Die Tage bis
zu ihrem Aufbruch vergingen schnell. Obi-Wan und Kerina waren so oft zusammen,
wie es nur ging und Qui-Gon gestatte es ihnen. Der Jedi-Meister spürte die
Veränderung, die mit seinem Padawan vorging nur allzu deutlich, besonders wenn
dieser von einem Treffen mit Kerina kam. Er war dann oft unkonzentriert und
abgelenkt, selten strahlte er noch die frühere Ruhe und Sicherheit aus. Qui-Gon
war ernsthaft besorgt und versuchte, mit Obi-Wan darüber zu reden, so wie sie
es früher immer getan hatten. Aber sein Schüler wich ihm so oft es ging aus.
Und Qui-Gon liess es zu. Er wusste, wie schwer es für Obi-Wan sein würde, sich
von Kerina zu trennen, aber er vertraute auf die Treue seines Schülers, wenn es
so weit sein würde. Vielleicht war es falsch, Obi-Wan so viel Freiheit zu
lassen und ihm die Treffen mit Kerina zu gestatten, aber er brachte es nicht
übers Herz, die beiden zu trennen. Er fühlte eine tiefe Verbundenheit und
Zuneigung zwischen ihnen. Aber ein wichtiger Teil einer Beziehung fehlte.
Hoffnung. Da war keine Hoffnung. Da war Liebe, Aufopferung und Leidenschaft,
aber keine Hoffnung. Kerina als auch Obi-Wan wusste, dass ihre Beziehung zum
Scheitern verurteilt war. Diese Erkenntnis allein liess Qui-Gon die Treffen
gestatten. Obi-Wan wusste was er tat, es war nicht an seinem Meister, ihn bei
seiner Entscheidung zu beeinflussen. Also liess er die beiden oft alleine und
widmete sich stattdessen seinem Freund Keraf. Keraf wusste genau, was in
Obi-Wan vorging, er hatte vor einiger Zeit dasselbe durchgemacht und er
munterte Qui-Gon auf, so gut es eben ging.
Schliesslich kam der lang ersehnte, wie auch befürchtete Tag näher. Sie machten
sich zum Aufbruch bereit. Es wurde bereits dunkel, als sie leise auf die langen
Gänge des Jedi-Tempels traten. Wahrscheinlich würde sie zwar niemand aufhalten,
aber Qui-Gon hatte beschlossen, den Tempel falls möglich ungesehen zu
verlassen.
Die sonst so beruhigende Stille machte Kerina nervös. Unruhig schaute sie sich
immer wieder um, ob sie wohl niemand bemerkt hatte. Der Teppich auf dem Gang
verschluckte nahezu das Geräusch ihrer Schritte und es war nur ein dumpfes
Tappen zu hören. Trotzdem hatte sie das Gefühl, man würde sie wohl im ganzen
Tempel hören und man würde sie gleich auffordern, stehen zu bleiben. Aber
nichts Dergleichen geschah. Unbehelligt traten sie in die kühle Nachtluft von
Coruscant hinaus.
Obi-Wan atmete erleichtert auf und spürte, wie auch die Anspannung der anderen,
insbesondere von Kerina, wich. Beruhigend fasste er ihre Hand und gemeinsam
betraten sie das wartende Raumschiff.
Kurz nachdem
sie die Atmosphäre verlassen hatten, meldete sich Mace Windus besorgte Stimme
durch den Communit. Qui-Gon hörte gar nicht zu und stellte das Gerät ab. Er
hoffte inständig, dass ihnen niemand nachgeschickt wurde, denn es war
offensichtlich, welches ihre Ziele waren. Der Rest der Zeit bis zu ihrer
Landung etwas ausserhalb von Triuno verlief in angespanntem Schweigen. Jeder
bereitete sich auf seine eigene Weise auf die Mission vor.
Die Rampe öffnete sich zischend und sie traten auf das hohe Gras einer Wiese,
umgeben von Bäumen und dichtem Gestrüpp.
Obi-Wan atmete tief ein. Die Luft hier war so anders als auf Coruscant, viel
frischer und reiner. Wieder einmal war er fasziniert von dem Anblick der von
der Natur geprägten Schönheit des Planeten, obwohl man beim Dämmerlicht der
hereinbrechenden Nacht nicht allzu viel erkennen konnte.
Qui-Gons Stimme riss ihn aus seinen Gedanken.
„Wir werden jetzt zu Kerafs Haus gehen. Ich betone noch einmal, dass wir nicht
entdeckt werden dürfen, sonst werden sie sofort wissen, warum wir hier sind und
werden versuchen, es zu verhindern."
Dann drehte er sich zu seinem Schüler um und sagte leise:
„Achte dich auf Veränderungen und konzentriere dich auf die Macht. Wir wissen
nicht, was in der Zwischenzeit geschehen ist, jede Kleinigkeit kann uns
weiterhelfen."
Obi-Wan nickte und folgte dann Keraf und Kerina, die sich bereits etwas
entfernt hatten und auf den in der Ferne leuchtenden Umriss Triunos zugingen.
Sie näherten sich der Hauptstadt und betraten sie vorsichtig und bis jetzt
ungesehen. Obi-Wan konzentrierte sich auf die Umgebung, so wie es sein Meister
ihm aufgetragen hatte. Er spürte Aufregung, Unsicherheit und auch Angst. Diese
Gefühle kamen von den Einwohnern und es war klar, dass sie durch die
bevorstehenden Wahlen ausgelöst wurden. Dem jungen Jedi fiel auch auf, dass es
ungewöhnlich still war. Als er das letzte Mal hier gewesen war, war dies eine
lebendige und pulsierende Metropole gewesen. Jetzt war es unheimlich still und
nur wenige Leute zeigten sich auf den Strassen. Aber Obi-Wan war auch froh,
dass keine akute Bedrohung zu spüren war. Das hiess, dass sich auch die
Organisation ruhig verhielt und sich für die Wahlen sammelte.
Schliesslich erreichten sie Kerafs Haus und dieser war wieder einmal froh, dass
seine Familie in Sicherheit ausserhalb Triunos verweilte.
Nachdem sie sich etwas gestärkt und erfrischt hatten, besprachen sie ihre Lage
und das weitere Vorgehen.
Die Leute sind verängstigt, sie wissen nicht, was sie tun sollen", begann
Qui-Gon.
„Von Jahr zu Jahr wehren sie sich mehr gegen die Organisation, aber dennoch
fürchten sie sich vor der entscheidenden Konfrontation. Die Organisation
bestraft Rebellen hart..."
Kerinas Stimme wurde leiser und verstummte schliesslich. Sie fing sich aber
wieder und fuhr fort.
„Die Leute hier wollen der Organisation ein Ende machen, aber gleichzeitig
fürchten sie auch um ihren Frieden und um ihre Sicherheit. Bis jetzt ist es
ihnen unter der Herrschaft der Organisation gut gegangen und sie haben beim
Thema Drogenhandel geschwiegen."
„Aber jetzt plagt sie das schlechte Gewissen", vervollständigte Obi-Wan.
„Ja, die Leute wollen das nicht mehr und unter einem starken Führer würden sie
sich dagegen wehren", bestätigte Kerina. „Und das ist auch der Grund, weshalb
sie Lorino eingesperrt haben. Er könnte Hev Ando die nötigen Beweise zuspielen,
damit er die Wahl gewinnen und die Organisation zerschlagen könnte."
„Wie gehen wir nun weiter vor?", fragte Obi-Wan und blickte seinen Meister an.
„Wir werden morgen Abend Lorino und Teani befreien. Das werden Obi-Wan und ich
übernehmen. Kerina, du wirst uns zu dem Gebäude führen, in dem deine Familie
festgehalten wird. Dann kommst du hierher zurück, während Keraf vor dem Gebäude
Wache hält und uns den Ausgang frei halten wird."
Kerina verzog das Gesicht und in ihren Augen blitzte es zornig auf.
„Nein, ich werde nicht einfach hier herumsitzen! Meine Familie ist dort drinnen
und das ist eigentlich meine Sache!"
Qui-Gon legte ihr beruhigend eine Hand auf die Schulter und meinte dann
beschwichtigend:
„Es ist zu gefährlich. Wir sind alle geübt im Umgang mit der Macht, selbst
Keraf besitzt die Grundausbildung eines Jedi."
„Qui-Gon hat Recht. Bitte tu es mir zuliebe!", mischte sich Obi-Wan ein. Aber
Kerina schüttelte bloss stur den Kopf.
„Ich will mitkommen. Ich möchte mit Keraf zusammen Wache halten. Vier Augen
sehen besser als zwei, ob nun mit der Macht oder ohne."
Qui-Gon seufzte ergeben.
„Also gut, du kannst mitkommen, aber sei dir bewusst, dass du unsere Aufgabe
vielleicht gefährdest. Falls wir aufgehalten werden, werden wir speziell auf
dich aufpassen und du könntest uns deshalb behindern."
„Das werde ich nicht, glaubt mir. Ich kann gut auf mich selbst aufpassen",
entgegnete Kerina zuversichtlich.
Obi-Wan erinnerte sich, wie das Mädchen ihm in ihrem Haus das Leben gerettet
hatte und wie überlegt sie immer gehandelt hatte. Eigentlich brauchte er sich
keine Sorgen um sie zu machen, das hinderte ihn aber nicht daran, es trotzdem
zu tun.
„Wenn das nun geklärt ist", meinte der Jedi-Meister und wandte sich Keraf zu,
„möchte ich dir das hier noch geben, Keraf."
Qui-Gon holte unter seiner Robe ein Lichtschwert hervor und streckte es seinem
Freund hin. Dieser starrte perplex von Qui-Gon zu dem Lichtschwert in seiner
Hand und wieder zurück. Der Jedi-Meister schmunzelte und bekräftigte dann:
„Es ist mir egal, was der Rat oder deine Familie sagt, aber für mich bist du
noch immer ein Jedi. Nimm es, es gehört dir!"
Keraf rührte sich noch immer nicht. Dann endlich streckte er langsam die Hand
aus und nahm das wertvolle Geschenk an. Mit einer zögerlichen Bewegung
aktivierte er die Waffe. Fasziniert beobachtete er, wie eine grün leuchtende
Klinge aus reinem Licht aus dem Griff schoss und schwang danach das
Lichtschwert einige Male prüfend durch die Luft. Nachdem er die Waffe wieder
deaktiviert hatte, flüsterte Keraf mit tonloser Stimme:
„Mein altes Lichtschwert... Ich habe seit einer halben Ewigkeit kein
Lichtschwert mehr in den Händen gehalten."
Dann blickte er auf, direkt in Qui-Gons blaue Augen.
„Woher hast du es?"
Qui-Gons Schmunzeln wurde noch eine Spur breiter.
„Ooch, letzte Woche war Ausverkauf im Tempel, da habe ich dein Lichtschwert
gesehen und gedacht, dass es ein nettes Geschenk für dich wäre. Naja, der Rat
wird nicht gerade erfreut darüber sein, aber das ist ja nichts Neues. Sie haben
mich schon lange von der Liste der vorbildlichsten Jedi gestrichen."
Keraf überging Qui-Gons Scherze und murmelte ehrfürchtig:
„Hab Dank!"
Der amüsierte Ausdruck verschwand aus dem Gesicht des Jedi-Meisters und er
erwiderte ernst:
„Gern geschehen. Die Befreiung wird gefährlich werden und vielleicht wirst du
die Waffe brauchen. Ich bezweifle nicht, dass du noch genauso gut damit umgehen
kannst wie früher. Wollen wir es ausprobieren?"
Keraf stimmte zu und sie begaben sich in den grossen Keller, den sie kurzerhand
in eine Trainingshalle umfunktionierten.
Während die
zwei alten Freunde ihre Lichtschwert-Künste auffrischten, blieben Obi-Wan und
Kerina alleine im Wohnzimmer zurück.
„Ich bin nicht damit einverstanden, dass du dich in Gefahr begibst, Kerina. Mir
wäre es lieber, wenn du hier bleiben würdest."
„Nein, ich werde mitkommen, ob es dir nun passt oder nicht. Dies alles geht
mich am meisten etwas an und ich werde nicht untätig hier herum sitzen!",
entgegnete Kerina verärgert. Als sie sah, wie Obi-Wan zusammenzuckte, bereute
sie sofort ihren scharfen Ton. Einlenkend fügte sie hinzu:
„Es tut mir leid, ich bin wohl etwas fertig mit meinen Nerven. Ich wollte nicht
so harsch zu dir sein. Wir haben nicht mehr viel Zeit, fürchte ich, und ich
möchte sie nicht mit streiten verbringen."
„Es ist schon gut, ich bin wahrscheinlich bloss etwas übervorsichtig", gestand
der junge Jedi, aber trotzdem verflog das Gefühl der Verletztheit nicht ganz.
„Auch ich habe Angst, Obi-Wan. Angst um meine Familie und Angst um dich."
„Ein Jedi lässt sich nicht von seinen Ängsten leiten", zitierte Obi-Wan den
Jedi-Kodex.
„Und was ist mit dem Menschen in dir? Empfindet der nie Angst? Und ausserdem
habe ich nicht von Leiten gesprochen, bloss vom Empfinden von Angst."
Obi-Wan schwieg. Sie hatte Recht. Es gab nichts, womit er sich hätte
verteidigen können. Er empfand Angst. Angst um sie, Angst vor der Zukunft. Wie
wird es weitergehen? Wird es überhaupt weitergehen? Obi-Wan wusste, dass sich
solches Denken nicht gehörte für einen Jedi.
‚Für einen Jedi nicht, aber für einen Menschen', dachte er bei sich.
„Aber wie gesagt", vernahm der junge Jedi Kerinas Stimme, „ich will in der
verbleibenden Zeit nicht mit dir streiten. Nur geniessen."
Mit diesen Worten beugte sie sich zu ihm hinüber und küsste sanft seine weichen
Lippen. Nach kurzem Zögern öffnete sich Obi-Wan und gab sich ganz ihrer Liebe
hin.
Am späten
Abend des nächsten Tages verliessen sie Kerafs Haus, um Lorino und Teani zu
befreien. Alle waren in schwarze Mäntel gehüllt und verschmolzen mit der
Dunkelheit.
Obi-Wan war aufgeregt. Diese Mission bedeutete ihm mehr, als er es sich selbst
zugestehen wollte. Wenn er scheiterte, würde er das nie vergessen und sich nie
verzeihen können. Im Moment wussten sie zwar nicht einmal, ob Kerinas Familie
noch am Leben war, aber bei dieser Möglichkeit lief es dem jungen Jedi kalt den
Rücken hinunter und er konzentrierte sich lieber auf die bevorstehende
Befreiung. Da war aber noch eine andere Sache, die ihn beunruhigte. Er fühlte,
dass das Band zwischen Qui-Gon und ihm schwächer geworden war. Obi-Wan hatte
sich noch nie so weit von seinem Meister entfernt gefühlt. Dabei war es gerade
jetzt wichtig, dass sie als Team zusammen arbeiten würden und es war klar, dass
sie aufeinander angewiesen waren. Während der letzten Tagen waren seine
Gedanken beinahe die ganze Zeit bei Kerina gewesen, seinen Meister hatte er nur
am Rande wahrgenommen. Es war nicht so, dass diese Tatsache Obi-Wan erst jetzt
auffiel. Er hatte es schon früher bemerkt, aber er hatte es verdrängt und immer
mit der Rechtfertigung abgetan, dass er Kerina nicht mehr lange bei sich haben
würde, sein Meister aber immer an seiner Seite sein würde. Damit hatte er sein
schlechtes Gewissen beruhigt. Aber war es wahr? Was wäre, wenn Qui-Gon in
dieser Nacht, auf diesem Planeten sterben würde? Obi-Wan schloss tief einatmend
die Augen und griff nach der Macht, um Ruhe in sein Innerstes zu bringen. Nein,
das durfte auf keinen Fall geschehen! Wenn Qui-Gon irgendetwas passieren würde,
dann war es seine Schuld. Er würde alles tun, um zu verhindern, dass weder
Kerina noch seinem Meister etwas zustossen würde.
Der junge Jedi begriff langsam, weshalb Liebe ein ungeschriebenes Verbot im
Tempel war. Er hatte sich viel zu fest auf Kerina fixiert und war für seine
Umgebung blind gewesen.
//Meister?//
Qui-Gon vernahm Obi-Wans zögernde Stimme über ihr Band. Er spürte die
Anwesenheit seines Padawans einige Schritte hinter sich in der Dunkelheit. Es
war das erste Mal seit einiger Zeit, dass sein Schüler das Band benutzte, um
mit ihm zu sprechen. Der Jedi-Meister hatte seinem Schüler Zeit gegeben, um mit
sich selbst ins Reine zu kommen und wie es schien, hatte er ihm diese Zeit doch
nicht umsonst gewährt. Trotzdem war er mehr als erleichtert, als Obi-Wan
endlich das Gespräch mit ihm suchte.
//Was ist, Padawan?//
//Es tut mir leid. Ich glaube, ich sehe nun klarer.//
Es waren nur so wenige und so schlichte Worte, aber mehr benötigte Qui-Gon
nicht. Aus diesen zwei Sätzen las der Jedi-Meister alle Zweifel und Reue
heraus, die seinen Padawan seit Tagen beschäftigte und er konnte trotz des
aufgestauten Ärgers und der Ungeduld nicht anders, als mit Obi-Wan mitzufühlen.
//Ich bin froh, dass du endlich wieder mit mir redest. Du weißt nicht, wie
lange ich auf diese Worte gewartet habe. Es wird schon alles gut werden,
Padawan, wir werden das gemeinsam schaffen.//
//Danke, Meister. Ich wollte nur noch sagen, dass ihr auf mich zählen könnt,
was auch geschieht.//
Obi-Wans Stimme klang ihm erleichtert und ermutigt in seinem Kopf wieder.
//Das freut mich. Wir sollten uns aber jetzt auf unsere Mission konzentrieren,
reden können wir später. Wir werden dafür noch genügend Zeit haben, wenn uns
Mace in unseren Zimmern im Jedi-Tempel eingesperrt hat und wir über unser
erneutes Fehlverhalten meditieren dürfen.//
Qui-Gon konnte Obi-Wans breites Grinsen beinahe vor sich sehen und sanft
umfloss ihn eine Welle der Wärme, die von der Richtung seines Padawans kam.
Am Rande der
Stadt angekommen tauchte vor ihnen ein grosses, viereckiges Gebäude aus der
Dunkelheit auf, umsäumt von einer hohen Mauer. „Verwaltungsgebäude" stand auf
einem Schildchen neben dem geschlossenen Tor.
Nachdem sich Qui-Gon umgesehen hatte und nichts Beunruhigendes entdeckt hatte,
sprang er mit Hilfe der Macht auf die Mauer und liess ein Seil zu Kerina
hinunter. Die junge Frau griff nach dem Seil und kletterte geschickt daran
hoch. Keraf und Obi-Wan griffen ebenfalls nach der Macht und überwanden die
Mauer in einem einzigen Sprung. Geschmeidig landeten sie auf der anderen Seite
auf einem gepflegten Rasen, wo Qui-Gon und Kerina bereits warteten und das
Gebäude beobachteten. Das Haus war beleuchtet. Im Schein der fahlen Lichter konnten
sie zwei Wachen vor dem Eingang ausmachen.
„Sie sind bewaffnet, wir müssen vorsichtig sein. Sie dürfen auf keinen Fall
Alarm schlagen, deshalb müssen wir sie schnell und lautlos überwältigen",
flüsterte der Jedi-Meister und zog sich dann wieder in den Schatten eines
Busches zurück.
„Obi-Wan, du übernimmst den Mann links neben der Tür, ich kümmere mich um den
anderen. Ihr beide bleibt hier, bis ich euch ein Zeichen gebe, verstanden?"
Qui-Gon spürte das Nicken von Kerina und Keraf durch die Macht. Gemeinsam
schlichen sich die zwei Jedi zum Haus.
Nach einem letzten Blickkontakt mit seinem Meister trat Obi-Wan leise hinter
die Wache. Rasch hielt er ihm eine Hand über den Mund, während er die andere
Hand an die Schläfe des wehrlosen Mannes legte und sich auf die Macht
konzentrierte. Obi-Wan spürte, wie der Mann augenblicklich und ohne einen Laut
in seinen Armen erschlaffte. Schnell hob er ihn auf und vergewisserte sich,
dass auch Qui-Gon mit der anderen Wache zurecht gekommen war. Gemeinsam
versteckten sie die bewusstlosen Männer hinter einem dichten Busch und winkten
dann kurz in Kerafs Richtung. Dieser näherte sich auch sogleich zusammen mit
Kerina dem Haus und trat neben die beiden Jedi.
„Wir gehen jetzt rein. Was auch passiert, betretet das Haus nur im äussersten
Notfall. Wir werden uns beeilen."
Mit diesen Worten betraten Qui-Gon und Obi-Wan das Gebäude. Die Gänge waren
dunkel und es war nicht das leiseste Geräusch zu hören.
Obi-Wan griff nach der Macht und tastete sich so durch das Haus, auf der Suche
nach Lorino und Teani. Er fühlte die Präsenz mehrerer Leute in den
Untergeschossen, aber er konnte noch nicht sagen, ob Kerinas Familie unter
ihnen war. Und ausserdem spürte er nebst dem noch eine leise, unterdrückte
Bedrohung. Beunruhigt drehte er sich nach Qui-Gon um.
//Was ist das, Meister?//
//Ich weiss es nicht, aber wir müssen vorsichtig sein. Wir sollten in den
unteren Räumen nach Lorino und Teani suchen.//
In stummer Verständigung griffen beide nach dem Lichtschwert, liessen es aber
deaktiviert. Die Macht führte sie durch die dunklen Gängen und sie fanden
schliesslich eine Treppe zu den unteren Stockwerken. Das Gefühl der Bedrohung,
aber auch der Nähe ihres Zieles wurde stärker. Obi-Wan blickte sich unruhig um,
obwohl er in der Dunkelheit nichts erkennen konnte. Seine Finger spielten
nervös mit dem Aktivierknopf des Lichtschwertes und er fuhr einige Male
unentschlossen darüber.
//Bitte lass das sein, Padawan.//
Der Vorwurf war nicht zu überhören, wurde aber sogleich von einer beruhigenden
Welle der Macht gefolgt. Obi-Wan riss sich zusammen und zwang seine
selbständigen Finger zur Ruhe.
//Es tut mir leid.//
In den beruhigenden Wellen der Macht entspannte sich der junge Jedi ein wenig,
aber sein Blick suchte noch immer unstet seine Umgebung ab. Diese langsam heran
rollende Bedrohung zerrte an seinen Nerven.
Plötzlich fühlte Obi-Wan die vertraute Präsenz von Lorino und Teani ganz in der
Nähe. Ein kurzes Aufflackern der Macht zeigte ihm, dass sein Meister das
Gleiche wahrgenommen hatte. Qui-Gon blieb an der Tür stehen und horchte. In der
darauffolgenden Stille klang Obi-Wan sein Atmen unangenehm laut in den Ohren.
//Sie sind in diesem Raum, Padawan. Aber sie sind nicht allein, Männer von der
Organisation sind bei ihnen und bewachen sie. Es sind die gleichen Männer, die
uns auf der Strasse begegnet sind. Sie sind bewaffnet.//
//Wie gehen wir vor?//
//Wir haben den Vorteil der Überraschung auf unserer Seite. Ich weiss aber
nicht, wo sie im Raum stehen, sie sind macht-sensitiv und haben sich abgeschirmt.//
//Und wie viele sind es?//
//Sieben Männer und der Anführer. Auf ihn müssen wir besonders Acht geben.//
Qui-Gon und Obi-Wan sammelten sich und griffen nach der Macht. Sie floss
zwischen ihnen, als sie die Türe aufstiessen und die Lichtschwerter zur selben
Zeit aktivierten. Der junge Jedi erfasste die Situation mit einem Blick. Lorino
und Teani lagen am Boden in einer Ecke, beide gefesselt. Die Hälfte der Männer
waren auf dünnen Matten gelegen, sprangen aber in diesem Augenblick auf und
griffen nach den Waffen. Die anderen, unter ihnen der Anführer, hatten sich an
einen Tisch gesetzt, waren aber ebenfalls innerhalb kürzester Zeit auf den
Beinen. Der Überraschungseffekt hatte sich als nicht halb so wirkungsvoll
herausgestellt, wie es Qui-Gon gerne gehabt hätte. Der Jedi-Meister bewunderte
ihre Reaktionsfähigkeit, sie hatten weder langsam, noch überrascht reagiert.
Bevor sie auch nur einen der Männer ausschalten konnten, sahen sie sich bereits
sechs gezückten Blastern und zwei dieser merkwürdigen Lichtschwertern mit
gelblich schimmernder Klinge gegenüber. Obi-Wan hatte aber keine Zeit, sich
nähere Gedanken über diese sonderbaren Waffen zu machen, das Abwehren der
Blasterschüsse nahm seine volle Konzentration in Anspruch.
Die Macht
sagte Obi-Wan jedes Mal, wo der nächste Schuss einschlagen würde und sein
Körper hatte genügend Zeit um zu reagieren. Der junge Jedi wollte keinen der
Männer töten, so weit es ihm möglich war, und so konnte er sein Lichtschwert
nur zu seiner Verteidigung benutzen. Mit einem Machtstoss schleuderte er einen
der Männer an die gegenüberliegende Wand und liess diesen bewusstlos
zusammensinken. Der Angriff verlangsamte sich ein wenig und Obi-Wan hatte Zeit,
sich nach seinem Meister umzusehen. Dieser kämpfte mit den beiden Lichschwertträgern
und Obi-Wans Herz machte einen entsetzten Satz, als er den grossen Anführer
darunter erkannte. Er musste irgendwie an Qui-Gons Seite gelangen!
Obi-Wans Gegner hatten mittlerweile eingesehen, dass Blaster hier nicht viel
brachten. Stattdessen hatten sie ihre Vibro-Messer gezogen. Der junge Jedi
fühlte die Warnung durch die Macht und konnte sich im letzten Augenblick unter
einem Messer hindurch ducken. Mit einer geschmeidigen Bewegung brachte er sein
Lichtschwert hoch und prellte dem Angreifer die Waffe aus der Hand. Dieser
schrie schmerzvoll auf, aber Obi-Wan liess ihm nicht viel Zeit dafür und schlug
ihn kurzerhand mit dem Griff des Lichtschwertes nieder. Einige der anderen
Gegner schleuderte er mit Hilfe der Macht beiseite, bis er schliesslich an
Qui-Gons Seite war. Sein Meister blutete bereits auf einer tiefen Armwunde und
sein Atem ging rasch und stossweise. Er hätte es alleine nicht mehr lange
geschafft, beide Angreifer in Schach zu halten. Erleichtert fühlte er, dass
sein Padawan unverletzt war und bereit dazu, die Gegner zurück zu schlagen. Der
Jedi-Meister hatte zu spüren bekommen, dass der Anführer der gefährlichste der
beiden Angreifer war und deshalb attackierte er diesen nun mit doppelter Wucht.
Obi-Wan spürte die Entscheidung seines Meisters und nahm sich den anderen vor.
Dieser hatte schon mehrere Brandwunden, kämpfte aber noch immer verbissen
weiter. Erneut bemerkte der junge Jedi, dass diese Männer nicht besonders gut
ausgebildet waren, weder in der Macht, noch im Umgang mit dem Lichtschwert.
Diesen Nachteil machten sie aber mit enormer Kraft und Verbissenheit wieder
wett. Obi-Wan war nie ein schmächtiger Junge gewesen und sein Körper war
athletisch gebaut, aber unter der Wucht dieser Schläge erzitterten er bis in
die Schultern hinauf. Nach einigen solchen abgewehrten Schlägen waren seine
Arme beinahe taub und Obi-Wan gab es auf, jeden der Hiebe zu parieren.
Stattdessen beschränkte er sich aufs Ausweichen. Auf einmal sah der junge Jedi
sich an die Wand gedrängt und er hatte keine Möglichkeit mehr zum Ausweichen.
Er hob das Schwert und die Lichtklingen kreuzten sich. Obi-Wan zog seine Waffe
wieder zurück und machte eine Seitwärtsrolle, um der Klinge des Gegners zu
entgehen. Bevor er sich aber wieder aufrichten konnte, traf ihn ein Fusstritt
in die Seite und liess ihn sich unter Schmerzen krümmen. Sein Angreifer war
schneller gewesen und hatte seine Aktion vorausgeahnt. Der Tritt hatte Obi-Wans
empfindliche Stelle getroffen, denn seine Rippen waren trotz den Behandlungen
noch nicht ganz verheilt.
Gequält rang der junge Jedi nach Luft, aber seine Hand schloss sich fest um den
Griff des Lichtschwerts und er wehrte damit den tödlichen Schlag ab. Er kämpfte
sich auf die Füsse und verschaffte sich mit einem Machtstoss Luft. Der Schmerz
und der Ärger über die missglückte Aktion von vorhin verwandelten den Stoss in
einen wütenden und unkontrollierten Schlag. Der Gegner sank mit einem Wimmern
an der Wand zu Boden, das Lichtschwert entrollte nutzlos seinen Fingern und die
gelbe Klinge verschwand.
Mit einem einzigen Schritt stand Obi-Wan über ihm, das Gesicht verzerrt vor Wut
und Schmerz, das Lichtschwert zum Schlag erhoben. Sein Denken war wie
ausgelöscht, das Einzige, was zählte, war diese Kreatur zu seinen Füssen, die
es auszulöschen galt.
//Padawan?//
Wie aus unendlicher Ferne hörte er Qui-Gons Stimme und der Vorwurf und vorallem
die Trauer darin liessen seinen Zorn augenblicklich verschwinden. Was hatte er
da gerade tun wollen? Entsetzt blickte er auf den Mann zu seinen Füssen, der
ihn aus angstgeweiteten Augen anstarrte und dann sah er auf die zum Schlag
erhobene Waffe in seiner Hand. Beinahe angeekelt liess er das Lichtschwert
fallen und begegnete dann Qui-Gons Blick. Dieser blickte ihn bloss lange und
sehr nachdenklich an. Nur am Rande nahm Obi-Wan die bewusstlose Gestalt des
Anführers zu Füssen seines Meisters wahr.
So nahe an der Dunklen Seite war er noch nie gewesen. Nur ein einziger weiterer
Schlag und es hätte kein Zurückkehren mehr gegeben, das war dem jungen Jedi
jetzt klar. Beschämt und auch ein wenig verstört wandte er den Blick ab. Da
unterbrach ein leises Stöhnen die Stille und machte sie wieder auf ihre Aufgabe
aufmerksam. Sofort waren die beiden Jedi bei Lorino und Teani. Beide waren
erschöpft, das sah Obi-Wan auf einen Blick, und Teani schien auch verletzt zu
sein.
Lorino schaute
auf und ein müdes Lächeln umspielte seine Lippen, als er Obi-Wan ansah.
„Es ist schön dich wiederzusehen, obwohl ich ehrlich gesagt nicht mehr damit
gerechnet habe. Das ist nun schon das zweite Mal, dass du mich rettest."
„Wir sind noch nicht draussen", bemerkte der junge Jedi trocken und befreite
die beiden von ihren Fesseln. Dann half er Lorino auf die Beine. Dieser war
geschwächt von der langen Gefangenschaft und er lehnte sich stützend an die
Wand. Teani ging es noch schlechter. Sie hatte eine klaffende Wunde am
Hinterkopf und sie war so schwach, dass Qui-Gon sie beinahe tragen musste.
Langsam verliessen sie den Raum und erreichten unbemerkt die Treppe zum
Erdgeschoss. Aber Obi-Wan machte sich keine Hoffnungen, ungesehen aus dem Haus
herauszukommen. Der Kampf hatte zu lange gedauert und sie waren nicht gerade
leise gewesen.
Als sie auf den breiten Gang, der zum Ausgang führte, traten, schlug etwas
neben Obi-Wans Kopf in der Wand ein. Der junge Jedi zuckte erschrocken zusammen
und blickte zurück. Hinter ihnen erkannte er bereits etliche Wachen und jeder
der Männer hielt einen Blaster in den Händen. Obi-Wan lief weiter, immer noch
Lorino stützend, und er wäre fast in Qui-Gon hineingerannt, der abrupt stehen
geblieben war. Vor ihnen auf dem Gang standen auch schon Leute der Organisation
und auch sie hatten ihre Waffen gezogen. Sie waren umzingelt. Obi-Wan schloss
für einen Moment die Augen und atmete tief ein. Der stechende Schmerz erwachte
erneut in seiner Seite, aber er ignorierte ihn und griff entschlossen nach dem
Lichtschwert. Durch ihr gemeinsames Band fühlte der junge Jedi, dass sein
Meister dasselbe tat. Lorino und Teani in die Mitte nehmend stellten sie sich
schützend um sie. Blasterschüsse prasselten auf sie nieder, aber die Jedi
wehrten sie trotz ihres bereits etwas angeschlagenen Zustands sicher ab.
Obi-Wan deckte Qui-Gons Seite und Rücken. Die Macht umspielte und verband sie.
Der junge Jedi war sich den Bewegungen seines Meisters bewusst, bevor dieser
sie überhaupt ausgeführt hatte. Dieses perfekte Zusammenspiel gab Obi-Wan ein
wenig von seiner Sicherheit zurück. Sein zorniger Ausbruch zuvor hatte ihn
zutiefst verwirrt und er war froh über die Ruhe, die über ihr Band von Qui-Gon
zu ihm hinüber floss. Diese Ruhe hing stützend im Raum und der junge Jedi
brauchte bloss danach zu greifen und zu vertrauen.
Über ihre Verbindung spürte Obi-Wan dann auch die plötzliche Erleichterung
seines Meisters und er blickte über seine Schulter. Keraf hatte sich in den
Kampf eingemischt und half den Jedi schliesslich, die Männer zurückzuschlagen.
Auf dem Gang hinter ihm stand Kerina, die sofort zu ihrer Familie eilte, als
sich die Angreifer widerwillig zurückzogen. Behutsam kümmerte sie sich um ihre
Mutter und stützte sie und ihren Bruder. Keraf und die zwei Jedi gaben ihr
Deckung, denn noch immer fielen einzelne Schüsse.
Obi-Wan war nun froh, dass Kerina mitgekommen war. Sie hätten sich unmöglich
gleichzeitig um Lorino und Teani kümmern und sich selbst verteidigen können.
Sie verliessen das Gebäude nun ungehindert, erst die hohe Mauer stoppte ihre
Flucht. Oben auf der Mauer angekommen entrollte Qui-Gon wieder das Seil,
während Obi-Wan unten beim Aufstieg half. Die beiden Jedi waren so damit
beschäftigt, Lorino und Teani sicher über die Mauer zu bringen, dass sie die
zwei Männer nicht bemerkten, die sich in der Dunkelheit mit gezogenen
Lichtschwertern näherten.
Aber dafür hatte Keraf sie bemerkt.
Sofort griff er nach seinem Schwert und wehrte die Angriffe mühelos ab. Seine
Bewegungen waren fliessend und die Klinge verschwamm zu einem rasenden Strich.
Mit atemberaubender Geschwindigkeit durchschnitt das Schwert die Luft, zuckte
vor und zurück und liess die zwei Männer schliesslich unbewaffnet zurück. Keraf
stand vor ihnen, aufrecht und sein Gesicht trug den Ausdruck von Ruhe und
Sicherheit.
Obi-Wan hatte den Kampf beobachtet und er konnte gar nicht anders, als den
Freund seines Meisters zu bewundern. Wie hatte er wissen können, dass dieser
Mann ein solch guter Schwertkämpfer war? Kein Wunder, dass selbst Qui-Gon ihm
einige Male unterlegen gewesen war!
„Obi-Wan, Keraf! Beeilt euch!"
Der Ruf kam von der anderen Seite der Mauer und riss den jungen Jedi aus seiner
Erstarrung. An Kerafs Seite überwand er die Mauer und landete sicher neben
seinem Meister auf der Strasse.
Schnell
verliessen sie die Strasse und tauchten in einer kleinen Seitengasse unter.
Obi-Wan schaute zurück. Es war niemand zu sehen. Erleichtert atmete er auf,
dann kümmerte er sich wieder um Lorino und folgte Keraf, der sie sicher durch
das Labyrinth der Strassen bis zu seinem Haus führte.
Im Wohnraum angekommen blieben alle einen Moment lang stehen und niemand rührte
sich. Sie hatten es geschafft. Dieser Teil der Mission war erfolgreich
abgeschlossen.
Kerina schloss einen Augenblick lang die Augen. Als sie sie wieder öffnete, sah
sie Lorino und Teani, zwar nicht unverletzt, aber zumindest am Leben. Sie waren
wieder beisammen und es würde alles gut werden. Erst jetzt konnte sie wirklich
daran glauben und ein Teil der Anspannung fiel mit dem Anblick ihrer Familie
von ihr. Kerina seufzte dankbar. Als wäre das ein Zeichen gewesen, lösten sich
alle aus ihrer Erstarrung. Keraf ging in die Küche um warmes Wasser für die
Verletzungen und heisse Getränke zu holen, Lorino liess sich in einen Sessel
fallen und Kerina und Qui-Gon kümmerten sich um Teani.
Nach einem Moment der Unentschlossenheit liess sich Obi-Wan neben Lorino
nieder.
„Bist du verletzt?"
Lorino schüttelte müde den Kopf und antwortete:
„Nein, mir geht es gut. Das einzige was mir fehlt, sind ein paar Stunden
Schlaf."
„Das ist keine schlechte Idee. Wir finden bestimmt ein Bett für dich", ertönte
Kerafs Stimme hinter ihnen. „Du kannst dich im Schlafzimmer ausruhen, zusammen
mit deiner Mutter. Wir anderen müssen uns halt mit der Couch und mit dem Boden
zufrieden geben."
Lorino lächelte dankbar, blickte dann zu Teani hinüber. Sein Lächeln
verschwand. Kerina wusch gerade ihre Kopfwunde aus und Qui-Gon trug eine Salbe
auf ihre wunden Handgelenke auf. Teani war sehr blass und sie hielt die Lider
während der ganzen Behandlung geschlossen.
„Wie geht es meiner Mutter?"
Qui-Gon drehte sich zu Lorino um und antwortete dann:
„Die Wunde ist nicht lebensgefährlich, wir haben sie rechtzeitig behandelt.
Teani braucht ein paar Tage Ruhe, dann sollte sie sich bald wieder erholen."
Kerina half ihrer Mutter ins Schlafzimmer, Lorino folgte ihr. Die beiden Jedi
und Keraf blieben alleine im Wohnzimmer zurück und sie setzten sich an den
grossen Esstisch.
„Keraf, mein Freund, das was du getan hast war sehr mutig und ich denke, dass
wir es ohne deine Hilfe nicht geschafft hätten", ergriff Qui-Gon das Wort und
blickte dann aber Keraf scharf an. „Aber hatte ich dich nicht angewiesen, das
Haus nicht zu betreten? Was hätte ich deiner Familie sagen sollen, wenn dir
etwas zugestossen wäre?"
Keraf lächelte schelmisch und überging die letzte Frage einfach.
„Du hast es uns nicht ausdrücklich verboten. Wir haben gewartet und gewartet,
aber ihr seid einfach nicht herausgekommen. Wir dachten uns bereits, dass wohl
etwas schief gelaufen war, da hörten wir plötzlich Kampflärm. Und da war die
Sache schon entschieden gewesen und wir standen auf dem Gang, bevor wir den
Gedanken überhaupt zu Ende gedacht hatten."
Obi-Wan, der sich auf die andere Seite des Tisches gesetzt hatte, meinte
bewundernd, aber auch ein wenig scheu:
„Ihr habt sehr gut gekämpft. Es hat einfach alles überein gestimmt, als Ihr das
Lichtschwert in den Händen gehalten habt."
Keraf blickte den jungen Jedi grinsend und in sichtlich guter Laune an.
„Danke, dein Kompliment ehrt mich. Aber ich höre aus deiner Stimme auch ein
wenig Erstaunen heraus. Hast du etwa gemeint, dass ich entweder alles vergessen
hätte oder dass ich zu alt bin, um das Lichtschwert zu heben?"
„Nnnnein... nanatürlich... nicht!", stotterte Obi-Wan unsicher. Verdammt, so
hatte er es eigentlich nicht gemeint! Aber Keraf stand bloss lachend auf und
klopfte ihm freundschaftlich auf den Rücken. Dann entschuldigte er sich für
eine Weile, da er seine Familie anrufen wollte.
Das erste Mal seit ihrer Befreiungsaktion waren Obi-Wan und Qui-Gon nun
alleine. Der junge Jedi konnte sich denken, was nun kommen würde. Es brachte
nichts, dieses Gespräch aufzuschieben, es würde nichts an seiner Lage ändern,
deshalb blickte er auf und begegnete Qui-Gons Blick. Dieser seufzte tief.
„Bitte schaue mich nicht so resigniert an, als ob ich dich gleich zur
Schlachtbank führen würde. Ich denke, du weißt am besten, was heute geschehen
ist und du solltest auch wissen, dass ich dich für deinen Ausbruch nie
bestrafen würde. Du warst zornig und ausser Kontrolle, aber du hast noch
rechtzeitig reagiert und es ist niemandem etwas passiert. Die Dunkle Seite ist
immer anwesend und das wird heute nicht das letzte Mal gewesen sein, dass sie
ihre Krallen nach dir ausgestreckt hat. Wenn du dich in letzter Zeit mehr um
deine Ausbildung und um die Verbindung mit der Macht gekümmert hättest, dann
wäre das heute nicht passiert. Aber ich werfe dir nichts vor, es war und ist
eine schwierige Zeit für dich und ich bin froh, dass du der Dunklen Seite
widerstanden hast."
Obi-Wan schluckte leer. Das hatte er nicht erwartet, er hätte nicht gedacht,
dass sein Meister auch nur ein bisschen Verständnis für sein Verhalten
aufbringen würde. Denn Qui-Gon hatte vollkommen Recht, hätte er sich mehr auf
sein Studium konzentriert, wäre das nicht geschehen.
„Ich verdiene Euer Verständnis und euer Vertrauen nicht. Es gibt nichts, was
meine Verhalten rechtfertigen könnte", gestand Obi-Wan bitter und fügte dann
verzweifelt hinzu:
„Ich weiss selbst nicht, was mit mir los war! Es war gar nicht mehr ich, der
diesen Mann fast umgebracht hätte. Es war, als wäre ich bloss daneben gestanden
und hätte der Szene hilflos zugeschaut."
Qui-Gons Augen strahlten warm, als er seinen Stuhl noch etwas näher zu seinem
Schüler heranrückte.
„Es ist nicht alles immer deine Schuld, Padawan. Fast jeder Jedi kommt
mindestens einmal in seinem Leben in Berührung mit der Dunklen Seite. Das ist
normal und gehört zu einem gewissen Teil auch zu deiner Ausbildung. Aber ich
weiss, dass du stark genug bist, um ihr zu widerstehen. Heute hast du ihr
widerstanden und obwohl mich die Umstände zu deinem Ausbruch ein wenig
enttäuscht haben, bin ich trotzdem stolz auf dich, dass du dich so gut
gemeistert hast."
Obi-Wan schluckte noch einmal hart. Wie konnte dieser wunderbare Mensch selbst
in so einer Situation, wenn doch vollkommen klar war, wer hier an allem Schuld
war, noch stolz auf ihn sein? Wie konnte er noch immer so grosses Vertrauen zu
ihm haben, da er doch im Begriff gewesen war, der Dunklen Seite zu verfallen?
Qui-Gon schien seine Gefühle bemerkt zu haben, denn er beugte sich zu seinem
Schüler hinüber uns drückte ihn fest an sich. Da zuckte Obi-Wan merklich
zusammen, als sein Meister die wunde Seite ungewollt berührte. Der Jedi-Meister
wich ein wenig zurück und runzelte die Stirn.
„Warum hast du mir nicht gesagt, dass du verletzt bist? Wir müssen die
Verletzung behandeln."
Da breitete sich ein Lächeln auf Obi-Wans Gesicht aus und er wies mit einem
Kopfnicken zu Qui-Gons Wunde am Oberarm, die nur hastig mit ein wenig Stoff
verbunden worden war.
„Und weshalb habt Ihr eure Verletzung noch nicht behandelt? So etwas dürft Ihr
nicht unterschätzen, es könnte sich entzünden."
Der Jedi-Meister sagte nichts, sondern gab das Lächeln bloss zurück. Ohne
Widerrede liess er sich von seinem Schüler behandeln und kümmerte sich dann
seinerseits um die wunde Seite Obi-Wans.
Qui-Gon hatte
gerade den Verband angebracht und die Robe seines Schülers darübergezogen, als
Kerina aus dem Schlafzimmer trat und die Türe leise hinter sich schloss.
„Sie schlafen beide fest", flüsterte sie und fuhr sich mit der Hand über die
müden Augen.
Obi-Wan ging zu ihr und fasste sie bei den Händen.
„Ich denke, ein wenig Schlaf würde uns auch nicht schaden."
In diesem Augenblick kam Keraf zurück in den Raum und er hatte den letzten Satz
mit angehört.
„Das denke ich auch. Ich möchte die Zimmer meiner Söhne lieber nicht zur
Verfügung stellen, das sind ihre Räume und ich kann sie euch nicht zuteilen.
Ich hoffe, ihr versteht das. Und sonst haben wir bloss noch eine Couch und
einen Sessel. Ich schlage vor, dass Kerina das Sofa haben darf."
Kerina wollte gerade protestieren, als Qui-Gon noch vor ihr antwortete:
„Das halte ich für eine gute Idee. Obi-Wan und ich werden auf dem Boden
schlafen und du darfst den Sessel haben, Keraf. Wir schlafen nicht das erste
Mal auf dem Fussboden, das ist nicht so schlimm."
Obi-Wan war zwar nicht gerade begeistert von der Vorstellung, auf dem Boden zu
übernachten, aber er hätte es nie zugelassen, dass Kerina oder ihr Gastgeber
auf dem Fussboden schlafen müssten.
Kerina war noch immer nicht einverstanden mit dem Privileg der Couch, aber sie
war einfach zu müde, um weiter zu streiten. Es war sowieso sinnlos, mit dem Jedi-Meister
zu streiten, wenn dieser sich etwas in den Kopf gesetzt hatte, würde er keinen
Millimeter davon abweichen. Kerina liess sich mit einem resignierten
Schulterzucken aufs Sofa sinken und zog die Decke über sich. Keraf schaltete
das Licht aus und die zwei Jedi machten es sich auf dem Boden mit Decken so
bequem wie möglich.
Kerina war zwar todmüde, aber sie erlaubte es sich trotzdem nicht,
einzuschlafen. Sie hörte an Obi-Wans unregelmässigen Atemzügen, dass dieser
auch noch wach war. Die Couch war eigentlich gross genug für zwei Personen,
weshalb sollte also jemand unnötig auf dem unbequemen Fussboden übernachten...?
Für Qui-Gon würde der Platz dann doch nicht reichen, also kam eigentlich nur
noch jemand in Frage.
„Ist es angenehm auf dem Boden, Obi-Wan?"
„Ja, extrem", hörte sie eine muffelnde Stimme aus dem Dunkeln.
„Warum bist du dann noch dort unten?"
Einen Moment lang herrschte Stille, dann vernahm sie das Rascheln einer Decke
und kurz darauf spürte sie Obi-Wans vertrauten Körper hinter sich. Kerina
lächelte in die Dunkelheit hinein und genoss das Gefühl der Nähe und der Wärme.
Obi-Wans Arme schlossen sich um ihren Körper und zogen sie näher zu sich heran.
„Hmm, hier oben ist es tatsächlich viel besser als unten", flüsterte der junge
Jedi und küsste sanft ihr Haar.
„Aber ich warne dich, Obi-Wan, wenn du schnarchst landest du auf dem
Fussboden", kicherte Kerina. Statt einer Antwort hörte sie ein empörtes
Schnauben und seine Hände fingen an, sie unerbittlich zu kitzeln. Kerina
verbiss sich einen Aufschrei und versuchte verzweifelt, sich aus seiner
Umarmung zu lösen. Dabei machte sie so viel Lärm, dass Obi-Wan ihr während
einer kurzen Pause zuraunte:
„Psst, du weckst noch die anderen auf!"
„Dann hör gefälligst auf, mich auszukitzeln!", brachte sie hervor, während sie
nach Luft schnappte. Seine Hände hielten tatsächlich inne und streichelten
jetzt nur noch zärtlich ihre Haut. Kerinas Atem beruhigte sich wieder und
zufrieden entspannte sie sich in seiner Umarmung. So schliefen sie beide bald
ein, eng beieinander und so glücklich wie schon lange nicht mehr.
Der nächste
Morgen kam schnell. Obi-Wan wachte mit dem Gefühl auf, beobachtet zu werden.
Vor dem Sofa stand Qui-Gon, bereits angezogen und mit einem Lächeln auf dem
Gesicht.
„Anscheinend sollte ich mir auch solche Kontakte zulegen, dann könnte ich die
Nacht auch bequemer verbringen", meinte der Jedi-Meister sich den Nacken
reckend und wies mit einer Handbewegung auf die noch schlafende Kerina. Sie lag
noch wie am Abend zuvor eng an Obi-Wans Brust gekuschelt, auf ihrem Gesicht lag
ein friedlicher, beinahe engelhafter Ausdruck.
„Tja, der Jedi-Rat weiss gar nicht, was für Vorteile solche Kontakte mit sich
bringen", bestätigte der junge Jedi lächelnd und strich mit einer Hand sanft
über ihr dunkles Haar, um sie zu wecken.
Einige Minuten später machte Obi-Wan sich auf den Weg in die Küche, während
Kerina nach Teani schaute. Um den Küchentisch waren bereits Lorino und Keraf
versammelt, tief in ein Gespräch vertieft. Qui-Gon und sein Schüler setzten sich
zu ihnen.
„... wäre machbar. Wenn wir ein Treffen mit Hev Ando, dem Wahlkandidaten der
Liberalen, arrangieren könnten, würde uns das bestimmt weiterbringen. Das
Material gegen die Organisation befindet sich noch immer in meinem Haus. Wenn
sie das Haus nicht völlig abgebrannt haben, wird es noch immer dort sein. Ich
habe es gut versteckt", sagte Lorino gerade zu Keraf.
„Aber glaubst du, dass dieses Material wirklich ausreichen wird, um die ganze
Bevölkerung aus ihrer Untätigkeit zu reissen?"
Lorino zuckte die Schultern.
„Ich kann das nicht sicher beantworten. Aber bestimmt würde ein klitzekleiner
Schwindel den Leuten helfen, an Ando zu glauben..."
Dabei blickte er die zwei Jedi wie zufällig an und erklärte:
„Wenn das Volk wüsste, dass die Jedi die Wahl überwachen und dass der Jedi-Rat
dafür sorgt, dass alle Veridaner frei wählen dürfen, dann würde Ando bestimmt
mehr Stimmen bekommen. Verida ist zwar nicht in der Republik, aber die Leute
glauben und vertrauen dennoch den Jedi."
Der grosse Jedi-Meister schaute Lorino scharf an und seufzte dann.
„Weißt du eigentlich, was du von uns verlangst? Eine solche Aktion kann uns in
sehr grosse Schwierigkeiten bringen. Der rat hat uns nicht erlaubt, hierher
zurück zu kehren, also wird er sicherlich nicht begeistert sein, wenn wir auch
noch die Wahlen beeinflussen."
„Aber wir können doch jetzt nicht aufgeben! So kurz vor dem Ziel!", rief Lorino
impulsiv und schaute Qui-Gon flehend an. Dieser meinte bloss lächelnd:
„Ich habe nicht gesagt, dass wir es nicht tun werden. Ich habe nur überlegt,
was uns vielleicht erwarten wird und uns daran erinnert, was es uns kosten
kann."
„Qui-Gon und Obi-Wan haben bereits sehr viel für Verida getan, indem sie die
Anweisungen des Rates missachtet und meinen Bruder befreit haben", warf Kerina
dazwischen und trat zu ihnen an den Tisch. „Wir können nicht noch mehr von
ihnen verlangen."
„Was aber nicht heissen soll, dass wir ihre Hilfe nicht dankbar annehmen
werden", vervollständigte Keraf.
Qui-Gon schwieg und tauschte einen Blick mit seinem Schüler aus.
//Was meinst du, Padawan? Sollen wir eine schärfere Bestrafung hinnehmen, um
diesen Leuten hier zu helfen?//
//Ja, Meister. Das Wissen, den Menschen geholfen zu haben, wird mir jede
Bestrafung erleichtern. Ich würde es mir nie verzeihen, es nicht getan zu
haben. Ich bin voll und ganz für diese Sache, ich spüre, dass es richtig ist.//
Der Jedi-Meister nickte. Genauso dachte er auch.
„Wir werden euch helfen, auch wenn das heisst, dass wir einen kleinen Schwindel
eingehen müssen."
Die Gesichter der Veridaner drückten nach dem Versprechen tiefste Dankbarkeit
und steigende Hoffnung aus. Die ganze Gruppe machte sich neuem Eifer ans
Planen, denn es blieb nicht mehr viel zeit bis zu den Wahlen. In zwei Tagen
würden die Kandidaten sich selber, ihre Zukunftspläne und ihre Versprechen
vorstellen, bis dahin musste also alles geklärt sein. Die eigentliche Wahl fand
noch am selben Tag statt und wurde von einem riesigen Fest am Abend begleitet.
Sie einigten sich darauf, dass Lorino zusammen mit Qui-Gon zurück gehen würden,
um das Material aus dem Haus zu holen. Es war riskant, nur zwei Personen gehen
zu lassen, aber eine grössere Gruppe würde mehr Aufmerksamkeit auf sich ziehen.
Den anderen blieb nichts anderes übrig als zu warten. Zuerst versuchten sie,
sich durch ein Gespräch abzulenken, als aber Qui-Gon und Lorino nach einigen
Stunden immer noch nicht zurück waren, wurden sie langsam nervös. Nach einer
Weile stand Obi-Wan auf und ging unruhig im Raum auf und ab. Sein abwesender
Gesichtsausdruck sagte Kerina, dass er mit seinen Gedanken ganz woanders war.
„Bitte, Obi-Wan, setz dich hin. Es bringt nichts, wenn du den Boden und meine
Nerven abläufst."
Der junge Jedi hielt inne und schaute sie an, aber seine Augen durch sie
hindurch und Kerina war sich sicher, dass er sie gar nicht gehört hatte.
„Was tun sie bloss so lange? Sie sollten doch schon längst wieder hier sein!
Das Haus erreicht man in zwei Stunden mit dem schnellen Schiff und wir warten
jetzt bereits über sieben Stunden. Irgendetwas ist schief gelaufen, Qui-Gon
würde sich bestimmt melden, wenn sie aufgehalten wurden."
„Ach was, du machst dir zu viele Sorgen. Sie werden sicher jeden Augenblick
hier sein. So wie ich Qui-Gon kenne, würde er uns nicht wegen ein paar
verlorenen Stunden kontaktieren. Und er wäre bestimmt nicht erfreut, wenn er
dich so ungeduldig sähe", bemerkte Keraf mit mildem Tadel.
Obi-Wan Wangen erröteten ganz leicht, als er sich seiner Ungeduld bewusst wurde
und er setzte sich gezwungen ruhig in den Sessel. Weshalb zweifelte er an
seinem Meister? Es war schon öfters vorgekommen, dass Qui-Gon sich eine zeit
lang nicht gemeldet hatte, dann aber unversehrt wieder aufgetaucht war. Und
ausserdem fühlte er keine Gefahr durch ihr Band, die Unruhe ging alleine von
ihm selber aus.
„Ihr habt wahrscheinlich Recht. Es ist bloss so, dass dieses Warten mich noch
verrückt macht. Ich kann es nicht ausstehen, wenn ich hier untätig herumsitze
während mein Meister vielleicht in Gefahr ist."
Keraf
lächelte, trat neben Obi-Wan und legte ihm beruhigend eine Hand auf die
Schulter.
„Ich kann dich gut verstehen. Mir gefällt das Warten auch nicht, aber uns
bleibt halt nichts anderes übrig. Und ausserdem hat Kerina Recht: Den Teppich
möchte ich ganz behalten, es ist ein Geschenk meiner Schwiegereltern."
Obi-Wans Gesicht hellte sich auf und er grinste frech.
„Das wäre dann
eine gute Gelegenheit, einen neuen Teppich zu kaufen, wenn dieser hier Löcher
hat. Ihr wollt doch nicht etwa behaupten, dass euch diese Farbenkombination von
schrillem Orange und einem undefinierbaren Grün-Braun gefällt???"
Blitzschnell umfasste Kerafs Hand den Padawanzopf und zog unerbittlich daran.
„Wirst du wohl etwas respektvoller von unserem Hochzeitsgeschenk reden? Meine
Frau setzt mich auf die Strasse, wenn ich bloss daran denken würde, ihn zu
ersetzen!"
„Auu, lasst meinen Zopf los!", flehte Obi-Wan lachend und versuchte
verzweifelt, Kerafs eisernen Griff zu entkommen. Dieser liess schliesslich los
und meinte grinsend:
„Mir gefällt dieses hässliche Teil ja auch nicht, aber meine Frau hängt sehr
daran."
„Tut mir leid, da habe ich wohl einen wunden Punkt getroffen. Und nicht nur
ich...", entgegnete der junge Jedi und rieb sich den Haaransatz seines
Padawanzöpfchens.
„Ich glaube, ich muss mal ein ernstes Wort mit Qui-Gon sprechen. Er lässt dir
einfach zu viel durch."
Obi-Wans Lächeln erlosch.
„Wenn er überhaupt wieder zurück kehrt."
„Dann wären wir ja wieder beim alten Thema", seufzte Keraf und verfluchte sich
insgeheim dafür, ihre Gedanken wieder in diese Richtung gelenkt zu haben.
Obi-Wan nahm sich zusammen und unterdrückte seine Ängste. Ungewollt waren ihm
sogleich wieder Schreckensbilder von seinem Meister in den Sinn gekommen, wie
er verletzt irgendwo lag und hilflos nach ihm rief. Oder noch schlimmer, dass
er überhaupt nicht mehr rief...
Nein, stopp! So etwas durfte er nicht einmal denken! Der junge Jedi schüttelte
heftig den Kopf und drängte diese Gedanken gewaltsam wieder zurück. Stattdessen
griff er nach der Macht und versuchte, sich zu beruhigen. Als er sich und seine
Gedanken wieder unter Kontrolle hatte, ging er sogar noch einen Schritt weiter
und tastete nach ihrem Band. Er hatte das schon vorher einige Male getan, aber
entweder war er zu unkonzentriert gewesen, um Qui-Gon überhaupt zu spüren oder
er war nicht weiter gegangen, weil er Angst vor einer schrecklichen Entdeckung
gehabt hatte. Nun aber liess er sich von der Macht führen und suchte nach
seinem Meister über ihr Band. Das Band war noch da und er konnte auch Qui-Gons
Präsenz fühlen, näher als er es gehofft hatte. Sie waren auf dem Weg nach Hause
und alles war in Ordnung. Erleichtert öffnete er die Augen, obwohl er sich gar
nicht bewusst gewesen war, dass er sie überhaupt geschlossen hatte, und teilte
den anderen mit:
„Sie kommen. Und es geht ihnen gut."
Etwa eine Stunde später betraten Lorino und Qui-Gon das Haus. Sie waren beide
guter Laune und Lorino trug eine grosse Tasche bei sich. Er stellte sie
vorsichtig auf den Tisch, dann wandte er sich zu Kerina um und umarmte sie.
„Es tut mir leid, dass es so lange gedauert hat. Die Leute von der Organisation
bewachen unser Haus und wir mussten eine Ewigkeit warten, bis wir es endlich
wagen konnten, das Haus zu betreten. Und selbst dann kamen wir nur dank Qui-Gon
wieder heraus. Wir wurden entdeckt, aber er konnte es sie irgendwie
hypnotisieren, so dass sie bloss seine Worte wiederholten und dann ohne ein
weiteres Wort oder eine Warnung das Haus verliessen. Unglaublich!"
Der Jedi-Meister lächelte nur.
„Es war nicht nur mein Verdienst, das Glück hat uns auch sehr geholfen.
Gedankentricks funktionieren nicht bei jedem und hätten diese Männer nicht zur
untersten Schicht der Organisation gehört, dann hätte unsere Sache schlecht
ausgesehen. Aber wir sind unverletzt und haben das Material, das alleine
zählt."
Alle Augen richteten sich auf den unscheinbaren Plastiksack in der Mitte des
Küchentischs. Was wohl genau drin war? Man konnte die Umrisse eckiger
Gegenstände durch das dünne Plastik erkennen, mehr aber nicht.
Lorino spürte
die steigende Spannung im Raum, ging auf den Tisch zu und brachte einige
Holovids, Holobilder, ein undurchsichtiges Säckchen und ein Halsband aus Metall
hervor. Er nahm eines der Vids und spielte es ab. Ein Mädchen war zu sehen,
höchstens acht Jahre alt. Ihr Blick war leer, aber ihr Gesicht zeugte von der
Angst, die sie erlebt hatte und nun beim Erzählen wieder hoch kam. Die
Schwellungen auf ihrem Gesicht, die offenen Wunden auf ihren Schultern und ihre
hohlen Wangen waren klare Zeichen von Misshandlungen und Hunger. Das Mädchen
erzählte von der Arbeit auf den Anbau-Plantagen, zu der sie gezwungen wurde.
„Ich weiss nicht, wie lange ich schon hier bin. Meine Mutter war auch schon
eine Sklavin und arbeitete hier bis sie starb", drang eine dünne, traurige
Stimme aus dem Gerät an ihre Ohren. Lorino zeigte ihnen noch weitere
Einzelschicksale und griff dann nach dem metallenen Halsband und legte es auf
den Tisch. Es war ein ähnliches Halsband, wie es auch das kleine Mädchen und
die anderen Kinder angehabt hatten. Es war ein hochmodernes Gerät, das mit einem
Sender ausgestattet war. Obi-Wan vermutete, dass man durch ein anderes Gerät
irgendeine Grausamkeit auslösen konnte, vielleicht Elektro-Schocks. Es lief ihm
kalt den Rücken hinunter, als er an seine eigene Erfahrung mit solchen Dingern
zurückdachte, vor langer Zeit, als er erst seit kurzer Zeit Qui-Gons Padawan
gewesen war.
Danach wechselte Lorino das Holovid. Auf diesem Vid sah man die Männer, welche
die Ernte und Produktion der Droge überwachten und wie sie die Sklaven
schlugen. Man sah, wie Rigonse, der aktuelle Minister Veridas, eine der
Plantagen besuchte und wie er mit den Männern redete und lachte.
Lorino nahm noch einmal ein anderes Holovid zur Hand und spielte es ab. Darauf
waren Jugendliche zu sehen, wie sie in irgendeiner Grossstadt auf einem anderen
Planeten in den Strassen herum lungerten, vollgepumpt mit Drogen. Man sah die
Folgen der Sucht, wie die Abhängigen immer mehr und immer stärkeren Stoff
brauchten und wie sie schliesslich stehlen gingen, um das Geld aufzutreiben.
Die letzten paar Bilder zeigten drei Polizisten, wie sie eine völlig
abgemagerte Gestalt aus dem Müll zogen und ein weisses Tuch in einer
endgültigen Bewegung über den leblosen Körper legten.
Lorino sagte noch immer kein Wort, sondern reichte das kleine undurchsichtige Säckchen
herum. Obi-Wan öffnete es und holte zwei Dinge heraus, eine mattgrüne,
getrocknete Pflanze und eine Spritze, bereit für den nächsten Schuss. Der junge
Jedi schluckte schwer. Die Bilder hatten ihn zutiefst erschüttert und mit einem
beinahe fassungslosen Blick starrte er auf die getrocknete Pflanze in seinen
Händen. Konnte es wirklich sein, dass so eine unscheinbare Pflanze die Ursache
für das Leid so vieler Menschen war? Er konnte es kaum glauben. Bis jetzt hatte
er die Organisation bloss als eine Art Unterdrücker angesehen, ohne die wahren
Hintergründe ihrer Macht zu kennen. Bis jetzt hatte er die Probleme aus einem
rein persönlichen Winkel angesehen, ohne auf die grosse Menge der betroffenen
Menschen zu achten. Dabei war es sonst immer genau umgekehrt. Meistens halfen
sie einer grossen Anzahl Menschen, ohne sie jedoch persönlich zu kennen.
Lorino holte tief Luft und seufzte.
„Ich habe fast alle diese Vids und Bilder selbst aufgenommen. Ich war dort,
mitten in der Misere. Ich habe mit den Menschen gesprochen und ich habe in
ihren Augen den leisen Hoffnungsschimmer gesehen, als sie mir ihre Geschichte
anvertrauten. Das Risiko dabei ist sehr hoch, wenn sie erwischt werden, dann
werden sie hart bestraft. Ich habe Bestrafungen und Folterungen miterlebt und
mitgelitten. Es war grauenvoll und ich will nichts anderes, als dass diese
miesen Geschäfte gestoppt werden."
Qui-Gon nickte bloss. Auch ihn hatten die Bilder geschockt und nur ein taubes
Gefühl in seinem Innern hinterlassen. Er hatte schon viele Grausamkeiten in
seinen langen Jahren als Jedi-Ritter erlebt, aber das Gesehene hatte selbst ihn
erschüttert.
„Wir müssen
morgen mit Hev Ando sprechen", fuhr Lorino fort. „Wenn er Ausschnitte aus
diesen Vids zeigen könnte, dazu noch einige der Bilder und wenn er wüsste, euch
Jedi im Rücken zu haben, dann kann das Volk seine Augen einfach nicht mehr
länger verschliessen. Es wird handeln."
„Hast du schon etwas mit ihm abgemacht?", fragte Qui-Gon.
Lorino wandte den Blick ab und gab dann schliesslich zu: „Nein, bis jetzt
konnte ich ihn noch nicht persönlich erreichen. Ich hatte aber gehofft, dass
ich ihn morgen in seinem Büro antreffen werde."
Der Jedi-Meister fuhr sich mit der Hand müde über die Augen und schüttelte
leicht, fast unmerklich den Kopf.
„Ich finde es schön, dass du alles so gut geplant und vorbereitet hast", meinte
er sarkastisch.
„Ich wollte ihn ja anrufen, aber ich bin nie bis zu ihm vorgedrungen!"
Qui-Gon hob beschwichtigend die Hand und lächelte.
„Nein, ist schon gut. Es wäre mir bloss lieber, wenn wir weniger dem Zufall
überlassen könnten. Übermorgen finden die Wahlen statt und wenn wir morgen
nicht mit Ando sprechen können, wird es zu spät sein."
Lorino senkte betreten den Kopf.
„Es tut mir leid, dass ihr wegen mir andauernd improvisieren und euch anpassen
müsst. Es ist meine Schuld, wenn ihr in Schwierigkeiten geraten werdet."
„Nein, Lorino, das stimmt nicht", mischte sich nun Obi-Wan ein und warf seinem
Meister einen vorwurfsvollen Blick zu. „Wir haben von uns aus entschieden, dass
wir dir helfen werden, wir tragen selbst die Verantwortung für unser Handeln.
Und du kannst ja schliesslich auch nichts dafür, dass du gefangen genommen
wurdest."
‚Oder dass dein Vater gestorben ist', fügte der junge Jedi in Gedanken hinzu.
Der Blick, der Qui-Gon nun ihm zuwarf machte ihm deutlich, dass er wohl etwas
zu laut gedacht hatte und er erhob hastig seine Schilde, um seine weiteren
Gedanken für sich zu behalten.
Qui-Gon atmete tief durch.
„Obi-Wan hat Recht, dies hier geschieht alles auf unsere eigene Verantwortung
und ich entschuldige mich für meine Worte von vorhin. Ich habe es nicht so
gemeint."
Lorino blickte wieder auf, schickte Obi-Wan einen dankbaren Blick zu und meinte
dann: „Es ist schon gut. Also werden wir morgen alle zusammen zu Ando gehen?"
„Obi-Wan und ich werden bestimmt mitkommen, aber ob du auch mitgehen willst,
Kerina, liegt alleine bei dir."
Der Jedi-Meister sah die junge Frau fragend an. Er konnte sehen, wie es auf
ihrem Gesicht arbeitete. Sie wollte eigentlich mitkommen, aber die Sorge um
Teani hielt sie schliesslich zurück.
„Nein, ich bleibe hier. Ich möchte meine Mutter nicht alleine lassen."
Qui-Gon nickte zustimmend.
Am nächsten
Morgen gingen Lorino und die beiden Jedi ins Büro von Hev Ando. Das Büro des
Wahlkandidaten lag im Zentrum von Triuno, es war ein grosses Gebäude, einfach
aber elegant gebaut. Auf dem Weg dorthin fiel Obi-Wan wieder einmal die
ungewöhnliche Stille der Grossstadt auf. Es war, als ob die ganze Stadt den
Atem anhalten würde, in Erwartung auf die morgigen Wahlen.
Der Tag hatte schön begonnen. Die üppigen Grünanlagen der Stadt sonnten sich in
der milden Morgensonne, als sie vor dem Büro standen und Anstalten machten, das
Gebäude zu betreten. Lorino zögerte ein wenig und blickte skeptisch zu der
installierten Wachanlage über ihren Köpfen.
„Ich hoffe bloss, die Organisation kontrolliert nicht auch noch das hier",
murmelte er vor sich hin.
Qui-Gon schenkte ihm ein aufmunterndes Lächeln und zog ihn dann mit sich zum
Eingang.
„Wir müssen es wagen. Selbst wenn wir überwacht werden, müssen wir diesen
Schritt riskieren. Du hast doch selbst gesagt, dass wir so kurz vor dem Ziel
nicht aufgeben dürfen. Nun komm schon, irgendwie kommen wir schon wieder
heraus."
Sie betraten das Gebäude und fanden sich augenblicklich in einer grossen,
freundlichen Eingangshalle wieder. Etwas eingeschüchtert von der Grösse der
Halle wandten sie sich dem Informationsschalter zu ihrer Linken zu. Hinter der
Scheibe sass eine junge Frau. Als sie die zwei Jedi erblickte, hob sie erstaunt
eine Augenbraue.
„Kann ich Ihnen behilflich sein?"
„Ja", antwortete Lorino zögernd und brachte die Aufmerksamkeit der Frau nun auf
sich. „Wir möchten gerne mit Hev Ando sprechen. Es ist sehr dringend."
„Habt ihr einen Termin?"
„Nein, aber ich bin mir sicher, er wird erfreut über unser Erscheinen sein und
sogar eine kleine Unterbrechung deswegen in Kauf nehmen."
Die junge Frau hob auch noch die zweite Augenbraue und schaute nun noch
skeptischer drein als Lorino vorhin. Sie sagte aber nichts mehr, mass sie noch
einmal mit einem langen Blick und griff dann nach einem Gerät. Die Stimme der
Person am anderen Ende der Leitung schien zwar nicht besonders erfreut, aber
stimmte schliesslich zu und die junge Frau wies ihnen den Weg.
Obi-Wan atmete erleichtert aus. Er hatte nicht gedacht, dass es so einfach sein
würde.
Schliesslich kamen sie am Ende des Ganges an, klopften an die genannte Tür und
traten ein.
Der junge Mann, welcher in der Mitte des Raumes an einem Schreibtisch sass,
schaute von seinem Datapad auf. Sein Blick war neugierig und ein erstaunter
Ausdruck trat auf sein Gesicht, als er die zwei Jedi musterte. Augenblicklich
kam aber der Politiker in ihm zum Vorschein. Mit einem freundlichen Zug auf dem
Gesicht stand er auf und wies mit einer einladenden Handbewegung auf ein Sofa.
Die Besucher nahmen Platz und Ando setzte sich zu ihnen.
„Ich will ja nicht unhöflich sein, aber womit kann ich euch dienen? Meine Zeit
ist im Moment etwas knapp", begann Ando und strich sich mit einer Hand das
schwarze, widerspenstige Haar aus dem Gesicht, um sie besser mustern zu können.
„Aber ehrlich gesagt denke ich nicht, dass es sich hier um einen
Freundlichkeitsbesuch handelt und ich bin gespannt, weshalb ihr zu mir gekommen
seid."
Obi-Wan musste sich an seine harte Jedi-Ausbildung erinnern, um ein Schmunzeln
aus seinem Gesicht zu verbannen. Die Direktheit dieses Mannes stand in krassem
Gegensatz zu den Gewohnheiten der Politiker auf Coruscant, ständig um den
heissen Brei herum zu reden und mit vielen Worten wenig auszudrücken.
Auch Qui-Gon schien amüsiert, obwohl er keine Mine verzog. Mit einem Blick zu
Lorino signalisierte er ihm, dass er zuerst mit Ando sprechen wollte.
„Es ist
erfrischend zu sehen, dass auch Sie so wenig Zeit wie möglich vergeuden wollen
und es macht auch unsere Sache um Etliches leichter. Ich möchte Ihnen zuerst
Lorino Menaar vorstellen. Er kommt mit einer wichtigen Sache zu Ihnen, über die
wir gleich sprechen werden."
Lebhafte blaue Augen schauten Lorino forschend an und Ando reichte ihm lächelnd
die Hand.
„Dies hier ist mein Schüler, Obi-Wan Kenobi, und ich bin Jedi-Meister Qui-Gon
Jinn."
Das Lächeln des Politikers gefror. Ungläubig starrte er Qui-Gon an und er
musste sich bestimmt viermal räuspern, bevor er überhaupt einen Ton
herausbrachte.
„Ich... ich fühle mich wirklich geehrt durch Eure Anwesenheit. Aber womit habe
ich diese Ehre verdient? So weit ich weiss habe ich gegen kein Gesetz
verstossen."
Der Jedi-Meister lächelte und seine blauen Augen strahlten warm.
„Nein, darum geht es nun wirklich nicht. Wir wurden", Qui-Gon hielt kurz inne
und sammelte sich mit einem tiefen Atemzug für die kommende Lüge, „wir wurden
vom Rat der Jedi geschickt, um die Wahlen zu überwachen. Wir haben gehört, dass
Verida Interesse daran gezeigt hat, Mitglied der Republik zu werden und wir
haben Anfragen für einen Besuch hier von Bewohnern dieses Planeten erhalten.
Wir sind diesen Anfragen gerne nachgekommen, da es schon längere Zeit Anzeichen
für kriminelle Aktivitäten auf Verida gibt."
Andos Gesichtsausdruck war noch immer völlig perplex und Fassungslosigkeit
stand auf seiner Stirn geschrieben.
„Und was hat das alles mit mir zu tun???"
Der Jedi-Meister erzählte ihm von ihrem Wissen über die Organisation. Hev Andos
Fassungslosigkeit wich langsam dem Verständnis und schliesslich der
Konzentration. Als Qui-Gon geendet hatte, übernahm Lorino das Wort und brachte
auch einige Kopien der Holovids und Holobilder zum Vorschein. Der Politiker
hörte aufmerksam zu und schaute sich das Material an.
„Das ist unglaublich", brachte er schliesslich heraus und sein junges Gesicht
zeigte Freude. „Ich habe seit Jahren nach Material wie diesem hier gesucht, um
das Volk zum Kampf und Boykott gegen die Organisation aufzurufen, aber alle
meine Versuche sind bis jetzt gescheitert. Und nun spaziert ihr einen Tag vor
der Wahl hier herein, mit einer Tasche voll wichtigen Beweisen... Ich bin im
Moment noch hin und her gerissen, ob ich euch bloss ganz fest umarmen oder ob
ich euch die Füsse küssen soll!"
Obi-Wan machte eine abwehrende Geste.
„Es wäre und Dank genug, wenn Sie beides unterlassen und stattdessen die Wahl
gewinnen würden."
Ando grinste den jungen Jedi bloss breit an.
Obi-Wan wechselte einen zufriedenen Blick mit seinem Meister.
//Wir haben das Richtige getan. Hätte ich das bis jetzt noch bezweifelt, dann
wäre ich jetzt vollkommen überzeugt.//
Qui-Gon nickte. Sie erhoben sich und als Ando sie nach etlichen Danksagungen
endlich entliess und sich wieder hinter die Vorbereitung seiner Rede machte,
verliessen sie sein Büro.
An einem Park
vorbei gekommen, konnte Lorino seine Freude einfach nicht mehr zurück halten.
Er blieb stehen und als sich Obi-Wan verwundert umschaute, schlang er seine
Arme um den jungen Jedi und drückte ihn fest an sich.
„Ich danke euch für alles, was ihr für mich, meine Familie und meinen Planeten
getan habt", murmelte er dankbar.
Obi-Wan fühlte sich unbehaglich und die Umarmung wurde ihm langsam aber sicher
peinlich. Er kämpfte sich frei und meinte dann ablenkend: „Wir haben es noch
nicht hinter uns."
Lorino lachte.
„Du wiederholst dich. Genau das Gleiche hast du schon gesagt, als du uns
befreit hast."
Obi-Wan stimmte in das Lachen ein. Er war vollkommen glücklich über den
bisherigen Verlauf der Dinge und der kleine Sieg von heute freute ihn von
ganzem Herzen. Was konnte jetzt schon noch schief gehen?
Qui-Gon stand etwas abseits von den beiden jungen Männern. Etwas beunruhigt
beobachtete er die Ausgelassenheit seines Padawans. Auch ihn freute der Erfolg,
aber er blieb objektiv. Oder besser gesagt, er wurde wieder objektiv. Sein
Schüler hatte sich mit ganzem Herzen und seiner jugendlichen Leidenschaft in
diese Sache gestürzt. Und das war nicht das erste Mal, dass so etwas geschah...
Als Jedi durften sie sich nicht von einer solchen Aufgabe emotional mitreissen
lassen, es trübte bloss ihre Sicht. Der Jedi-Meister musste zugeben, dass auch
er sich von persönlichen Gefühlen hatte leiten lassen. Es war aber noch gar
nichts gewonnen und sie schwebten noch immer in Gefahr, vor allem, wenn man
seinem Umfeld zu wenig Beachtung schenkte...
Eine feine Warnung rieselte durch die Macht in seinen Geist und augenblicklich
hatte Qui-Gon sein Lichtschwert in der Hand.
„Obi-Wan, Lorino! Passt auf!"
Vier Swoops rasten um die Ecke, genau auf die zwei jungen Männer zu. Obi-Wan
riss erschrocken die Augen auf, aber Qui-Gons Warnung riss ihn sogleich wieder
aus seiner Erstarrung. Schnell verpasste er Lorino einen Stoss, der ihn aus der
Gefahrenzone beförderte. Danach sprang der junge Jedi mit einem Satz in die
andere Richtung und verlängerte mit der Macht den Sprung und dämpfte die
Landung ab. Die vier Swoops preschten knapp an ihm vorbei.
„Lorino, versteck dich hinter den Büschen dort!", rief Obi-Wan und zeigte auf
den Park in Lorinos Nähe.
Qui-Gon hatte gerade zwei der Männer von ihren Swoops geholt, als er Obi-Wans
Aufforderung an Lorino hörte. Wieder vernahm er eine Warnung und er sah die
Gefahr einen Moment bevor sein Schüler seinen Fehler bemerkte.
„Nein Lorino, geh dort weg!"
Aber es war zu spät. Fünf weitere Männer der Organisation traten aus dem
kleinen Park, wo Lorino sich hinein geflüchtet hatte, und hielten den jungen
Mann fest in ihrem Griff. Die Jedi waren machtlos.
Qui-Gon spürte, wie eine Welle aus Schuld und Ärger über seinen Schüler hinweg
rollte.
//Bleib ruhig, Padawan, es war nicht deine Schuld.//
Der Jedi-Meister erhielt keine Antwort.
„So sieht man sich wieder", höhnte einer der Männer neben Lorino, trat vor und
schlug die dunkle Kapuze zurück. Es war der Anführer. Seine linke
Gesichtshälfte war blau und angeschwollen und in seinen Augen blitzte es zornig
auf.
Obi-Wan schluckte. Hinter ihm standen noch die zwei übrig gebliebenen Fahrer
der Swoops und beide hatten ihre Blaster gezückt. Weshalb war er bloss auf
diese simple Ablenkung herein gefallen? Sein Meister konnte sagen was er
wollte, es war seine Schuld gewesen.
„Werft eure
Waffen weg, in meine Richtung."
Ein Messer blitzte in den Händen des Anführers auf und er unterstrich den
Befehl an die zwei Jedi, indem er die Klinge an Lorinos Hals hielt. Dieser
zuckte bei der Berührung des kalten Metalles an seiner Haut zusammen.
Obi-Wan wusste nicht, was er tun sollte. Die Macht einzusetzen um Lorino zu
befreien war im Moment zu gefährlich. Falls die Männer seine Aktion voraus
ahnten, hatte er keine Zweifel daran, dass sie Lorino töten würden. Der junge
Jedi warf seinem Meister einen hilflosen Blick zu. Dieser erwiderte den Blick
und forderte ihn mit einer Handbewegung zur Geduld auf.
//Warte ab, Padawan, und tue vorerst was sie verlangen.//
Qui-Gon deaktivierte sein Lichtschwert und warf es in die Richtung der Männer
von der Organisation. Er würde es schnell wieder zur Hand haben, wenn es
notwendig sein würde. Auch die blaue Klinge von Obi-Wans Lichtschwert
verschwand im Griff und er warf es von sich, wenn auch nur langsam und
widerwillig.
Auf dem Gesicht des Anführers breitete sich ein selbstsicheres Lächeln aus.
„Das ist aber eine nette Überraschung, euch hier anzutreffen. Ehrlich gesagt
hätte ich nicht damit gerechnet, euch wiederzusehen. Ich dachte, die Lektion
der Vorsicht hättet ihr gelernt und ihr würdet euch damit zufrieden geben mit
der gelungenen Befreiung. Was also tut ihr hier?"
Obi-Wan atmete erleichtert auf. Die Organisation wusste nicht, dass sie bei
Ando gewesen waren und wahrscheinlich wussten sie auch nicht, dass sie Lorinos
Beweise gesehen und abgeliefert hatten. Der junge Jedi wartete ab, was sein
Meister wohl antworten würde und konzentrierte sich stattdessen auf Lorino.
Dieser hatte sich nun von der Überraschung erholt und sein angespannter
Gesichtsausdruck zeigte Obi-Wan, dass er an einem Plan arbeitete.
Qui-Gon überlegte fieberhaft, wie er das erklären würde. Es ging nicht darum,
ob die Organisation ihm glauben würde, sondern einzig und allein darum, dass er
Zeit gewinnen und die Männer irgendwie ablenken konnte. Flüchtig streifte sein
Blick Lorino und seinen Padawan. Die beiden hatten gerade einen unauffälligen
Blick gewechselt und es war klar, dass sie etwas unternehmen wollten. Also fing
der Jedi-Meister an zu erzählen, dass sie zu wenig Nahrungsmittel hätten und
sie nun welche besorgen wollten. Als er geendet hatte, lächelte der Anführer
bloss höhnisch.
„Falsche Antwort, mein Jedi-Freund. In diesem Quartier hier wirst du kein
einziges Lebensmittelgeschäft finden und ich bin mir sicher, der hier weiss
das."
Die Klinge des Messers schnitt ganz leicht in Lorinos Hals. Das Lächeln des
Anführers verschwand und seine Züge wurden hart.
„Jetzt erzähle mir die Wahrheit!"
Blitzschnell nutzte Lorino die kleine Ablenkung aus und versetzte dem Mann
einen Stoss, während Obi-Wan, der Lorinos Aktion gespürt hatte, das Messer mit
der Macht beiseite schleuderte. Der junge Jedi war nun seinerseits abgelenkt
und so auf die Waffe konzentriert, dass er nicht sah, wie ein anderer Mann
einen Blaster zog und auf ihn zielte. Obi-Wan spürte die Warnung, schaute auf
und sah, wie der Mann abdrückte. Alles geschah sehr schnell, aber als Obi-Wan
sah, wie das Feuer sich aus der Waffe löste, kam es ihm sehr genau und wie in
Zeitlupe vor. Es war zu spät, um das Lichtschwert in die Hand zu rufen und es
war zu spät, um sich aus der Schusslinie zu bringen. Plötzlich fühlte der junge
Jedi einen Stoss und er dachte schon, dass er getroffen wurde, als er auf
einmal eine grün leuchtende Klinge aufleuchten sah. Sein Meister stand vor ihm
und lenkte das Blasterfeuer sicher ab.
Obi-Wan sah ungläubig an sich herab und bemerkte verwundert, dass er noch ganz
war. Kein einziger Blasterschuss hatte ihn getroffen. Er löste sich aus seiner
Erstarrung und gelangte mit einem Sprung wieder an Qui-Gons Seite, das
Lichtschwert diesmal aktiviert in den Händen haltend.
Lorino hatte
sich unterdessen auf einen der Männer gestürzt und rang mit ihm auf dem Rasen.
Ein anderer lag bereits bewusstlos daneben.
Die Jedi begnügten sich weiterhin nur mit dem Abwehren von Schüssen.
//Meister, wir sollten verschwinden, es könnte jeden Moment Verstärkung
eintreffen.//
//Du hast Recht, wir sollten uns zurückziehen.//
Qui-Gon und Obi-Wan arbeiteten sich bis zu Lorino durch und verschwanden dann
schnell hinter den Büschen des kleinen Parks. Eine kurze Zeit lang wurden sie
verfolgt, aber dann gaben die Männer von der Organisation auf. Es hatte
Verletzte auf ihrer Seite gegeben und das schien im Moment wichtiger zu sein
als eine vergebliche Verfolgung.
Nachdem sie sicher waren, dass sie nicht mehr verfolgt wurden, verlangsamten
sie ihren Schritt. Obi-Wan wandte sich an Qui-Gon.
„Danke, Meister. Ich hätte den Angriff vorhin nicht überlebt, wenn ihr nicht
rechtzeitig gehandelt hättet."
Der grosse Jedi-Meister lächelte und wuschelte seinem Padawan übers kurze Haar.
„Ist schon gut. Für was sind wir Meister sonst da, wenn wir nicht unseren
hilflosen Schülern helfen könnten?"
„Hilflos???"
„Du hast auf jeden Fall ausgesehen, als ob du dringend Hilfe benötigt hättest."
Obi-Wan grinste bloss zurück und sah sich dann nach Lorino um. Der war ein
wenig zurück gefallen und rieb sich gedankenverloren den Hals. Eine feine rote
Linie war dort zu erkennen.
„Bist du okay, Lorino? Es tut mir leid, dass ich dich in Gefahr gebracht habe,
ich hätte es früher sehen sollen."
Der junge Mann schaute auf und lächelte unsicher.
„Du kannst doch nichts dafür. Ich hätte ja selber besser aufpassen können, aber
irgendwie habe ich vollkommen panisch reagiert auf diese Leute."
Obi-Wan trat etwas näher an seinen Freund heran und legte ihm eine Hand auf die
Schulter.
„Das ist ja auch kein Wunder, nach allem was sie dir angetan haben. Bist du
verletzt?", wiederholte der junge Jedi besorgt seine Frage.
„Nein, ich glaube nicht. Die Klinge hat nur ganz leicht die Haut geritzt, mehr
ist zum Glück nicht passiert. Aber es macht mir Angst, dass sie jederzeit so
plötzlich auftauchen können."
Qui-Gon drehte sich zu den beiden jungen Männern um und nickte ernst.
„Ja, das ist tatsächlich ein Problem. Normalerweise spüren wir die Gefahr oder
die Anwesenheit anderer Personen. Entweder können sie sich und ihre Gedanken
gut abschirmen oder wir waren zu sorglos."
Obi-Wan spürte den Blick seines Meisters und senkte betreten den Kopf.
„Es tut mir leid. Ich werde mich ab jetzt zusammenreissen und meinen Kopf bei
der Sache behalten."
Lorino wollte gerade auffahren und dazwischen werfen, dass auch er unvorsichtig
gewesen war, aber Obi-Wan war schneller und brachte ihn mit einer Handbewegung
zum Schweigen, bevor Lorino überhaupt richtig angefangen hatte. Der junge Jedi
schüttelte entschlossen den Kopf.
„Ich weiss was du sagen willst und ich weiss dass es nicht stimmt. Ich bin ein
Jedi und das hier ist meine Aufgabe. Ich mache das freiwillig und ich tue es gern,
also muss ich auch die Verantwortung über meine Fehler übernehmen,
einverstanden?"
Lorino war so überrascht von der plötzlichen Ernsthaftigkeit und
Zielstrebigkeit in Obi-Wans Stimme, dass er nur nickte und schwieg. So kannte
er den jungen Jedi eigentlich gar nicht.
Qui-Gon war auch ein wenig erstaunt über seinen Schüler, aber das Gehörte
machte ihn stolz. Obi-Wan wurde erwachsen und er lernte aus seinen Fehlern. Der
Jedi-Meister griff nach der Macht und schickte Obi-Wan eine Welle der
Aufmunterung über ihr Band zu. Jetzt war es an seinem Schüler, erstaunt
aufzusehen, aber sogleich hatte er sich wieder unter Kontrolle und erwiderte
den Blick seines Meisters.
