Kapitel 14

Zurück nach Bruchtal

Arwen starrte hinaus in den Regen und bemerkte erleichtert, dass er langsam nachließ. Das Gewitter war vorbei und so quetschte sich Arwen aus der Felsspalte, in der sie die Unbill des Wetters unbeschadet überstanden hatte.

Ihr Pferd abschreibend, überlegte sie, was sie nun tun sollte und zu ihrem Ärger gab es nur eine Möglichkeit für sie - zu Fuß in das Haus ihres Vaters zurückzukehren. Sie wagte es kaum, sich vorzustellen, was Elrond sagen oder tun würde. Wenn er eines hasste, dann waren es Feigheit und Dummheit - und von beidem hatte sie eine Menge bewiesen.

Mit eine leisen Seufzen strebte Arwen bergab, obwohl es bereits dunkel wurde.

***

Tîriel und Glorfindel trafen bei den anderen Elben ein und sie waren sich einig, dass eine erneute Suche zu einem derart frühen Zeitpunkt nichts bringen würde. Der Pass würde durch das Unwetter unpassierbar sein und so verblieben alle in der Hoffnung, dass Arwen irgendwo Unterschlupf gefunden hatte und sich irgendwann entschloss umzukehren - oder so weit auf ihrem Weg fortgeschritten war, dass sie gefahrlos den Weg gen Lorien antreten konnte.

Glorfindel übertrug Berenon die Aufgabe, an ihrer Position zu bleiben und teilte mit, dass er Tîriel trotz der späten Stunde nach Bruchtal zurückbegleiten würde - ihre Blässe und ungewöhnliche Schweigsamkeit machten ihm Sorgen. Untypischerweise erhob sie keinen Einspruch, sondern saß wortlos auf ihre Stute auf. Die anderen Elben tauschten wissende Blicke, doch Glorfindel ignorierte es.

Einige Stunden später trafen sie vor Elronds Haus ein und der Hausherr erschien umgehend auf der Schwelle, das scharfe Gesicht in Sorgenfalten gelegt. Er hörte sich Glorfindels knappen Bericht an und versprach, sich um Tîriel zu kümmern. Inzwischen war die Mitternacht überschritten, doch Glorfindel bestand darauf, sofort wieder loszureiten.

Er blickte noch lange zu den beiden Gestalten vor dem Haus zurück und überlegte sich, während er in die feuchte Dunkelheit ritt, warum er das Gefühl hatte, dass sich an diesem Tag eine Wendung in seinem Leben vollzogen hatte.

***

Tîriel ließ sich ohne große Widerrede von Elrond in ihr Gemach begleiten und von einer Dienerin aus der Lederrüstung helfen. Dann legte sie sich hin und ließ geduldig Elronds Fragen über sich ergehen.

"Kopfschmerzen? Schwindelgefühl? Übelkeit? Gedächtnislücken?"

"Ja. Ja. Nein. Nein."

Tîriel seufzte, als Elronds kundige Finger die Wunde auswuschen.

"Es ist nur ein kleiner Riss, der sich über Nacht schließen wird. Ihr solltet schlafen und Euch keine Gedanken machen, Tîriel."

Frustriert drehte sich die Elbin auf die Seite und hieb auf ihr Kopfkissen.

"Ich hätte Arwen nicht so kopflos verfolgen sollen, dann wäre das nicht passiert. Glorfindel hatte schon ganz Recht."

"Glorfindel? Sollte er einmal Worte der Weisheit gesprochen haben?"

Elrond ließ sich auf der Kante des Lagers nieder und ein Lächeln erhellte seine vormals besorgten Gesichtszüge. Die Regung entlockte auch Tîriel ein Schmunzeln.

"Er hat mich nach allen Regeln der Kunst zusammengestaucht, ich habe zurückgestaucht und dann - dann haben wir uns geeinigt."

Elrond was das kurze Zögern nicht entgangen und sein Lächeln wurde breiter.

"Ihr mögt ihn."

Es war eher eine Feststellung als eine Frage. Tîriel verzog das Gesicht und ließ sich wieder auf den Rücken fallen, die Finger über dem Bauch verschränkt.

"Na ja, wenn Aufregung, Ärger und gelegentliches Kopfschütteln etwas damit zu tun haben, kann man schon sagen, dass ich ihn mag." Sie fasste Elrond scharf ins Auge. "Sagt nicht, dass Ihr das von Anfang an geahnt habt."

"Nach all den Stöcken, die Ihr, meine Tochter und auch Glorfindel selbst dem Gang der Ereignisse in den Weg geworfen habt, hatte ich so meine Zweifel." Elrond erhob sich würdig. "Was denkt Ihr, wie es weitergeht mit Glorfindel?"

Tîriel schüttelt leicht den Kopf.

"Ich weiß es nicht. Aber Reibung ist keine Basis für das, was Ihr geplant habt, Herr Elrond. Der unglückliche Anfang hat alles zunichte gemacht, was hätte entstehen können."

Elrond blieb eine Weile regungslos stehen und blickte auf sie hinunter. Dann nickte er ihr zu, löschte im Vorübergehen die Kerzen im Gemach und schloss dann leise die Tür hinter sich.

Tîriel blieb in der Dunkelheit liegen und starrte vor sich hin. Ein unangenehmes Pochen hinter ihren Schläfen hielt sie wach und ihre Gedanken machten es ihr auch nicht einfacher zu entspannen.

Der Kuss war ohne zu übertreiben umwerfend gewesen, aber ihr war auch klar, dass auch bewusst, dass extreme Situationen manchmal extreme Auswüchse mit sich brachten. Und Glorfindel schien es genauso zu bereuen wie sie. Sie wollte einfach nicht, dass Elronds Pläne nun doch noch fruchteten. Sie wollte sich ihre Freiheit nicht nehmen lassen. Und erst recht nicht zugeben müssen, dass sie weder ein noch aus wusste.

***

In den frühen Morgenstunden erschallte ein Ruf von den Grenzwächtern und Elrond, der die Nacht ruhelos in seiner Bibliothek verbracht hatte, fuhr aus seinem Sessel empor und stürzte zur Tür seines Hauses, die in den Innenhof führte. Eine kleine Truppe von Reitern hielt Einzug, geführt von Glorfindel, dem die Erschöpfung anzusehen war. Hinter ihm im Sattel saß Arwen, deren Gesicht eine Mischung aus Angst und Freude zeigte. Etwas unsicher rutschte sie vom Rücken des Pferdes und trat vor ihren Vater, die Arme hängend.

Elrond vergaß mit einem Mal sämtliche Vorwürfe, die er seiner ungehorsamen Tochter machen wollte und zog sie in eine feste Umarmung, die sich erst zögerlich, doch dann mit Vehemenz erwiderte. Dann führte er sein Kind ins Haus.