Disclaimer : "Der Herr der Ringe" ist geistlicher Eigentum von J.R.R. Tolkien. Ich verdiene kein Geld hiermit.
Rote Vögel
#Teil I - Der Ring
Sanft war der Morgen am Rande des Grünwaldes.
Der Herbstwind strich leise durch die Bäume und ließ die Blätter tanzen.
Auf einer Lichtung konnte man den atemberaubenden Sonnenaufgang genießen und wenn man weiter durch den Wald schlenderte und aufschaute, zum dichten Dach aus gelben Laub, so konnte man bereits ein paar vereinzelte Sonnenstrahlen erspähen, die die Sonne von weit oben schickte.
Aus der Ferne drang einem das wilde Rauschen des Celduin ans Ohr.
Doch von alldem bekamen die Bewohner des Dorfes Pelthaes scheinbar nichts mit. Es schlummerte noch alles und das Dorf ließ sich vom warmen Licht bescheinen, einhüllen, aber es lag jetzt schon Herzenswärme und Fröhlichkeit in der Luft.
Die Vögel zwitscherten ihre Lieder und wollten sich gerade auf der, von den Bewohner erbauten, Aussichtsplattform gemütlich machen, als sie just in diesem Moment ungewöhnlich laute, menschliche Geräusche vernahmen und wild kreischend sich wieder in die Lüfte erhoben.
"Caran!" kreischte eine hysterische Mädchenstimme und durchschnitt mit einem Schlag die Vollkommenheit des vergangenen Momentes.
"Caran! Gib' mir sofort meinen Ring zurück! Sonst renne ich zu Mama und erzähle ihr, dass du mich wieder ärgerst!" Diese Drohung verfehlte nicht ihre Wirkung und der mit Caran angesprochene verlangsamte seinen Lauf und drehte sich zu seiner Verfolgerin, die ganz außer Atem war, um.
"Du verstehst aber auch gar keinen Spaß!" meinte er entrüstet und entfernte sich, zur eigenen Sicherheit, wieder einen Schritt von ihr, als sie auf ihn zustapfte.
Aber das Mädchen bedachte ihn nur mit einem trotzigen Blick und mit verschränkten Armen entgegnete sie Caran : "Heute ist mein Geburtstag, schon vergessen? Und unter Spaß verstehe ich was anderes!"
"Haha Aduial, heute Nacht hast du erst Geburtstag wohlbemerkt!" Doch Aduial ließ sich nicht auf seine freche Antwort ein.
"Gibst du mir endlich meinen Ring wieder?"
Aber Caran war ein Dickkopf und er wollte schon eine weitere unverschämte Antwort auf Aduial loslassen, als sie ihm schon besagtem Ring entrissen hatte und zurück zum Elternhaus rannte. Caran seufzte.
'Mädchen'.
Auch wenn er Aduial sehr gern hatte, verstehen konnte er sie äußerst selten. Er wendete sich ab und lief über den Dorfplatz.
Seit die Vögel verschreckt weggeflogen waren, hatte Eithel Caran und Aduial unbemerkt vom Fenster aus, ihren kleinen Streit beobachtet und deshalb das Herantreten einer Gestalt von hinten an sie heran nicht bemerkt. So zuckte Eithel wie ein Dieb bei frischer Tat ertappt zusammen, als ihr die rauchig-warme Stimme von ihrer Besucherin aus Lórien an ihre Ohren drang.
"Über Aduial's zukünftiges Leben liegt ein dunkler Schatten, ich kann es spüren. Du fühlst es auch, nicht wahr Eithel? Sie wird große Verantwortung tragen und fast daran zerbrechen. Viel Schmerz und Leid wird sie sehen und fühlen müssen. Ihre Augen werden tiefer und weiser als jedes Meer sein."
Eithel drehte leicht ihren Kopf, sodass die wieder verstummte Frau ihr Profil sehen konnte.
"Ich weiß, verehrte Galadriel! Aber was soll ich tun? Ich fühle mich so hilflos dem gegenüber, was uns alle erwartet. Was soll ich Aduial sagen, was kann ich ihr erzählen, ohne ihr ihre Fröhlichkeit und Lebenslust zu nehmen? Ich kann spüren das meine Zeit hier in Mittelerde und vieler Elben bald abgelaufen ist. Ich werde wohl wie meine Eltern diese Gestade verlassen."
Eithel drehte sie jetzt ganz um und sah mit traurigen Augen zu Galadriel auf.
Galadriel konnte Eithel's Furcht spüren, sie lag in der Luft und verdrängte die Herzenswärme und Fröhlichkeit die in Pelthaes immer herrschte.
"Du darfst keine Angst vor der Zukunft haben, was sie uns auch bringen mag. Aduial hat noch Zeit und wenn es für sie soweit ist, wird sie den richtigen Weg für sich und andere finden. Außerdem besitzt sie etwas von unschätzbaren Wert, was sie selbst in der schlimmsten Dunkelheit schützen wird, das darfst du nicht vergessen Eithel." Eithel blickte tief in die eisblauen Augen Galadriels - die ihren Blick nach draußen schweifen ließ - die trotz dieser Farbe nicht nur Weisheit und Macht ausdrückten, sondern auch Wärme und tief liegende Melancholie und Traurigkeit. Weder Aduial noch Eithel selbst besaßen solche blauen Augen, ihre waren olivegrün und kennzeichneten sie als normale Waldelben.
Ein letztes Mal betrachtete Galadriel prüfend das schöne und müde Gesicht ihrer Freundin, wendete sich dann ab und verließ das Zimmer, dass jetzt mit warmen Sonnenlicht durchflutet war, und Eithel blieb in ihren Gedanken tief versunken allein.
Aduial war in ihr Zimmer gerannt und als sie nicht mehr so arg von der Verfolgung Carans geschafft war, begann sie ihren Ring zu betrachten - einer ihrer Lieblingsbeschäftigungen - und wie die Sonne sich in ihm widerspiegelte.
Es war ein schöner Ring. Aduial liebte ihn und achtete darauf, dass sie ihn immer bei sich trug. Er hatte eine tropfenförmige Form und war in einem Silbergestell eingefasst, doch das besondere an ihm war, dass er seine Farbe ändern konnte. Wenn Aduial durch die Wälder streifte, nahm er ein sattes Grün an und wenn sie sich auf der kleinen Waldlichtung befand um fröhlich herumzutollen, war er tiefblau wie die fernen Meere. Aber am schönsten fand Aduial ihn, wenn er das Licht der Sonne einfing und so hell und warm strahlte, als gäbe es keine Dunkelheit in Mittelerde.
Aduial hatte ihn von der Mutter ihrer Mutter geschenkt bekommen. Diese hieß Calawen und war mit anderen Waldelben zu den Grauen Anfurten gezogen um zu den unsterblichen Landen zu segeln. Aduial erinnerte sich kaum an sie und wusste nur das sie eine weise und alte Elbe gewesen war.
Den Ring besaß Aduial schon so lange wie sie denken konnte, denn Calwen hatte den Ring Eithel bereits bei Aduial's Geburt mit den Worten gegeben : "Das ist Nilernil, ein Ring des Schicksals. Er ist schon sehr alt und wurde von den Numenorern geschmiedet, deren Welt schon lange vergangen ist. Ich will ihn dir geben, damit du ihn an Aduial weiterreichst, denn es wird eine Zeit kommen, in der sie ihn braucht."
Und so war Eithel den Auftrag ihrer Mutter nachgekommen und hatte ihn Aduial zu ihrem fünften Geburtstag gegeben. Doch für seine Besitzerin war der Ring vorerst ein schönes und geliebtes Schmuckstück.
Kaum hatte Caran den Dorfplatz überquert, als er Luinilwen auch schon erblickte. Sie schien gerade erst aufgestanden zu sein, schloss er zufrieden, denn sie war noch recht wacklig auf den Beinen, als sie ihrem Vater beim Aufbauen seines Schmuckstandes half. Hier in Pelthaes herrschte am Tage reger Handel, denn viele Reisende zogen durch das Dorf.
Gerade als Luinilwen einen Korb mit verschiedenen Ketten hochhob, um seinen Inhalt auf den Ladentisch zu platzieren, sprang Caran sie von hinten an und Luinilwen ließ vor Schreck den Korb fallen.
"Caran!" donnerte sie ihm, wie schon zuvor Aduial, entgegen. "Sag mal spinnst du? Was bei Iluvater hast du dir dabei gedacht?" Luinilwen's hübsches Gesicht lief vor Wut rot an und Caran musste grinsen.
"Grins nicht so dämlich!" Caran's neues Opfer schnaubte und stampfte zornig mit dem Fuß auf.
Von dem wütenden Kreischen seiner Tochter alarmiert, rannte Tarawien, der Vater Luinilwens, zu den beiden Freunden und blieb verdutzt stehen.
Seine Tochter ließ sich doch zu gerne in Rage treiben und besonders gerne von Calan, stellte Tarawien nach einem kurzen Blick fest. Calan nutzte natürlich Luinilwens Eigenart auf seine spitzbübische Weise vollkommen aus und so musste Tarawien dann doch laut loslachen, als er die beiden so stehen sah.
Seine Tochter und Caran wirbelten gleichzeitig die Köpfe herum und starrten Tarawien überrascht an.
Doch Luinilwen erinnerte sich schnell wieder an den vorhergegangen Vorfall und stürzte sich mit einem eindringlichen und mitreißenden Redeschwall auf ihren verdutzten Vater. "Ich wollte gerade die Ketten auspacken, da kam dieser... dieser...", Luinilwen's Gesicht lief noch röter an, als es ohnehin schon war und sie fuchtelte wild mit ihrem Zeigefinger in Carans Richtung, der bereits sein altes Lächeln wiedergefunden hatte.
'Diese Zornesröte steht ihr echt gut...', dachte Caran, während er versuchte seinem Gesicht einen unschuldigen Ausdruck zu verleihen. "Ist doch nicht so schlimm", und mit einem erneuten Blick auf die auf dem Boden verteilten Ketten, fügte Tarawien hinzu : "Die Ketten kannst du doch wieder aufsammeln, es ist ja schließlich - Eru sei dank! - nichts kaputt gegangen!"
Und mit einem Zwinkern in Richtung Caran wendete er sich vom Ort des Geschehens ab. Luinilwen hielt augenblicklich ihren Atem an und schaute ihrem Vater entgeistert nach.
'Das ER mir ausgerechnet in den Rücken fallen musste?', dachte sie sich. "Pah! Diese dämlichen Ketten kann Caran wieder aufsammeln, ich helfe Mutter bei der Frühstückszubereitung!", rief sie Tarawien zu, der sich inzwischen wieder umgedreht hatte und sie traurig anschaute.
Wütend lief Luinilwen an ihm vorbei und schritt in Richtung Haus. Doch sie wurde ihr schlechtes Gewissen bezüglich ihrer Bemerkung nicht los. Sie hatte den traurigen und enttäuschten Blick ihres Vaters gesehen, sie wusste doch wie viel Liebe er in die Schmuckherstellung steckte. Was hatte sie denn dazu getrieben seine schönen und kunstvollen Werke als 'dämlich' zu bezeichnen? Aber warum war er ihr auch so in den Rücken gefallen?
Doch als Luinilwen das lange, braune Haar ihrer Mutter in der Küche erblickte, verflog ihre schlechte Laune so schnell wie sie gekommen war und ihre Gedanken wendeten sich anderen Dingen zu.
