9. Flucht nach Bruchtal
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Noch einmal drehte Legolas den Kopf, um nach dem kleinen Halbling zu sehen, der klein und verloren gewirkt hatte, als er ihn zurückgelassen hatte, aber die Entfernung, die sie trennte, war bereits zu gross, als dass er ihn im Gewwirr der Aeste noch hätte ausmachen können. Er blieb für einen Augenblick stehen, wie um der Tapferkeit des Halblings ein letztes Mal zu würdigen, dann rannte er weiter. Bei weitem nicht so schnell jedoch, wie er dies gerne gehabt hätte! Die Erschöpfung hatte seine Glieder schwerfällig gemacht, gleich nach seinem Aufbruch, und Wundschmerz und der Blutverlust, den er erlitten hatte, taten ihr übriges, sein Tempo auch weiterhin zu verlangsamen. Dennoch rannte Legolas.
Bald wurde es schmerzhaft, genügend Luft in seine Lungen zu pumpen, und ein paarmal stolperte er über Aeste oder Wurzeln, die er einfach nicht rechtzeitig gesehen hatte, und zunehmend langsamer wurden seine Reflexe, einen Fall aufzufangen, zunehmend schwer seine Stürze. Sein Blut pochte in seinen Ohren und dämpfte alle andern Geräusche, die seines fliegenden Atems und die seiner Umgebung, und wäre Legolas in diesem Zustand auf eine Gruppe Orks gestossen, dann hätte er sie weder rechtzeitig gehört noch gesehen. Doch der Elb stiess nicht auf Orks, und so rannte er weiter.
Dann, nach einer Zeit, die Legolas endlos vorgekommen war, ging gar nichts mehr. Seine Knie hatten begonnen, vor Schwäche zu zittern, längst taumelte er mehr, als dass er wirklich rannte, und sein Rücken und sein Arm schienen darum zu wetteifern, wer ihm mehr Schmerzen verursachen konnte.
Nein, es ging nicht mehr. Legolas blieb stehen und versuchte, seinen fliegenden Atem zu beruhigen, doch erneut überfiel ihn jetzt eine erbarmungslose Schwäche, und undurchdringliche Schwärze tauchte an den Rändern seines Bewusstseins auf und liess seine Umgebung verschwimmen.
Der Elb lehnte sich an den Stamm einer alten Eiche und schloss die Augen. Die Erschöpfung hatte jeglichen vernünftigen Gedanken aus seinem Kopf verdrängt, und für einige Augenblicke war selbst seine Mission aus seinem Bewusstsein verschwunden. Alles was zählte, war Atem zu schöpfen; und zu ruhen.
Legolas seufzte. Die rissige Borke der Eiche fühlte sich gut an gegen seinen Rücken, das Lied der Blätter über ihm war einlullend, verlockend...
Ein scharfer Schmerz, wie von Messern, durchfuhr seinen Rücken, und der Elb schreckte hoch. Mit seiner Rückenwunde war er gegen die Eiche gesunken, überwältigt von Müdigkeit, eine unvorsichtige Bewegung, die einen Schmerz auslöste so scharf, dass er selbst sein schwindendes Bewusstsein durchdrang.
Legolas zischte erneut, als der Schmerz nicht abklingen wollte, aber sein Verstand wurde klarer. Er richtete sich auf, aufrecht, schloss die Augen, und atmete tief durch. Er dachte an Saruman und dessen Attacke, an die Gefahr, die Bruchtal von ihm drohte, an Elrond, dessen stolzes Gesicht, und an den Streit mit ihm... Seltsamerweise war es der Gedanke an den Bruchtal-König und dessen Arroganz, der eine Welle von Adrenalin durch Legolas Körper fliessen liess und ihn endgültig aus seiner Erschöpfung riss. Er musste Elrond warnen!
Legolas liess seinem Aerger freien Lauf, liess jetzt auch dem Hass auf Saruman, auf die Orks, erneut ungehindert Zügel schiessen. Der allzu bekannte Zorn brannte, wallte in ihm auf, und plötzlich war seine Erschöpfung wie weggeblasen. Hass war schon immer eine äusserst mächtige Triebfeder...
Erneut rannte er, nicht leichtfüssig, sondern schwerfällig, plump, wie er selber dachte, und er hörte das Brechen von Zweigen, das Rascheln von Blättern unter seinen Füssen und seinen eigenen schweren Atem. Wenn die Orks nicht ganz und gar taub waren, würden sie ihn schon von weitem hören können...
Legolas biss die Zähne zusammen. Die Wunde in seinem Rücken lief zu alter Form auf; jetzt, da sein Leben nicht unmittelbar bedroht war, sandte brennende Schmerzen durch seinen ganzen Körper und machte ihn steif und ungelenk. Doch es war nicht die Wunde, die ihn langsam machte, es war die Traurigkeit, die lähmend nach seinen Gliedern griff und seine Sinne zu erstarren drohte.
Die allgegenwärtigen, dicht gewachsenen Bäume mit ihren ausladenden Zweigen, in vollem Frühjahrsgrün, die Rankenpflanzen, die Büsche, selbst die Moose und Farne des Waldes – sie alle waren da, ein dunkles, dichtes, Dach über seinem Kopf, um ihn herum – und doch fühlte er sich nicht sicher, so wie er sich früher im Düsterwald, oder in jedem anderen Wald, gefühlt hatte. Da waren Aeste, die abweisend gegen ihn erhoben waren, Schlingpflanzen, die nach seinen Füssen griffen, Dornenzweige, die nach ihm schlugen.... Er war ein Fremder, fühlte sich um nichts verbunden mit dem Wald, der ihn umgab, so wie es die Menschen tun, wenn sie die Sonne über sich zu lange aus den Augen verlieren oder wenn sich die Nacht über die Bäume senkt.
Sein Herz verkrampfte sich vor Traurigkeit. Hätte nicht der Teil seines Verstandes, der noch immer rational funktionierte, ihn noch immer vorangetrieben, Legolas wäre wohl nicht mehr weit gekommen. Die Feindseligkeit des Waldes war etwas, das er noch nie verspürt hatte; und sie machte seine Einsamkeit noch deutlicher. "Du musst Elrond warnen." An diesen Gedanken klammerte er sich, er füllte seinen Kopf, wurde zu seinem Mantra, rhythmisch geflüstert bei jedem Atemzug, er trieb ihn voran. "Du musst Elrond warnen." Seine Entschlossenheit, dies zu tun, bannte sogar die Traurigkeit aus seinem Herzen – für eine Weile jedenfalls.
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Dann warnten ihn seine Sinne erstmals vor den Orks, und gleich darauf konnte er sie auch sehen, weit vor sich. Die hässlichen Kreaturen waren weder vorsichtig noch übermässig aufmerksam, etwas, das sie nicht nötig hatten, da sie so zahlreich waren. In breiten Reihen schritten sie voran, die Gesichter angespannt, doch sie hielten ihre Waffen nicht bereit, und ihr Tempo war alles andere als schnell. Ja, langsam schritten sie voran, gelegentlich einen Speer in die Büsche um sie stossend, auf einen Baum hinaufspähend, suchend, schnüffelnd, und sie erinnerten dabei an Bluthunde, die ein ihnen sicherer Opfer verfolgten, darauf vertrauend, dass sich dieses nicht zu wehren vermögen würde, um ihrer Ueberlegenheit gefährlich werden zu können.
Sie suchten ihn, Legolas, und den kleinen Halbling.
Und sie versperrten ihm den Rückweg nach Bruchtal.
Ein kleines, verächtliches Lächeln kräuselte die Lippen des Elben. Die Orks waren schlechte Jäger, wenn ihr Opfer gewarnt war! Sie hielten die Abstände zwischen den einzelnen Suchenden viel zu gross. Sie waren laut und zerstörerisch. Sie waren wie blind im Wald, der wahrscheinlich nicht ihr liebstes Element war. Und sie rechneten nicht mit Gegenwehr....
Wenn das Glück auf seiner Seite war, würde er an ihnen vorbeikommen, ohne dass sie es bemerkten! Falls nicht noch weitere Orks-Truppen auftauchten, so dass er sich plötzlich zwischen deren Fronten wiederfinden würde....
Legolas spürte eine seltsame Erregung in ihm aufsteigen, die eines gejagten Tieres vielleicht, doch zum ersten Mal seit ihrer Flucht vor Saruman fühlte er etwas wie Hoffnung in sich aufsteigen, tatsächlich nach Bruchtal zurückkehren zu können. Er hielt sich, vorerst weit entfernt von den Orcs, hinter dem knorrigen Stamm eines alten Ahorns verborgen, und beobachtete sie, während seine Blicke wild umherschweiften.
Dann war sein Plan gefasst.
Es war eigentlich nicht wirklich ein Plan, sondern ein blosses Abwarten, dass die plumpen Orks an ihm vorbeiziehen würden, etwas, das höchstwahrscheinlich mehr an Legolas' Nerven zehren würde als jeglicher Kampf, doch es blieb ihm nichts anderes übrig. Er hatte keine nennenswerten Waffen, seine Gegner waren in der Ueberzahl; und er hatte seinen Auftrag. Er musste am Leben bleiben, um Elrond zu warnen. Die Orks waren jetzt schon näher heran. Fast glaubte Legolas, schon ihren fauligen, verderbten Geruch in der Nase zu haben, etwas, das höchstwarscheinlich nur seiner Einbildung entsprang.
Noch hatte er genügend Zeit, seinen Ahorn zu erklettern, hoch genug, dass er ausserhalb der Reichweite der Speere blieb, die gelegentlich in die Baumkronen gesteckt wurden, und tief genug, dass der Baum nicht unter seinem Gewicht zu schwanken begann und ihn auf diese Weise verraten konnte...
Dann sass er in einer Astgabel, jeder Muskel, jeder Nerv zum Zerreissen gespannt, und widerstand der Versuchung, nach unten zu sehen. Stattdessen lauschte er. Sein linker Oberschenkel begann, sich vor Anspannung zu verkrampfen, er zitterte. Nur mit äusserster Willensanstrengung konnte Legolas die Bewegung stillen. Seine Aufregung stieg weiter, und unbewusst schloss und öffnete er die Hände. Wenn er doch seinen Bogen hier hätte! Seinen Bogen und einige Pfeile! Oh, er würde den Orks zeigen, was es hiess, einen Elb zu jagen!
Dann kamen die Orks wirklich nahe, und der Hass verschlug Legolas den Atem. Der Krampf kehrte in seinen linken Oberschenkel zurück, doch diesmal kümmerte es den Elben nicht. Er biss sich auf die Unterlippe, bis sie blutete. Jetzt! Jetzt tauchte sogar ein Ork unter seinem Baum auf! Kurz legte er seine Hand auf den Stamm des Ahorns, liess die Schultern hängen, er sah nicht ein einziges Mal nach oben. Die Sonne schien ihn stark mitgenommen zu haben. Legolas hielt noch immer den Atem an, bereit, sich sofort auf seinen Gegner zu stürzen, sollte dies notwendig werden. Das Opfer, das die Orks für so sicher hielten, würde unter seinen Jägern gehörig wüten, bevor es seinen letzten Atemzug machen würde!
Ein Teil Legolas' wünschte sich fast, entdeckt zu werden. Der Hass auf die Orks war schmerzhaft, kaum mehr zu ertragen. Wenn sie ihm einen Grund gaben... ein Ork zumindest würde dafür mit dem Leben bezahlen!
Dann ging die schwarze Kreatur weiter. Legolas zwang sich, lautlos auszuatmen. Das Blut pochte in seinen Schläfen. Er blieb, reglos, zusammengekauert in seinem Versteck, und jetzt, da die unmittelbare Bedrohung vorbei war, spürte er doch Erleichterung darüber, dass er von der Entdeckung verschont geblieben war. Das glaubte er zumindest...
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Es waren die Screekers, die ihn schliesslich verrieten. Die dunklen Vögel, die Spione Sarumans, hatten ihn schon eine ganze Weile nicht aus den Augen gelassen und gewartet. Gerade als Legolas – nach einer scheinbar endlosen Ewigkeit, in der er gewartet und gelauscht hatte – sich vorsichtig aus seiner kauernden Haltung erhob, schrie einer von ihnen heiser auf, Sekunden später fiel die ganze Horde in sein Rufen ein – dann widerhallte der ganze Wald von ihren misstönenden Schreien.
Legolas war für eine Sekunde wie erstarrt vor Schreck, dann handelte er nur mehr automatisch. Aus voller Höhe liess er sich vom Ahorn fallen, landete unglücklich auf dem linken Fuss und biss die Zähne zusammen, als eines seiner gedehnten Bänder schreckliche Schmerzen durch sein Bein sandte. Er ignorierte den Schmerz und warf sich herum. Die Screekers umschwirrten ihn in einer schwarzen, drohenden Wolke. Keiner von ihnen wagte es, den Elb anzugreifen, so beschränkten sie sich darauf, weiterhin zu zetern, und die Orks die schmutzige Arbeit für sie erledigen zu lassen.
Die Orks, jetzt vielleicht dreissig Meter von ihm entfernt, hatten sich umgedreht, um nach der Ursache der plötzlichen Aufruhr zu sehen. Für einen Moment standen sie sich reglos gegenüber, die Orks und der Elb, dann warf sich Legolas herum und rannte. Dies schien den Orks ihre Geistesgegenwart zurückzugeben, denn auf einmal machten sie mit ihrem Gebrüll den Screekers Konkurrenz und schickten sich ihrerseits an, den Elb zu jagen. Unter normalen Umständen wäre Legolas um einiges schneller gewesen als seine plumpen Jäger. Aber es waren dies keine normalen Umstände! Die Muskeln seines Oberschenkels, schon vorher verkrampft, wollten sich einfach nicht entspannen, und schon umschwirrten die ersten Pfeile ihn. Der Elb war zudem schlicht und einfach am Ende seiner Kräfte, und ahnte instinktiv, dass seine Flucht vergeblich sein würde. Er konnte es ablesen an der Tatsache, dass die Orks hinter ihm freudig brüllten. Und daran, dass sie sich breit ausfächerten und ihn so wirksam in eine Richtung trieben.
Und seine Instinkte behielten recht. Nach einer halben Ewigkeit, in dem es ihm gerade mal gelungen war, vielleicht fünfzig Meter zwischen sich und seine Verfolger zu bringen, stand er vor dem Abgrund, auf den die Orks ihn hingetrieben hatten. Vor der beeindruckenden Schlucht, an deren Grudn der Bruinen rauschte, der mitten durch Bruchtal floss. Er war also seinem Ziel viel näher, als er bisher geglaubt hatte! Und doch unerreichbar fern davon, denn die Schlucht, vor der Legolas jetzt stand und vor der er zurückschreckte, war viel zu tief, als dass sie jemand hätte lebend überqueren können...
Das Triumpfgebrüll der Orks wurde lauter, mischte sich mit dem aufgeregten Kreischen der Screechers. Sie übertönten das wilde Rauschen des Flusses, unter ihm. Nur sein Herzschlag war lauter.
Vor ihm die Schlucht, hinter ihm die Orks... Einem Elb fiel die Wahl in dieser Situation nicht schwer. Legolas sprang über die Klippe, was die Orks mit einem wütenden Brüllen quittierten.
Federnd landete er auf einem kleinen Vorsprung in der ansonsten recht steilen Felskluft, die die rauschenden Wasser des Bruinen in jahrtausendealter Anstrengung herausgearbeitet und poliert hatten. Eine Erle hatte dort Fuss gefasst. Ihre glatten, langen, schlangengleichen Wurzeln boten Halt, so dass er weiter in die Schlucht hinabklettern konnte, wenigstens einen Meter oder zwei, dann fanden seine suchenden Füsse keinen Halt mehr. Ueber ihm ertönte erneut das Gebrüll von Orks, ein paar kleinere Felsbrocken und Steine polterten auf ihn nieder, einer traf ihm oberhalb seiner rechten Braue. Legolas warf den Kopf hoch. Ueber sich sah er mehr als ein Dutzend hässliche schwarze Fratzen, die auf ihn niederstarrten. Und Spitzen von Armbrüsten, Pfeilen, und Speeren, die das gleiche taten.
Legolas schloss resigniert die Augen. Seine Anstrengungen, seine Qualen, und auch die eines kleinen Hobbits, waren also vergeblich gewesen! Gleich würden ihn Ork-Pfeile durchbohren, ihn in den Abgrund reissen, und seltsamerweise fühlte er in diesem Moment keine Angst, nur ein leises Bedauern, dass das letzte, das er sehen würde, die hässlichen Fratzen seiner Erzfeinde sein würden, und nicht die lieblichen Wälder seiner Heimat, oder die Gesichter derer, die er liebte.
Mehr hasserfüllte Laute, mehr Steine, die auf ihn niederpurzelten. Legolas öffnete die Augen, die er instinktiv fest zusammengepresst hatte, erneut, sah hoch. Bis jetzt hatte niemand auf ihn geschossen... Und es sah ganz so aus, als ob die Orks sich uneinig wären, ob sie es noch tun sollten oder nicht. "Sie wollen mich lebend!" fuhr es Legolas durch den Kopf. "Deshalb zögern sie zu schiessen..." Er biss die Zähne zusammen. Er hatte von den entsetzlichen Gerüchten gehört, was mit Elben passierte, die das Unglück hatten, lebend in die Hände von Orks zu fallen, und dass diese es liebten, mit ihren Opfern zu spielen, aber das hier war anders, das wusste er instinktiv.
Mit einem dumpfen Knall landete ein mutiger Ork auf dem Vorsprung, auf den sich auch Legolas zuvor geflüchtet hatte. Er knurrte den Elben herausfordernd an, kniete dann aber nieder und streckte eine Hand aus. Die andere lag auf seinem Dolch.
Das Bild war so absurd, so unwahrscheinlich, und Legolas' Nerven durch die Strapazen der letzten Zeit so erschüttert, dass er laut auflachte. Der Ork knurrte und streckte seine Hand weiter aus, so weit er es riskieren konnte, ohne dass er Gefahr lief, von der Kante des Vorsprungs zu stürzen. Legolas lachte noch einmal, aber sein Lachen endete in einem unterdrückten Schluchzen. Der Ork war da, um ihm zu helfen! Kein Ork würde das tun, nur um ein Objekt zu gewinnen, mit dem er seine grausamen Spiele spielen konnte! Etwas anderes musste dahinterstecken, und Legolas wusste instinktiv, was es war.
Er spürte, wie die Kraft aus seinen Armen rann.
Noch immer hatte er keinen Halt für seine Füsse gefunden. Kalter Schweiss bedeckte sein Gesicht, brannte in seinen Augen. Legolas atmete tief ein, um sich zu beruhigen. Er hatte zwei Optionen: In den Fluss zu stürzen; oder sich von den Orks retten zu lassen. An letzteres verschwendete er keine weiteren Gedanken. Er würde Saruman nicht ein weiteres Mal in die Hände fallen, denn Saruman musste es wohl sein, der den Orks befohlen hatte, ihn lebend zurückzubringen. Dann passten auch die Screekers plötzlich besser ins Bild...
Seine verletzte Hand verlor plötzlich jegliche Kraft. Mit einem entsetzten Aufschrei fasste Legolas nach der Wurzel, mit der anderen Hand, aber auch aus dieser rann die Kraft, erbarmungslos, wie Wasser aus einem defekten Gefäss. Wie in Zeitlupe konnte er sehen, wie sich seine verkrampften Finger langsam, ganz langsam zu öffnen begannen, und übergross erschien ihm auf einmal die schwarze Hand mit den Klauen, die sich ihm helfend, rettungsversprechend entgegenstreckte. Legolas sah hoch, in die gebleckten Zähne einer Orkfratze, entblösste ebenfalls seine Zähne und liess dann los.
Noch während er fiel, hörte er das wütende Auffauchen der Kreatur über ihm, fühlte ein kurzes Thriumphgefühl in ihm aufwallen, wenigstens ihnen nicht in die Hände gefallen zu sein, dann fiel er in das schäumende, tosende Wasser des Bruinen.
Wasser füllte sofort seinen Mund und seine Nase, und Panik befahl Legolas, wild mit den Armen zu rudern. Sein Körper wurde von einem Strudel erfasst, prallte gegen einen Stein, doch der erwartete Schmerz blieb aus, nicht zuletzt, weil die Kälte des Wassers eine lähmende, betäubende Wirkung auf ihn ausübte. Wäre sein Kopf nicht ohne sein Zutun zufällig wieder über Wasser geraten, wäre Legolas wohl ertrunken, bevor er seine Sinne wieder beisammengehabt hätte. Doch die zwei, drei hastigen Atemzüge, mit denen er frische Luft in seine Lunge zu pumpen vermochte, weckten seine Lebensgeister, und Legolas begann zu kämpfen.
Erneut geriet sein Kopf unter Wasser, und er riss die Augen auf, sah schimmernde Helligkeit über ihm, und ein paar angestrengte Schwimmzüge brachten ihn erneut in Reichweite des kostbaren Sauerstoffs. Tief, tief holte er Atem, und diesmal schaffte er es, sich ein paar Sekunden an der Oberfläche zu halten.
Er warf den Kopf herum. Der Fluss hatte ihn bereits ein beachtliches Stück abgetrieben, und von den Orks war gegenwärtig nichts zu hören und auch nichts zu sehen. Dennoch suchten sie wohl bereits den Fluss nach ihm ab!
Sein Körper prallte erneut gegen einen Stein, mit dem linken Arm voran, den er in einer Schwimmbewegung vor sich gestreckt hatte. Jetzt reichte die Betäubung durch die Kälte nicht mehr, vor Schmerz schrie er auf. Er musste vorsichtiger sein, oder er würde einen Arm oder ein Bein brechen, wenn er weiterhin so gegen Felsen geschmettert wurde. Oder schlimmeres. Andererseits trug ihn der Fluss auch weg von den Orks, und näher an Bruchtal heran...
Dann reifte eine verzweifelte Idee in Legolas' Verstand. Wenn es ihm gelang, den Kopf über Wasser zu halten...Schwimmend würde er um einiges schneller vorankommen...
Tatsächlich kam Legolas auf diese Weise recht gut voran, wenigstens für eine Weile. Er kam sogar zu einer Stelle des Flusses, wo er diesen hätte verlassen können, da das Wasser in einem breiten und relativ strömungsarmen Kanal floss, doch Legolas, von neuem mit grimmiger Determination erfüllt, schwamm, watete weiter.
Es war die Kälte, die ihm schliesslich einen Strich durch die Rechnung machte. Sein Körper wurde nach und nach tauber, steifer, unbeweglicher, und als er das erste Mal gegen einen Stein prallte, den er vorhergesehen hatte, den er aber nicht zu vermeiden mochte, weil seine Arme ihm nicht mehr gehorchten, da wusste er instinktiv, dass er das Wasser verlassen musste. Falls es ihm noch gelang. Ein prickelndes Kribbeln hatte in seinen Gliedmassen eingesetzt, und seine Lunge schien sich verengt zu haben, so dass er den Atem in schmerzhaft kleinen Atemzügen holen musste. Mehrmals geriet er jetzt mit dem Kopf unter Wasser, verschluckte sich, und ein krampfhafter Husten schüttelte seinen Körper, als er gegen einen Felsen in der Flussmitte gespült wurde. Ein ebenfalls angespülter Ast bohrte sich schmerzhaft in seinen Oberschenkel, und der Schmerz weckte seine Lebensgeister genug, dass er von irgendwoher die Kraft fand, sich aus dem Wasser auf den kalten Stein zu hieven. Dieser war nicht gross, gerade gross genug für Legolas, ans Trockene zu gelangen, wenn er auch von Gischtwasser dauernd benetzt wurde.
Dort lag er für einen kostbaren Moment, pumpte Luft in seine geschundene Lunge und versuchte, das unkontrollierte Zittern, das seinen Körper erfasst hatte, zu unterdrücken. Es war kalt, so kalt.... und doch war er wahrscheinlich noch weit von Bruchtal. Er musste weiter! Weiter... Doch eine andere Stimme in seinem Kopf, die viel verlockender klang, flüsterte ihm zu, sich auszuruhen, nur für einen Augenblick, etwas warm zu werden, ruhig zu atmen. Legolas wollte nicht auf diese Stimme hören, doch schon verwirrten sich seine Gedanken, sein Kopf wurde leicht, und, begleitet von der sanften Musik des strömenden Wassers um ihn herum, fiel Legolas in einen tiefen, bleiernen Erschöpfungsschlaf.
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Weiter nördlich begannen die Orks, das Ostufer abzusuchen.
Fortsetzung folgt...
Anmerkung der Autorin: Irgendwie werd ich das Gefühl nicht los, dass dieses Kapitel etwas konfus ist. Naja, wenn ihr denselben Eindruck habt, seht es einfach als Spiegel von Legolas' Gefühlen: Alleine und verletzt auf der Flucht vor unzähligen (und unbekannten) Gegnern, verwickelt in eine Sache von immenser Bedeutung für das ganze Elbenvolk, von der er instinktiv weiss, dass sie eigentlich zu gross für ihn ist.. Vielleicht bin ich aber auch nur paranoid! Ahem, wie auch immer, lasst mich wissen, was ihr davon hält! Biiiiittttteeeeee!
Sonst: Fröhliche Weihnachten da draussen! Damit ihr's gleich wisst: Legolas, mit einer rosa Schleife drumherum, krieg ich zu Weihnachten! Also macht euch keine Hoffnungen! Vielleicht schaff ich es noch, in diesem Jahr zweimal upzudaten, wenn ihr nett darum bittet!
Für Shelley: Mann, bin ich froh, dass Du Sarumans Rede für logisch hältst! Damit steht und fällt nämlich meine Geschichte! Ich hab echt viel Zeit in diese kleine Rede gesteckt! Ich hoffe natürlich, dass der Rest der Geschichte Dich nicht enttäuscht. Kurze Frage noch: Wie schaffst Du das, so schnell zu reviewen?!? Ich hatte ja das Kapitel 8 kaum 10 Minuten gepostet, war Dein review da! (Yuhuu, reviews! Ich häng davon ab wie Gollum von rohen Fischen!)
Für Elanor: Absolut richtig, das mit dem Superkäfergrinsen! (=Breitmaulfroschgrinsen, wie meine * netten * Schwestern das nennen)! Vor allem, wenn Du schreibst, dass Du bei der englischen Story nachgucken musstest! Wie schon gesagt, ein netteres Kompliment kann es für mich fast nicht geben! Warum Saruman einen so grossen Einfluss auf Elrond und Co. hat?
Nun, er war ja früher einmal gut (auch Gandalf vertraut ihm ja im Buch, weshalb sollte Elrond es dann nicht tun?) und er ist ein Zauberer, der sich meisterhaft auf die Manipulation von seiner Umgebung versteht. Zudem sind die Waldelben und Bruchtalelben nicht gerade in innigster Freundschaft verbunden, wenn sie sich auch nicht gerade feindlich gegenüberstehen. (Wird alles in den späteren Kapiteln ausgeführt...) Nicht zu vergessen: Danke für das lange review!
Für Ivanne/Evellon: Na, wie liefen denn Eure Arbeiten? Es muss sehr schwierig sein, eine Prüfung zu schreiben, wenn man den Kopf voll genialen Bildern aus seiner Lieblingsfantasywelt hat! Ich kenn es nur von früher her: Einmal musste ich nach einem Hosen-Konzert eine Mathearbeit schreiben, und alles, was mein Hirn zustande brachte, war "Eisgekühlter Bommerlunder" zu singen, egal, mit was ich ihm drohte! Nun ja, hier ist wieder etwas Lesefutter für zwei meiner getreusten reviewer! Ich hoffe, es gefällt euch. Ich geb mir Mühe, bald wieder weiterzuschreiben: Nächstes Chapter am 26.? Ok?)
