22. Das Ende einer dunklen Geschichte
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Elrond verblieb auf dem Schlachtfeld, bis die letzten Leichen der gefallenen Orks zu grossen, schwarzen Haufen zusammengetragen worden waren, und er war auch dann noch dort, als diese Stapel aus Körpern in Brand gesteckt wurden, gänzlich unzeremoniell, erneut belebt wurden von rauchenden und tanzenden Flammen, die sie verzehrten, und er hatte sich nicht gross von der Stelle gerührt, als sie – endlich!- einer nach dem andern erlöschten.
Doch noch immer hing dicker, schwarzer Rauch, dicht wie ein zäher Novembernebel, über diesen Scheiterhaufen, ja, über der ganzen Lichtung und verbreitete den Geruch von Tod und Verwesung, legte sich auf das Gemüt der Elben wie zäher, gnadenloser Treibsand, der sein Opfer umgibt, enger und enger, bis es dessen Mund und Nase zu füllen vermag und es für immer in seiner tödlichen Umarmung behält.
Lange zuvor waren die Verwundeten nach Bruchtal zurückgebracht worden, in einem langen, langsamen Zug, der kaum erkennbar gewesen war als die stolze Armee der Elben, die diesen Morgen noch ausgezogen war, um ihr Reich zu verteidigen, und über ihm hing die ganze Tragödie eines Volkes, das in einen Krieg hineingezogen worden war gegen seinen Willen, um aus ihm herauszugehen mit sichtbaren und unsichtbaren Narben, wohl wissend, dass all seine Tapferkeit, sein Mut, seine Opferbereitschaft, und selbst sein Sieg, nichts ändern wird an der Tatsache, dass nichts mehr wie früher sein wird.
Ein noch immer glimmender Russflocken verfing sich in Elronds Haar. Der Elbenkönig entfernte ihn mit einem Spur Ekel auf seinem Gesicht – nichts von einem Ork, nicht einmal dessen sterbliche Ueberreste, mochte er an sich dulden - und er überblickte die noch immer glühenden Aschehaufen und fragte sich, ob sie vielleicht ein Spiegel dessen waren, was übriggeblieben war von der elbischen Macht in Mittelerde:
Einst mächtig und einflussreich, einem lodernden Feuer gleich, so war sie gewesen, ein Feuer, das selbst der grössten Dunkelheit zu trotzen vermochte, doch heruntergebrannt jetzt zu einem Haufen Asche, von dem niemand so recht zu sagen vermochte, wieviel Glut, wieviel Leben noch in ihm steckte.
Würden die Funken dieses sterbenden Feuers erneut angefacht werden durch die Stürme des Unheils, die sich nun gegen die Elben zusammenzubrauen schienen? Oder waren sie ganz einfach dazu verdammt, weggewaschen zu werden aus der Erinnerung der andern Völker, die jetzt Mittelerde bevölkerten, wie die Asche eines aufgegebenen Lagerfeuers, auf das der Regen fällt?
Gandalfs düstere Worte hatten Vorahnungen in seiner Seele geweckt, dunkel wie der Nebel auf der Lichtung vor ihm.
‚Es ist noch nicht vorbei, Lord Elrond. Es ist noch nicht vorbei...'
Erneut fühlte Elrond etwas wie einen Stich im Herzen, als er sich diese Worte ins Gedächtnis rief, ähnlich dem, den ein Kind empfinden mag, wenn es dem Gespräch Erwachsener lauscht und Dinge hört, die nicht für kleine Ohren gedacht sind.
Nicht überrascht jedoch war er durch sie gewesen, diese Worte, hatten sie doch nur ein Wissen bestätigt, das er schon immer gehegt hatte, im Innersten seiner Seele: Das Wissen, an einem Spiel teilzunehmen, in dem den Elben keine eigentliche Rolle zugedacht worden war, oder, schlimmer, dass all das, was sie erduldet hatten, die Opfer, die sie gebracht hatten, sich am Ende als irrelevant herausstellen würden auf der Bühne eines viel grösseren Spiels, das niemand noch verstand, und für das der Siegespreis wertvoller, viel wertvoller sein würde als selbst der Besitz der drei Elbenringe.
Abendwind hatte sich erhoben und trieb Aschereste von den Scheiterhaufen vor sich her; wie orange-schwarze tanzende Käfer schwebten sie durch die Luft. Elronds Blick blieb für einen Augenblick an einem von ihnen hängen, während er, ganz in Gedanken verloren, dastand, und es geschah an jenem Abend, dass die Sorge um sein Volk seine Liebe zu Bruchtal, zu Mittelerde, zu überwiegen begann, und die Entscheidung, sie zu verlassen, reifte in ihm, wusste er doch in seinem Herzen, dass kein Abschiedsschmerz schlimmer sein konnte als das, was er empfunden hatte, als er so viele seines Volkes hatte sterben sehen an diesem heutigen entsetzlichen Tag.
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Gandalf wiederholte seine dringende Bitte um ein privates Gespräch mit dem Elbenkönig, sobald Elrond vom Schlachtfeld zurückgekehrt war, zusammen mit den letzten elbischen Kriegern, die dort noch beschäftigt gewesen waren, und jetzt zögerte dieser keinen Augenblick, darauf einzugehen, obwohl er sich eigentlich nichts weiter wünschte, als die Spuren der Schlacht von seinem Körper wegzuwaschen und seinem gequälten Geist etwas heilende Ruhe zu gönnen.
Was der Zauberer ihm zu sagen hatte, waren die ersten groben Regeln des grossen Spiels, von dem er schon befürchtet hatte, dass es bereits begonnen hatte, und von dem Gandalf nichts weiter kannte als den Einsatz, und einige Gesichter der Spieler des gegnerischen Teams. Doch keines der Worte, die Gandalf an ihn richtete an jenem Abend, erschreckten ihn mehr als die Tatsache, dass er erneut eine Spur von Unsicherheit, ja gar Angst, entdecken konnte in den Augen des Zaubereres, ganz so, als würde er von jenen dunkeln Mythen erzählen, über die man nur hinter vorgehaltener Hand munkelt, und ganz so, als wäre das Spiel etwas, das selbst er, der graue Zauberer, zu fürchten hatte.
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Wie lange schnurähnliche Wasserpflanzen durchdrangen Lichtfäden die Dunkelheit seines tiefen, todesähnlichen und traumlosen Schlafes, und es war ihr sanftes Wiegen, das ihn endlich ins Bewusstsein zurückbrachte. Er erwachte, und es war ihm wie jemandem, der aus dem Wasser eines tiefen, dunklen Brunnen auftaucht und das Licht über seinen Kopf zusammenschlagen fühlt, wenn er –endlich!- die Wasseroberfläche durchbricht, um zu Helligkeit und Licht zurückzukehren.
Er öffnete seine Augen.
Es war eine schmerzhafte Erfahrung, und das fliessende Licht schmerzte, ganz so, als wäre er eine dieser Kreaturen der Dunkelheit, die die Existenz der Sonne nur erahnen können, um dann plötzlich, und unerwarteterweise sich unter prallem Sonnenlicht wiederzufinden, und wie jemand, der sich durch dünne Luft bewegt, fühlte er, wie sich seine Kehle verengte ob dem Eindruck, zuwenig Sauerstoff in seine Lungen pumpen zu können, und tief, tief, atmete er ein, während er in das Licht blickte, das sein Herz mit jungenhafter Freude erfüllte, ohne dass er wirklich wusste, warum.
„Elwyne! Elwyne!" Jemand ergriff seine Hand und drückte sie. „Elwyne!"
Die wenigen Silben widerhallten in seinem Kopf, und er verstand sie sogar, doch noch immer brauchte sein lethargischer Verstand eine Weille, ihre Bedeutung zu wirklich zu erfassen, und als er den Mund öffnete, umd auf die drängende Stimme zu antworten, die da sprach, da bemerkte er, dass seine Kehle viel zu trocken dazu war.
Er gab seinen Versuch zu sprechen auf, und hustete etwas, während warmes Licht Kringel auf sein Gesicht und seinen Oberkörper malte und ihn vor Glück erschauern liess.
„Elwyne!" Neben dem forderden Ton lag jetzt auch etwas Verängstigtes in der Art, wie sein Name ausgesprochen wurde, und der Druck der Hand, die die seine umschloss, verstärkte sich zu einem fast schmerzhaften Mass, und jetzt hätte Elwyne wirklich gerne geantwortet, hätte er es bloss vermocht, doch noch immer gelang es ihm nicht, Worte zu formen, und er brachte bloss einen heiseren Laut hervor, der mehr nach jungen Raben klang, die fordend nach Futter schrien, denn nach einer melodiösen elbischen Stimme.
Glücklicherweise wurde sein Krächzen dieses Mal richtig interpretiert, und ein Becher mit kühlem, frischem Wasser wurde an seine Lippen gehalten. Elwyne trank zwei, drei hastige Schlucke, vielleicht zu hastig, denn sein Magen verkrampfte sich unmittelbar in Protest, und der Elbenprinz wandte seinen Kopf ab.
Doch das Wasser hatte ihn erfrischt, und endlich fand er auch den Gebrauch seiner Sprache wieder, schaffte es sogar, seine Augenbewegungen so zu koordienieren, dass der Raum um ihn herum in Fokus kam und die Doppelbilder vor seinen Augen sich auf ein vernünftiges Mass reduzierten..
Heiser, als wäre er nie wirklich daran gewöhnt gewesen zu sprechen, fragte er:
„Legolas?"
Seine Gedanken waren noch immer zähflüssig wie Blei, doch dann wurden ihm zwei weitere Schlucke Wasser sanft aufgedrängt, und sein Kopf wurde leichter, und endlich nahm das Gesicht seines Bruders, der neben ihm auf dem Bett sass, eine endgültige Form an.
„Legolas!" wiederholte er, stolz darüber, den Bruder endlich erkannt zu haben, während die Müdigkeit bereits erneut mit ihren bleiernen Fingern nach ihm zu greifen und seine Augen sich erneut zu schliessen begannen. „Du siehst aus, als hättest Du mit ein paar Düsterwald-Spinnen gerauft!"
„Warte
nur ab, bis Du dich selbst im Spiegel siehst!" antwortete Legolas, und da war
etwas wie Lachen und Weinen zugleich in seiner Stimme. „Warte nur ab!"
Elwyne hatte nur noch die Kraft übrig für eines seiner so charakteristischen ironischen Lächeln und ein leises Murmeln, bevor er erneut einschlief, doch die Vertrautheit dieses Anblicks war genug, etwas von dem Eis zu schmelzen, das seines Bruders Herz umgab, und Elwyne hatte mit seinem Erwachen und seinen wenigen Worten mehr erreicht, als er vielleicht ahnte, etwas, das der Rettung von Legolas Seele gleichkam, denn in dessen Herz, so voll von Zorn und schwarzen Rachegedanken, da hatten sie einen Funken Hoffnung entzündet, einen kleinen nur, aber einen vielversprechenden, der sich vielleicht einmal, wenn man ihm genügend Zeit liess, zu einem Feuer auswachsen würde.
Und Elwyne schlief, doch tief, und ungestört, dieses Mal, denn jetzt schlief er den tiefen Schlaf der Rekonvaleszenz, etwas, das seinem Bruder nicht entgehen konnte, und in einem Anfall von jäher Freude sprang Legolas auf, um seine Emotionen unter Kontrolle zu bringen, die ihn zu überwältigen drohten seit jener Sekunde, in der er Zeuge des Erwachen seines Bruders geworden war, und so intensiv war seine Freude, dass wenigtens jemand aus seiner Familie überlebt hatte (und weiterhin leben würde, wenn auch verkrüppelt) dass sie ihn den Schmerz vergessen liess, der seinen Arm bei dieser aprubten Bewegung durchflutete.
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Ein atemberaubendes Erlebnis erwartet denjeneigen, der das erste Mal in seinem Leben einen tropischen Regewald betritt. Noch in dem Augenblick, in dem sich des Waldes luxuriöses grünes Blätterdach über seinem Kopf schliesst, beginnen Myriaden von Moosen, Farnen, Blütenpflanzen, Ranken und Bäume um seine Aufmerksamkeit wettzueifern, und hunderte von kleinen und grösseren Tieren tragen weiter zu diesem überwältigendem Eindruck von blühendem Leben bei.
Doch in jedem dieser Besucher (oder Eindringling), der dort auch nur für eine kleine Weile länger verbleibt (selbst wenn seine Sinne wie trunken sind von all der Schönheit, die ihn umgibt) wird eine Art undefinierbares Unwohlsein aufsteigen, nur milde irritierend zuerst, doch bald genug fast erdrückende Dimensionen annehmend,
ohne dass er je dazu in der Lage wäre, dieses Gefühl auch nur annähernd zu beschreiben. Erst viel später wird er begreifen, dass es der Duft der Verwesung gewesen ist, der sein Gemüt niedergedrückt hat, und er wird erkennen, dass sich dort Tod, Vergehen und Verwesung nur ungenügend hinter pulsierendem Leben verbirgt.
Der Kreislauf von Geburt und Tod ist nirgends so dicht verknüpft wie hier, wo grosszügigstes Leben neben faulendem Tod existiert, wo die Vergänglichkeit dunkel lauert – und vielleicht haben sie das ähnlich empfunden, die Teilnehmer von Elronds zweitem Rat, der am zweiten Tag nach dem Sieg der Elben stattfand, denn selten waren in der Vergangenheit ernstere Gäste empfangen worden in Bruchtal, als ob selbst dessen Schönheit mittlerweile zu einer Durchsichtigkeit verblasst war und nicht länger fähig war, die Tatsache zu verschleiern, dass eine der letzten elbischen Stätte wohl dazu bestimmt war, bald schon in Ruinen zu zerfallen, aufgegeben von den Elben.
Besonders die Elben schienen unter dieser drückenden Atmosphäre zu leiden und waren apathisch wie die Menschen bei grosser Hitze, denn „Vergänglichkeit", das war etwas, das sie nicht verstanden.
Gandalf war dort, erfüllt von rastloser und nervöser Energie, und Elrond, ruhiger jetzt (der Entschluss, Bruchtal zu verlassen, hatte Wurzeln gefasst in seinem Herzen) und Nerdein und Legolas von den Waldelben, von denen der letztere seinen verbundenen Arm in einer Schlinge und den Ring seines Vaters an einer feinen Kette um den Hals trug, da die Finger seiner rechten Hand noch zu verschwollen dazu waren. Da waren aber auch noch andere, vielleicht unerwartetere Gäste: Boromir, der von Bruchtals Notlage gehört hatte auf seiner Rückreise nach Gondor, und augenblicklich zurückgekehrt war, um den Elben beizustehen in der Hoffnung, bei ihnen jetzt offenere Ohren zu finden für die Not seines Volkes; ebenso wie die Zwergendelegation, die bereits am ersten Rat Elronds teilgenommen hatte.
Doch die unerwartetesten Gäste beim Rat waren sicherlich die zwei für einen Elben kindlich klein scheinenden Hobbits, die Gandalf aus dem Auenland hergeführt hatte wie einst Bilbo. Da der graue Zauberer kein Wort darüber verloren hatte über ihre Verwicklung in das Schicksal Bruchtals oder Mittelerdes, wurden sie mit einiger Neugierde beäugt, und, wenn man der Nervosität nach urteilte, die diese zwei Hobbit vergeblich zu verbergen suchten, dann waren sich diese selbst auch nicht so sicher über die Rolle, die sie in Elronds zweitem Rat zu spielen haben würden. Nicht viel Zeit wurde auf Begrüssungsformalitäten verschwendet (im Unterschied zum ersten Rat, wo die ausgefeilten Reden und Begrüssungsriten besonders auf der Seite der Elben ziemlich viel Zeit in Anspruch genommen hatten), denn jetzt waren Elrond und seine Berater eingetroffen, und der Rat begann.
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Nicht viel wurde auch gesprochen über die Schlacht gegen die Orks, nur soviel, dass jeder verstand, was sich wirklich abgespielt hatte, denn für Gandalf schien es von grosser Wichtigkeit zu sein, dass besonders die Hobbits gut informiert waren.
So war Legolas früh genug, und gegen seinen Willen, dazu gezwungen, von Dingen zu erzählen, die er lieber nicht noch einmal im Gedanken hatte durchleben wollen: Vom Tod seines Vaters und Sarumans Mordanschlag auf ihn, während er versuchte, an den ersten Elbenring heranzukommen, und vom Untergang seines Volkes; und hastig und mager waren seine Worte, nichts von dem Leid, den Schmerzen und den Zweifeln verratend, die er in jenen Tagen empfunden hatte, denn so kurz sie auch waren, seine Worte, so brachten sie doch eine Flut von schrecklichen Erinnerungen mit sich, denen er sich nicht wirklich zu stellen vermochte, nicht hier, nicht jetzt.
Doch obwohl seine Stimme flach und emotionslos blieb, während er sprach, so waren seine Augen doch nicht mehr tief und leblos wie ein ausgetrockneter Brunnen, und sein Herz nicht mehr kalt und hart wie Stein, denn er hatte begonnen, wenn auch erst langsam, sich wieder für seine Umgebung zu interessieren, und niemand in dem ganzen Rat war darüber mehr erleichtert als Gandalf, der seine Pläne hatte für Thranduils Sohn, den Prinzen vom Düsterwald, die er jemanden, der ausser sich war vor Traurigkeit und Hass, niemals hätte enthüllen können.
Dann lag das Wort bei Aragorn, und die Aufmerksamkeit der Vertreter aller freier Völker Mittelerdes lag bei ihm, als er in knappen Worten von seinen und Arwens Erlebnissen im Wald nördlich Bruchtals berichtete: Wie sie die giftige Dame gesucht hatten, um Elwyne heilen und damit Legolas Unschuld beweisen zu können (ein schwaches Lächeln erhellte des Elbenprinzen Gesicht bei diesen Worten, das sich aber rasch wieder verlor), und wie sie stattdessen Sam gefunden hatten, der ihnen endlich die Augen öffnete in Bezug auf Saruman – der kleine Hobbit errötete, als er seinen Namen fallen hörte – und ihnen so erlaubte, Elrond rechtzeitig von dem unmittelbar bevorliegenden Ork-Ueberfall zu warnen, wenn auch im allerletzten Augenblick.
Dann wäre Gandalf an der Reihe gewesen zu berichten, wie er es geschafft hatte, beide Söhne Thranduils vor dem sicheren Tod zu retten, sobald er nur gewusst hatte, dass ein Gift Sarumans die wahre Ursache von Elwynes Koma und Legolas akuter Vergiftung gewesen war, doch der Zauber schien sich all der fragenden Augen, die jetzt auf ihn gerichtet waren, nicht gewahr zu sein, und geistesabwesend, so schien er, als ob er düstere Gedanken wälzen würde, immer und immer wieder dieselben, und erst als Elrond direkt das Wort an ihn richtete, kehrte der übliche wache Ausdruck in seine Augen zurück.
Und dann sprach der Zauberer über das grosse Spiel, das über ihren Köpfen begonnen hatte, und seine düsteren Worte zeichneten ein Bild kommenden Unheils, schrecklicher, als sie es alle erwartet hatten, umso mehr, da die Vision selbst für den, der sie heraufbeschwor, alles andere als klar war, und voller Unsicherheiten, die über ihr lagen wie undurchsichtige Schleier.
Und es war ihnen, als ob die Bilder eines Ringes, eines lidlosen Auges und Sarumans, des weissen Zauberers, ineinanderflossen, um ein neues Bild zu formen, das einen sowohl grausamen wie auch unbesiegbaren Gott zeigte, und diese Gottheit hatte viele Gesichter und wurde „Gier nach Macht" genannt.
Ja, verschwommen war sie, die Vision des Spieles, das letztendlich über das Schicksal Mittelerdes entscheiden würde, doch ihre Farben waren nichtsdestotrotz kräftig und lebhaft und in diesen dunkeln Farbschatten gehalten, die das Licht förmlich aufzusaugen scheinen, während die Bilder von Bruchtal und den neun Gefährten, endlich dazu auserwählt als die guten Spieler in jener Partie, die ihnen aufgedrängt worden war, gegen sie verblassten wie die Inschriften auf Grabsteinen längst vergessener Friedhöfe, und durchscheinend wurden wie die Flügel eines Schmetterlings, der gegen den Regen antaumelt.
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Es waren nicht mehr viele Waldelben am Leben, als Legolas als einer der neun Gefährten nach Mordor aufbrach. Die meisten von ihnen entschieden sich, mit Elrond und den Seinen für eine kleine Weile noch in Bruchtal zu verbleiben, um ihnen dann nach Valinor zu folgen, und es bleibt zu hoffen, dass es ihnen möglich war, ihr Leid in Mittelerde zurückzulassen.
Andere waren noch nicht zu diesem grossen Aufbruch bereit, wurden verzehrt von Sehnsucht nach ihrer alten Heimat, dem Düsterwald, und nie wurden sie anderswo wirklich heimisch.
Für einige Zeit noch verblieben sie im Düsterwald, dessen Brandnarben durch das frische Grün neugewachsener Bäume bald genug bedeckt wurden (störrisch genug hatten sie begonnen, ihn wieder Grünwald zu nennen), doch auch sie mussten endlich akzeptieren, was sie von Beginn an gewusst hatten, tief in ihren Herzen:
Dass er zu viele entsetzliche Erinnerungen für sie barg, als dass sie noch hier hätten leben können, und eine seltsame Müdigkeit über sie brachte, unablässig ihre bereits stark verringerte Lebenskraft attackierend.
Das Elbenvolk hatte Mittelerde schon fast verlassen, als die letzten Waldelben vom Grünwald aufbrachen, um noch einmal dessen Wälder, Moore, Wiesen und Steppen zu durchwandern, auf der Suche nach einer neuen Heimat, wie die Menschen später sagten, doch sie waren wenige, und ihre Spuren verloren sich im Laufe der Zeit.
Ihr Schicksal jedoch bot Raum für die Bildung von Erzählungen und Legenden und verlängerte ihre Unsterblichkeit in der Erinnerung der Menschen, die jetzt Mittelerde bevölkerten, denn sie wurden ab und zu von einem von ihnen gesehen, wenn auch bloss von fern, schattenhaft auftauchend, und unnahbar scheinend in ihrer Zurückhaltung, ihrer für Menschen makelloser Schönheit, und nichts liessen sie dann zurück als einen seltsamen unbestimmten Schmerz (vergleichbar vielleicht nur mit jener Sentimentalität, die sich einstellt, wenn man die Orte seiner Kindheit einmal aufsucht), nachdem sie wieder verschwunden waren.
Dann wurden die Erzählungen über die Waldelben seltener, verschwanden wie die grossen Wälder Mittelerdes, als die Zahl der Menschen wuchs, und niemand behauptete jemals wieder, einen der „Wanderer" wirklich gesehen zu haben.
„Man kann sie nicht sehen, aber ihre Anwesenheit spüren!" So erzählten die Mütter und Grossmütter ihrern Kindern und Enkeln, während ihre Ehemänner sie schalten ob solcher „Ammenmärchen", doch auch sie kannten die Orte, von denen ihre Frauen sprachen: Versteckt und schwierig zu erreichen waren sie, inmitten der Herzen der letzten verbleibenden Wälder, und unglaublich schön, unberührt, heilend und verzaubernd, und die immer wieder aufgesucht werden mussten, wenn man sie einmal entdeckt hatte, und die einen beruhigenden und gleichzeitig aufwühlende Wirkung haben, weil sie eine Perfektion spiegeln, nach der sich die Menschheit heimlich sehnt, und ein Valinor sind fern der wirklichen Gestade Valinors.
Heute sind selbst solche Berichte selten geworden, und die Menschen weniger sensitiv, und irgendwann einmal wird selbst die Erinnerung der Bäume und der Erde an die Düsterwaldelben verblassen, und das Zeitalter der Menschen wird regieren, ein Zeitalter heroischer Heldentaten und der Grausamkeit, des Schaffens und der Zerstörung, des Glücks und der Tränen, ambivalent wie die Natur des Menschen selbst, bis eines Tages ein anderes Volk kommen wird, um es zu ersetzen, und der Begriff „Mensch" ebenso mythisch werden wird wie „Elb", „"Hobbit", „Zwerg" oder „Ork".
EndeAnmerkung der Autorin:
Klingt irgendwie bekannt, das Ende dieser Geschichte, oder? Kein Grund für mich mehr, hier weiterzuschreiben...
Ich hoffe jedenfalls, dass Euch dieser AU-Beginn zu „Die Gefährten" Spass gemacht hat! Wie dem auch sei, ICH hatte garantiert mehr Spass daran, EURE reviews dazu zu lesen (von Elanor, miau, Evellon, Shelley, Morwen, Diademhasserin, Leahna, Eowyn, Chibifelidae, Renawitch, Gimlisbraut, YvannePalpatine, ShadeFleece, Grandma, Galanya, Shade, Alinija, Nebula-Dancer, Yvonne, Amlugwen und Siri, um genau zu sein)! Ich kanns nicht oft genug wiederholen! Danke schön! Schon 101 Stück! Freude herrscht! Und es könnten ja noch mehr werden (Bambiblick in die Runde werf)... Nein, im Ernst, über abschliessende Vorschläge, Meinungen und Kritiken wäre ich sehr froh, auch wenns hiervon keine Fortsetzung geben wird...
Für Leahna: Dann geht's Dir gleich wie mir! Ich hoffe, die Waldelbinnen sind auch nicht als Xena-Verschnitte rübergekommen, sondern einfach als Frauen, die an ein etwas rauheres Leben gewöhnt sind und aus Verzweiflung (nicht aus Gewohnheit) zu den Waffen gegriffen haben....
Für Diademhasserin: Oh, eine neue reviewerin! Du wirst (wie jede) selbstverständlich mit breitem Käfergrinsen begrüsst. Ich bin wirklich um jeden Kommentar froh, der die Waldelbinnen nicht für heillos übertrieben hält... Wegen dem Veröffentlichen: Das kommt schon noch! Von den vielen Geschichten, die ich schon geschrieben habe, war das die erste, die ich mich zu veröffentlichen traute, weil das Werk, hmm, sagen wir, etwas „reifer" ist als die andern. Oh, und ich würde es NIE wagen, eine Legolas-Romanze zu schreiben. Es ist fast unmöglich, dies gut zu machen, vor allem, wenn man einen neuen Charakter einführt. Der Mary-Sues gibt es schon genug... obwohl, wenn ich es mir genau überlege: Bin ich nicht gross, und schlank, gerundet an den „richtigen Stellen", habe leuchtend rotes Haar mit goldenen Strähnen und grüne Augen, die Funken sprühen, wenn ich wütend bin? Kann ich nicht Bogenschiessen besser als alle Elben zusammen und sprach „Orkisch" schon im Kindergarten? Jaaa, ich glaube, ich, ups, ich meine, eine solche Elbe sollte unbedingt in meiner nächsten Geschichte erscheinen...Hab ich meine glockenhelle Singstimme schon erwähnt? J
Für Morwen: Es ist echt eine Ehre für mich, dass Du mir Dein erstes review widmest! Das ist natürlich ein noch breiteres Käfergrinsen wert! Und die ganze Geschichte in zwei Tagen gelesen...noch so ein nettes Kompliment! Hihi! Das dauert nämlich eine ziemliche Weile, kann also nicht ganz und gar langweilig gewesen sein...J! Danke schön!
Für Evellon: Nö, das 100ste review wars nicht, aber das 99. Von all den reviews, die ich erhalten habe, stammen übrigens 21 aus deiner Feder. Ich kanns nur wiederholen: Danke schön! Ich stimme übrigens ganz mit Dir überein: den Legolas lassen wir besser unverstümmelt..."Pfeile verschiessen, wie er grad lustig ist...." das fand ich wieder mal unglaublich komisch! Oh, rat mal, übrigens, wie mein Fastnachtskostüm aussieht: Elbe, Elbe oder Elbe? Das Bogenschützenkostüm wurde leider nicht fertig...
Für mi-au: Nein, selbstsverständlich war das wirklich nicht, aber ich beklag mich garantiert nicht, dass es 100 geworden sind! HUNDERT! WOW! Und ich selbst hab bis jetzt nur ein einziges review je an andere Leute geschrieben...Ich hoffe, in Zukunft da mehr leisten zu können, aber bis jetzt hatte ich neben dem Schreiben einfach nicht viel Zeit, selber zu lesen... Danke schön!
Für Elanor: Es macht mir wirklich immer Spass, deine Kommentare zu lesen! Du erfasst immer ganz genau das, was ich jeweils mit den Szenen zu den einzelnen Personen aussagen wollte, und das ist eine schöne Bestätigung für jeden Hobby-Schriftsteller. Also vielen Dank nochmals für all Deine ermutigenden Kommentare!
So fällt es einem leicht, an einer neuen Geschichte zu stricken....
Für Shelley: Deine Kommentare treffen wie immer den Nagel auf den Kopf! Was das Orkblut betrifft: Nöh, hab ich nicht gesehen! Ich seh nie etwas, weil ich bei den Schlachtszenen immer wegsehen muss J! (TTT and RotK sind in meinen Augen sehr kurze Filme). Nein im Ernst, meine Beobachtungsgabe hat kein Sherlock-Holmes-Niveau je erreicht... schnüff. „Krümel" fand ich süss. Ich hätte aber schreiben sollen, dass jemand Legolas verbunden hat. Vielleicht Nerdein selbst. Ich hätte schreiben sollen... hast Du schon oft gehört, oder?
Also, dann muss ich noch ein Geständnis machen, oder besser gesagt, dir von der plötzlichen Erkenntnis berichten, die ich hatte. Ich hab erst jetzt realisiert, wieviele Dinge in meiner Erzählung schlichtweg falsch sind, wenn man sie mit dem Kanon der Bücher vergleicht. Unnötig falsch. Fast peinlich falsch, könnte man sagen. (Ich spreche jetzt nicht von „Sam aus Bruchtal", das schreit eher nach einem Beta-reader)
Du hast jeweils auf sehr freundliche Art in den einzelnen Kapiteln darauf hingewiesen
(ich meine, die Fehler wären schon fast „flames" würdig gewesen, Mann, bin ich froh, keine erhalten zu haben, und erst meine *elbischen *Namen: Yuk), aber erst jetzt ist bei mir der Groschen gefallen, dass solche Ungereimheiten wirklich störend sind für jeden, der das Buch gelesen hat. Ich entschuldige mich dafür, Deine Anregungen auf die zu leichte Schulter genommen zu haben! Kommt nicht wieder vor! Asche über mein Haupt! Also, ich werde diese Fehler in dieser Geschichte nicht mehr korrigieren (die Gans ist ja jetzt schon gebraten), aber für die nächste Geschichte, da gelobe ich Besserung, so gut es eben geht...siehe unten! Ich kann es nur wiederholen: Ich bin sehr froh über Deine fortlaufenden Anregungen&Kritiken!
Anmerkung der Autorin II: Naja, falls jemand wissen will, wies mit meinen Erzählungen weitergeht.... Also, wie ich schon für Shelley schrieb, musste ich einsehen, dass ich viele wichtige Sachen aus den Bücher vergessen habe, was mir jetzt ziemlich peinlich ist. Ich habe mir deshalb selbst verordnet, die drei Bücher sowie den Hobbit nochmals durchzuackern... Dann werd ich mal meine zweite Erzählung „Thranduils letzter Stand" (oder so) fertigschreiben, die erst etwa zu ¾ fertig ist und eben viiieeele Fehler enthält. Ich werde die ausmerzen, so gut es geht, und nicht-Kanon-Sachen vor der Veröffentlichung deutlich als AU markieren, so dass jeder Leser selbst entscheiden kann, ob er mit diesen Abweichungen von Tolkiens Werk leben kann oder nicht. Ohne ein kleines bisschen künstlicher Freiheit geht es eben nicht... Bis Ende März sollte die Geschichte aber wirklich fertig sein (Ich hab da 10 Tage Ferien, Luxus pur!), und ich könnte dann, so wie jetzt, im Wochenrhythmus ein Kapitel ins Netz werfen...das sollte über die lange Wartezeit hinwegtrösten. Für eine weitere Geschichte hab ich übrigens bereits das „Skript", und für eine vierte ein halbes, so dass Euch das Lesefutter von meiner Seite nicht so schnell ausgehen sollte... So, das war jetzt aber endgültig genug von meinem Gebrabbel! Schöne Zeit euch allen!
