Anmerkung der Autorin: Zur Position Sarumans in dieser Geschichte: Die Verderbtheit Sarumans ist noch fast niemandem bekannt. Er gilt als Freund aller freien Völker Mittelerdes, und besonders Elrond schätzt ihn als weisen Ratgeber.

4. Trauer und Hass

Es dämmerte bereits der dritte Morgen, seit Elrond mit seiner Armee in aller Eile gegen den Düsterwald aufgebrochen war, und noch immer war der König der Bruchtal-Elben nicht zurückgekehrt. Aragorn, der auf einem der hölzernen Wachtürme vor dem Eingang zum Bruchtal Wache gehalten hatte, schlug sich ein paar mal die Arme gegen den Leib, um die Kälte aus seinen starren Gliedern zu vertreiben und die Müdigkeit, die sich wie eine schwarze Wolke über seine Gedanken legte.

Blinzelnd schaute er hinaus in die Morgensonne, suchte den Horizont ab, konnte aber nichts entdecken, nichts Feindliches, aber auch keine rückkehrenden Elben. Aragorn seufzte. Er machte sich grosse Sorgen, auch wenn er dies vor den andern zu verbergen suchte. Als er von einem seiner Streifzüge in die Wälder nach Bruchtal zurückgekehrt war, hatte er die Schreckensnachricht vernommen, oder vielmehr die wilden Gerüchte, die in Umlauf waren: Thranduil, König der Waldelben, sei verletzt oder getötet worden, der Düsterwald habe gebrannt und hunderte von Orks hätten die vom Feuer abgelenkten Waldelben angegriffen.

Wenigstens ein Teil der Gerüchte hatte sich nur zu sehr als wahr erwiesen: Der dramatisch feuerfarbene Himmel über dem Düsterwald war selbst in Bruchtal noch zu sehen gewesen. Dies war es auch, was Elrond und seine Elben zum Aufbruch in den Düsterwald bewogen hatte: Zur Bekämpfung des augenscheinlich bedrohlichen Feuers konnten nicht genug Hände da sein...

Aragorn war wütend auf sich selber, teils, weil er nicht da gewesen war, um Elrond zu begleiten, und teils, weil er jetzt nichts besseres zu tun hatte als herumzusitzen, sich vorzustellen, was im Düsterwald alles passiert sein konnte und vor Sorge verrückt zu werden.

Die Unsicherheit über die wahren Verhältnisse im Düsterwald hatte die Bruchtal-Elben nervös und bedrückt gemacht, und als dann die Waldelben-Boten, lange nach Elronds Aufbrauch, erschöpft und blutverschmiert, von der Ork-Attacke berichteten, nahmen die Gerüchte grausame Gestalt an. Nervosität und Unruhe wandelten sich in Angst und Trauer.

Auch die Sicherheit Bruchtals schien plötzlich nicht mehr gewährleistet... So viele Soldaten waren mit Elrond ausgezogen! Wenn nun die Orks nur darauf gewartet hatten und Elrond in einem Hinterhalt überfielen? Oder gar gegen Bruchtal zogen?

Aragorn stöhnte unwillig und fuhr sich mit der Hand über die Augen. Jetzt fing auch er noch mit dieser Schwarzmalerei an! Dabei hatte er sich extra zur Nachtwache gemeldet, um der schwelenden Angst und Unruhe der andern zu entkommen! Und natürlich, um sein Gewissen zu beruhigen, weil er nicht in Bruchtal gewesen war, als man ihn gebraucht hätte...

Sie hatten die Wachen um ganz Bruchtal verstärkt und warteten. Mit jeder Minute, die verstrich, wuchs die Unruhe in Aragorns Herz. Eigentlich hätte Elrond schon zurück sein müssen... Was ihn wohl aufhielt?

Diesmal waren es leichte, geschmeidige Schritte hinter ihm, die ihn aus seinem Grübeln aufschreckten. Aragorn brauchte sich nicht umzudrehen, um zu wissen, wer hinter ihm stand. Ihre Präsenz, intensiv und überwältigend, machte ihn jedesmal ein bisschen atemlos.

"Arwen." sagte er heiser.

"Hier steckst Du also." sagte sie. "Ich ahnte doch, dass ich Dich hier finden würde." Sie trat nahe an ihn heran, und Aragorn legte den Arm um ihre Schultern. Er war dankbar für ihre Nähe und auch für ihr Schweigen. Gemeinsam sahen sie in die Morgendämmerung hinaus und warteten darauf, dass irgendetwas passierte.

Zeitgleich mit drei anderen Wächtern schien Arwen etwas zu bemerken, denn sie richtete sich etwas auf und blickte suchend auf einen fernen Punkt am Horizont. Aragorn straffte unwillkürlich die Schultern und wartete darauf, dass Arwen erklärte, was ihre Aufmerksamkeit geweckt hatte, denn er wusste, dass das, was sie entdeckt haben mochte, für seine Augen noch nicht sichtbar sein würde.

"Elben." Sagte Arwen dann, und in ihrer Stimme lang die ganze Erleichterung, die sie empfand. "Aber nur eine kleine Gruppe." Auch Aragorn war erleichtert. Er drückte Arwens Schulter, und gemeinsam kletterten sie den hölzernen Wachtturm hinab, um die kleine Gruppe Reiter zu begrüssen.

Die 12 zurückkehrenden Bruchtall-Elben waren schnell geritten. Man sah es ihren schäumenden, zitternden Pferden an und ihren blassen, erschöpften Gesichtern. Aragorns Herz sank, als er sie und ihren Anführer, den er zu seinen Freunden zählte, persönlich begrüsste. So sahen die Ueberbringer guter Botschaften nicht aus! Der Elb nahm seinen Gruss beiläufig zur Kenntnis, nahm dankbar einen Schluck Wasser aus der Flasche, die Arwen ihm hinhielt und lehnte sich erschöpft gegen sein Pferd, bevor er schliesslich sagte: "Lord Elrond und seine Armee sind auf dem Weg hierher.", so laut, dass es auch die erwartungsvolle Menge, die sich bereits um die Ankömmlinge geschart hatte, es hören konnte. " Lord Elrond hat mich vorausgeschickt, um zu melden, dass wir Verwundete bringen."

Ein kollektives Aufstöhnen ging bei seinen Worten durch die Reihen der Wartenden.

"Die Gerüchte der letzten Tage haben sich alle als wahr erwiesen." fuhr der Bote fort und nahm einen weiteren Schluck Wasser, weil seine Stimme zunehmend versagte. "In der Tat hat ein riesiges Feuer grosse Teile des Düsterwalds zerstört, und Orks sind über das Volk der Waldelben hergefallen." Dieses Mal stöhnte die Menge vor Entsetzen auf, dann war sie still, als ob sie atemlos darauf warte, dass der Bote weitersprechen würde, doch ihr Warten war umsonst, denn dieser nahm einen letzten Schluck Wasser, warf dann die geleerte Flasche achtlos weg und wandte sich an den ihm am nächsten stehenden Begleiter und begann, leise auf ihn einzureden, als wären seine mageren Worte genug gewesen, all die drängenden Fragen zu beantworten, die den Bruchtalelben auf den Lippen liegen mussten; und vielleicht waren sie das auch, denn jetzt zerstreuten sich die diese, um Elronds Befehle auszuführen. Es war nicht das erste Mal, dass sie Verwundete zu versorgen hatten in ihrem Tal; und sie wussten, dass alles andere, selbst ihre Fragen, warten konnten.

Elrond traf Stunden später ein. Er und seine Elben waren erheblich langsamer als zuvor die Boten, und die Ursache dafür war nur zu rasch ersichtlich: Sie hatten Verwundete bei sich. Viele Bruchtal-Elben stützen zusammengesunkene Gestalten vor sich auf dem Sattel, trugen sie gar in ihren Armen, und einige liessen ihre Pferde sorgfältig zu zweit nebeneinander gehen, um die Bahren, die die Tiere zusätzlich zu ihren Reitern trugen, möglichst wenig zu erschüttern. Rauchgeschwärzt und erschöpft wie sie waren, kamen sie Aragorn vor wie die Ueberlebenden einer Schlacht, die verlorengegangen war.

Arwen, die bisher nicht von seiner Seite gewichen war, seufzte und barg ihr Gesicht an seiner Schulter, und instinktiv legte Aragorn seinen Arm um ihre schmale Gestalt, doch bevor er noch irgendetwas sagen konnte, seufzte sie erneut, straffte sich und hob den Kopf. "Komm." sagte sie. "Lass uns Vater suchen. Er wird unsere Hilfe brauchen können."

Hinter den massiven Toren Bruchtals, die sich öffneten, um die ankommenden Elben aufzunehmen, hatte sich bereits eine grössere Menge Elben versammelt als selbst jene bei der Ankunft von Elronds Boten. Aragorn war es, als würde er in ein Meer aus sorgenvollen, blassen Gesichtern eintauchen, als er sich seinen Weg durch die Versammelten bahnte, und der Klang unzähliger trauernder – oder wütender – Stimmen hallte in seinen Ohren.

Dann waren die Tore vollständig geöffnet, Schweigen fiel über die wartenden Elben, und in tödlicher Stille kehrte Elrond mit seinen Kriegern nach Bruchtal zurück. Die Menge vor ihm teilte sich, als er einritt, und alles trat zur Seite, um Elrond und seinen Soldaten Platz zu gewähren. Oder wichen sie einfach vor dem Bild der Zerstörung zurück, dass sich ihren Augen bot?

Die Bruchtal-Elben schienen unversehrt genug; obwohl ihre Gesichter gezeichnet waren von dem Schrecken, den sie erlebt hatten. Doch diese schmutzigen, erschöpften, blutbesudelten Gestalten, die sie mit sich brachten – konnten das wirklich die stolzen, ja fast arroganten Wald-Elben sein, wie man sie früher gelegentlich angetroffen hatte?

Auch Aragorn sah zu, ungläubig, wie Elronds Krieger in Bruchtal einritten; und er starrte immer noch, als einige der Bruchtal-Elben aus ihrer Erstarrung zu erwachen schienen und sich beeilten, ihren Soldaten bei der Bergung der Verwundeten zu helfen. Er selbst war zu keiner Bewegung fähig.

"Sie bringen die Waldelben mit sich, haben sie gesagt." dachte er, und zu seinem Erstaunen sah er, dass die Torwächter bereits begonnen hatten, die mächtigen Tore Rivendells hinter den Ankömmlingen zu schliessen. "Haben sie bloss die Verwundeten gebracht und die restlichen Düsterwald-Elben zurückgelassen?"

Sein Verstand weigerte sich noch immer, die ganze entsetzliche Wahrheit zu begreifen, doch als die Tore Bruchtals sich endlich, mit einem dumpfen Klang, schlossen, da wusste er instinktiv, dass kein Waldelb mehr nach Bruchtal kommen würde, und auch keine zurückgeblieben war.

Vielleicht war Aragorn einer der ersten, das Ausmass der Katastrophe zu begreifen, die über die Waldelben – und mit ihnen über das ganze Elbenreich – hereingebrochen war, und kaltes Grauen erfasste ihn und löste eine unbestimmte Uebelkeit in seinem Magen aus.

Fast grob begann er jetzt, sich durch die Menge der Bruchtal-Elben zu drängen, die seinen Weg zu Elrond und seinen Soldaten blockierte; und jeder, der dabei einen zufälligen Blick auf sein Gesicht erhaschen, wich unwillkürlich zurück. Aragorn bemerkte es nicht.

Mit wachsender Verzweiflung schob er sich durch die Menge der helfenden Bruchtalelben, und unablässig hielt er dabei Ausschau nach bekannten Gesichtern unter den Verwundeten.

"Merrjen, Glarden, Fellon..." dachte er. "Eleja, Regerin... wo seid ihr?" Wild sah er um sich, doch er entdeckte niemanden, den er kannte. "Was hast Du denn erwartet?" sagte die Stimme der Vernunft in seinem Kopf. "Du siehst doch, wie erbärmlich wenige Wald-Elben den Ueberfall der Orks überstanden haben. Warum sollten ausgerechnet deine Freunde unter den Ueberlebenden sein?"

Aragorn wollte nicht vernünftig denken. Er setzte seine Suche fort; und rücksichtslos stiess er jeden zur Seite, der sich ihm in den Weg stellte. Arwen hatte es lange aufgegeben, ihm zu folgen.

Endlich bemerkte er die fast ängstlichen Blicke, die ihm die Elben zuwarfen, die er zur Seite stiess, und augenblicklich war er ernüchtert, verflog die hilflose Wut, die ihn so grob hatte werden lassen, und er stand still und holte tief Atem. Nein, jetzt war nicht der geeignete Zeitpunkt, um an sich selbst und seine Freunde zu denken! Erst musste gerettet werden, was zu retten war... Früh genug würde er erfahren, ob all seine Freunde den Orks zum Opfer gefallen waren!

Fast hätte er sich geschämt für seine momentane Kopflosigkeit, seine Panik, doch auch dazu war jetzt keine Zeit, und noch einmal atmete er tief ein, um sich zu sammeln, dann sah er sich suchend um nach Elrond, dem König des Bruchtals, der seine Unterstützung sicherlich würde gebrauchen können.

Arwen stand bereits neben ihrem Vater, als Aragorn endlich Lord Elrond ausgemacht und sich zu ihm durchgekämpft hatte. Elrond schien älter, als Aragorn ihn je zuvor gesehen hatte, so alt, wie ein Elb wahrscheinlich aussehen konnte, und seine Augen spiegelten noch immer den Schrecken all dessen, was in den letzten Tagen passiert war, und für einen Augenblick schien es, als wäre selbst er, der grosse Elbenkönig Elrond, unsicher, was er tun und befehlen sollte.

Aragorn wollte sich gerade an ihn wenden, als er einen scheinbar völlig übermüdeten Waldelben bemerkte, der sich, gerade neben Elrond, erschöpft gegen sein Pferd lehnte.

Aragorn verengte die Augen. Der Elb schien in ziemlich schlechter Verfassung zu sein...

Ja, jetzt gaben seine Knie nach, und nur Aragorns rascher, stützender Griff verhinderte seinen Zusammenbruch. Doch bevor Aragorn noch etwas sagen konnte, hatte sich der Elb aus seinem Griff befreit und stand erneut auf eigenen Füssen. Doch er sah zu Aragorn hoch, und das war der Moment, in dem ihn dieser endlich erkannte.

"Legolas!" sagte er, erleichtert darüber, dass er wenigstens einer seiner Freunde noch am Leben gefunden hatte, doch es war Elrond, und nicht Legolas, der auf seine Worte reagierte. Der Elbenkönig legte ihm eine Hand auf die Schulter und zog ihn ein paar Schritte beiseite.

"Ist dies Legolas Grünblatt, Thranduils vierter Sohn?" fragte er scharf, und er biss sich auf die Lippen, als Aragorn nickte. "Ausser Legolas, hast Du sonst noch jemanden aus der Königsfamilie entdeckt?"

"Nein." antwortete Aragorn, unsicher, was den König der Rivendell-Elben zu seinen Fragen veranlasste. "Und ich fürchte, das dem auch so bleiben wird."

"Das fürchte ich auch." entgegnete Elrond grimmig und lockerte seinen Griff. Dann wandte er seine Aufmerksamkeit Legolas zu, der noch immer wartend dastand und sich dabei schwer gegen sein Pferd lehnte. Seine Augen waren jetzt geschlossen.

"Ihr seid Legolas, Thranduils vierter Sohn?" sagte Elrond und warf einen fragenden Blick auf Aragorn, als er von Legolas keine Reaktion bekam. Dieser nickte. "Legolas, Sohn des Thranduils," fuhr Elrond fort. "Ich sehe, dass ihr verwundet seid. Doch frage ich euch, ob es euch möglich wäre, mir und meinem Rat zuerst Bericht zu erstatten, bevor man sich eurer annimmt und euch ruhen lässt. Ich muss wissen, was passiert ist, und da ihr der einzige Ueberlebende aus der Königsfamilie zu sein scheint..."

"Nein! Nein..." sagte Legolas, und nackte Panik klang aus seiner Stimme. "Ich bin nicht der einzige Ueberlebende aus der Königsfamilie. Elwyne lebt doch! Er hat bloss...Wahrscheinlich hat er bloss sein Bein verloren...Aber Elwyne lebt. Vater hat ihn zu seinem Nachfolger bestimmt..." Aragorn biss sich vor Mitleid auf die Lippen, und Elrond schien für einen Augenblick unfähig, Legolas Blick zu erwiedern.

"Ich bin froh zu hören, dass Elwyne am Leben ist." sagte er endlich, und seine Stimme klang warm. "Doch im Augenblick seid es ihr, den ich um Hilfe bitte."

Legolas zeigte keine Reaktion auf Elronds Worte. "Legolas!" rief Aragorn konsterniert, ja besorgt, und packte den Waldelben bei den Schultern. Dies schien ihn endlich aus dem Dämmerzustand zu reissen, in den er gefallen war, und Legolas nickte Aragorn knapp zu, bevor er sich eine Strähne blutigen Haars aus dem Gesicht wisch und sich an Elrond wandte. "Gewiss, Lord Elrond." sagte er mit heiserer Stimme. "Das ist das mindeste, was ich tun kann, um euch für eure Hilfe zu danken."

Elrond nickte dankbar und führte Legolas (und Nerdein, der kaum einen Meter von dessen Seite gewichen war, die ganze Zeit über) zu seinen privaten Gemächern

Die ganze Nacht über brannten Feuer in Bruchtal. Sie beleuchteten Zelte, provisorische Unterkünfte, Vorhöfe und Terrassen – all die Orte, in denen die Waldelben untergebracht waren und jetzt versorgt wurden von jedem Elb hier, der etwas von Heilung verstand oder auch nur vom Trösten. Ihr roter Schein war die einzige Spur von Licht, die man in den Augen der Geretteten wahrnehmen konnte, und ihre Wärme die einzige Wärme, die in den Gesichtern der Waldelben wahrnehmbar war...

Sie starben an der Traurigkeit. Obwohl sie jetzt endlich in den sicheren Mauern Bruchtals waren und obwohl man sie mit Lemba gestärkt hatte und ihre Wunden versorgt- sogar Elrond war unermüdlich tätlich gewesen- viel zu viele von ihnen schlossen die Augen, um sie nie mehr zu öffnen. Feuer und Orks fanden auch hier noch ihre Opfer und setzten ihr fast vollendetes Zerstörungswerk fort.

Legolas kauerte auf Elrond's Terasse, das Gesicht zu Stein erstarrt, und hielt Elwyne's Kopf in seinem Schoss geborgen. Die tödliche Traurigkeit hielt auch ihn fest in ihren erbarmungslosen Griff, dämpfte seine Wahrnehmungen, liess ihn stumpf und teilnahmslos werden. Hätte nicht der Hass, der Legolas seit dem ersten Auftauchen der Orks nie mehr verlassen hatte, nicht noch immer in seinem Herzen gebrannt, er wäre wohl über den Verlust seiner Familie und seiner Heimat nicht hinweggekommen.

Noch immer war er aufgewühlt und verwirrt von seinem Aufenthalt in Elronds Räumen, wo er dem König der Bruchtal-Elben, Aragorn und ein paar andern Mitgliedern aus des Elbenkönigs Haushalt eine detaillierte Beschreibung der alptraumhaften Ereignisse der letzten Tage gegeben hatte. Im Hintergrund hatte er einen zusätzlichen Zuhörer bemerkt: Eine furcheinflössende, bärtige, ganz in Weiss gekleidete Gestalt, von der er schon vieles gehört, die er aber nur einmal persönlich gesehen hatte, noch als Kind: Saruman, der Weisse Zauberer.

Elrond und seine Begleiter waren nicht zufrieden gewesen mit dem, was Legolas ihnen erzählt hatte, das war einfach genug zu erkennen gewesen, an ihren ungläubigen Gesichtern und den vielen Fragen, die sie ihm gestellt hatten.

Wahrscheinlich hatten sie gehofft, dass er wenigstens den Ansatz einer Erklärung dafür würde liefern können, weshalb König Thranduil ermordet worden war, und sein Volk überfallen. Niemand, nicht einmal die Orks, nahmen eine derart grosse (und gewagte) militärische Operation vor, ohne dafür einen triftigen Grund zu haben...

Legolas' Kehle verengte sich, und gegen seinen Willen spürte er das Brennen von Tränen in seinen Augen. Verdammt, er hatte doch auch keine Ahnung, was im Düsterwald passiert war! Auch für die Waldelben war der Ueberfall der Orks eine völlige Ueberraschung gewesen, sonst hätten diese niemals ein so leichtes Spiel mit ihren Gegnern gehabt! Dachte Elrond etwa, dass er, Legolas, etwas vor dem Rat verborgen gehalten hatte? Der Elbenkönig hatte sich ungewöhnlich unnahbar verhalten, kurz angebunden, fast so einschüchternd wie der Weisse Zauberer selbst...

Erst als er gefragt hatte, ob er nach seinem Bruder sehen könne, waren Elronds harte Züge sichtbar weicher geworden, und so sass er denn hier, zu ausgelaugt, um viel zu empfinden oder denken zu können, und sah zu, wie zwei ältere Bruchtal-Elben, beide erfahren in Kriegsverletzungen und durch nichts zu erschüttern, sich um seinen älteren Bruder bemühten. Reglos schaute er ihren Anstrengungen zu, und er wusste, dass sie um Elwyne's Bein und wahrscheinlich auch um sein Leben kämpften

Endlich waren die beiden Elben fertig mit Elwyne's Bein. Einer von ihnen tätschelte des Prinzen Wange und seufzte bekümmert, als dieser keine Anstalten machte, aus seiner Ohnmacht zu erwachen. Der zweite legte Legolas die Hand auf die Schulter, ganz kurz nur, bevor er sie wieder fallen liess.

"Er wird leben." sagte er ernst. "Doch er wird sein Bein nie mehr so gebrauchen können wie früher." Er bekam keine Reaktion von seinem Gegenüber. Seufzend fasste er Legolas schärfer ins Auge, dann wandte er sich ab, um mit seinem Begleiter weitere Patienten zu versorgen. Gegen gebrochene Herzen konnte er nichts ausrichten.

(Kursive Sätze: Sarumans nicht ausgesprochene Gedanken)

Auch in Elrond's Arbeitszimmer erlöschte das Licht die ganze Nacht über nicht.

"Was ist denn bloss passiert?" fragte Elrond laut in den Raum hinein, ohne eine eigentliche Antwort zu erwarten, und er hoffte, dass sein einziger Zuhörer, Saruman, die Ratlosigkeit und Verzweiflung in seiner Stimme nicht allzu deutlich hörte. Ratlosigkeit und Verzweiflung waren Dinge, die er sich als Führer der Bruchtal-Elben in dieser Katastrophe nicht leisten konnte.

"Das würde ich zu gerne selbst wissen" dachte Saruman bei sich, schwieg aber. Sein düsteres Gesicht blieb ausdruckslos. "Was hält bloss diese nutzlose Kreatur von einem Goldschmied auf, der mir Thranduils Ring hätte bringen sollen? Sein Auftrag war einfach genug: Die Elben an die Orks zu verraten, zu warten, bis diese die ihnen verhassten Feinde getötet haben, dann des Königs an sich zu nehmen und ihn zu mir zu bringen. Das sollte einfach genug zu bewerkstelligen sein, selbst für einen verräterischen Narren wie diesen kriecherischen Menschen! Lang genug habe ich warten müssen, um jemanden zu finden, der in der Lage war, Thranduils Vertrauen zu gewinnen! Verdammter Waldelb! Er hat es gewagt, mir zu misstrauen! Nie hat er auch nur ein einziges Wort verloren mir gegenüber über seinen Ring, seinen Elbenring, wie ihn auch Galadriel und Elrond tragen..."

Ein kleines, bösartiges Lächeln erschien auf seinen Lippen, war aber gleich wieder verschwunden. "Das hast Du nun von deinem Misstrauen, Thranduil. Dein Ring, und damit all seine kaum bekannte, aber immense Macht, wird bald mir gehören..."

"Wie brach ein so grosses Feuer aus?"

"Ein kleines bisschen Magie von meiner Seite."

"Woher kamen all die Orks? Wie haben sie es geschafft, sich vor den wachsamen Augen der Waldelben zu verbergen, bis es zu spät war? Und warum, und diese Frage beschäftigt mich am meisten von allen, warum kamen sie nicht zurück, um im Tal der Wasserfälle alle Waldelben zu töten, als sich ihnen die Möglichkeit bot? Wir haben bei unserem Ritt durch den Düsterwald keinen einzigen Ork zu Gesicht gekriegt...Sie scheinen sich sofort nach dem ersten Angriff zurückgezogen zu haben!"

"Sie haben sich zurückgezogen, weil ich es ihnen so befohlen habe, Narr. Die Waldelben sind mir gleichgültig, solange ich nur ihren Ring in meine Hände bekomme! Ich wollte sie bloss schwächen. Schliesslich sind sie ein Volk von Kriegern, auch wenn ihre Macht schon lange vor dem Ueberfall der Orks am Schwinden war..."

Seine Augen folgten Elrond, der eine unruhige Wanderung durch das Zimmer aufgenommen hatte.

"Was in den Köpfen dieser Kreaturen vorgeht, lässt sich weder von Menschen noch von Elben erahnen." sagte er dann leise. "Rauben, Morden und Plündern scheint ihr einziges Lebensziel zu sein."

"Das ist es ja, was mir Sorgen macht." entgegnete Elrond scharf. "Die Orks wären zurückgekehrt, um weiter zu töten. Alles andere entspricht nicht ihrem Naturell! Irgendetwas... oder irgendwer...scheint sie davon abgehalten zu haben."

Saruman verengte die Augen zu schmalen Schlitzen. "Was ihr damit sagst, Lord Elrond, ist, das irgendwer die Orks zu ihrer Attacke angestiftet hat!"

Elrond betrachtete ihn einen Augenblick, augenscheinlich tief in Gedanken versunken, dann senkten sich seine Schultern. "Ich weiss nicht." sagte er. "Ich weiss es nicht. Warum sollte jemand so etwas tun?"

"Du wirst es spätestens in jener Sekunde wissen, an der ich dir deinen Ring vom Finger streife!"

"Eines weiss ich jedenfalls: Die Orks hätten zurückkehren müssen."

"Keine Sorge, Elrond, König aller Bruchtal-Elben: Die Orks werden zurückkehren. Früher als dir lieb sein wird..."

Der Tag, an dem die Trauerfeierlichkeiten stattfanden, war von einer quälerischen Schönheit. Die Morgensonne übergoss die Bäume, Wiesen und Gewässer Bruchtals mit hellem Licht und brachte Wärme und Leben mit sich, wie es für diese Jahreszeit eigentlich noch zu früh war. Ringsherum herrschte das rege Treiben des Frühlings – etwas, das Legolas auf eine seltsame Weise unpassend schien, so, als hätte er auf eine irrationale Weise erwartet, dass auch die Natur an seinem Verlust – ihrem allen Verlust – teilhaben würde. Kurz schweifte sein Blick über Bruchtal in all seiner Schönheit, doch er musste sich eingestehen, dass er kein Auge mehr dafür hatte. Er fühlte sich fremd hier, verloren, entfremdet, distanziert, so, als wäre er aus einem Paradies ausgeschlossen worden, ohne Hoffnung, jemals wieder dahin zurückkehren zu können.

Er erinnerte sich, wie er vor wenigen Tagen –es schienen Jahre vergangen seither - zu Boromir gesagt hatte, dass Elben nicht wie die Sterblichen empfinden können. Er wusste jetzt, dass dies falsch gewesen war. Jetzt empfand er wie ein Sterblicher. Wilde Stürme aus Traurigkeit, Wut und Hass tobten in ihm, und gleichzeitig schien er seinen Sinn für die Natur verloren zu haben schien. Und das Schlimmste war – es war ihm recht so. Er wollte keine Schönheit, Frieden oder Vergessen finden in Elronds Tal – was er finden wollte, war Rache.

Rache für die Gefallenen seines Volkes, die jetzt aufgereiht in langen Reihen vor ihnen lagen. Man hatte sie in weisse, matt schimmernde Kleider gehüllt, Schmutz, Blut und Asche von ihren Gesichtern gewaschen und Blumen in ihre Haare gewoben. Man hatte hohe Scheiterhaufen errichtet – auch das hatten die Bruchtal-Elben übernommen, um die trauernden Verwandten aus den Wäldern nicht unnötig zu belasten – um die Körper der Hinübergegangenen dem Feuer zu überantworten. Ihre Asche würde dann in einer Lichtung Bruchtals, einem Ort atemberaubender Schönheit, direkt neben einigen uralten, weisen Bäumen, verstreut werden.

Arwen hatte dies vorgeschlagen, eine sensible Geste, die Legolas dankbar angenommen hatte, obwohl sie ihn sehr menschlich anmutete. Dennoch hatte der Gedanke, dass sein Vater, seine Freunde, sein Volk unter ihren geliebten Bäumen ruher würden, etwas seltsam Tröstliches.

Aromatische Dämpfe stiegen jetzt von den Scheiterhaufen auf. Einige Bruchtal-Elben hatten Kräuter auf die brennenden Holzstösse gegeben, und jetzt erhoben sich leise und unendlich traurige Klagegesänge.

Die Waldelben sangen nicht. Mit versteinerten Gesichtern wohnten sie der Zeremonie bei.

Legolas straffte die Schultern. Gleich war es soweit. Gleich würden sie die Leichen dem Feuer übergeben, allen voran seinen Vater, der, angetan mit den weissen Kleidern Bruchtals und seinem bevorzugten Amulett aus Diamanten, direkt vor ihm lag.

Friedlich sah Thranduils Gesicht jetzt aus, als schlafe er nur und sei in angenehme Träume versunken, doch dennoch musste Legolas plötzlich gegen die Tränen anblinzeln, die in seinen Augen brannten, so sehr nahm ihn dieser Anblick mit. Lord Elrond selbst schickte sich eben an, seinen Vater aufzuheben, aber Legolas kam ihm zuvor, und Elrond wich ohne das geringste Zeichen von Unmut zurück.

Der Prinz hob seinen Vater auf und trug ihn nun neben den brennenden Scheiterhaufen. Dort liess er ihn noch einmal auf den Boden gleiten, sachte, und betrachtete ein letztes Mal dessen schmerzhaft vertrauten Züge. Dann bückte er sich, wie geistesabwesend und ohne zu bemerken, dass aller Augen auf ihn gerichtet waren, und nahm etwas aus seines Vaters Eigentum an sich.

Nicht dessen kunstvoller Bogen, nicht dessen unendlich wertvolles Amulett – es war das Schwert seines Vaters, das er als Andenken an ihn erwählte.

Das Schwert wog schwer in seinen Händen, und langsam steckte er es an seinen Gürtel, während er sich anschickte, seinen Vater auf den Scheiterhaufen zu legen. Und still schwor er dabei, dass viele, viele Orcs dieses Schwert zu kosten bekommen würden...

Dann trat er zurück und sah zu, wie die vielen Scheiterhaufen zuerst zu Leben erwachten und dann langsam verglühten, so verglühten, wie das der Stern der Waldelben im Düsterwald getan hatte. Seine Augen und sein Herz waren wie kalte Steine während der ganzen Zeremonie.

Die Geste jedoch, mit der er seines Vaters Schwert an sich genommen hatte, war von den Bruchtalelben nicht unbeobachtet geblieben; und Elrond, ihr König, hatte sie mit grossem Unbehaben zur Kenntnis genommen. Seine Besorgnis betreffend Legolas Grünblatt wuchs.

Er würde des Düsterwalds jüngsten Prinzen wohl scharf im Auge behalten müssen...

Sein Blick verfinsterte sich weiter, als er die zustimmenden und anerkennenden Blicke bemerkte, die sich die Waldelben zuwarfen, als Legolas mit seines Vaters Schwert in ihre Mitte zurücktrat. Es schien, als gäbe es zumindest für sie keinen Zweifel an dem symbolischen Wert, den diese Waffe für ihren Prinzen haben musste; und weiter, als hätten sie bereits eine Vereinbarung getroffen über ein Thema, über das sie mit den Bruchtalelben nicht diskutieren wollten: Und dies war ihr Wunsch nach einem Rachefeldzug gegen die Orks.

Oder lag das Problem bei ihm, und er war dabei, eine harmlose, ja rührende, Geste überzubewerten? Was bedeutete Thranduils Schwert seinem Sohn? Hatte er es erwählt als Andenken an eine Zeit, die jetzt vorüber war, an all die Dinge, die er verloren hatte, oder als ein Zeichen seines unversöhnlichen Zorns und Hasses?

Und Elrond beschloss, Legolas Grünblatt, den jetztigen – zumindest temporären – König der Waldelben zu diesem Thema eingehend zu befragen, sobald es die Schicklichkeit erlaubte.

Wenn es etwas gab, dass er (und mit ihm alle andern Elben) nicht gebrauchen konnten, dann war dies ein ungeplanter Rachefeldzug gegen die schwarzen Ungeheuer aus dem Norden.

Er seufzte und berührte kurz seine Schläfen. "Jetzt siehst du bereits Gespenster!" schalt er sich selbst und versuchte, sich auf die vor ihm stattfindenden Begräbniszeremonien zu konzentrieren. Doch die Besorgnis, die ihn so plötzlich heimgesucht hatte, sass hartnäckig wie eine Zecke in seinem Hinterkopf fest und liess sich nicht abschütteln – aus gutem Grund, wie er später feststellen würde.

"Ihr meint, dass die Bruchtal-Elben nichts unternehmen werden, um die Waldelben zu rächen." sagte Legolas kurz und wütend. Gandalf warf ihm einen tadelnden Blick zu, und Elrond zog scharf die Luft ein, sagte aber nichts. "Das ist es doch, was ihr uns sagen wollt, nicht wahr, Lord Elrond?" Aus der ganzen Körperhaltung des Waldelben sprach jetzt Zorn, aus der Art, wie sich seine Schultern verspannt hatten, aus der Art, wie er mit zusammengebissenen Zähnen sprach, oder wie er das Kinn herausfordernd erhoben hatte.

"Was Lord Elrond meint..." sagte Saruman verhalten, "ist, dass es unklug wäre, jetzt gegen die Orks zu reiten. Wir wissen nichts über ihre Pläne, über ihre Aufenthaltsorte, über ihre Zahl und ihre Waffen. Unmittelbar gegen sie loszuschlagen hiesse, eine unnötige Zahl von Elben zu verlieren. Sorgfältig geplant hingegen, können wir..."

"Planung! Abwarten!" Dass Legolas es wagte, den allseits geachteten und gefürchteten Zauberer zu unterbrechen, machte das Ausmass seiner Wut deutlich. Der Prinz aus dem Düsterwald hatte jegliche elbenhafte Zurückhaltung verloren. Seine Augen blitzten Saruman wutentbrannt an. "Mein Vater wurde ermordet! Der grösste Teil unseres Volkes ebenso, Männer, Frauen und Kinder! Und unsere Heimat zerstört... Das Blut unserer Väter, Mütter, Schwestern und Brüder, Söhne und Töchter verlangt gerächt zu werden! Vielleicht ist es unter den Bruchtal-Elben üblich, abzuwarten, wenn ihnen Unrecht und Leid zugefügt wird. Bei den Waldelben ist dies sicherlich nicht der Fall!"

Seine harschen Worte brachten ein tiefes, betretenes Schweigen über die ganze Versammlung; und ihre Teilnehmer warfen sich mehr als nur ein bisschen besorgte Blicke zu. Die Diskussionen um die Zukunft der Waldelben und das Vorgehen aller andern Elben angesichts der Katastrophe im Düsterwald nahm einen Verlauf, wie sie es unmöglich hatten vorhersehen können.

Natürlich war ihnen allen nur zu klar, dass Massnahmen ergriffen werden mussten, um die Orks für ihre Greueltaten zu bestrafen. Doch wenn die Auslöschung von Thranduils fast gesamtem Volk etwas bewiesen hatte, dann war dies die wachsende Verwundbarkeit der Elben. Nur einige Jahre früher wäre ein Angriff wie dieser völlig undenkbar gewesen und hätte in einer blutigen Niederlage der Angreifer geendet, falls jemand dumm genug gewesen wäre, ein so selbstmörderisches Unternehmen je zu starten. Doch die Macht der Elben war im Schwinden begriffen, genau wie ihre Zahl in Mittelerde, während jene ihrer Feinde zu wachsen schien von Tag zu Tag. In diesem Licht gesehen, war der Fall der Waldelben nur der letzte, drastische Beweis für eine Entwicklung, wie sie lange zuvor begonnen hatte...

Elrond wusste, dass weder er noch sonst irgendein Elb diese Entwicklung würden aufhalten können. Dennoch war er überzeugt, dass jegliches elbisches Leben, das er bewahren, erhalten konnte, ein wervoller Beitrag zur Zukunft des elbischen Volkes in Mittelerde würde leisten können, und dies galt für das Leben von Bruchtal- ebenso wie für dasjenige der Düsterwaldelben.

Er biss die Zähne zusammen. Kein Elb in Mittelerde würde ihn diese seine Ansicht aufgeben lassen; und er würde es niemals zulassen, dass jemand sinnlos das Leben von Elben verschwendete in einem hoffnungslosen Kreuzzug gegen die Orks. Um der Valar Willen,

wenn er doch nur seine Gegenüber davon hätte überzeugen können, dass nur der Augenblick, doch nicht die Rache selbst das Thema ihrer gegenwärtigen Diskussion war...

Jetzt trat auch Nerdein vor und legte seine Hand auf Legolas Schulter, was vielleicht einer Aufforderung zur Mässigung, eher aber einer Geste der stillschweigenden Unterstützung entsprach. Ja, auch die andern drei Waldelben, die Legolas begleitet hatten, machten finstere Gesichter und rückten dichter zu ihrem Prinzen auf, wie um seinen Worten mehr Gewicht zu verleihen.

"Wozu dieser Hass?" fragte Elrond schliesslich leise. "Glaubt ihr, Prinz Legolas, dass Hass und Rache auch nur einen gefallenen Elben zurückbringen werden?"

Etwas wie ein Schauer ging durch Legolas' Körper. "Nein, Lord Elrond." sagte er, und für einen Augenblick strahlte er eine fast greifbare Traurigkeit aus. "Sie werden keinen Elben zurückbringen." Seine Augen studierten den Boden zu seinen Füssen, sichtbar kämpfte er um seine Fassung.

"Sie sterben an der Traurigkeit." sagte er dann, sehr leise, und sehr verzweifelt.

"Sie sterben an der Traurigkeit." Erneut richtete sich sein Blick auf den Boden.

Elrond spürte, wie jeder Hauch von Aerger in ihm sich ins Nichts auflöste, als er diese Worte hörte, sie erschütterten sein Herz, und Saruman schien dasselbe zu empfinden, denn wie gebannt starrte er Legolas Grünblatt an, und Aragorn berührte sacht des Elben Arm, in einer tröstenden Geste.

Doch der Elb versteifte sich bei dieser Berührung, und als er den Kopf erneut hob, war der Hass in seine Augen zurückgekehrt. Ein Hass, der, wie Elrond plötzlich begriff, Legolas Grünblatt unzugänglich für jegliches Argument der Vernunft machen würde.

Abrupt erhob sich der Elbenprinz. "Der einzige Weg, die Traurigkeit, die unsere Sinne beherrscht, zu bekämpfen, ist es, ein Ziel zu haben, das sie uns vergessen macht." Seine Augen suchten Elronds Gesicht. "Sagt mir, Lord Elrond, was für ein Ziel kann ein Waldelb jetzt noch haben? Unsere zerstörten Heime wieder aufzubauen im ebenso zerstörten Düsterwald? Wir sind viel zu wenige dafür... Hierzubleiben und verzehrt zu werden von der Sehnsucht, in unsere grünen, dunklen Wälder zurückzukehren?"

Etwas ruhiger fuhr er fort: "Auch ich wünsche nicht, dass noch mehr Elben ihr Leben verlieren. Darin stimme ich vollkommen mit ihnen überein, Lord Elrond. Doch wenn das Warten hier in Bruchtal für einen Waldelb den ebenso sicheren Tod bedeutet wie der Versuch der Rache an den Orks – dann werden wir sicherlich letztere Option vorziehen. Mit oder ohne Bruchtalelben."

Elrond hatte sich ebenso erhoben, er schien etwas sagen zu wollen, doch dann verblieb er schweigend.

Mit einem kurzen Nicken verabschiedete Legolas sich von den Anwesenden und schickte sich an, die Versammelten zu verlassen. An der Tür drehte er sich noch einmal um. "Wir haben uns auch sicher gefühlt, im Düsterwald." sagte er dann von dort, und verschwand, zusammen mit seinen Waldelben.

Elrond stand da und sah ihm nach, unbeweglich, wie versteinert, für einige Sekunden, dann schlug er mit seiner Faust auf den Tisch in einem Ausbruch von Frustration, deren Vehemenz jedermann erschreckte, jedermann ausser Saruman.

Der weisse Zauberer lächelte.

Anmerkung der Autorin:

Tut mir leid für die 1 ½ wöchige Wartezeit, bis dieses Kapitel erschienen ist. Es ist dafür ein ziemlich langes! Es fällt (für einmal) mehr in den Bereich Angst/Drama, doch ich hoffe, dass es euch (ihr potentielle Leser da draussen) trotzdem gefällt – was ihr mir gerne (oh, biiiittte, tut das!) per review mitteilen könnt. Im review-Bereich mag ich eher action (Juhuu, ich hab was gekriegt) als Angst/Drama (Wahh, Panik, kein einziges Review, liest überhaupt jemand den Kram, den ich da verfasse, schnüff!)

Für Elanor:

Was ein Käfergrinsen ist? Weiss nicht genau, aber meine Freunde sagen, dass ich wie ein Käfer grinse, wenn mir etwas sehr gut gefällt (z.Bsp. bei jeder Legolas-Szene in den LotR-Filmen). Ich glaube nicht, dass Käfer grinsen können, doch wenn sie es könnten, würde es sicher albern aussehen! Danke schön für dein review! Ich hoffe, dieses Kapitel ist auch nach deinem Geschmack!

Für Yvonne:

Tja, in der englischen Version bin ich schon ein kleines bisschen weiter – um 13 Kapitel, genaugenommen! Wenn Du unter "Three rings to rule them all" oder "Hedera" nachschaust, solltest Du auf die englische Version dieser Geschichte stossen. Als ich sie geschrieben habe, habe ich nicht gewusst, dass es eine deutsche Seite für die Stories gibt...Viel Spass beim Lesen, hoffe ich!

Für Leahna:

Hmm, manchmal gehen halt (rhetorisch gesehen) die Pferdchen mit mir durch...mit gesträubtem Fell! Leider scheine ich solche "selbstgebastelten" Redewendungen nie zu bemerken...

Wegen dem Ungeduldigsein... ich hoffe mal, dass ich in Zukunft rascher updaten kann (so jede Woche einmal), aber ich muss schon sagen, ich bin eigentlich seeeehr rasch, denn am englischen Original hab ich 1 ½ Jahre geschrieben...

Für Yvanne:

Na, ist das seelische Tief überstanden? (Oder sollte man das besser nicht erwähnen?) Tja, ich weiss, dass ich mit den Waldelben (die ja eigentlich meine erklärten Lieblinge sind) grausam umgehe, doch in nächster Zeit werden sie (mit Ausnahme von Legolas natürlich, hähähä) ein wenig verschont! Gandalf und Streicher haben auch, wie gewünscht, ihre Auftritte im vorliegenden Kapitel gehabt...und weitere werden folgen!

Was das "Sattwerden" betrifft – hat jemand von euch wirklich je schon genug reviews gekriegt?!? Füttert mich....