Kennt Ihr von Anouk "Nobody's Wife"? Guter Song! *g*

Kapitel 1

Ankunft in Bruchtal

Tîriel zügelte ihre Stute und legte eine Hand auf den Hals des Tieres, da es aufregt zu tänzeln begann. Die Männer, die sie begleitet hatten, folgten ihrem Beispiel und ließen ihr Zeit, sich an den Anblick ihres neuen Zuhauses zu gewöhnen.

Vor ihnen lag Bruchtal, erhaben anzusehen im Zwielicht. Neben dem Pfad, den sie über das Nebelgebirge genommen hatten, rauschte ein Wasserfall die Klippen hinab und schlängelte sich durch die saftigen Wiesen, die das Tal füllten.

Trotz aller Zweifel und auch Wut, die sie die gesamte Reise über beschäftigt hatten, verspürte Tîriel Vorfreude. Elrond war ein guter Freund ihres Vaters gewesen und als junges Mädchen hatte sie Bruchtal oft besucht und mit den Söhnen des Herren gespielt. Nun, nach dem schmerzlichen Tod ihrer Eltern, an diesen Ort zurückzukehren, war Balsam auf ihrer Seele. Ihre Miene verfinsterte sich jedoch, als sie an den Zusatz dachte, den Elrond unter sein Schreiben gesetzt hatte.

Er wollte, dass sie heiratete, nun, da sie keinen Verwandten mehr hatte und praktisch auf sich allein gestellt war. In Düsterwald hatte sie nur wenige Freunde zurückgelassen, aber dennoch war es ihr Heim gewesen. Und jetzt entschied man einfach über ihren Kopf hinweg, dass sie des Schutzes eines Mannes bedurfte.

Ein kurzes Lächeln zuckte um ihre Lippen. So sehr sie Elrond auch mochte, sie würde diesem Ehemann in spe - Glorfindel war wohl sein Name - schon zeigen, auf was er sich mit ihr einließ.

***

Elrond trat auf die Stufen seines Empfangshauses hinaus und atmete tief die frische, feuchte Luft des Morgens ein. Seine Späher hatten ihn darüber informiert, dass die Eskorte in diesen Minuten den Fluss überquerte und jeden Moment eintreffen würde.

Er war, offen gesagt, neugierig, ob und wie sich Tîriel verändert hatte. Immerhin war sie bei ihrer letzten Begegnung in Arwens Alter gewesen, ein junges, übermütiges Wesen, das sich nicht viel um ihr Aussehen oder gute Sitten scherte.

Er hörte Schritte hinter sich und erblickte seine Kinder, die sich mit angemessen gleichmütigen Mienen neben ihm aufstellten. Im Angesicht der Tatsache, dass die Zwillinge niemals vor Mittag aus ihren oder den Betten irgendeiner anderen Person krochen, war es erstaunlich, sie hier zu sehen. Arwen leuchtete die Neugierde aus den dunkelblauen Augen und Elrond fühlte sich schmerzlich an seine geliebte Ehefrau Celebrian erinnert, die nach Valinor gegangen war.

"Stimmt es, dass sie Glorfindel heiraten soll?", erkundigte sich seine Tochter, deren Kleid einen traurigen Mangel von Sauberkeit aufwies. Wahrscheinlich war sie auf einen Baum geklettert und Elrond schickte ein Gebet an die Valar, dass sich dieses Verhalten irgendwann auswachsen würde. Dann ging ihm der Sinn ihrer Worte auf und er erkundigte sich mit gerunzelten Brauen:

"Wer hat dir denn das erzählt?"

"Oh." Arwen machte eine wegwerfende Geste. "Das weiß inzwischen jeder. Als Glorfindel gestern Abend sein Pferd sattelte, hat er es Aearon erzählt und der hat es mir erzählt."

"Was hast du denn mit diesem Mann zu schaffen?" Elrond spitzte die Ohren und fing an, sich ernsthafte Sorgen zu machen, zumal Elladan breit und dreckig grinste. "Und weswegen hat Glorfindel sein Pferd gesattelt?"

"Flucht", gab Elrohir anstelle seiner Schwester zurück und schmunzelte. "Wie von einem Balrog getrieben."

"Großartig", seufzte Elrond und setzte dann wieder seine Hausherrenmiene auf, als die Reiter aus dem Wäldchen beim Fluss erschienen.

In den Reihen seiner Männer entdeckte Elrond eine hohe, weibliche Gestalt, deren rotblondes Haar in der aufgehenden Sonne schimmerte. Als die Pferde zum Stehen kamen und Tîriel absaß, stieß Elrond fast einen Seufzer der Erleichterung aus. Fort war das wilde Mädchen, das seine Tochter möglicherweise zu neuen Untaten verleiten konnte. Stattdessen stand eine wirkliche Frau vor ihm, hochgewachsen selbst für eine Elbin und in ihrer engen Reisekleidung sehr attraktiv anzuschauen. Ihr gesamtes, spärliches Gepäck schien nur aus Waffen zu bestehen.

Elladan seufzte.

"Glücklicher Glorfindel", flüsterte er leise, doch so laut, dass Tîriel es gehört haben musste. Elrond unterdrückte ein entnervtes Stöhnen. Doch sie zuckte keine Wimper und sagte stattdessen:

"Ich freue mich, wieder hier sein zu dürfen, Herr. Es war äußerst höflich von Euch, mir Obdach zu gewähren."

"Die Freude ist ganz auf meiner Seite", gab Elrond zurück, hochzufrieden über ihre ruhige Art und ausgesuchte Höflichkeit. "Meine Tochter wird Euch zeigen, welche Gemächer ich für Euch vorgesehen habe."

Mit einem Nicken trat Tîriel an Arwens Seite und ließ sich ins Haus begleiten. Währenddessen zog die Eskorte ab und führte auch Tîriels Pferd mit sich fort. Elladan und Elrohir schienen es plötzlich eilig zu haben, wieder ins Bett zu kommen und verabschiedeten sich hastig.

Elrond war zufrieden mit sich und der Welt. Alles lief recht gut. Und das würde hoffentlich so bleiben. Die einzige Frage, die sich ihm stellte, war, wo, bei den Valar, Glorfindel steckte.

***

Arwen saß auf Tîriels Bett und war ziemlich verdutzt, welche Wandlung mit dem Gast vorgegangen war. Die Höflichkeit, die sie Elrond gegenüber bewiesen hatte, war wie fortgewischt. Stattdessen stand Tîriel am Fenster und rauchte eine Stange eng zusammengerollten Hobbitkrautes, die einen angenehmen Duft aussandte.

"Du bist ganz schön wütend, oder?", erkundigte sich Arwen und die Frau blickte auf. Sie hatte große, nussbraune Augen, die momentan alles andere als freundlich blickten. Für das große, luftige Gemach hatte sie kein Wort übrig gehabt, stattdessen hatte sie sich bislang in Schweigen gehüllt und aus dem Fenster gestarrt, an einen Ort, den nur sie sehen konnte.

"Scharf beobachtet", sagte sie nun scharf und Arwen fuhr gekränkt zusammen. Daraufhin wurde Tîriels Blick etwas weicher. "Entschuldige, Arwen. Es ist nicht deine Schuld, dass -."

"Dass zu etwas gezwungen werden sollst, das du nicht willst?", führte Arwen den Satz zuende und seufzte. Sie hatte schon geahnt, dass Glorfindels plötzlicher Aufbruch kein gutes Omen für eine Verbindung sein konnte und nun, da sie Tîriel in einem derartigen Zustand erlebte, ahnte sie, dass nicht auf der von Seite des obersten Beraters ihres Vaters Zweifel bestanden. "Ich verstehe das gut."

Tîriel warf die Rauchstange aus dem Fenster und lehnte sich mit verschränkten Armen an die Wand.

"Ich bin mein ganzes Leben zur Eigenständigkeit erzogen worden. Mein Vater legte großen Wert darauf, dass ich mich verteidigen kann und meine Mutter lehrte mich, dass das Denken und Handeln jedes Wesens frei sein sollten. Und jetzt bin ich hier und soll mich damit abfinden, das dein Vater mir einen starken Mann zuschanzen will, weil er denkt, ich wäre nicht fähig dazu, selbstständig zu sein."

"Und ich wurde mein ganzes Leben darauf vorbereitet, die Herrin eines großen Hauses zu sein, klug, höflich und ruhig. Aber ich führe lieber ein Schwert, reite mit meinen Brüdern aus und lese Bücher. So ist da wohl im Leben. Auch wenn es immer heißt, wir Frauen hätten dasselbe Recht, unser Leben eigenständig zu gestalten, so ist es doch eine gewaltige Lüge."

Arwen stoppte ihren Redefluss abrupt, weil sie sich dabei ertappte, ihre tiefsten Gedanken vor einer fast völlig Fremden auszubreiten. Sie erinnerte sich an Tîriel, doch damals hatte sie noch auf dem Schoß ihres Vaters gesessen.

Tîriel lächelte plötzlich und mit einer Herzlichkeit, die für Arwen wieder eine völlig andere Seite der Frau enthüllte.

"Und jetzt müssen wir wohl lernen, wie wir mit dieser Ungerechtigkeit umgehen können." Ihre Stirn legte sich in Falten. "Dabei dürfte es Dir leichter fallen, Dich für einige Kampfübrungen und Ausritte fortzustehlen als mir, einen potentiellen Ehemann loszuwerden."

"Nicht unbedingt." Ein genialer Einfall schoss durch Arwens Kopf und sie sprang hochmotiviert vom Bett. "Wenn wir mit ihm fertig sind, musst Du gar nicht mehr versuchen, ihn loszuwerden. Er wird freiwillig das Weite suchen!"