Kapitel 11

Alle starrten auf den Elben, dessen Augen so voller Furcht waren. Unterschiedliche Gefühle machten sich in den Anwesenden breit.

Eomer und Aragorn wussten nicht was geschehen war. Sie waren schockiert über das Geschehen. Noch nie hatte sich ein Elb verhalten. Viele Fragen schossen ihnen durch den Kopf.

Warum sprach einer des hohen Volke in der dunklen Sprache?

Warum fürchtete er sich so dermaßen?

Und die wichtigste:

"Warum schien er sich an nichts zu erinnern?"

Schweigen legte sich über den Saal. Die Frauen Rohans kümmerten sich nicht um die vier Gestalten, die wie zu Salzsäure erstarrt um den Elben standen. Sie verrichteten nur ihre Arbeit. Gewissenhaft und sorgfältig gingen sie von einem zum anderen und verrichteten ihre Arbeit. Aragorn deutete ihnen den Elb auszulassen. Die Frau nickte nur und ging weiter. Erst jetzt wurde die Aufmerksamkeit des Menschenkönigs zurück auf Legolas gelenkt.

In den schönen blauen Augen des Elben war so vieles zu lesen. Furcht, Verzweiflung, Verwirrung. Reine Panik. Reine, eiskalte Panik. Mittlerweile starrte sie nur noch an. Die Mauer im Rücken schaute er ihnen in den Augen. So tief als könnte er in die Seele jedes einzelnen sehen. Nun trat etwas anderes in seine Augen. Verwunderung? War der eben noch so Panik erfüllte Elb tatsächlich verwirrt? Legolas hatte den Blick von Eomer und ihm abgewandt. Aragorn folgte seinem Blick und blieb an Haldir hängen.

Dort kniete er. Dort kniete der Wächter Loriens. Dort kniete was noch von ihm übrig war. Und wieder fragte sich Aragorn was wohl geschehen sein mag? Doch er bekam keine Zeit darüber nach zu denken.

Er sah das Bild vor Augen. Ein Bild das er sicher nie wieder aus seiner Erinnerung verbannen konnte. Legolas, der Morgenstern des elbischen Volkes saß zusammen gekauert auf dem Lager aus Stroh. Jegliches Licht war aus seinen Zügen gewichen. Einzig die strahlenden Haare und die anmutige Gestalt ließ erkennen, das hier ein Elb kauerte. Was immer geschehen war hatte den Elben verändert. Er starrte mit verwunderten Augen seinen Gegenüber an.

Der Wächter Lorien erwiderte den Blick des elbischen Prinzen. Als Aragorn in Haldirs Augen blickte erschrak er. Die einst so stolzen Augen weinten. Sie weinten. Und doch noch in diesem Moment größten Schmerzes war der Elb noch ein Bild der Perfektion und seine Tränen schienen dazu zu gehören. Sie gaben dem Meisterwerk eines Gottes den letzten Schliff.

Nur eins störte. Dieser Blick. Haldirs Blick war normalerweise stolz gewesen. Der Elb war sich seiner Fähigkeiten durchaus bewusst gewesen. Er besaß wie jeder Elb eine gewisse Arroganz. Aber so waren sie alle. Wissend, das niemand sie an Schönheit und Kunstfertigkeit zu übertreffen mochte waren sie eitel und arrogant. Doch das war nicht der Blick eines Elben. Nein. Aragorn hatte diesen Blick schon einmal gesehen.

Er war damals noch klein gewesen. Seine Mutter hatte ihm von seinem Vater erzählt. Von dem Menschen der ihn gezeugt hatte. Arathorn. Der König war in der Schlacht ums Leben gekommen als er noch klein war. Einen Mann, den er nicht kannte und doch würde er den Tränen verschleierten Blick seiner Mutter niemals vergessen. Während sie erzählt hatte war ihr Blick so leer gewesen. Gebrochene Augen hatten in die Ferne gestarrt und Aragorn hatte das erste Mal in seinem Leben erfahren müssen was Schmerz bedeutet. Er musste erfahren wie es war alles zu verlieren. Er selbst verspürte keine Trauer doch den Schmerz seiner Mutter zu fühlen war schrecklicher als jede Trauer. Es zeriss ihm fast sein Herz.

Plötzlich wurde er aus seinen Gedanken gerissen als Leben in das erstarrte Bild des Schreckens kam. Immer näher waren sich die beiden Elben gekommen und nun trennte sie nur noch eine Nasenspitze voneinander. Mittlerweile hatten sich ihre Blicke gewandelt.

Legolas Panik erfüllter Blick war etwas anderem gewichen. Etwas viel gefährlicherem. Etwas irrem. Er starrte in Haldirs Augen und sein Mund verzog sich zu einem leichten Lachen.

Haldir hingegen schien endlich zu verstehen. Aber was verstehen? Als hätten die beiden Aragorns Bitte nach einer Erklärung erhört sprach Legolas:

"Was wirst du nun tun, Wächter Loriens?"

Es tat förmlich in den Ohren weh Legolas in der dunklen Sprache sprechen zu hören. Die sonst melodische Stimme war nun finster und lies den Anwesenden einen eiskalten Schauer über den Rücken laufen.

Die ganze Erscheinung des Elben schien sich in Sekundenschnelle zu wandeln. Der einst so strahlende Elb machte etwas Dunklem Platz. Etwas Gefährlichen. Die warmen blauen Augen verwandelten sich zu kalten, eisigen Blau. Die Gestik schrie Gefahr und die Mundwinkel verzogen sich zu einem Boshaften Grinsen.

Nachdem Haldir auf seine erste Frage nicht zu antworten schien sagte Legolas:

"Hat es dir die Sprache verschlagen, Elb? Ich wusste ja das du dämlich bist aber für so dämlich habe ich dich nicht gehalten. Schönheit allein bringt einem eben doch nicht weiter."

Haldirs Augen weiteten sich. Er kniff die Mundwinkel aufeinander. Er würde nichts sagen. Er konnte es nicht. Auch wenn er wusste was geschehen war konnte er Legolas doch nicht weh tun. Er hatte es nie gekonnt. Und genau das würde sein Tod sein.

Nun griff auch Gandalf ein. Er hatte bis jetzt ruhig zu gesehen. Ruhig möchte man meinen. Er war genau das Gegenteil gewesen. In seinem Inneren stürmte ein Orkan. Der Maja dachte angestrengt nach. Wie hatte es geschehen können? Er erinnerte sich an sein Gespräch mit Galadriel. Sie hatte ihm damals alles erzählt. Dank des Spiegels war es ihr möglich Dinge zu sehen. Dinge, die waren. Dinge, die sind und Dinge, die vielleicht noch sein werden. Wie hatte er das vielleicht übersehen konnte? Wieso hatte er nicht auf seinen Instinkt gehört? Wie hatte er es zu lassen können, verdammt! Plötzlich hörte er in seinem Geist die Stimme der hohen Herrin:

´Du bist nicht Schuld daran, Mitrandir. Ich irrte und nun muss Legolas dafür bezahlen.´