Disclaimer : Ich habe keine Rechte an dem "Herr der Ringe".

Rote Vögel

#Teil III ~ Gebrochene Augen


"Und Sûlion, hast du sie alle auf die Liste geschrieben? Wie fühlen sie sich?"
"Ja. Es geht ihnen der Situation entsprechend gut."
Sûlion schaute sich um.

"Einfach schrecklich!" sagte sein Gefährte Narwain plötzlich in die Stille hinein.
"Wie bitte?"
"Es ist schrecklich... ich meine das..., das alles hier..." und mit einer hilflosen, raumgreifenden Armbewegung deutete Narwain auf ihre Umgebung.

"Ja, das ist es." meinte Sûlion nachdenklich und doch hörte man, wenn man genau hinhörte, seine Verzweiflung in der Stimme.



"Was soll ich tun werte Lady Galadriel?"

Ein schlanker, blonder Elb hastete durch schmale Flure, dicht gefolgt von Galadriel.

"Ich weiß es nicht Oropher, ich selbst habe bereits versagt. Ich habe die Zeichen nicht für wichtig erachtet und sie gedeutet. Ich habe versagt, nicht ihr!"
"Ach macht euch doch deswegen Vorwürfe. Es gab keine Zeichen zu sehen weder zu deuten" und Oropher machte eine abwertende Handbewegung.

"Doch es gab sie!" widersprach Galadriel ungewohnt energisch dem König des Grünwaldes, der inzwischen sein Arbeitszimmer betreten hatte.

"Grübeln wir nicht über Schuld und was gewesen ist, sondern über das Hier und Jetzt! Was können wir tun? Ganz Grünwald sucht hier vor den Orks, wir sind weder auf solchen Andrang vorbereitet und noch haben wir genug Verteidiger und ich kenne nicht einmal unseren eigentlichen Feind und Angreifer... Wer nur, wer nur hat die Orks hier her geschickt?"
Oropher war stehen geblieben und redete eindringlich auf Galadriel ein.

"Morgoth wurde doch gestürzt, vernichtet und Mittelerde von allem Übel befreit!" sprach Oropher weiter, mehr zu sich selbst als zu Galadriel.

Plötzlich leuchteten die blauen Augen des Königs auf.
"Es sei denn..." und Galadriel erahnte mehr was und wen er meinte, als dass sie es wusste.

Sie hatten IHN vergessen.

Warum nur?



Aduial war von einer ihr unbekannten Taubheit befallen, als sie durch unbekannte Gänge stolperte.

Sie fühlte sich leer, völlig ausgesaugt. Ihre kindliche Naivität war ihr genommen worden und ihre Augen zuckten nervös und gebrochen umher, ihr Glanz war erloschen und nie wieder würden diese Augen voller Lebensfreude strahlen.

Zu viel Schlimmes hatten sie gesehen.

Aduial stand unter Schock, konnte kaum die Ereignisse verarbeiten und versuchte, gelähmt wie sie es war, mit ihrer Umwelt mitzuhalten.
Wirre Gedanken schwirrten ihr durch den Kopf und Aduial merkte wie sie auf einmal stehen geblieben war und langsam zusammen sackte.

Was war nur mit ihr geschehen?

Aduial lag auf hartem und kalten Stein und vor ihren müden Augen begann ihre Umgebung zu flirren.

Plötzlich sah sie in ihrem inneren Auge diese grausam blauen Augen. Es war ihr, als würden diese sie mustern. Sie drangen tief und durchwühlten der Gepeinigten ihre Seele.

Aduial schreckte aus ihrem Alptraum hoch.
Eine Flut von Farben brach auf sie herein, denn ihre Augen besaßen wieder ihre natürliche Sehkraft. Nie zuvor hatte Aduial alles so scharf und klar gesehen, so schien es ihr.

Aduials Gedanken kehrten wieder zu dem blauen Augenpaar zurück. Sie hatte sie in einer der kleinen Hallen dieses großen Palastes erblickt und Aduials Atem hatte bei ihrem Anblick ausgesetzt.

Plötzlich spürte die Elbe eine Hand auf ihrer rechten herunterhängenden Schulter ruhen und zuckte zusammen.
Erschrocken sah sie auf und erblickte in dieser Nacht ein zweites Mal zwei azurblaue Augen.



Sûlion war auf den Weg in sein Gemacht, nachdem seine Wachablösung erfolgreich vollzogen wurden war.

Doch er war von seinem eigentlichen Vorhaben abgelenkt worden, denn er hatte sie gesehen. Eine junge Elbe zusammengesunken und kalkweiß wie ein frischgewaschenes Leinentuch.

'Diese arme geplagte Seele! Sûlion spürte ihre Fassungs- und Hilflosigkeit in der Luft und ging langsam auf sie zu, doch sie schien ihn nicht zu bemerken oder nicht bemerken zu wollen.

Sie hatte langes, braunes Haar das weit über ihren Rücken herab fiel, es schimmerte matt und es musste einmal glänzend und lockig gewesen sein.

Sûlion legte seine linke Hand auf ihre schmalen Schultern, ihm fiel nichts Besseres ein, als in dieser - eigentlich - skurrilen Situation diese schlichte und einfache Bewegung zu machen.
Die Elbe zuckte überrascht zusammen, als seine Hand schließlich auf ihr ruhte und schaute zu ihm auf.

'Eine einfache und gewöhnliche Waldelbe' erkannte Sûlion sofort an ihrer verräterischen Augenfarbe; doch trotzdem blieb er an ihnen hängen. Sie spiegelten so viel Verzweiflung, Angst und Furcht, aber auch Entsetzen wider.
Sie war gebrochen, das erkannte er jetzt und sie zitterte unter seiner Hand.

Sûlion spürte wie sich in ihm eine Wut gegen seine Feinde zusammenbraute. Diese Elbe stammte ganz gewiss aus einem der Dörfer die von den riesigen Orkscharen angegriffen wurden und hatte mit ansehen müssen, wie ihre Freunde und vielleicht auch ihre Familie gnadenlos niedergemetzelt wurden waren.

'Vielleicht kommt sie aus Orthad oder sogar aus Pelthaes?'
Sûlion zögerte und spürte abermals wie diese unangehme Hilflosigkeit, die er schon bei seinem Zwigespräch mit Narwain gespürt hatte, sich fester um sein Herz schloss.

Abgelenkt von seinen Emotionen und Gedanken merkte er nicht, wie die zitternde Elbe ihn fasziniert anstarrte.



Eithel sah sich um. So sah es also in Dol Guldur aus, den Sitz und Palast ihres Königs.

"Eithel!"

Die Gerufene blickte nach diesem unterdrückten Aufschrei suchend um sich.

"Hier bin ich!" und Eithel ließ ihren Blick über all die Elben schweifen, die sich in dieser großen Halle befanden, bis sie die aufgelöste Níniel entdeckte, die Mutter von Aduials Freund Caran.

"Níniel" erwiderte Eithel, selbst die Tränen über das Widersehen unterdrückend, und lief rasch auf die leicht schwankende Elbe zu. Diese blickte sie mit weit aufgerissenen Augen an.

"Tarawien...
... mein Mann...
Wo ist er?" flüsterte die Elbe so leise, dass Eithel sich zu ihr beugen musste, während sie sie stützte.

Doch Aduial's Mutter wusste, dass Níniel die Antwort auf ihre Frage bereits kannte und so sah sie Níniel nur mit traurigen Augen an.

"Er ist tot..." beantwortete sie schließlich doch noch die Frage, versucht mit fester Stimme zu sprechen.

Vorhersehend fing Eithel die zusammenbrechende Níniel auf und wiegte sie wie ein Kind in ihren Armen.