Kapitel 7: Die Presse tritt auf
Sind rivalisierende Terrorgruppen für den Einbruch im Ministerium verantwortlich, oder hat wieder mal Harry Potter, der schwer gestörte „Junge, der überlebte", an allem Schuld?
Abermals schwang die Tür zum Saal auf, und mit großen Schritten und ausladenden Gesten kam Rita Kimmkorn mit wehenden Röcken, wippendem Hut und einer unförmigen Handtasche voller Notizblöcke und Unterlagen hereingestürmt. Vor dem großen Tisch angelangt, schaute sie sich um, versuchte dann, die Rollen, die durch den Rahmen geflogen kamen, aufzufangen, aber vergeblich, - dann begann sie, nachdem sie sich einige Notizen gemacht hatte, durch die Regalreihen zu wandern, wobei sie die Aufschriften las; und als sie merkte, dass die meisten Rollen sich nicht aus ihren Fächern ziehen ließen, begann sie, alle auf dem Boden verstreuten Pergamente aufzuheben und hektisch in ihre große Tasche zu stopfen.
Dann zog sie unter ihrem weiten Umhang ihre Schnellschusskamera hervor und begann mit einigen Aufnahmen des Raums.
Nachdem sie so eine beachtliche Menge Material gesammelt hatte, ließ sie sich vor dem Potter-Regal auf dem Boden nieder und beobachtete das Treiben im Saal.
Sie notierte: Fudge, Ministeriumsbeamte, Dumbledore, Hogwarts-Schüler und Lehrer, schwarzgewandete Kämpfer, die sich Gefechte mit einer aus bunten Gestalten zusammengewürfelten Gruppe lieferten. Moment, war das nicht Sirius Black, der meistgesuchte und gefährlichste Terrorist der ganzen Zauberergemeinschaft?
Sie begann, ihre Flotte-Schreibe-Feder über das Papier sausen zu lassen.
„Also, mal sehen", murmelte sie. „Zuerst die Ortsbeschreibung: Zaubereiministerium, Mysterienabteilung…"
„Rätselhafter Einbruch im Ministerium: Unbekannte sind heute Nacht in eine der geheimsten Abteilungen des Zaubereiministeriums eingedrungen. Hier liefern sie sich zur Zeit heftige Gefechte mit Ministeriumszauberern. Es scheint, als hätten wir es mit mindestens zwei rivalisierenden Terrorgruppen zu tun: Eine der Gruppierungen ist nach unbestätigten Informationen die sogenannte Todessergemeinschaft, deren Existenz allerdings bisher von offizieller Seite stets dementiert wurde, die andere angeblich der Phoenixorden, aus der Vergangenheit bekannt für seinen Widerstand gegen Ihr-wißt-schon-wen, heute jedoch eine radikale Gruppierung, bestehend aus so schillernden Figuren wie Mad-Eye Moody oder dem Werwolf Remus Lupin. Unbestätigten Gerüchten zufolge soll nun auch eine dritte Organisation gegründet worden sein, mit dem Namen ‚Dumbledores Armee'.
Albus Dumbledore, nach höchst turbulenten Entwicklungen in Hogwarts seines Amtes enthoben, soll demnach in den Untergrund gegangen sein. Auch er befindet sich heute in der Mysterienabteilung des Ministeriums. Ebenfalls gesichtet wurde nach Augenzeugenberichten Sirius Black, der meistgesuchte Verbrecher aller Zeiten…
Von besonderem Interesse dürfte die Tatsache sein, dass sich auch Harry Potter, der Junge, der überlebte, unter den Eindringlingen befindet. Nach allem, was wir aus der letzten Zeit über ihn wissen, scheint die Frage erlaubt, welche Rolle Potter bei diesen Vorfällen eigentlich spielt…"
Sehr gut, dachte Rita, nun die Hintergrundinformationen:
„Die Mysterienabteilung des Zaubereiministeriums ist durch vielfältige und mächtige Zauber gesichert, und nur wenige Eingeweihte wissen, was sich in ihren verzweigten und verschlungenen Korridoren und zahlreichen weitläufigen Sälen verbirgt. Unsere Sonderkorrespondentin Rita Kimmkorn ist vor Ort und berichtet uns, was sie dort vorgefunden hat:
Allem Anschein nach handelt es sich um ein geheimes Archiv mit Akten über jeden Zauberer und jede Hexe im Land. Bisher war nicht bekannt, dass das Ministerium solche Informationen sammelt. Offenbar unterliegt die Mysterienabteilung nicht der üblichen demokratischen Kontrolle, was mit Sicherheitserfordernissen gerechtfertigt werden mag, aber Minister Fudge wird sich nach dem bekannt werden dieser Tatsache einigen unangenehmen Fragen stellen müssen…."
Rita hielt inne und begann, in den Pergamenten zu lesen, die sie bei ihrem Streifzug durch den Saal wahllos vom Boden aufgelesen hatte:
„James Potter lebt: Wie soll das denn möglich sein? Und wo ist er jetzt? Ein Verhältnis mit Narcissa Malfoy, geborene Black? Harry Potter und Draco Malfoy sind in Wirklichkeit Zwillinge? Nein, das ist ja wirklich hanebüchen - oder, Moment, wenn das mit Potter stimmt, dann wären sie ja zumindest Halbbrüder! Wieso, wer sagt denn, das Draco Malfoy Potters Sohn ist? Also, das wäre ja die Sensation… Hermine Granger liebt Draco Malfoy, oho! Der arme Harry, jetzt betrügt sie ihn schon zum zweiten Mal! Professor Snapes schönste Erinnerung? Beim Barte des Merlin, das ist ja die reinste Fundgrube!"
Sie entrollte das Pergament und las:
„'Wieder einmal saß Severus Snape in seinem dunklen Kerker und hing seinen Erinnerungen nach. Dazu fischte er wahllos silberne Fäden aus seinem Denkarium und bugsierte sie mit der Spitze seines Zauberstabs vorsichtig an seine Stirn. Er merkte es sofort: Diesmal habe ich Glück, dachte er, und überließ sich ganz dem Gedanken an seine erste und einzige Liebesnacht mit Lily Evans…' Das ist ja fantastisch, Moment, wann soll das gewesen sein? Und wenn Harry Potter nun gar nicht… Ja, das würde einiges erklären, Potter ein Parselmund… aber warum ist er nicht nach Slytherin gekommen?"
Sie murmelte vor sich hin, und das Papier ihres Notizblocks begann sich mit flotter Schreibe zu füllen, - plötzlich jedoch tat es einen lauten Knacks und die Feder war zerbrochen. Rita fluchte leise, dann sagte sie:
„Kein Wunder, so viele Widersprüche hält selbst die frechste Feder nicht aus…Das hier zum Beispiel, Professor Snapes geheimes Laster, was denn noch alles? – Aber wenn das stimmt, das gibt einen Skandal, da können sie Hogwarts zumachen! – Und, Rita", fragte sie sich, „was gibt das noch? Richtig", gab sie sich sogleich selber die Antwort, „das gibt eine Titelseite! Es ist an der Zeit, ein paar kleine Interviews zu führen!"
Sie fischte ihre Ersatzfeder aus der Tasche und machte sich auf die Suche…
°°°°°°
Auf der Suche nach Harry und seinen Freunden war Dolores Umbridge, wie alle anderen auch, auf ihre Rollen gestoßen, und wie alle anderen konnte auch sie der Versuchung nicht widerstehen. Wütend über die eher magere Ausbeute setzte sie sich schließlich auf einen wackeligen Stuhl, den sie mit ihrem angeknacksten Zauberstab mehr schlecht als recht herbeigehext hatte, und begann zu lesen:
„Professor Umbridges Erlebnisse im Verbotenen Wald. Achtung! Warnung! Nichts für Zartbesaitete!"
Sie schauderte. Nein, daran wollte sie nie wieder denken! Sie warf die Rolle in hohem Bogen davon.
„Dolores Umbridge. Eine Karriere. Es war ein offenes Geheimnis, dass Dolores Umbridge die nächste Ministerin für Zauberei werden würde. Mit unermüdlichem Eifer und unnachgiebiger Hartnäckigkeit hatte sie darauf hingearbeitet. Aber nun taucht ein Rivale auf. Wer von beiden macht das Rennen?"
Wie, wer, was? Wer will mich an meinem Aufstieg hindern? Wer wagt es, sich mir in den Weg zu stellen? dachte sie.
Sie begann zu lesen: „Hem, hem", sagte sie hin und wieder, bevor sie nach einer Weile auch dieses Pergament wütend von sich schleuderte.
Eine dritte Rolle hatte sich noch gefunden, und mehr gab es nicht. Verärgert biss sie sich auf die Lippen.
Sie las:
„Die geheimen Fantasien der Dolores (!) Umbridge. Zwar sind die Körperstrafen in Hogwarts per Dekret des Ministeriums wieder eingeführt, doch Professor Umbridge weiß, dass ihre speziellen Bestrafungsrituale nicht unbedingt die Zustimmung ihrer Kollegen finden würden… Dolores aber beobachtet jedes Mal mit heimlichem Genuss, wie bei jeder Zeile ihre spezielle Feder immer tiefere Spuren in der Haut ihrer Opfer hinterlässt… Niemand weiß jedoch, und auch sie selber gesteht es sich kaum ein (wozu gibt es schließlich ein Denkarium, in dem unangenehme Gedanken abgelegt werden können?), dass sie sich, nachdem die Schüler gegangen sind, einer geheimen Fantasie überlässt, in der sie mit der Feder Worte aufs Papier schreibt, die ihr ansonsten niemals über die Lippen kommen würden, und in der diese Worte sich dann in ihre eigene Haut eingraben, in gewisse, für Dolores unnennbare Körperteile (ihr wisst schon wo!)…"
Das war ja unglaublich, das waren ja ungeheuerliche Verleumdungen! Professor Umbridge war außer sich, und machte sich auf die Suche nach dem Minister. Wie konnte Fudge nur so etwas zulassen? Es wurde Zeit, dass jemand, der hart durchzugreifen verstand, in diesem Ministerium endlich Zucht und Ordnung einführte!
°°°°°
Severus Snape hatte nur einen Gedanken: sich endlich auszuruhen. Nachdem er die Schüler zum Eingang gescheucht hatte, war er ziellos im Saal herumgewandert und hatte, vergeblich, versucht, sich zu beruhigen und sich auf seine Aufgabe zu konzentrieren, nämlich, die Todesser aufzuspüren und sie daran zu hindern, die Prophezeiung an sich zu bringen… Aber diese Aufgabe kam ihm, je länger er darüber nachdachte, immer sinnloser vor.
Plötzlich flammte ein lila Lichtstrahl vor ihm auf. Fluchend und verärgert darüber, dass er es an Wachsamkeit hatte fehlen lassen, warf er sich zu Boden, um dem Strahl auszuweichen. Mit Mühe zog er seinen Zauberstab, aber da war es schon zu spät, Ritas Kamera hatte ihn bereits aufs Korn genommen, und schon sprang oben ein kleines Bild heraus, das Rita geschickt auffing und nun aufmerksam betrachtete.
„Was zum Teufel…", setzte Snape an, aber Rita ließ ihn nicht zu Wort kommen.
„Professor Snape", begann sie ihr Interview, „können Sie sich zu den Vorwürfen äußern, dass Sie als Lehrer Verhältnisse mit Schülern und Schülerinnen haben? Und bevorzugen Sie Mädchen oder Jungen? Finden Sie wirklich, dass Hermine Granger Sie provoziert, ist es wahr, dass sie ein Nabelpiercing trägt, glauben Sie wirklich, Ihr Verhalten damit rechtfertigen zu können, dass eine Schülering aufreizende Kleidung trägt.? Übrigens, trägt sie so etwas nur in Ihrem Unterricht? Ich habe sie noch nie so gesehen, außerdem ist sie eigentlich nicht besonders hübsch, - was finden Sie eigentlich an ihr…"
Oh, dachte Rita, das wollte ich ja eigentlich gar nicht sagen, - aber interessiert hätte es mich ja doch, mit was für Tricks diese Göre so arbeitet…
Snape war blasser als je und brachte kein Wort heraus.
„Können Sie diese Fragen bitte noch einmal wiederholen?" erklang da die feste tiefe Stimme von Professor McGonagall, die plötzlich neben Snape aufgetaucht war. Sie legte ihren Arm um seine Schultern und sagte:
„Professor Snape hier ist ein beruflich wie persönlich integerer Mensch, und keine der von Ihnen geäußerten unglaublichen Unterstellungen trifft zu."
Rita Kimmkorn wies auf die Regale. „Aber…." begann sie, verstummte jedoch, als sie den Blick sah, den Minerva und Severus tauschten, und das bernsteinfarbene Licht, das plötzlich die beiden zu umgeben schien… Sie hob ihre Kamera, lila mischte sich kurz mit gelb, und die Feder begann zu schreiben:
„Minerva McGonagall und Severus Snape sind ein Paar. Wird damit die jahrhundertealte Feindschaft zwischen den Häusern Slytherin und Gryffindor ein Ende finden? Besiegt die Liebe eine uralte Fehde?"
Rita schüttelte den Kopf. Das war keine Schlagzeile für den Tagespropheten, - klang eher nach Quibbler. Na ja, vielleicht konnte sie ja in dem Blatt auch noch mal was unterbringen…. Andererseits, ihre Ministeriumsreportage musste der Tagesprophet einfach auf der Titelseite bringen, und das würde ihr endlich wieder die Anerkennung bringen, die sie früher genossen hatte, bevor diese Hermine…
Plopp, plopp, machte es, und Minerva war mit Severus disappariert. Egal, dachte Rita, das Foto habe ich ja, da hörte sie eine bekannte Stimme….
°°°°°°
„Hermine, du musst dich jetzt endlich entscheiden. Willst du Harry, oder Viktor Krum, oder, nein, ich fass es nicht, Malfoy? Oder etwa dieses Ekel Snape? Was findest du denn an so einem alten Knacker!"
„Wie oft soll ich es dir noch sagen? Nichts! Ron, bitte hör doch auf damit! Es ist doch klar, dass das alles erfunden ist, das sind Geschichten, Literatur, Fiktion! Und…"
„Was, und?"
„Und warum fragst du nicht einfach direkt?"
„Wie, direkt?"
„Ron, ich kann nicht alles allein machen, du musst schon ein klein wenig selber dazu tun…"
„Hermine, solange du nicht dein Buch über die Psyche der Mädchen und wie man damit umgeht geschrieben hast, werde ich ein hoffnungsloser Fall bleiben!"
Hermine rollte verzweifelt ihre Augen und blickte zur Decke. Plötzlich hatte sie eine Idee. Sie hob den Zauberstab…
„Was ist das?" fragte Ron. Über ihnen war eine Art Baum gewachsen.
„Das – ist – ein – Mistelzweig!"
°°°°°°
Klickklack, machte die Kamera, und wieder erleuchtete der lila Strahl den Raum.
„Was war das?" fragte Ron, aber Hermine drückte ihre Lippen wieder auf seinen Mund, und diese Lippen waren so weich und warm, dass er nicht mehr nachdenken konnte, er wollte sie einfach nur immer weiter küssen und Hermine in seinen Armen halten, sollten die Todesser doch machen, was sie wollten…
°°°°°
Das wird ja immer besser, dachte Rita und wollte schon beginnen, ihren Artikel über Hermine umzuschreiben, das sah sie Harry Potter.
Sogleich stürzte sie sich auf ihn und begann, ihn mit Fragen zu bombardieren, während die Kamera unablässig blitzte:
„Harry Potter, wie haben Sie, ein minderjähriger Schüler, sich eigentlich Zutritt zur Mysterienabteilung verschafft? Hatten Sie Komplizen, die Ihnen geholfen haben? Welche Gründe haben Sie zu dieser Tat bewogen? Und was haben Sie zu den Informationen zu sagen, die hier über Sie gesammelt wurden?"
Sie wies auf Harrys Regal. Die Feder schwebte einige Zentimeter über dem Papier, ungeduldig, ihre Arbeit aufzunehmen.
Harry erinnerte sich noch zu gut an das erste Interview, das Rita Kimmkorn anlässlich des Trimagischen Turniers mit ihm geführt hatte, und wie sie damals alle Tatsachen verdreht und verfälscht hatte. Und die Artikel, die damals und auch in diesem Jahr im Tagespropheten veröffentlicht worden waren, fielen ihm jetzt wieder ein. Natürlich hatte Rita dann auch das Interview für den Quibbler mit ihm führen müssen, doch das schien nichts an ihrer Voreingenommenheit gegen ihn geändert zu haben.
„Frau Kimmkorn", sagte er daher kurz entschlossen, „ich habe einen Tipp für Sie, eine einmalige Gelegenheit für ein Interview, mit dem Sie sicher auf der Titelseite landen: Lord Voldemort ist hier, gerade habe ich ihn noch gesehen, wie er unter V etwas nachschlug, und wenn Sie sich beeilen, erwischen Sie ihn noch, das wird die Sensation …."
Die Flotte-Schreibe-Feder begann, über das Papier zu kratzen:
„Harry Potter, der Junge, der überlebte, ist offensichtlich dabei, seinen traumatischen Erfahrungen zu erliegen. Nachdem er unbefugt in eine geheime Abteilung des Zaubereiministeriums eingedrungen ist, wo zur Zeit eine ganze Schar von Ministeriumsbeamten sowie die Lehrer von Hogwarts damit beschäftigt sind, ihn vor sich selbst und seinen Wahnvorstellungen zu schützen, behauptet er nun gegenüber dem Tagespropheten, Ihr-Wißt-Schon-Wen im Ministerium gesehen zu haben!"
Sie hielt inne. Wer stand denn da wie versteinert zwischen den Regalen? Cornelius Fudge blickte starr auf einen Punkt in der Ferne und murmelte unzusammenhängende Worte. Rita ging auf ihn zu, während die Feder weiter schrieb:
„Wir befragten dazu Cornelius Fudge, den Zaubereiminister: Herr Minister, was sagen Sie zu dieser Information?"
Fudge schaute sie mit leerem Blick an. „Da, da, da, der, der, der, DU DU DU…" stammelte er.
„Herr Minister, können Sie sich dazu äußern, dass Sie-wissen-schon-wer im Ministerium sein soll?"
Als Fudge nicht reagierte, sondern ihr wortlos den Rücken kehrte und unsicheren Schrittes davon wanderte, schrieb die Feder:
„Kein Kommentar, lautete die klare Aussage des Ministers für Zauberei angesichts dieser ungeheuerlichen Behauptung, die hiermit offiziell dementiert ist…"
