Lorino, Keraf
und die zwei Jedi sassen im vollen Café, das zum Hotel gehörte, und warteten
auf Hev Ando. Niemand sagte ein Wort und die Anspannung lag spürbar in der
Luft.
Obi-Wan hielt seinen Blick starr geradeaus gerichtet. Er hatte eingesehen, dass
er mit Qui-Gon zusammenarbeiten musste, auch wenn er, seit er das Zimmer
verlassen hatte, kein Wort mehr mit seinem Meister gewechselt hatte. Der junge
Jedi spürte, wie auch Qui-Gon ihn keines Blickes würdigte.
Obi-Wan hörte, wie Keraf hinter ihm frustriert seufzte. Für einen Augenblick
überkam den jungen Jedi Scham und auch ein wenig Mitleid gegenüber Keraf. Es
wurde von ihnen als Jedi verlangt, dass sie sich vollkommen auf das Geschehen
auf Verida konzentrierten, aber stattdessen hatten sie selbst persönliche
Probleme. Und darunter hatten auch die Veridaner zu leiden.
Unauffällig wagte Obi-Wan einen kurzen Blick auf Qui-Gon, der neben ihm
aufrecht auf dem Stuhl sass. Vielleicht hatte sein Meister ja gerade dasselbe
gedacht und war nun für eine Einigung bereit. Aber der Jedi-Meister starrte
weiterhin geradeaus, das Gesicht unbewegt.
Enttäuscht wandte der junge Jedi den Blick ab. Er war sich sicher gewesen, dass
Qui-Gon sowohl seinen Blick, wie auch seine Absicht bemerkt hatte. Deshalb
ärgerte es Obi-Wan umso mehr, dass sein Meister keine Reaktion zeigte. Trotzig
verschränkte er die Arme und lehnte sich zurück.
In diesem Moment öffnete sich die gläserne Tür des Cafés und Hev Ando und
einige Begleiter traten ein. Der Wahlkandidat schaute sich im Raum um und ein
erleichtertes Lächeln huschte über seine Lippen, als er die kleine Gruppe in
der Ecke entdeckte.
Als er sich langsam einen Weg zwischen den vollen Tischen hindurch bahnte,
bemerkte Obi-Wan mit leisem Unbehagen, wie einige der Gäste verwundert die
Köpfe hoben. Der vorangegangene Lärm von vorhin war zu einem gelegentlichen
Flüstern von einzelnen Tischen herabgesunken.
Der junge Jedi griff mit der Macht aus und stiess sofort auf Andos Unsicherheit
und Nervosität, die durch die angespannte Stille noch verstärkt wurde.
"Vielleicht sollten wir uns besser auf dem Zimmer unterhalten",
schlug Obi-Wan leise vor, als Ando neben ihm am Tisch stehen geblieben war.
"Nein", entgegnete Qui-Gon ruhig. "Hier werden wir durch die
Öffentlichkeit geschützt. Die Organisation wird es nicht wagen, uns vor so
vielen Leuten anzugreifen. Aber unser Zimmer wäre ein geeigneter Ort für einen
Anschlag. Ich glaube, dass sie genau darauf warten."
Unmerklich deutete der Jedi-Meister mit einem Nicken nach draussen. Dort
standen acht dunkel gekleidete Gestalten bei zwei Lufttaxis und spähten
gelegentlich durch die Scheiben des Cafés.
Obi-Wan fühlte sich sofort unbehaglich und er kam sich vor wie ein Tier in der
Falle.
Qui-Gon warf seinem Schüler einen kühlen Blick zu.
Dieser Blick verletzte den jungen Jedi tief, aber er erfüllte auch seinen
Zweck. Obi-Wan versteckte seine Ängste hinter mentalen Schilden und hütete sich
davor, sich noch einmal solche Blösse zu geben. Vor allem vor seinem Meister.
Ando bemerkte nichts von all dem und liess sich stattdessen zögernd auf dem
freien Stuhl nieder. Seine Begleiter stellten sich in der Nähe auf und
behielten die Umgebung im Auge.
Der Wahlkandidat räusperte sich.
"Ich möchte mich noch einmal für die zahlreichen Informationen bedanken.
Ich konnte sie gut verwerten und ich werde einen Teil davon in meine Ansprache
einfliessen lassen. Da ist aber noch etwas anderes, dass ich euch sagen
möchte..."
Ando stockte und verstummte schliesslich.
Obi-Wan schaute verwundert auf. Dem Politiker schien es sichtlich unangenehm zu
sein. Er überwand sich aber und fuhr weiter.
"Ich habe heute morgen eine Drohung erhalten. Das ist eigentlich nichts
Neues, ich erhalte dauernd Drohungen, aber die meisten nehme ich gar nicht
richtig ernst. Aber die Drohung, die ich heute bekommen habe, ist anders."
Ando hielt erneut inne und holte einen kleinen Brief hervor. Gedankenverloren
liess er seine Finger über das altmodische, praktisch nicht mehr gebrauchte
Papier gleiten.
"Das hier lag vor meiner Tür. Die Drohung ist nicht an mich selbst
gerichtet und ich verstehe noch immer nicht, was dies alles soll. Am Ende des
Briefes steht: Wende dich an deine Jedi-Freunde, sie werden schon
begreifen..."
Hev Ando hob den Brief mit zwei Fingern und wollte ihn gerade Qui-Gon reichen,
als etwas aus dem Umschlag fiel und auf dem Tisch landete.
Eine Zeichnung.
Obi-Wan erstarrte. Er sah das Bild einer Frau, von geübter Hand mit raschen
Bleistiftstrichen auf das Blatt gezeichnet. Verzweifelt schloss der junge Jedi
die Augen. Es war, als greife eine eisige Hand nach seinem Herzen und drücke es
unerbittlich zusammen. Also wusste die Organisation alles.
Als er sich endlich wieder soweit unter Kontrolle hatte, dass er die Augen
öffnen und sich das Bild genauer anschauen konnte, erkannte er einige Details.
Das Blut an der Schläfe und der leidende Ausdruck in den geliebten Augen
machten Obi-Wan beinahe rasend.
Seine Hand zitterte, als er sie fordernd nach dem Brief ausstreckte.
Qui-Gon, der gerade fertig war mit Lesen, schaute seinen Schüler bloss lange an
und legte ihm dann den Brief in die Hand.
Rasch flogen
Obi-Wans Augen über das Papier und der Inhalt prägte sich wie eine feurige
Schrift in sein Gedächtnis.
Wir haben schon lange nach den geeigneten Mittel gesucht, um Sie davon zu
überzeugen, dass das Präsidentenamt nicht der geeignete Posten für Sie ist.
Erfreut teilen wir Ihnen mit, dass uns dies nun endlich gelungen ist...
Schau dir das Bild genau an und entscheide dann was wichtiger ist: Sie oder
deine Karriere.
Verzichte auf die Wahl oder sie wird einen langsamen und qualvollen Tod sterben
und auch du wirst es mitverfolgen können, dafür werden wir schon sorgen. Ihre
Schreie sind schon jetzt laut, aber das ist nichts im Vergleich zu dem, was
folgen wird, wenn du nicht kooperierst.
Wenn du noch immer Zweifel an der Echtheit der Drohung hast, dann kannst du
gerne deine Jedi-Freunde fragen. Ausserdem werden sie dir bestimmt zur
richtigen Entscheidung verhelfen...
Obi-Wans Hände zitterten stärker und er musste alle seine Willenskraft dafür
einsetzen, den Brief nicht zu zerreissen. Hitze des Zorns stieg in ihm auf, am
liebsten hätte er jetzt irgendetwas zerquetscht. Oder zertrümmert. Oder
sonstwie zerstört.
Während der junge Jedi noch immer mit seinen Gefühlen und mit seiner
Selbstbeherrschung rang, stand Qui-Gon auf und bedeutete Ando, es ihm gleich zu
tun. Sie gingen etwas zur Seite, ausser Hörweite der anderen, aber dennoch nahe
genug falls etwas passieren sollte.
Das Gesicht des Politikers trug einen verwirrten Ausdruck, als er zu Obi-Wan
schaute und dessen merkwürdiges Verhalten bemerkte.
"Was geht hier eigentlich vor? Wer ist diese Frau? Und was hat sie mit
euch zu tun?"
Der Jedi-Meister bedachte Ando mit einem kurzen Blick und erklärte leise:
"Die Frau heisst Kerina Menaar. Sie ist die Schwester von Lorino Menaar,
welcher bei uns war, als wir Sie das letzte Mal aufsuchten. Kerina wurde
gestern von der Organisation entführt und wir können unmöglich zulassen, dass
ihr etwas geschieht. Sie bedeutet uns allen sehr viel. Vor allem meinem
Padawan."
Der letzten Bemerkung folgte ein Seufzen.
Ando zog verwundert die Stirn kraus. Es überraschte ihn, dass der Jedi-Meister
so offen mit ihm sprach. Entweder hatte er bereits dessen Vertrauen gewonnen
oder der Jedi wollte einfach nur mit irgendjemanden darüber reden. Ausserdem
erstaunte es den Politiker auch, was Qui-Gon gesagt hatte. Der Padawan hatte
demnach eine emotionale Bindung zu einer Veridanerin.
"Ist das denn erlaubt", fragte der Politiker vorsichtig.
Wieder hörte er ein Seufzen und dieses Mal klang es eindeutig frustriert.
"Nein, es ist nicht erlaubt."
Aber wer hört heutzutage schon noch auf die Regeln?, hätte Qui-Gon beinahe noch
hinzugefügt, aber er merkte noch rechtzeitig, dass er selbst auch nicht gerade
das beste Vorbild für Gehorsam abgab und er verbiss sich den Kommentar.
"Und was werdet Ihr nun tun?"
"Mit wem jetzt? Mit Kerina oder mit meinem Padawan?", fragte der
Jedi-Meister harmlos, mit der feinsten Andeutung eines Lächelns.
Auch Hev Ando schmunzelte, als er sich selber vorstellte, wie er einen
Jedi-Schüler zurechtwies.
Dann aber wurde sein Blick ernst.
"Ich meine natürlich unsere ganze Situation."
Leise und
nachdenklich fügte der Politiker noch hinzu: "Es hat Euren Padawan schwer
getroffen, Kerina in Gefangenschaft und als Druckmittel gebraucht zu wissen.
Ich hoffe es ganz fest für Kerina und für ihn, dass die ganze Sache gut
ausgeht."
Qui-Gon schaute betroffen zu Boden. Ja, es stimmte was dieser Mann sagte. Auch
der Jedi-Meister hatte den Zorn und die Angst von seinem Schüler wahrgenommen
und trotz ihres Zerwürfnisses fühlte er noch immer mit Obi-Wan mit. Er wollte
nicht, dass sein Padawan litt. Er wollte auch nicht im Streit mit ihm
auseinander gehen. Am liebsten hätte er einfach die Zeit zurückgedreht, so dass
noch immer die enge Beziehung zwischen ihnen herrschen würde und danach hätte
er einen riesigen Bogen um Verida geschlagen.
Dieser Obi-Wan war nicht mehr derselbe junge Mann, der ihm blind vertraut und
überall hin gefolgt war. Der Jedi-Meister hatte mehr als einmal versucht,
seinem Schüler zu vergeben und ihm seine Launen und Schwächen sofort zu
verzeihen, aber es führte zu nichts. Obi-Wan hatte sich zu sehr verändert und
Qui-Gon hatte Angst, dass sein Padawan nicht mehr in sein früheres Leben zurück
finden würde. Er würde es nicht ertragen, wenn auch Obi-Wan sich von ihm
abwenden würde, seine ganze Liebe und Zuneigung gehörte seinem Schüler.
Vielleicht konnte er dem Schmerz entgehen, wenn er sich schon jetzt von Obi-Wan
lossagte und dieses Mal endgültig keinen Padawan mehr annehmen würde.
Xanatos hatte eine noch immer nicht ganz verheilte Wunde in sein Herz
geschlagen, aber Obi-Wan würde es in Stücke reissen. Nie mehr wollte er
jemanden so fest lieben und vertrauen, es tat einfach zu fest weh, wieder
verletzt zu werden.
Hev Ando war etwas irritiert, als der Jedi-Meister nichts erwiderte und
stattdessen nur gedankenverloren vor sich hin starrte, ein unendlich
verletzlicher Zug lag auf seinem rauhen Gesicht.
Behutsam fuhr er fort: "Ich kann unmöglich das Amt des Präsidenten
annehmen, wenn ich weiss, dass ich das Leben eines Menschen dafür geopfert
habe. Die Organisation muss gestoppt werden, aber wir können Kerina auf keinen
Fall im Stich lassen."
Qui-Gon schaute auf.
"Nein, das können wir nicht. Ich kann Ihnen noch nicht sagen, was wir
unternehmen werden. Bestimmt werden wir nicht einfach zusehen, wie sie
umgebracht wird. Kerina ist aber voll und ganz unsere Angelegenheit, Sie
sollten sich jetzt auf die Wahl konzentrieren. Tun Sie ihre Pflicht und wir
werden die unsrige tun. Im Vordergrund steht dennoch Ihre Sicherheit, das
dürfen wir trotz den schwierigen Umständen nicht vergessen."
Ando nickte dankbar und sie kehrten zu den anderen an den Tisch zurück.
Obi-Wan war nirgends zu sehen.
Qui-Gon hob ärgerlich eine Augenbraue und blickte streng zu Keraf. Keine Spur
von Unsicherheit oder Mitgefühl war mehr auf seinem Gesicht zu erkennen.
"Wo ist Obi-Wan?"
Keraf hob beschwichtigend eine Hand.
"Er ist schnell in den Waschraum gegangen. Ich glaube es ist besser, wenn
wir ihn für einen Moment allein lassen, so unpassend der Zeitpunkt auch sein
mag."
Der Jedi-Meister schnaubte bloss verärgert.
"Er weiss genau, dass er sich jetzt nicht alleine entfernen sollte. Aber
was soll's? Er hört ja doch nicht auf mich, das ist ja nichts Neues!"
Lorino und Hev Ando schauten betreten zu Boden, während Keraf ruhig sagte:
"Sei nicht zu streng mit Obi-Wan. Es ist klug von ihm, sich zurückzuziehen
anstatt es zu riskieren, einen neuen Streit vom Zaun zu brechen."
Qui-Gon verschränkte die Arme und setzte sich schweigend hin.
Kaltes Wasser
lief Obi-Wan über die Finger. Er fuhr sich mit den nassen Händen über sein
erhitztes Gesicht. Obwohl es seine Haut kühlte, loderten in ihm drin noch immer
Flammen des Zorns. Höhnisch klangen ihm die Drohung der Entführer in den Ohren
wieder und das Gefühl, irgendetwas zerstören zu müssen, wurde unbändig gross.
Der junge Jedi krallte beide Hände an je eine Seite des Waschbeckens und
schaute dann auf in den Spiegel. Das Gesicht, welches ihn anstarrte, war ihm
vertraut, dennoch erschien es ihm auf einmal völlig fremd. Ein Hauch von
Düsternis lag auf seinen Zügen und die früher so lebhaften blaugrünen Augen
wirkten wie zwei dunkle Löcher in seinem bleichen Gesicht.
Obi-Wan versuchte den Blick abzuwenden, aber er konnte es nicht. Dieses Abbild
dort im Spiegel glich so sehr dem seinigen, aber er konnte es nicht wahrhaben,
dass das wirklich er selbst sein sollte.
Wo war der lebenslustige Padawan geblieben, der noch vor wenigen Wochen sein
Spiegelbild frech angegrinst hätte?
Als wäre dies ein Stichwort gewesen, schienen sich die schmalen Lippen seines
Gegenübers zu einem boshaften Lächeln zu verzeihen und Obi-Wans Gesicht schien
sich langsam in die Fratze des Anführers der Organisation zu verwandeln.
Der junge Jedi wich entsetzt einen Schritt zurück. Dann aber strömte der Zorn
mit neuer Heftigkeit in sein Denken und er ballte die Hand weit ausholend zur
Faust.
Klirrend ging der Spiegel in die Brüche. Kleine Glassplitter regneten prasselnd
ins Waschbecken und auf den Boden.
Obi-Wan schloss zufrieden die Augen und genoss die plötzliche Stille. Er
spürte, wie etwas Warmes an seiner Hand hinabrann. Mit Genugtuung nahm er den
Schmerz wahr, der davon ausging, und endlich waren seine Gedanken und seine
Gefühle zur Ruhe gekommen. Der rasende Zorn war verschwunden und das Einzige,
was er noch spürte, war der pochende Schmerz in seiner rechten Hand.
Gut, dann gab es wenigstens etwas, worauf er sich konzentrieren konnte.
Langsam öffnete er die Augen. Blut tropfte von seiner Hand ins Becken und
vermischte sich dort mit Wasser und feinen Glassplittern. Beinahe fasziniert
schaute Obi-Wan zu, wie sein Blut den Abfluss hinabrann. Nur eine dünne rote
Spur blieb auf dem weissen Keramik zurück.
Ruhig drehte der junge Jedi den Wasserhahn auf und hielt seine verletzte Hand
unter den Wasserstrahl. Als das Blut weggewaschen wurde, kamen etliche kleine
Schnitte an den Fingern und auf der Hand zum Vorschein. Ein besonders tiefer
Schnitt zog sich quer über den Handrücken und Obi-Wans Knöchel waren
aufgeplatzt.
Nicht gerade die beste Voraussetzung, falls es zu einem Kampf kommen sollte,
dachte der junge Jedi und verzog das Gesicht, als er sich einen Teil des
Handtuchs um die schmerzende Rechte wickelte. Schuldgefühle überkamen ihn, am
meisten wegen Kerina, aber auch ein wenig wegen Qui-Gon.
Was war nur in ihn gefahren? Wurde er jetzt allmählich verrückt oder war das
die Dunkle Seite? Beide Aussichten wirkten nicht gerade verlockend.
Obi-Wan schritt auf den Ausgang zu, hielt aber kurz inne und drehte sich um.
Die Szene, die sich ihm bot, spiegelte seine eigene Situation wieder. Der
Waschraum sah aus, als ob ein Sturm darin gewütet hätte. Überall lagen
Glassplitter, Überreste des Spiegels hingen noch an der Wand und auf dem Boden
konnte er einzelne Blutflecken entdecken. Er stand vor einem Trümmerhaufen.
Der junge Jedi versteckte vorsichtshalber seine verletzte Hand im weiten Ärmel
seines Umhangs und ging zur Tür hinaus. Früher oder später würden sie die Wunde
sowieso bemerken, aber er wollte das jetzt nicht erklären. Er hatte bereits
genug angestellt.
Kerina zerrte
verzweifelt an ihren Fesseln. Die Stricke schnitten in ihre Handgelenke und
ihre Finger fühlten sich bereits taub an.
"Hör auf damit oder ich werde dafür sorgen, dass du ruhig liegen
bleibst."
Kerina schaute auf und zuckte erschrocken zusammen, als sie direkt in das
Gesicht eines Mannes blickte. Seine Lippen hatten sich zu einem anzüglichen
Lächeln verzogen, wobei er eine Reihe verfaulter Zähne entblösste und in seinen
Augen blitzte es lüstern auf.
Angeekelt drückte sich Kerina in die Ecke hinein. Der Mann beugte sich herab
und eine schwielige Hand umfasste grob ihr Kinn. Die junge Frau wehrte sich
heftig, befreite sich aus seinem Griff und versenkte ihre Zähne tief die Hand
ihres Gegenübers. Dieser heulte auf und wich augenblicklich zurück. Fassungslos
starrte er auf seine blutende Hand und dann schaute er Kerina mit offenem Mund
an.
Die junge Frau drängte ihre Angst zurück und blickte dem Mann herausfordernd in
die Augen. Sie war vielleicht nicht dazu fähig, ihm zu entkommen, aber sie
konnte immerhin ihren Stolz aufrecht erhalten. Sie würde sich ihm nicht
kampflos übergeben und auf keinen Fall würde sie die Hoffnung auf Rettung
aufgeben.
Der Mann erholte sich von seinem Schock der unerwarteten Gegenwehr und sein
Gesicht verwandelte sich in eine Maske aus Wut. Grob packte er Kerina an den
Haaren und schlug ihr hart ins Gesicht. Ungewollt stiegen Tränen in ihre Augen,
aber die junge Frau drängte sie zurück.
"Du kleine Hure! Wenn ich mit dir fertig bin wird dich auch dein
Jedi-Freund nicht mehr erkennen. Oder nicht mehr erkennen wollen!"
Durch einen Schleier sah Kerina, wie der Mann erneut seine Hand hob und sie
schloss die Augen, reckte ihm aber das Kinn trotzig entgegen. Der erwartete
Schlag blieb aus.
"Lass das", hörte die junge Frau eine kalte Stimme sagen und
augenblicklich verschwand der erbarmungslose Griff an ihren Haaren. Panik
ergriff sie und Kerina fing an, unkontrolliert zu zittern. Dennoch zwang sie
ihre Augen dazu, sich zu öffnen und sie erkannte den Anführer der Organisation
hinter dem Mann, der sie geschlagen hatte. Unwillkürlich wollte sie weiter vor
ihm zurückweichen, aber hinter ihr befand sich nur die nackte Wand. Seine
Gegenwart liess sie nach Atem ringen und sie hatte das Gefühl, als griffe eine
eiskalte Hand nach ihr.
Der Anführer wartete, bis der andere Mann verschwunden war und richtete dann
seinen emotionslosen Blick auf Kerina. Seine Augen hielten die ihrigen gefangen
und sie hatte das Gefühl, als bohre sich ein Pfeil in ihr Innerstes. Die junge
Frau schrie schmerzerfüllt auf. Der Gedanke an ihre Gefangennahme kam ihr in
den Sinn, wie er mit einer einfachen Handbewegung ihre Mutter an die Wand
geschleudert hatte. Das Letzte, an das sich die junge Frau erinnern konnte
bevor sie das Bewusstsein verloren hatte, war dieser eisige Griff und der
Schmerz in ihrem Kopf gewesen.
Auf erschreckende Weise erinnerte der Anführer sie an einen Jedi, er war die
Verkörperung von Ruhe und Scharfsinn. Aber ihn umgab nicht die beruhigende
Wärme, die etwa Obi-Wan oder auch sein Meister ausstrahlten, sondern nur eine
eisige Kälte, die das Atmen mühsam machte. Kerina fröstelte und zitterte noch
stärker.
"Bleib still und rühre dich nicht", befahl er mit leiser, bedrohlicher
Stimme und drehte sich um.
Kerina atmete tief ein. Eigentlich hätte sie ja erleichtert sein sollen, dass
der Anführer sie vor dem anderen Mann gerettet hatte, aber sie war noch immer
gelähmt von der Kälte und von dem Schmerz in ihrem Kopf, der langsam auf ein
dumpfes Pochen herabsank. Sie wäre tausendmal lieber mit dem widerlichen Mann
allein, der sie zusammenschlagen oder Schlimmeres mit ihr anstellen würde, als
mit dem Anführer.
Für dieses eine Mal war sie von beiden einigermassen verschont geblieben, aber
was würden sie das nächste Mal mit ihr tun?
Kerina konnte die Tränen nicht länger zurückhalten. Leise schluchzend flehte
sie in ihren Gedanken Obi-Wan an, sie aus dieser Hölle zu befreien.
Die Gespräche
verstummten abrupt, als Obi-Wan sich wieder zu den anderen gesellte und sich
auf dem freien Stuhl niederliess. Er spürte den Blick seines Meisters auf sich
ruhen, aber er achtete nicht darauf und starrte irgendwo vor sich auf einen
Punkt auf dem Tisch.
Hev Ando musterte den jungen Jedi mitleidig und brach dann das Schweigen.
"Obi-Wan, dir ist hoffentlich klar, dass wir auf diese Drohung nicht
eingehen dürfen. Wenn ich Eines als Politiker gelernt habe, dann ist es das,
nicht auf die Forderungen einer Drohung einzugehen. Unser Gesetz verbietet
es."
Der junge Jedi hob den Kopf und blickte Ando kalt an.
"Was sollen wir denn Ihrer Meinung nach tun? Abwarten, bis uns der
Künstler hier erneut seine Fähigkeit demonstriert, dieses Mal im Zeichnen von
toten Menschen?"
Ärgerlich wies er auf den Brief mit der Zeichnung, der noch immer in der Mitte
des Tisches lag.
Qui-Gon blickte seinen Schüler scharf an.
"Weiteres solches Benehmen werde ich nicht tolerieren", sagte der
Jedi-Meister gefährlich leise. "Wenn du dich nicht augenblicklich mässigst
und endlich anfängst, wieder wie ein Jedi zu handeln, werde ich dich noch heute
zum Tempel zurückschicken."
Obi-Wan biss sich auf die Lippen und schwieg.
Hev Ando war es nicht wohl, als der Padawan sozusagen wegen ihm zurechtgewiesen
wurde. Obi-Wan hatte es zwar nicht auf die feinste Art und Weise ausgedrückt,
aber er hatte immerhin ihre Probleme auf den Punkt gebracht.
"Meister Jinn, ich denke, Obi-Wan hat Recht. Wir sollten lieber schnell
eine Möglichkeit finden, wie wir Kerina helfen können, anstatt uns zu
streiten."
Qui-Gon verbiss sich den Kommentar, dass sie sich gar nicht gestritten hätten,
und nickte bloss zum Zeichen, dass der Politiker weiterfahren solle.
"Die Organisation ist ein Netz aus etwas tausend Mitgliedern und es kommen
noch viele andere dazu, die sie auch unterstützen werden, aus Angst, dass sie
selbst in die Schusslinie geraten", erklärte Ando. Er seufzte und fügte
leise hinzu: "Es werden genügend von ihnen an den Wahlen anwesend sein, um
irgendwelche Heldentaten zu verhindern."
Eine Weile war es still, dann ergriff Qui-Gon das Wort.
"Ich denke nicht, dass wir jetzt gross etwas tun können. Einfach auf gut
Glück nach Kerina zu suchen, wäre wie die Suche nach einer Nadel im Heuhafen.
Wir sollten uns zuerst um die Wahlen kümmern, vielleicht finden wir dort Genaueres
über Kerinas Aufenthaltsort heraus."
Der Jedi-Meister hielt kurz inne und streifte seinen Schüler mit einem
flüchtigen Blick.
"Die Wahlen sind der Grund, weshalb wir hierher zurückgekommen sind und
darauf sollten wir uns konzentrieren."
Obi-Wan blieb ausdruckslos sitzen. Aber innerlich schrie er auf und er ballte
seine Hände zu Fäusten. Die Rechte protestierte mit heftigem Schmerz, aber er
achtete gar nicht darauf. Als ob das jetzt noch eine Rolle spielen würde!
Deutlicher hätte sein Meister gar nicht mehr sagen können, dass er nichts tun
würde.
Der junge Jedi schaute wild zu Lorino hinüber. Dieser war auf seinem Stuhl
zusammengesunken und Enttäuschung und Hoffnungslosigkeit standen klar auf
seinem Gesicht geschrieben. Obi-Wan fühlte all diese Emotionen auch, aber sein
jahrelanges, hartes Training verbot es ihm, sie zu zeigen.
Weshalb wehrt er sich denn nicht gegen diesen Beschluss? Warum bin ich der
Einzige, der noch um seine Schwester kämpft?, dachte Obi-Wan wütend. Er würde
lieber wahllos die Gegend nach irgendeinem Hinweis absuchen, als zu warten, bis
der Zufall ihnen vielleicht etwas Brauchbares in die Hände spielte.
Qui-Gon erhob
sich und automatisch taten es die anderen ihm gleich. Apathisch folgte der
junge Jedi seinem Meister zur Tür und wäre beinahe in ihn hineingelaufen, als
dieser plötzlich stehen blieb und Obi-Wan zur Seite nahm.
Der Jedi-Meister schaute seinen Schüler lange und nachdenklich an. Sein Blick
musterte Obi-Wan eindringlich von oben bis unten und blieb schliesslich an der
rechten Hand seines Padawans hängen. Qui-Gon runzelte die Stirn. Dem jungen
Jedi wurde es ungemütlich und er zog seine verletzte Hand weiter in den Ärmel
seines Umhangs zurück.
Qui-Gon runzelte die Stirn.
"Zeige mir deine Hand."
"Meister... es... ist nichts... es..."
"Zeige mir deine Hand", wiederholte der Jedi-Meister nachdrücklich
und seine Mine verfinsterte sich.
Obi-Wan wusste nicht, ob er sich weiterhin schlichtweg weigern sollte oder ob
er es wagen konnte, Qui-Gons Reaktion über die verletzte Hand abzuwarten. Schliesslich
seufzte er geschlagen und schlug den Ärmel zurück. Qui-Gons Augen verengten
sich, als er den blutigen Verband musterte.
Nervös trat der junge Jedi von einem Fuss auf den anderen, die Augen
niedergeschlagen, und wartete darauf, was sein Meister sagen würde.
"Ich hoffe, du hast eine Erklärung dafür", sagte Qui-Gon langsam.
"Und ich hoffe auch, dass noch so viel von einem Jedi in dir steckt dass
ich die Antwort glauben darf."
Obi-Wan zuckte zusammen. Das tat weh! Fassungslos starrte er Qui-Gon an. Er
hatte seinen Meister noch nie in einer so schwerwiegenden Situation angelogen
und er würde es bestimmt auch jetzt nicht wagen. Das eine oder andere Mal war
er nicht ganz ehrlich gewesen, das gab Obi-Wan ja zu, aber nie über etwas, das
Ausmasse auf die ganze Mission haben könnte.
Irgendwo zwischen Wut, Fassungslosigkeit und Empörung fand der junge Jedi seine
Sprache wieder, um mit einer holperigen Erklärung herauszurücken.
"Ich war im Waschraum... dort hatte es einen Spiegel und... und ich war...
wütend! Ich habe... die Beherrschung verloren."
Qui-Gon zog seine Stirn noch mehr in Falten und er schien die Worte seines
Schülers genaustens abzuwägen. Besorgnis breitete sich auf seinem Gesicht aus.
Was war los mit seinem Padawan?
Statt einer Zurechtweisung sagte er nur: "Du solltest dich noch um deine
Wunde kümmern bevor wir gehen. Auf unserem Zimmer habe ich noch etwas Bacta. Du
hast zehn Minuten."
Obi-Wan glaubte, er habe nicht recht gehört, drehte sich dann aber wortlos um
und ging aufs Zimmer.
Der Lärm auf der Strasse war ohrenbetäubend. Überall hingen Banner und
Fähnchen, die Strassen waren festlich geschmückt und man sah Menschen, wohin
man auch blickte. Es war brütend heiss und in der Hitze des Mittags flimmerte
der grosse Platz, welcher von mehreren Häuserblöcken umgeben war.
Es war vorgeschrieben, dass alle Veridaner zur Wahl persönlich anwesend sein
mussten und wählen war obligatorisch. So waren die Strassen gefüllt und die
Veridaner, die nicht mehr auf den gewaltigen Platz passten, wo jeder Kandidat seine
Vision von der Zukunft Veridas vorstellen würde, hatten sich in Cafés und
Festzelte gedrängt, wo die Wahl per Holoprojektor übertragen wurde.
Obi-Wan blickte sich um. Ihm wurde aufgetragen, nach dem Standort der
Organisation Ausschau zu halten. Die hoffnungsvollen Blicke der Veridaner
entgingen ihm nicht, sie beobachteten ihn beim Vorübergehen mit grossen Augen.
Der junge Jedi schlängelte sich weiter durch die riesige Menschenmenge und
schaute zu einem grossen Gebäude hinüber, in dem sich jetzt wohl Ando auf seine
Rede vorbereitete. Qui-Gon war mit ihm gegangen um ihn zu schützen und er hatte
Obi-Wan den Auftrag gegeben, sich gründlich umzuschauen.
Und genau auf das versuchte er sich jetzt zu konzentrieren. Er bemühte sich,
auf feine Hinweise der Macht zu achten und seinen Auftrag vor Augen zu halten,
aber es gelang ihm nicht so recht. Schon seit Tagen waren seine Gedanken nur
noch bei Kerina und solange er nicht wusste, wo sie war und wie es ihr ging,
würde er andauernd Probleme mit seiner Konzentration haben.
Aus den
Lautsprechern dröhnte jetzt die Stimme eines Mannes. Obi-Wan drehte sich um und
schaute zum Rednerpult, auf dem der erste Kandidat stand. So viel der junge
Jedi wusste, hatte die Organisation ihn gekauft.
Obi-Wan drehte sich weg und liess seinen Blick weiterhin über die Köpfe der
vielen Menschen schweifen, auf der Suche nach einem Hinweis oder einem
bekannten Gesicht. Schweiss rann ihm über die Stirn und in die Augen und die
Sonne brannte unbarmherzig auf die Leute herab an diesem ungewöhnlich heissen
Spätsommertag. Mit dem Ärmel fuhr sich Obi-Wan über die Stirn und als sich
seine Sicht nach einigen Malen blinzeln wieder geklärt hatte, erblickte er
plötzlich zwei Gestalten in einer schattigen Nebengasse. Gegen die Sonne waren
sie kaum zu erkennen und der junge Jedi konnte nur ihre Umrisse ausmachen.
Trotzdem glaubte er Kapuzen zu sehen, die tief ins Gesicht gezogen waren.
Sofort schärften sich Obi-Wans Sinne und sein Gesicht nahm einen Ausdruck
äusserster Konzentration an. Er bahnte sich einen Weg durch die Menge auf sie
zu und gleichzeitig tastete er mit der Macht nach ihnen. Ihre Schilde waren
oben, kein Wunder also, dass er sie nicht gespürt hatte.
Der junge Jedi sah aber beim näher Kommen ein, dass sie ihn ohne den Schutz der
Masse bald erkennen würden und das war es eigentlich nicht, was er vorgehabt
hatte. Er musste näher an sie herankommen ohne gesehen zu werden. Obi-Wan
überlegte kurz, dann lief er an die Hausmauern gedrängt die Strasse hinunter
und bog schliesslich in eine andere Nebengasse ein, etwas unterhalb von der, in
welcher die zwei Männer sassen.
Die Gasse war schmal und er war allein. Einen Moment lang genoss Obi-Wan
einfach nur die Kühle der schattigen Strasse, dann lief er weiter und liess den
Lärm der Menschen auf dem Platz hinter sich. An der nächsten Ecke angekommen,
kniete er sich hin und schaute vorsichtig um die Ecke. Er konnte jetzt die zwei
Gestalten besser ausmachen, da er sich jetzt genau von der anderen Seite
näherte. Die Strasse war schmutzig und überall lag Müll herum.
Der junge Jedi erwägte kurz seine Chancen, dann entschied er sich dazu, es zu
wagen. Er liess sich auf alle Viere nieder und kroch vorwärts, Mülleimer und
herumliegende, kaputte Haushaltsgeräte als Deckung benutzend.
Er hatte sich schliesslich so nah heran gerobbt, dass er bereits ihre Stimmen
hören konnte, auch wenn er bei dem Lärm der Menschen auf der Strasse nicht
verstehen konnte, was sie sagten.
Ich muss noch etwas näher heran, dachte Obi-Wan und schaute sich nach einem
geeigneten Versteck um. Er entdeckte ein altes Sofa, etwa fünf Meter entfernt,
dafür aber auf der anderen Seite der Gasse. Um dorthin zu gelangen, würde er es
wagen müssen, für einen kurzen Moment ohne Deckung zu sein.
Obi-Wan schloss die Augen und griff nach der Macht. Den richtigen Zeitpunkt
abwartend und fühlend holte er tief Luft und stiess sich von der Hausmauer
hinter sich ab. Gebückt rennend erreichte er das Sofa und stellte erleichtert
fest, dass die zwei Männer nichts bemerkt hatten. Endlich konnte der Jedi ihren
Gesprächen folgen.
"... kann es kaum erwarten. Berkint wird es auch freuen. Die Kleine
gefällt ihm, auch wenn sie bis jetzt noch nicht sehr nett zu ihm gewesen
ist", sagte der eine Mann und lachte abfällig.
"Ich würde ihr nichts durchgehen lassen", meinte der zweite Mann und
Obi-Wan hörte, dass dieser deutlich älter war. "Wenn ICH sie in die Finger
kriege, wird sie schon noch lernen zu gehorchen."
"Freu dich nicht zu früh, wahrscheinlich ist sie in ein paar Tagen tot. Du
hast den Boss ja gehört."
Obi-Wan kochte vor Wut.
Du wirst nie erfahren, wo Kerina ist, wenn du die Kerle jetzt tötest, versuchte
er sich selbst zu beruhigen, aber seine Hände zitterten weiterhin vor Zorn.
Plötzlich wurden die Leute auf der Strasse still und auch die Gespräche der
beiden Männer verstummten. Augenblicklich war Obi-Wans Wut verflogen und er
wartete gespannt, was geschehen würde.
"Bewohner von Verida", erklang auf einmal Hev Andos ruhige Stimme
über die Lautsprecher und ein zuversichtliches Lächeln stahl sich auf Obi-Wans
Lippen.
"Bewohner
von Verida", erklang auf einmal Hev Andos ruhige Stimme über die
Lautsprecher und ein zuversichtliches Lächeln stahl sich auf Obi-Wans Lippen.
"Ihr wisst alle, was hier vor sich geht und ich möchte euch an eure
Unabhängigkeit, eure Vernunft und vor allem an euer Gewissen erinnern. Ich bin
hier, um mit euch zusammen für eine Vorstellung und Vision von einem anderen,
gerechteren Verida zu kämpfen. Gemeinsam können wir noch einmal von vorne
anfangen, ein neues Verida miteinander zu kreieren. Dafür braucht es Mut",
rief Ando mit lauter Stimme und erhob sein Haupt, um über die riesige
Menschenmasse blicken zu können.
"Aber schaut euch um. Ihr seid nicht allein und ich bin heute hierher
gekommen, um euch voranzugehen und euch den nötigen Mut zu schenken. Ohne eure
Mithilfe bleibt das aber nur ein Traum eines einzelnen, idealistischen Mannes,
der sich ein besseres Verida vorstellen kann, als es jetzt ist."
Obi-Wan hatte jedem einzelnen Wort des Politikers gelauscht. Ando verstand es
wie kein Zweiter, seine Zuhörer in seinen Bann zu ziehen. Seine Worte waren
einfach, aber dennoch voller Ausdrucksstärke und seine Stimme gab den Menschen
Hoffnung.
Der junge Jedi wartete gespannt auf die Fortsetzung der Rede, aber in diesem
Moment sprach wieder der ältere der zwei dunkelgekleideten Männer.
"Schade, so wie es aussieht ist die Kleine heute abend wirklich tot. Diese
Ratte auf dem Rednerpult dort oben schert sich einen Dreck um die Geisel, der
hat wohl nur seine Karriere im Kopf. Dabei ist es wirklich schade um sie. Zu gern
würde ich ihr noch einen Besuch abstatten, bevor der Boss sie alle macht und
sie in kleinen Häppchen zurücksendet."
Der andere Mann liess wieder sein abfälliges Lachen hören und sagte spöttisch:
"Weshalb tust du's nicht einfach? Der Boss hat nur Berkint und einen
anderen Trottel bei ihr zurückgelassen und mit den beiden kommst du wohl noch
klar. Und der Boss selber ist ja hier. Er will sich noch um die Jedi
kümmern."
Einen Augenblick lang herrschte Stille. Dann erklang ein Rascheln und Schritte
näherten sich Obi-Wans Versteck. Der Jedi duckte sich weiter in die Nische
zwischen Sofa und Wand und hoffte inständig, dass er nicht entdeckt werden
würde.
"Hey, das war nur ein Scherz!", rief der jüngere Mann und lachte
unsicher. "Du kannst doch jetzt nicht tatsächlich zu der kleinen Hure? Der
Boss braucht dich hier!"
"Warum sollte ich nicht gehen?", fragte der andere gefährlich leise
und die Schritte stoppten etwa einen halben Meter vor dem herumliegendem Sofa,
hinter dem sich der Jedi versteckt hielt. "Weißt du was? Der Scheisskerl
dort oben hat verdammt Recht, das ganze hier ist eine einzige Unterdrückung und
ich habe die Schnauze voll! Du kannst dem Boss sagen was du willst, mir ist's
egal!"
Der Mann rauschte an Obi-Wan vorbei, ohne ihn zu bemerken. Hinter sich hörte
der Jedi bloss noch den jüngeren Mann fluchen, dann zog sich Obi-Wan zurück und
folgte der dunkelgekleideten Gestalt.
Der Mann führte Obi-Wan aus dem Getümmel der Wahlen heraus und in die Nähe des
Flugplatzes. Der Jedi liess den Abstand zwischen sich und dem Verfolgten
anwachsen, damit der Mann ihn nicht durch Zufall entdecken würde, falls er sich
umdrehen würde.
So gelangten sie zu einem etwas ausserhalb abgestellten Schiff, welches der
Mann ohne sich auch nur einmal umzublicken betrat.
Obi-Wan folgte ihm vorsichtig, blieb dann zögernd stehen. Qui-Gon würde ihn
hier in Triuno brauchen, er hatte ja selbst mitangehört, dass die Organisation
einen Schlag gegen die Jedi plante. Ausserdem war auch Ando in Gefahr, denn für
Obi-Wan war es klar, dass er zum neuen Regierungschef gewählt würde. Nach
dieser Rede hatte er keine Zweifel mehr daran.
Aber wo gehörte er selbst hin? Sein Gewissen sagte ihm, dass er es der
Bevölkerung Veridas schulde, sie aus dieser verzweifelten Lage herauszuholen.
Aber sein Herz sprach eine andere Sprache und er konnte es einfach nicht über
sich bringen, Kerina einen so qualvollen Tod sterben zu lassen, sei es auch für
das Wohl einer ganzen Bevölkerung.
Der Jedi presste beide Fäuste fest an seine Stirn und stiess verzweifelt die Luft
aus. Er hatte keine Zeit sich zu entscheiden.
‚Qui-Gon wird es auch ohne mich schaffen. Er ist ein mächtiger Jedi und er ist
schon vor mir alleine zurechtgekommen, also kann er das jetzt auch', dachte
Obi-Wan schliesslich und schlich sich auf das Raumschiff zu.
Drinnen hörte er den Mann fluchen, da der Antrieb nicht zu funktionieren
schien. Obi-Wan nutzte diese Gelegenheit aus und lief geduckt unter dem Fenster
hindurch bis zum Frachtraum ganz hinten am Heck. Eine kurze Bewegung mit der
Hand und ein leises metallisches Knacken war hörbar. Wie von alleine schwang
die Luke auf und der Jedi kletterte in das Schiff.
Der Raum war nicht gross, aber es standen einige Kisten und Geräte herum, so
dass es für Obi-Wan nicht schwer war, ein geeignetes Versteck zu finden, falls
es dem Mann vorne im Cockpit einfallen würde, nach hinten zu kommen.
Obi-Wan setzte sich hinter einer grossen Kiste auf den Boden und lehnte seinen
Kopf nach hinten an die metallene Wand. Sie war kühl und das war ein angenehmer
Gegensatz zu der Hitze draussen.
Plötzlich erzitterte das Schiff unter ihm und der Jedi fühlte, wie die
Maschinen ansprangen und sich das ganze Schiff zu bewegen begann. Jetzt blieb
ihm nichts anderes mehr übrig als zu warten und zu hoffen, dass der Mann ihn
wirklich zu Kerina bringen würde.
Qui-Gon lehnte
sich an die Balustrade des Podiums, welches gleich neben dem Rednerpult stand.
Er wollte so nahe wie möglich bei Hev Ando bleiben, denn er spürte deutlich die
Bedrohung, die von der Organisation ausging. Noch war sie nicht akut, aber er
konnte den Zorn der Männer wachsen fühlen, je mehr die Leute applaudierten und
dem jungen Politiker zujubelten.
Zuerst waren die Veridaner vorsichtig gewesen und kaum jemand hatte sich
getraut, etwas zu rufen oder auch nur zu klatschen. Zu gross war die Angst vor
der Organisation gewesen. Aber je länger Hev Ando sprach, desto sicherer wurde
der junge Politiker selbst und desto feuriger und emotionaler wurden seine
Worte. Die Menge wurde davon mitgerissen und in diesem Zustand von Wut und Hoffnung
würde die Organisation nicht mehr viel machen können. Das Volk war vereinigt
und sie vertrauten Ando völlig.
Qui-Gon lächelte zufrieden. Bis jetzt lief alles nach Plan.
Sein Blick schweifte weiterhin über die Köpfe der vielen Menschen, in der Hoffnung,
vielleicht Obi-Wan in der Menge zu entdecken. Das war so ziemlich unmöglich bei
so vielen Leuten, dennoch suchte er den Platz ab. Vor ein paar Wochen hätte er
einfach mit der Macht ausgegriffen und seinen Schüler durch ihr Band
angesprochen, aber das war jetzt ausgeschlossen. Ihr Band war schwächer als an
jenem Tag, als er Obi-Wan zu seinem Padawan gewählt hatte.
Das Lächeln des Jedi-Meisters verschwand, als er an seinen Schüler dachte.
Beinahe unmerklich schüttelte er den Kopf und nahm sich vor, nicht in diesem
Moment an Obi-Wan zu denken und schaute stattdessen zu dem jungen Politiker auf
dem Rednerpult hoch.
Dieser war bei dem dritten und letzten Holovid angekommen, welches er während
seiner Rede zeigte und das sie mühsam aus Lorinos und Kerinas Haus geholt
hatten. Es zeigte das kleine Sklaven-Mädchen bei der täglichen, unglaublich
harten Arbeit auf den Anbauplantagen der Organisation.
Man hörte deutlich, wie die Menge empört nach Luft schnappte. Unruhe kam auf
und vereinzelte wütende Ausrufe und Verfluchungen erschallten, die gegen die
Organisation gerichtet waren.
Beim Anblick des kleinen Mädchens war dem Jedi-Meister ungewollt ein anderes
Bild erschienen. Ebenfalls ein Sklave, ein kleiner Junge mit dunkelblondem
Haar, der mit grossen, hoffnungsvollen Augen zu ihm aufblickte... Qui-Gon war
sich sicher, dass er ihm noch nie zuvor begegnet war, dennoch fühlte er so
etwas wie Vertrautheit und dieses Gefühl hatte ihn für einen kurzen Moment
abgelenkt.
Und auf einmal stand wie aus dem Nichts die hochgewachsene Gestalt des
Anführers auf der grossen Bühne vor dem Rednerpult. Seine Augen blitzten
gefährlich und in der rechten Hand hielt er das deaktivierte Lichtschwert.
"Es reicht."
Qui-Gons Sinne waren sofort auf Alarmbereitschaft und er schalte sich selbst
wegen seiner Unachtsamkeit.
‚Wo war ich denn eigentlich in meinen Gedanken? Auf jeden Fall nicht dort, wo
ich hätte sein sollen.'.
Der Jedi-Meister trat vom Geländer weg und schritt auf den Anführer zu. Hinter
dem Mann versammelten sich noch mehr Gestalten, jede davon mit einer tief ins
Gesicht gezogenen Kapuze. Auch von oben auf den Dächern nahm Qui-Gon plötzlich
die Präsenz vieler anderer Männer der Organisation wahr. Bis jetzt waren ihre
Schilde ganz zu gewesen, aber das war jetzt nicht mehr nötig, denn der Anführer
hob die Hand zum Zeichen des Angriffes.
Qui-Gon sammelte sich und atmete tief ein.
‚Obi-Wan, wo bleibst du nur? Ich brauche deine Hilfe!"
Weit ausserhalb Triunos schreckte Obi-Wan aus einem leichten Schlaf auf. Das
feine Vibrieren der Motoren hatte ihm das Wachbleiben unmöglich gemacht.
Ihm war es, als ob er etwas gehört hätte, als hätte ihn jemand gerufen. Aber
als er angestrengt lauschte, hörte er nichts ausser dem Geräusch der Motoren.
‚Toll, jetzt bin ich schon so verrückt, dass ich zu phantasieren beginne. Als
hätte ich sonst nicht schon genug Probleme', dachte der junge Jedi
kopfschüttelnd und lehnte sich wieder gegen die Wand.
Da war es wieder!
Obi-Wan setzte sich wie elektrisiert auf. Er wusste plötzlich, woher der Ruf
kam und ihm gefiel die Erklärung überhaupt nicht. Qui-Gon hatte ihr Band
benutzt. Und obwohl es nur noch schwach vorhanden war, konnte er die
Dringlichkeit und Alarmbereitschaft darin spüren, auch wenn er die genauen
Worte nicht verstand.
Kein Zweifel, sein Meister war in Gefahr! Und er selbst war nicht da, um helfen
zu können.
Obi-Wan sank gegen die Wand zurück und vergrub das Gesicht in seinen Händen.
‚Es ist meine Schuld, ich habe schon wieder die falsche Entscheidung getroffen.
Die Veridaner, Qui-Gon und auch Kerina werden mich hassen, wenn sie den
heutigen Tag überleben!', dachte der Jedi verzweifelt.
Ein Zittern
ging durch das Schiff und auf einmal stand es still.
Obi-Wan hob den Kopf und lauschte angestrengt. Draussen vernahm er Schritte,
die aussen an ihm vorbeigingen und sich langsam entfernten.
Der Jedi stand auf und ging zur Luke hinüber. Sonnenlicht fiel auf sein Gesicht
und Obi-Wan blinzelte einige Male, bevor sich seine Augen an die Helligkeit
gewöhnt hatten und er sich umsehen konnte. Das Schiff stand mitten auf einer
Waldlichtung, Bäume und Büsche wuchsen in der Nähe und die Luft war erfüllt von
Vogelgesang.
Obi-Wan riss seinen Blick von dieser friedlichen Umgebung los und ging in die
Richtung, in der er die Präsenz des anderen Mannes fühlte. Dieser führte ihn
nach einiger Zeit zu einer kleinen Waldhütte, vor deren Tür ein Wächter stand.
Der junge Jedi schlich sich unbemerkt näher heran und beobachtete, wie die zwei
Männer sich um etwas stritten.
‚Wahrscheinlich geht es darum, wer Kerina zuerst anfassen darf', dachte Obi-Wan
düster.
Schliesslich schien der Wächter nachzugeben und der andere Mann trat ein. Jetzt
sah der Jedi seine Chance kommen. Er sprang auf und zog noch im Laufen das
Lichtschwert, aktivierte es jedoch nicht. Der Wächter fuhr überrascht zusammen,
als er eine Gestalt auf sich zurennen sah, aber er reagierte augenblicklich.
Doch trotzdem nicht schnell genug. Der Wächter konnte zwar sein eigenes
Lichtschwert ziehen, bevor er es jedoch aktivieren konnte, war Obi-Wan heran.
Mit einem gewaltigen Satz landete er auf dem Mann obendrauf und beide stürzten
zu Boden. Der Wächter streckte seine Hand nach dem verlorenen Lichtschwert aus,
aber der Jedi stellte seinen Stiefel darauf und aktivierte gleichzeitig sein
eigenes Lichtschwert. Die summende blaue Klinge ruhte nur einige Zentimeter vor
der Kehle des Unterlegenen.
„Wenn ich dich wäre", sagte Obi-Wan mit gefährlich leiser Stimme, „würde ich
mich jetzt nicht mehr bewegen. Und keinen Ton, verstanden?"
Der Wächter nickte beinahe unmerklich, die weit aufgerissenen Augen starr auf
die Klinge aus purer Energie gerichtet.
Der Jedi griff, ohne seine Augen von dem Gefangenen abzuwenden, in seinen
Gürtel und holte ein langes, dünnes Seil hervor. Eilig fesselte er den Mann und
knebelte ihn mit einem Stück Holz. Dann erhob er sich langsam und schlich sich
zur Tür. Sie war aus dickem Metall, so wie auch der Rest der Hütte, und nur mit
einer braunen Farbe als Tarnung angestrichen. Trotzdem konnte Obi-Wan Stimmen
vernehmen, wenn er sich anstrengte.
„Ah, wir sind nun etwas bereitwilliger als noch vor ein paar Stunden. Was ist
denn los? Keinen Mut mehr? Oder vielleicht keine Hoffnung? Die hätt' ich
allerdings auch schon lange aufgegeben. Selbst wenn dich jemand finden wollte,
hätte er hier draussen keine Chance uns zu finden."
Ein dreckiges Lachen war zu hören, das fast wie ein Bellen klang.
„Endlich. Nur
wir beide. Keiner wird dich hören wenn du schreist. Nur ich, und mir gefällt so
was."
Obi-Wans Hände fingen an zu zittern und er krallte seine Finger in den Stoff
seines Umhangs.
„Geh weg von mir!", schrie eine zweite Stimme, eindeutig die von Kerina, und
Obi-Wans Herz machte einen Satz, als er hörte, wie verzweifelt und hilflos sie
klang.
Der Jedi machte sich am Türschloss zu schaffen, merkte aber bald, dass es
kompliziert gebaut war und er es nicht einfach so aufbringen würde.
Von drinnen hörte er Geräusche eines Kampfes und den plötzlichen Aufschrei des
Mannes.
„Du Miststück!!!"
Einen Moment war es ruhig. Dann ein Schlag. Und wieder Stille.
Obi-Wan bildete sich ein, ein leises Wimmern zu hören, aber er war sich nicht
sicher. Mittlerweile hatte er damit begonnen, sich mit ganzem Gewicht gegen die
Türe zu werfen. Das brachte aber überhaupt nichts, ausser dass sich seine Wut
und Verzweiflung nur noch mehr steigerten. Schliesslich griff er nach dem
Lichtschwert und hielt die Klinge gegen das Metall. Ein paar Funken prasselten
auf den Waldboden nieder, aber die Klinge konnte die Metallwand nicht
durchdringen.
„Nein!", wisperte er tonlos, liess die Waffe aus der Hand gleiten und sank vor
der Türe auf die Knie. Er konnte Kerina nicht so verlieren, nicht auf diese
grausame Weise, nicht wenn er nur einige Meter von ihr entfernt war und
trotzdem nichts dagegen unternehmen konnte.
Kraftlos schlug er die Faust gegen die Türe. Nichts unternehmen? Sein Blick
fiel auf die verletzte Hand, wo er sich heute morgen geschnitten hatte, als er
den Spiegel in Scherben verwandelte. Der Schnitt war beinahe verheilt, nur noch
eine feine weisse Linie erinnerte ihn an die Verletzung. Die Macht hatte seinen
Körper schneller heilen lassen. Und die Macht war auch jetzt da, in Reichweite,
er musste seine Hand nur noch danach ausstrecken.
Obi-Wan sammelte sich und stand langsam auf. Er hob seine Rechte und
konzentrierte sich auf die Türe.
Plötzlich erklang von drinnen wieder ein dumpfer Schlag und ein
schmerzerfüllter Schrei. Obi-Wans Konzentration wankte und die ausgestreckte
Hand fing an zu zittern. Es war als ob jemand eine Barriere vor sein Denken
geschoben hätte und der Jedi fühlte wieder nichts als Wut. Die Türe bewegte
sich keinen Zentimeter.
Obi-Wan versuchte die Geräusche und Gedanken aus seinem Kopf zu verdrängen und
sich nur auf die Türe zu konzentrieren. Bilder von ihm und Qui-Gon beim Üben
genau solcher Aufgaben kamen ihm vor Augen. Bilder, die ihn gemeinsam mit
Meister Yoda zeigten, bei Disziplinaufgaben. Und dann wieder er selber und sein
Meister. Und Kerina.
Fast unmerklich lächelte der Jedi und atmete tief ein. Erneut hob er die Hand,
die er zuvor hatte sinken lassen, und richtete sie auf die Türe. Kraftvoll
schwang sie auf. Obi-Wan trat mit langen Schritten ein und rief im Vorübergehen
sein Lichtschwert zur Hand.
Was er sah, liess ihn wieder einen Augenblick wanken. Der Mann von der
Organisation, halb liegend auf Kerina, die Hand bereits wieder zum Schlag
erhoben. Gerade blickte er voller Verblüffung auf, als ob er nicht glauben
könnte, was er da sah. Darunter Kerina, die Augen ebenfalls weit aufgerissen,
die Lippen aufgeplatzt und blutig.
Doch der Augenblick der Unsicherheit ging vorbei und sofort hatte sich Obi-Wan
wieder unter Kontrolle und wurde ruhig. Überlegen. Jedi.
Das Lichtschwert war nur noch eine Dekoration, als Obi-Wan erneut die Hand hob
und den Mann hoch in die Luft und mit einem deutlich vernehmbaren Knirschen in
die gegenüberliegende Wand schleuderte. Bewusstlos sank dieser zusammen, ein
feiner roter Blutfaden lief ihm von der Stirn herab.
Einen Moment
lang blickte der Jedi den geschlagenen Gegner noch an, dann drehte er sich um
und war mit drei weit ausgreifenden Schritten an Kerinas Seite. Die junge Frau
schluchzte leise und verbarg ihr Gesicht ohne auch nur ein Wort zu sagen in
Obi-Wans weitem Umhang. Obi-Wan kämpfte wieder mit der aufkommenden Wut, rang
sie aber bald wieder nieder und nahm Kerina in den Arm. Die Freude und
Erleichterung, sie mehr oder weniger unverletzt wieder gefunden zu haben
überdeckte rasch alles andere.
Lange hielt er sie, auch als ihr Schluchzen schon lange aufgehört hatte, und
wiegte sie sanft in seinen Armen. Als Kerina schliesslich ihr Gesicht hob und
ihm in die Augen blickte, erkannte Obi-Wan voller Erstaunen, dass sie lächelte.
Er war so verblüfft, dass er nur ein schiefes Grinsen zustande brachte, was
aber ihr Lächeln nur noch breiter machte.
„Danke, dass du gekommen bist", sagte sie leise. „Ich hatte wirklich schon alle
Hoffnung aufgegeben."
„Es tut mir leid, dass es so lange gedauert hat. Ich wünschte, ich hätte früher
kommen können."
Dabei dachte der junge Jedi plötzlich an Qui-Gon und an die seltsame Warnung
über ihr Band, die er im Schiff erhalten hatte. Vielleicht war aber noch nicht
alles verloren...
„Kerina, wir müssen unbedingt zurück. Mein Meister hat mich gerufen, aber ich
konnte dich nicht einfach hier lassen." Obi-Wan liess den Kopf hängen. „Ich
habe ihn verlassen und bin hierher gekommen, ohne dass er es wusste."
Kerina strich ihre Hand zärtlich über seine Wange und richtete damit seine
Aufmerksamkeit wieder zurück zu ihr. Ihre dunklen Augen blickten ernst in die
seinen.
„Ich wollte nie, dass ihr meinetwegen nicht mehr miteinander klar kommt. Ich
verdanke euch, euch beiden, soviel und es wäre ein schlechter Dank, wenn ihr
wegen mir Auseinandersetzungen habt."
‚Auseinandersetzungen! Unser Streit ging weit über eine Auseinandersetzung
heraus. Vielleicht auch schon darüber heraus, je wieder zueinander zu
finden...'
Die junge Frau schien Obi-Wans Gedanken zu lesen, denn sie stand auf und zog
ihn mit sich.
„Du darfst Qui-Gon nicht im Stich lassen, auch wenn du dich davor fürchtest,
was er dir sagen wird. Du hast vollkommen Recht, wir müssen zurück und zwar so
schnell wie möglich. In Triuno wird mittlerweile die Hölle los sein."
Der Jedi war etwas erstaunt, wie bestimmt sie klang und zögerte keinen
Augenblick, ihr aus der Hütte zu folgen, wo sie so viele schreckliche Stunden
zwischen Hoffnung und Verzweiflung verbracht hatte. Er griff im Laufen nach
ihrer Hand und drückte sie zärtlich.
Gemeinsam gingen sie durch den Wald in Richtung des abgestellten Raumschiffes.
Blasterschüsse
prasselten von überall auf den Jedi-Meister ein. Voller Konzentration wehrte er
jeden einzelnen Schuss ab, hätte aber beinahe den Angreifer übersehen, der sich
ihm mit gezogenem Lichtschwert von hinten näherte. Im letzten Augenblick spürte
er eine feine Warnung der Macht. Blitzartig tauchte er unter dem Schlag durch
und fällte seinen Gegner mit einem geschickten Ausfall.
Qui-Gon schöpfte einen Moment Atem und schaute sich auf dem Kampffeld um.
Auf dem grossen Platz, auf dem die Wahlen stattgefunden hatten, tobte ein
heftiges Gefecht zwischen Veridanern und Männern von der Organisation. Die
ansonsten friedlichen Bürger kämpften mit einer Verbissenheit, die im völligen
Gegensatz zu ihrer langen Untätigkeit standen.
‚Sie fühlen sich schuldig für das Leiden von unzähligen Menschen', dachte
Qui-Gon und wischte sich mit einem Ärmel den Schweiss von der Stirn.
‚Sicherlich wussten sie schon vorher, dass die Organisation Verbrechen begeht,
aber nie hätten sie gedacht, dass es ein solches Ausmass erreicht hat. Sie
schämen sich für ihr langes passives Zuschauen.'
Trotz der hartnäckigen Gegenwehr der Veridaner, gewann die Organisation langsam
die Oberhand und der Jedi-Meister zählte wesentlich mehr Tote auf Seiten der
Bürger. Nur wenige der reglosen Körper, die auf dem Platz lagen, trugen die
dunklen Umhänge der Organisation.
‚Kein Wunder, einfache Menschen haben gegen Lichtschwert und Blaster keine
Chance.'
Mit sorgenvoller Mine schaute er zu, wie sich drei junge Veridaner einem Mann
von der Organisation nur mit Eisenstangen bewaffnet näherten.
‚Wir brauchen Verstärkung und zwar schon ziemlich bald!', dachte der
Jedi-Meister verzweifelt und blockte weitere Schüsse mit seinem Lichtschwert
ab. Wo blieb nur Obi-Wan? Es war schon bald klar gewesen, dass der jüngere Jedi
sich nicht mehr in der Nähe des Kampfplatzes aufhielt und Qui-Gon hatte sich
den Kopf zerbrochen, wo sein Padawan wohl steckte.
Zuerst hatte er sich enorm um seinen Schüler gesorgt, aber mittlerweile
erschien es ihm logischer, dass Obi-Wans Verschwinden wohl eher etwas mit
Kerina zu tun hatte.
Neben ihm gab Lorino plötzlich einen qualvollen Laut von sich und Qui-Gon wurde
augenblicklich aus seinen Gedanken gerissen. Der junge Mann presste seine linke
Hand auf seinen rechten Oberarm. Blut quoll zwischen seinen Fingern hervor und
sein Gesicht war schmerzverzerrt.
Der Jedi-Meister kniete sich neben Lorino.
"Geh in das Gebäude und kümmere dich darum, dass niemand bis zu Hev Ando
vordringt", sprach Qui-Gon eindringlich auf den jungen Mann ein. Zuvor
hatte Lorino sich strikt geweigert, Qui-Gons Seite zu verlassen und zusammen
mit dem Politiker im Regierungsgebäude Schutz zu suchen. Aber unter dem Vorwand
der Verletzung würde der Jedi-Meister ihn vielleicht dazu überreden können.
"Auf dem Dach steht ein Raumjäger startklar. Benutz ihn aber nur als
letzten Ausweg wenn hier alles zusammenbricht, ansonsten ist das Risiko zu
hoch, abgeschossen zu werden. Nun geh schon!"
Lorino nickte widerstrebend, gehorchte aber ohne Widerrede.
‚Jetzt bleiben
also nur noch Keraf und ich übrig', dachte Qui-Gon und blickte für einen Moment
zu seinem Freund hinüber, der sich an die Front der Veridaner gestellt hatte
und sie führte. Aber der Jedi-Meister konnte erkennen, dass die Übermacht
irgendeinmal zu gross sein wird und dann auch Keraf und er nicht mehr viel
dagegen unternehmen werden konnten.
Wieder liefen vier der Männer der Organisation auf einmal auf Qui-Gon zu und
der Jedi sah sich schon bald in einen Kampf verwickelt. Er machte Ausfälle,
wich aus und griff wieder an, aber immer mehr Männer schienen hinzuzukommen.
Auf einmal wurde die Überzahl zu gross und Qui-Gon spürte, wie ein stechender
Schmerz über seinen Rücken fuhr. Er konnte einen schmerzvollen Ausschrei nicht
mehr ganz zurückhalten und einen Augenblick später wurde er von einem Schlag zu
Boden geworfen. Noch immer klammerte er sich an sein Lichtschwert und wehrte
auch weiterhin die Hiebe ab, die auf ihn niederprasselten, aber er wusste, dass
er das so nicht mehr lange durchhalten würde.
Plötzlich gab der Mann, der direkt vor ihm gestanden hatte, einen gequälten
Laut von sich und stürzte vornüber, direkt auf den gefallenen Jedi-Meister. Wie
durch einen Nebel nahm Qui-Gon hektische Schreie und Befehle war, als er sich
mühsam unter dem Körper des toten Mannes hervorarbeitete.
Was er aber dann sah, liess sein Herz einen überraschten Sprung tun und ein
kleines Hoffnungsflämmchen flackerte wieder auf.
Obwohl ihm die Person, welche ihn gegen die Angreifer verteidigt hatte, den
Rücken zudrehte, hätte Qui-Gon ihn selbst in tiefster Dunkelheit erkennt.
Obi-Wan. Sein Padawan war endlich gekommen.
Mühsam rappelte sich der ältere Jedi auf und trat an die Seite seines Schülers.
Dieser sah ihn scheu von der Seite an und in seinem Blick lag Reue, aber auch
eine sonderbare Ruhe. In diesem Moment wusste Qui-Gon, dass es Obi-Wan gelungen
war, Kerina zu retten und automatisch glitt sein Blick suchend durch die Menge
und er fand die junge Frau schliesslich an Kerafs Seite. Sie war mit einem
Blaster bewaffnet und stand wie Keraf selbst in der vordersten Reihe.
Der Jedi-Meister schaute wieder zu seinem Padawan zurück und bemerkte, dass
dieser ihn noch immer beobachtete. Qui-Gon lächelte ein wenig und spürte
augenblicklich, wie sich Obi-Wan entspannte, gleichzeitig den Griff seines
Lichtschwertes fester umschloss.
Der junge Jedi hatte alles was er brauchte. Zwar hatte er Kerina nicht
überreden können, sich in Sicherheit zu bringen, dennoch wusste er sie an
Kerafs Seite einigermassen sicher. Und jetzt war er bei seinem Meister und er
spürte genau, dass das sein Platz war. Würde er jetzt sterben, dann wäre das
der Wille der Macht und er würde es akzeptieren.
Wieder griffen die Männer der Organisation an und Qui-Gon und Obi-Wan kämpften
Seite an Seite. Es gelang ihnen mehrmals, die aufgebrachten Männer
zurückzudrängen, aber sie sammelten sich immer wieder von neuem.
Qui-Gon fühlte, wie seine Kräfte schwanden. Das Gefecht schien ewig zu dauern.
Sein Rücken brannte wie Feuer und seine Bewegungen hatten vor langer Zeit ihre
Eleganz und Anmut verloren. Zwar schienen die Veridaner langsam den Kampf zu
gewinnen, dafür zogen sich aber immer mehr Männer der Organisation dorthin
zurück, wo der Jedi-Meister und Obi-Wan kämpften. Würden sie die Jedi besiegen,
könnten sie ungehindert das Regierungsgebäude betreten, wo Ando und Lorino sich
im Moment aufhielten.
//Meister, wir werden sie nicht mehr lange aufhalten können!//
Qui-Gon spürte die Verzweiflung in seinem Schüler und er hätte nichts lieber
getan, als Obi-Wan zu versichern, dass alles wieder gut werden würde. Das aber
wäre gelogen gewesen. Deshalb antwortete der Jedi-Meister nicht, sondern hielt
einfach weiterhin seinen Angriff aufrecht.
Auf einmal geriet das Gefecht ins Stocken und das Dröhnen eines Raumschiffes
ertönte.
‚Das wird wohl Lorino sein. Habe ich ihm nicht gesagt, er soll das Raumschiff
erst benutzen, wenn es keinen anderen Ausweg mehr gibt?', fragte sich Qui-Gon
irritiert und schaute hoch.
Aber es war nicht der bewegliche Raumjäger des Politikers, den er über sich
sah, sondern ein grosses Schiff des galaktischen Senats. Qui-Gon riss ungläubig
die Augen auf. Konnte es sein...?
Das Schiff sank langsam herab und landete schliesslich in der Mitte des
riesigen Platzes. Aus der geöffneten Luke sprang Mace Windu und an seiner Seite
Adi Gallia mit vier weiteren Jedi-Teams. Gemeinsam schlugen sie sich ihren Weg
durch die feindlichen Linien und innerhalb kürzester Zeit war der Kampf
vorüber. Verida hatte mit Hilfe der Jedi gesiegt. Die wenigen einzelnen Gruppen
der Organisation, die nach dem Kampf noch übrigblieben, wurden festgenommen. Es
war vorbei.
Qui-Gon atmete
tief durch und versuchte dabei sich etwas aufzurichten, aber die klaffende
Wunde an seinem Rücken liess ihn vor Schmerz zusammenzucken. Obi-Wan, der bis
vorhin noch eifrig nach Kerina Ausschau gehalten hatte, drehte sich zu dem
Jedi-Meister um und war mit wenigen Schritten an dessen Seite.
"Meister! Ihr hättet etwas sagen sollen!"
Qui-Gon lächelte schwach und schüttelte Obi-Wans Hand von seiner Schulter.
"Es ist nicht so schlimm wie es aussieht."
Die Besorgnis seines Padawans wirkte zwar wie Balsam auf ihr gespaltenes Verhältnis,
aber jetzt war nicht die Zeit, um sich um Wunden zu kümmern. Zuerst würde er
wohl Mace Windu Rede und Antwort stehen müssen. Der Jedi-Meister verzog das
Gesicht.
Sein Schüler fasste das wohl als Zeichen des Schmerzes von der Verletzung auf,
denn er ergriff Qui-Gon an beiden Schultern und drehte ihn zu sich um, so dass
sie sich direkt in die Augen schauen konnten.
"Bitte, Meister, sagt wenn ich etwas für Euch tun kann. Ich sehe doch,
dass es euch nicht gut geht."
Qui-Gon konnte das Grinsen, das sich auf seine Lippen stahl und seine
Gesichtszüge erhellte, einfach nicht mehr zurückhalten.
"Du könntest mit Mace reden."
Obi-Wan starrte seinen Meister zuerst nur verdutzt an, dann auf einmal verstand
er und stöhnte leise auf.
"Nein, nur das nicht! Er wird uns tagelang Strafpredigten halten, nein
schlimmer, er wird uns einsperren! Der Jedi-Rat wird uns nie mehr ausserhalb
des Tempels lassen, geschweige dann auf eine Mission schicken!"
Der Jedi-Meister grinste noch ein wenig breiter, als er die Übertreibungen
seines Schülers hörte.
"Tja, alles hat seinen Preis", sagte plötzlich eine kühle Stimme
hinter ihnen.
Obi-Wan und Qui-Gon fuhren gleichzeitig herum und sahen das Objekt ihrer Reden
vor sich. Mace Windu hatte die Arme verschränkt und trug das düsterste Stirnrunzeln,
das die beiden Jedi je gesehen hatten.
Das Grinsen des Jedi-Meisters war augenblicklich verschwunden und Obi-Wan
bemühte sich, so gerade wie möglich dazustehen. Beide hatten innerlich
resigniert und warteten mit heruntergeschlagenen Augen auf die unausweichliche
Strafpredigt.
"Was habt ihr euch eigentlich dabei gedacht?", begann Mace, seine
Stimme gefährlich leise und beherrscht. "Einfach so abzuhauen, ohne das
Einverständnis des Rates abzuwarten? Wären wir nicht zur rechten Zeit gekommen,
dann wärt ihr jetzt beide eins mit der Macht und falls die Veridaner den Kampf
gewonnen hätten, dann wären sie jetzt sicherlich ohne politisches
Oberhaupt."
Das Ratsmitglied hielt nur kurz inne um Luft zu holen.
"Ist euch eigentlich bewusst, wie nahe dran ihr gewesen sind, das Leben
des neu gewählten Präsidenten aufs Spiel zu setzen? Ihr hättet alle sterben
können! Und das nur, weil ein törichtes Jedi-Team gerne die Anweisungen ihres
Rates in den Wind schlägt! Man könnte nicht meinen, dass du bereits so viele Jahre
dem Jedi-Orden gedient hast, Qui-Gon, und man könnte nicht meinen, dass du kurz
vor deinen Prüfungen stehst, Obi-Wan!"
Der junge Jedi errötete und wusste nicht mehr, wohin er seinen Blick richten
sollte, während der Jedi-Meister wie immer die Ruhe selbst war und Mace
gelassen in die Augen schaute. Dies aber schien Mace nur noch mehr aufzuregen.
"Das war mehr als unverantwortlich von euch, das wird bestimmt
Konsequenzen haben. Morgen wird das Schiff euch zurück zum Tempel bringen, bis
dahin will ich nichts mehr von euch hören."
Das Ratsmitglied mass Meister und Padawan noch einmal mit einem finsteren
Blick, drehte sich dann abrupt um und ging davon.
Obi-Wan atmete tief aus und schaute dann zu Qui-Gon hinüber. Der Jedi-Meister
zuckte nur mit den Schultern und ging dann auf das Regierungsgebäude zu, sein
Schüler zwei Schritte hinter ihm.
"Es hätte schlimmer sein können, Padawan. Erinnerst du dich noch daran,
als du Mace auf einer Mission vor fünf Jahren unabsichtlich in diesen Teich
voller kleiner stacheliger Würmer gestossen hast? Damals war er wütend
gewesen."
Der jüngere Jedi musste unwillkürlich lachen.
'Ja, damals hätte ich viel gegeben, die Fähigkeit zu besitzen, unsichtbar zu
sein als er herumgebrüllt hat. Dabei war es ja nicht einmal Absicht gewesen!'
Obi-Wans Lachen verstummte aber schon bald wieder.
"Aber irgendwie hat mich das Brüllen mehr beruhigt, als diese
Beherrschung. Ich habe so ein unangenehmes Gefühl, dass das noch nicht alles
gewesen ist."
Qui-Gon konnte dem nur zustimmen.
Die alte Vertrautheit zwischen ihm und Obi-Wan war wieder da, als hätte es da
nie auch nur Anzeichen einer Auseinandersetzung gegeben. Trotzdem machte sich
der Jedi-Meister nicht allzu viele Hoffnungen, dass es lange so bleiben würde.
Im Moment waren beide einfach zu müde, um das unausweichliche Gespräch zu
führen. Sie würden zwar nicht darum herum kommen, aber es lag ein stummes
Einverständnis zwischen ihnen, dass sie es auf später verschieben würden. Beide
genossen momentan einfach nur die friedliche Stimmung nach dem langen Kampf.
"Lasst mich jetzt aber bitte um Eure Verletzung kümmern, Meister, Ihr
müsst es nicht unbedingt schlimmer machen, als es schon ist!"
Am nächsten
Tag regnete es. Das erste Mal, seit Obi-Wan diesen Planeten betreten hatte,
schien die Sonne nicht und der Himmel war von dicken, grauen Wolken zugedeckt.
Es war merklich kühler geworden.
Eine lange Reihe von Trauergästen bahnte sich ihren Weg über den Friedhof.
Zuvorderst, direkt hinter Teanis Sarg, gingen Kerina und Lorino. Beide trugen
schwarz und beide hatten die Köpfe in Trauer gesenkt. Dahinter gingen Qui-Gon
und Obi-Wan. Sie hatten die Kapuzen ihrer Umhänge hochgeschlagen und gleich
daneben gingen Keraf und seine Familie. Noch weiter hinter in der Schlange
befanden sich die anderen Jedi-Teams, so wie auch der neue Präsident von
Verida.
Sie alle trauerten um eines der vielen Opfer, welches die Organisation in ihrer
langen Zeit als Beherrscher des Planeten gefordert hatten.
'Jetzt gibt es zwar Hoffnung auf Besserung, aber das macht den Schmerz um eine
verlorene Mutter nicht einfacher', dachte Obi-Wan und warf einen mitfühlenden
Blick auf Lorino und Kerina, als sie schliesslich am Grab von Teani standen.
Kerina weinte leise und obwohl der halbe Jedi-Rat anwesend war, ging Obi-Wan zu
ihr hinüber und nahm sie in den Arm. Die junge Frau drückte den Jedi fest an
sich und auch Obi-Wan stiegen Tränen in die Augen. Einerseits tat ihm die Frau,
die er liebte, so unglaublich leid und andererseits trauerte er selbst um die
herzliche Frau, die er an die Organisation verloren hatte.
Qui-Gon betrachtete stumm, wie sich das Paar umarmte. Auch wenn man nicht
machtsensitiv war, konnte man deutlich spüren, dass die Umarmung mehr als nur
der Ausdruck des Beileids an den anderen darstellte. Der Jedi-Meister schaute
kurz zu den anderen Jedi.
Und so wie Mace dreinblickt, spürt er auch mehr als nur
Freundschaft.
Die Trennung würde für beide nicht leicht werden. Qui-Gon hatte gestern noch
kurz mit Obi-Wan gesprochen und sein Schüler hatte ihm versichert, dass er auf
jeden Fall mit nach Coruscant zurückkommen werde. Kerinas Befreiung und der
Kampf hätten ihm deutlicher denn je gezeigt, dass sein Platz bei den Jedi sei.
Der Jedi-Meister war mehr als nur erleichtert gewesen.
Die Trauergemeinschaft löste sich langsam auf und als Mace Windu sich gemeinsam
mit den anderen Jedi entfernten, hatte er Qui-Gon deutlich zu verstehen
gegeben, dass er beim Raumschiff auf ihn und seinen Schüler wartete. Danach
waren nur noch die zwei Jedi, Kerina und Lorino übriggeblieben.
Kerina löste sich langsam aus Obi-Wans Umarmung und schaute ihn mit bleichem
Gesicht an.
"Wir sollten auch besser gehen, ich will nicht, dass ihr schon wieder
wegen uns Ärger bekommt."
Obi-Wan nickte und liess sich von Kerina vom Grab wegführen. Bevor sie den
Friedhof verliessen, warf er noch einmal einen kurzen Blick zurück. Er würde
Teani nicht vergessen.
Eine Zeit lang gingen sie schweigend durch die Strassen, immer in Richtung des
Raumhafens.
"Ich werde dich vermissen", brachte Obi-Wan schliesslich aus
zugeschnürter Kehle hervor. "Euch beide."
Und er schaute zu Lorino hinüber, der ihm aus blassem Gesicht tapfer
zulächelte.
"Ihr habt viel für uns getan", sagte der junge Mann. "Hört nicht
auf das was euer Ober-Jedi da sagt, ja?"
Obi-Wan und Qui-Gon brachten beide ein Lächeln zustande, auch wenn ihnen das
Herz schwer war wegen des baldigen Abschieds. Schliesslich hielt es Obi-Wan
nicht mehr länger aus. Er umarmte Lorino heftig und sein Atem kam in
zitternden, abgehackten Zügen.
"Ach Lorino! Ich wünschte... ich wünschte ich hätte mehr für euch tun
können! Ich wünschte ich hätte früher kommen können!"
Ein geflüstertes "Es tut mir leid" war das Letzte, was der junge Jedi
noch sagen konnte, bevor ihm die Stimme endgültig versagte.
Lorino aber, tief berührt, schüttelte heftig den Kopf und schob Obi-Wan auf
Armeslänge von sich.
"Schau mich an, Obi-Wan! Glaube mir, es ist nicht deine Schuld! Weder
Teanis Tod noch sonst irgendetwas! Ich bin froh, dass ihr gekommen seid. Verida
hat euch so viel zu verdanken, ihr habt uns nicht im Stich gelassen, als uns
alle anderen den Rücken zudrehten."
Der junge Jedi nickte schliesslich, auch wenn er noch immer um Fassung rang.
Kurz bevor sie das Schiff erreichten, fasste Obi-Wan Kerina an der Hand und
führte sie etwas zur Seite. Der Abschied war gekommen, sie beide wussten es.
Eine Zeit lang schauten sie sich einfach nur an, als wollte jeder die Züge des
andern bis in alle Ewigkeit einprägen. Dann küssten sie sich sanft, bitter.
"Ich weiss, dass ich das eigentlich nicht zu sagen brauche, Obi-Wan, aber
ich werde dich nie vergessen. Du hast mir eine wunderschöne Zeit geschenkt und
dafür sollte ich dankbar sein.
Dennoch", Kerinas Stimme fing an zu zittern, "dennoch weiss ich nicht
wie es ohne dich weitergehen soll. Was hat mein Leben denn jetzt noch für einen
Sinn?"
Obi-Wan fuhr mit seinen Fingern sachte ihrer Wange entlang und antwortete:
"Dein Leben hat noch viel Sinn. Du hast einen Beruf, den du liebst und du
hast noch immer Lorino. Auch Keraf hat euch seine Unterstützung bereits
versprochen und dass du in ihm immer einen Freund haben wirst, das solltest du
bereits wissen."
"Weshalb kannst du nicht wie er entscheiden?", fragte Kerina und ihre
ansonsten so sanfte Stimme klang auf einmal wütend und verzweifelt. "Warum
kannst du dich nicht für ein normales Leben entscheiden?"
Obi-Wan zuckte beinahe unmerklich zusammen. Aber dennoch hielten seine klaren
Augen ihrem anschuldigendem Blick stand.
"Weil es egoistisch wäre. Und nicht richtig. Ich kann nicht einfach alles
hinter mir lassen. Vielleicht wollte das Schicksal, dass Keraf kein Jedi-Ritter
werden würde, aber ich spüre deutlich den Willen der Macht. Und der Willen sagt
mir, dass ich noch gebraucht werde."
Aufgebracht hielt Kerina seinem Blick noch einen Augenblick stand, dann
plötzlich wandte sie sich beschämt ab.
"Es tut mir leid. Es war mehr als selbstsüchtig von mir zu verlangen, dass
du bleiben würdest. Wir haben das alles schon mehrmals besprochen, trotzdem ist
es so schwer, loszulassen."
Obi-Wan schluckte leer und schloss die Augen.
"Ich weiss."
Er spürte plötzlich wieder Kerinas weiche Lippen auf seinen eigenen. Zärtlich
und lange küssten sie sich.
"Wirst du wiederkommen, Obi-Wan?"
Der junge Jedi wappnete sich innerlich gegen seine Antwort.
"Nein, ich denke nicht."
Kerinas stummes Verständnis bedeutete ihm in diesem Augenblick mehr als alles
andere.
"Du solltest jetzt gehen", sagte Kerina auf einmal und als Obi-Wan
aufblickte, sah er, wie Tränen an ihren Wangen herabliefen. Dennoch schien sie
gefasster als zuvor.
"Kommst du noch mit bis zum Schiff?"
"Nein. Es... es würde alles nur noch verschlimmern. Lass uns hier Abschied
nehmen."
Sie versanken noch einmal in einem innigen Kuss und es war Kerina, die sich
nach einiger Zeit aus seinem Kuss und seiner Umarmung löste. Langsam trat sie
einen Schritt zurück, dann noch einen und schliesslich drehte sie sich um und
rannte davon.
Alles in Obi-Wan schrie danach, ihr nachzugehen oder sie sonstwie zum
Zurückkehren zu veranlassen. Stattdessen schaute er ihr nur lange nach und ging
dann wie betäubt zum Schiff zurück.
Am Raumhafen fand er bereits schon alle versammelt. Sogar Keraf, Lorino und Hev
Ando waren dort. Es gab noch einmal lange Abschiedsszenen und noch einmal durchlief
Obi-Wan den gleichen Schmerz, als er sich von Keraf und von Lorino trennte.
Beide waren ihm sehr ans Herz gewachsen. Dennoch befand er sich seit seines
Abschieds von Kerina wie in Trance und er nahm alles nur wie aus weiter Distanz
wahr. Er kam erst wieder richtig zu sich, als Veridas schöne Landschaft unter
ihm nur noch als verschiedene Farbkleckse erkennbar waren. Ausser Qui-Gon war
niemand in der Kabine und dieser schaute ihn mit nachdenklicher, jedoch nicht
im mindesten vorwurfsvollen Mine an.
"Es ist so zum besten für euch beide, Padawan", sagte Qui-Gon leise.
"Wenn es irgendetwas gibt, das ich für dich tun kann, dann lass es mich
wissen."
Obi-Wan nickte matt. Der Jedi-Meister stand auf, legte seinem Schüler kurz die
Hand auf die Schulter und wollte dann die Kabine verlassen.
"Bleibt! Bitte geht nicht!"
Qui-Gon blieb erstaunt stehen und drehte sich um. Obi-Wan sah ihn nicht an,
sondern starrte einfach weiterhin vor sich auf den Boden, als hätte nicht er
gerufen. Der Jedi-Meister ging zu ihm zurück und kniete sich vor Obi-Wan hin.
Eine Träne rollte dem jüngeren Jedi über die Backe und Qui-Gon streckte seine
Hand aus und wischte sie weg.
"Wir werden das gemeinsam schaffen. Es ist viel zwischen uns geschehen,
dass wir nicht so einfach auf die Seite schieben und vergessen können, aber wir
werden darüber hinwegkommen. Zusammen."
Obi-Wan schaute zu seinem Meister auf und zwang seine Lippen zu einem Lächeln.
Ja, auch wenn es ein schwerer Weg war, sie würden es gemeinsam schaffen. Er
glaubte fest daran.
~~ Z Ändi ~~
Anmerkungen: Falls es dort draussen noch irgendwo Leute gibt, die auf dieses Update und das Ende der Geschichte gewartet haben: Es tut mir echt leid!!!
Fertig ist die Geschichte eigentlich schon lange, aber ich war anderswo beschäftigt und ich habe meine Interessen mittlerweile etwas anders ausgerichtet. Ich finde Star Wars immer noch gut, aber nicht mehr so toll, wie früher. Also ist das bestimmt die letzte Geschichte dieser Art.
Trotzdem, es hat Spass gemacht, das hier zu schreiben und da ich es selber auch hasse, Geschichten zu lesen, die dann plötzlich nicht zu Ende geschrieben werden, habe ich die letzten Kapitel noch gepostet. Ich hoffe, dass sie euch trotzdem gefallen!
Grüsse
Athelassa
