich an der Seite des jungen Jedi in den Schlaf hinübergleiten.
