*Flashback Anfang*
Es war Hochsommer in Sydney. Genau vor einem Jahr war es passiert. Nao war alleine dorthin geflogen. Sie wollte ihren Bruder besuchen. Lange hatte sie ihn nicht mehr gesehen. Wie lange war es jetzt schon her... 7 Jahre oder doch schon 8?! Es müssten fast 8 Jahre gewesen sein. 8 Jahre ohne irgendeinen Kontakt. Keine Telefonate, keine Briefe und erst Recht kein Treffen. Sie waren sich fremd geworden. Also trafen sie sich auch an einem neutralen Ort – mitten in Sydney. Er hatte sie ganz plötzlich einfach angerufen. Wollte sich mit ihr treffen, aber den Grund warum so ein Treffen ganz plötzlich stattfinden sollte nannte er ihr nicht. Er meinte einfach nur „es ist wichtig!". Sie war ein wenig zu früh zum vereinbarten Treffpunkt gekommen. Die Hitze brannte. Das schwarze Kleid ging ihr bis zu den Knien. Und sie trug schwarze Sandalen mit ziemlich hohen Absätzen. Sie merkte deutlich die Blicke der Männer an ihr kleben. Aber nicht nur die, sondern auch die von Frauen. Ein Lächeln huschte über ihre Lippen. Sie war sich durchaus bewusst, dass sie umwerfend aussah. Lässig setzte sie sich die Sonnenbrille auf die Nase. Ihre langen roten Locken hatte sie hoch gebunden. Mit dieser goldenen Spange befestigt. Diese war wunderschön. Mit echten Steinen. Amethysten und Diamanten. Wirklich wertvoll. Ein schönes Erstück. Fast schon zu wertvoll um sie einfach so zu tragen. Allerdings war es für Nao nicht der materielle Wert, sondern der Ideelle. Diese Spange bekam sie von ihrer Mutter. Wann war das noch mal... auch vor 8 Jahren. Ein paar Tage bevor... Da war er schon. Nao erkannte ihn sofort. Auch wenn sie ihn das letzte Mal gesehen hatte als sie 11 Jahre alt war. Groß war er jetzt... aber er war ja schon immer größer als sie. Und älter auch, aber nur 3 Jahre. Aber wer war die Frau an seiner Seite? Sie hatte total die Modelfigur. Irgendwie billig. Das knallrote Kleid ging der Frau gerade mal über den Arsch. Wasserstoffblonde, kurze, lockige Haare und weiße Haut. Diva-Like. Wer war sie? Seine Geliebte? Die Frau eines Klienten die mit ihm ihren Mann betrug?! Oder doch tatsächlich seine Freundin oder gar seine Frau? Sollte Seiji doch tatsächlich im Alter von 21 Jahren verheiratet sein?! Wie wenig sie doch über ihn wusste... „Du bist Nao, oder?!"fragte er sie knapp und musterte sie von oben bis unten. Sie nahm ihre Sonnenbrille ab. Ihre violetten Augen besahen sich nun auch ihren Bruder. Er trug einen schwarzen Anzug, ein weißes Hemd und eine dunkelviolette Krawatte – alles bis oben hin zu... unnahbar. Die Hände hatte er lässig in die Hosentaschen gesteckt. Seine dunkelblonden Haare waren ziemlich kurz. Aber die Augen konnte sie bei ihm nicht erkennen. Er nahm seine Sonnenbrille nicht ab. Die ‚Diva' – wie Nao diese Frau kurzfristig getauft hatte - strecket ihr die Hand entgegen „Ich freue mich sie kennen zu lernen. Gehen wir doch in ein Café. Es ist hier gleich um die Ecke."Nao schüttelte kurz ihre Hand – weiße Handschuhe trug sie. Seiji drehte sich noch währenddessen um und ging schon mal vor. Nao und die Diva folgten ihm in kurzen Abstand. Später saßen sie in einem noblen Café. Nao saß beiden Gegenüber. Sie hatte sich nur einen Kaffee bestellt. „Entschuldigen sie mich bitte, ich muss mal eben telefonieren."Entschuldigte sich die Frau kurz darauf und ließ Bruder und Schwester alleine. Seiji trug immer noch die Sonnenbrille. Seine Hände lagen gefaltet auf dem Tisch neben einer Tasse schwarzen Kaffees. „So sehen wir uns wieder!"fing er an, aber es klang nicht wirklich interessiert. „Seiji... komm zur Sache!"erwiderte nun Nao ebenso kalt. Sein Verhalten ging ihr allmählich auf die Nerven. Er atmete hörbar ein. Erst jetzt nahm er langsam die Sonnenbrille ab. Nao blickte erstaunt in seine hellen, blauen Augen – die Augen ihres Vaters. Seine Augenringe waren nicht zu übersehen und seine Haut war so unglaublich matt. „Vater ist tot!"Dieser eine Satz... Nao schaffte es nicht mehr etwas zu sagen. Lange sah sie Seiji an, doch der wich ihrem Blick aus. Erst nach ein paar ewig lang erscheinenden Minuten setzte er wieder an „Es ist wie bei Mutter."Wieder nur ein kurzer aber prägnanter Satz, der so viel aussagte. Nao ballte ihre Hände zu Fäusten. Ihre langen Fingernägel schnitten in ihre Handflächen. „Man fand ihn in seinem Haus an der Küste. Etwa eine Woche später. Alles deutet auf die gleichen Täter hin. Weißt du... diese Männer die nicht sie selbst zu sein scheinen."Murmelte er. Nao machte die Augen zu „Ich weiß wie es bei Mutter war! Ich war ja schließlich dabei als..."sie brach ab. Es war unmöglich es auszusprechen. Würde sie es aussprechen – ob als Worte aus ihrem Mund oder nur die Gedanken – dann wäre es wirklich so. „Sprich es doch aus! Wovor hast du Angst?"Sie spürte die Blicke von Seiji auf ihr heften und langsam machte sie die Augen wieder auf. „Du hast die gleichen Augen wie Mutter, wusstest du das? Ich hatte es fast vergessen."Es klang beinahe liebevoll. Aber sein Blick war weiterhin kalt und abweisend. „Ich sehe es noch richtig vor mir. Ihr Blick als sie starb... ihre Augen, wie sie langsam leer wurden. Erst waren ihre Augen noch in einem hellen violett und weit aufgerissen, dann fingen sie an zu flackern und das Licht verschwand langsam, wurde trüb. Wie sich ihre Arme um dich verkrampften... Ich frage mich ob es bei dir auch so sein wird..."Nao schaute ihn geschockt an. Es war wie ein Messerstich genau ins Herz. Er zuckte nur mit den Schultern „Es wird bestimmt so sein... vielleicht sogar noch dramatischer. Du hast doch so eine Ader deine Gefühle auszudrücken. Du hast nach Mutters Tod Jahrelang nichts mehr gesprochen. Hast dich versteckt, bist nicht mehr mit uns zusammen auf die Straße gegangen. Aber früher oder später wird es so sein, dass sie dich dann doch noch finden. Vielleicht werde aber auch ich noch vor dir dran sein. Vielleicht denken sie es ist besser wenn die ganze Familie ausgerottet wird. Vielleicht wurden Gene auch an mich weiter gegeben. Die Prophezeiung verfolgt unsere Familie und wird alle die wir lieben nach und nach zerstören. Da wird es wohl nichts bringen wenn du nach Tokyo flüchtest. Aber wenn es dann passiert... dann ist es endlich vorbei! Dann brauchst du nicht mehr die Last zu tragen. Die Last dass du am Tod unserer Eltern, der ganzen Familie und dann auch an meinem Tod Schuld hast!"seine Stimme war immer lauter geworden. Die Leute von Nachbarstisch schauten schon zu ihnen hin. Nao konnte die Gedanken in den Köpfen der Leute schon fast hören. Sie überschlugen sich. Rannten auf sie ein und schlugen Purzelbäume. Ihr Herz verkrampfte sich. Ihr Herz mit diesem einen kleinen Fehler. Ihr Atem beschleunigte sich, wurde immer unruhiger. Sie verkrampfte sich völlig, krallte ihre rechte Hand in das Leder der Sitzbank. Ihre Linke versuchte durch den Stoff des Sommerkleides ihr Herz zu halten. Sie wollte den Schmerz lindern. Tränen stiegen auf und sie presste ihre Augen zusammen. Ihr Bruder sollte ihre Tränen nicht sehen. Eigentlich wollte sie aufstehen und einfach weggehen aber ihr Kopf schaffte es nicht den Befehl an ihre Beine zu geben. Und irgendwann war es dann dunkel geworden...
*Flashback Ende*
Seitaro würde das nie vergessen. Er war Nao damals hinterher geflogen. Mit diesem unruhigen Gefühl im Bauch. Mit dem Gefühl dass es schon nicht gut war sie alleine gehen zu lassen. Als er dann beim Haus von Naos Bruder in Sydney ankam bekam er von einer großen, schlanken und blonden Frau zu hören, dass Nao im Krankenhaus lag. Sie hätte die Nachricht vom Tod ihres Vaters nicht verkraftet. Und dann noch der Herzfehler. Seiji hätte davon nichts gewusst. Sonst wäre er umsichtiger gewesen. Alles Lügen wie sich später herausstellte. Seitaro war sofort ins Krankenhaus gefahren und fand Nao auf der Intensivstation. Die elektronischen Geräte piepsten leise vor sich hin. Der Arzt sagte ihm dass sie wohl bald von der Station runter könnte. Die Werte schienen stabil zu sein. Als sie gebracht wurde hatte man sie gleich ausführlich untersucht. Schnell war klar dass sie einen Herzfehler hatte. Schon von Geburt an. Die Patientin wusste davon. Schließlich stand es in einem Ausweis drin, den sie bei sich führte. Eigentlich wäre eine Operation von Nöten. Ob er das gewusst hätte?! Seitaro konnte nur überrascht – oder war es doch eher geschockt - mit dem Kopf schütteln. Auf die Frage wer Nao ins Krankenhaus gebracht hätte meinte der Arzt nur dass es eine große, blonde Frau gewesen war. Seiji hatte sich also nicht mal um sie gekümmert. Wollte er sie lieber tot haben?! Seitaro schlug mit der Faust gegen die Wand in der Dusche. Jedes mal wenn er an das geschehene dachte tat ihm alles weh und am Liebsten würde er auf Seiji losgehen. Noch jetzt, ein ganzes Jahr später, sah er vor sich wie Nao langsam die Augen aufschlug. Sämtliches Leben schien aus ihr gewichen. Sie war noch nie so blass gewesen. Wie sie ihn damals angesehen hatte... wie könnte er das jemals vergessen. Er hatte ihre Hand genommen. Drückte die damals sanft. Aber Nao schaffte es nicht den Druck zu erwidern. Er sah nur noch wie Tränen ihre Augen füllten die lange nicht versiegen konnten. Seitaro atmete tief durch. Niemals würde er Nao wieder mit ihrem Bruder alleine lassen. Niemals wieder zulassen dass er ihr wieder weh tat und sie wieder Monate nicht reden würde. Danach war es als hätte Nao alles verdrängt. Sie fing plötzlich an Songs zu schreiben. Es ging alles ganz einfach. Sie sprühte förmlich vor Ideen und sie schaffte es ihre ganzen Gefühle und Gedanken in Worte zu fassen. Schließlich war sie nächtelang wach und spielte Piano. An den Tagen trieb sie ihre Scherze, lachte und schien so richtig lebensfroh. Seitaro sah die Fassade nur allzu deutlich. Selbst die anderen beiden konnte sie damit nicht täuschen. Es kam oft vor dass Nao nachts durch das Apartment lief. Unruhig um dann wieder Piano zu spielen. Erst war es nur eine Aneinanderreihung von Noten. Später konnte man darin eine wirkliche Struktur erkennen. Und kaum sahen sie sich alle um, fanden sie sich in einen Tonstudio wieder. Kurz darauf die Veröffentlichung einer Single, dann ein Album, Konzerte, Photo shootings für Zeitschriften und Pressetermine. Und plötzlich waren sie unglaublich erfolgreich. Lag das an dem Elan den Nao rein steckte?! Auch wenn sie fast schon dem Umfallen nahe war, ihr schien es unglaublich wichtig zu sein. Sie fanden aber alle Gefallen daran. Schließlich machten sie alle gerne Musik und hörten sie natürlich auch gerne. Nao liebte es Piano oder Violine zu spielen und gesungen hatte sie schon immer gern. Und jeder gab ohne weiteres zu, dass sie eine wundervolle Stimme hatte. Aber auch die Ausstrahlung war atemberaubend. Hiroji der wie Nao in Australien geboren wurde, spielte schon früher in einer Band. Und Ikemoto – der so unschuldig aussah – überraschte seine Freunde als Drummer. Seitaro spielte Keyboard und sang selbst, wobei seine melancholische Stimme so manche Mädchenherzen zum Schmelzen brachte. Bei den Duetten mit Nao lief es den Meisten wohl heiß-kalt den Rücken hinunter. Kein Wunder dass man munkelte dass er und Nao ein Pärchen wären. Dabei war das so absurd. Er und Nao waren einfach nur Freunde. Vielleicht ein bisschen mehr als platonische Freundschaft. Ikemoto meinte immer sie wären wie Bruder und Schwester. Wobei sie und Ikemoto manchmal wie ein altes Ehrpaar erschienen. Die beiden schienen ein Geheimnis zu haben, das war sicher. Und Hiroji war der Jugendfreund. Es klopfte schon wieder an der Tür. „Ich soll dir was von Nao ausrichten."Das war eindeutig die Stimme von Hiroji – wenn man vom Teufel spricht. „Sie meint, wenn du nicht bald aus der Dusche kommst, stellt sie das Wasser ab, anschließend bricht sie die Tür auf und schleppt dich so wie du bist ins Photostudio. Und dann wird sie sich kugeln vor lachen weil die Visagistin mit deiner aufgeweichten Haut nichts mehr anfangen kann. Also beeil dich!" damit hörte er auch schon wieder wie Hiroji verschwand. Aber kurz darauf noch ein Satz von ihm „Solltest du dich mit wegwaschen, dann gehört Nao mir!"der Schelm lachte. Aber Seitaro stellte wie auf Kommando die Dusche aus, sprang raus und trocknete sich ab. Als er aus dem Bad trat, stand Hiroji noch immer im Zimmer und grinste „Na also, geht doch!"er lachte laut und verließ schnell den Raum. Seitaros Blick war ja auch wirklich zum Fürchten.
Es war Hochsommer in Sydney. Genau vor einem Jahr war es passiert. Nao war alleine dorthin geflogen. Sie wollte ihren Bruder besuchen. Lange hatte sie ihn nicht mehr gesehen. Wie lange war es jetzt schon her... 7 Jahre oder doch schon 8?! Es müssten fast 8 Jahre gewesen sein. 8 Jahre ohne irgendeinen Kontakt. Keine Telefonate, keine Briefe und erst Recht kein Treffen. Sie waren sich fremd geworden. Also trafen sie sich auch an einem neutralen Ort – mitten in Sydney. Er hatte sie ganz plötzlich einfach angerufen. Wollte sich mit ihr treffen, aber den Grund warum so ein Treffen ganz plötzlich stattfinden sollte nannte er ihr nicht. Er meinte einfach nur „es ist wichtig!". Sie war ein wenig zu früh zum vereinbarten Treffpunkt gekommen. Die Hitze brannte. Das schwarze Kleid ging ihr bis zu den Knien. Und sie trug schwarze Sandalen mit ziemlich hohen Absätzen. Sie merkte deutlich die Blicke der Männer an ihr kleben. Aber nicht nur die, sondern auch die von Frauen. Ein Lächeln huschte über ihre Lippen. Sie war sich durchaus bewusst, dass sie umwerfend aussah. Lässig setzte sie sich die Sonnenbrille auf die Nase. Ihre langen roten Locken hatte sie hoch gebunden. Mit dieser goldenen Spange befestigt. Diese war wunderschön. Mit echten Steinen. Amethysten und Diamanten. Wirklich wertvoll. Ein schönes Erstück. Fast schon zu wertvoll um sie einfach so zu tragen. Allerdings war es für Nao nicht der materielle Wert, sondern der Ideelle. Diese Spange bekam sie von ihrer Mutter. Wann war das noch mal... auch vor 8 Jahren. Ein paar Tage bevor... Da war er schon. Nao erkannte ihn sofort. Auch wenn sie ihn das letzte Mal gesehen hatte als sie 11 Jahre alt war. Groß war er jetzt... aber er war ja schon immer größer als sie. Und älter auch, aber nur 3 Jahre. Aber wer war die Frau an seiner Seite? Sie hatte total die Modelfigur. Irgendwie billig. Das knallrote Kleid ging der Frau gerade mal über den Arsch. Wasserstoffblonde, kurze, lockige Haare und weiße Haut. Diva-Like. Wer war sie? Seine Geliebte? Die Frau eines Klienten die mit ihm ihren Mann betrug?! Oder doch tatsächlich seine Freundin oder gar seine Frau? Sollte Seiji doch tatsächlich im Alter von 21 Jahren verheiratet sein?! Wie wenig sie doch über ihn wusste... „Du bist Nao, oder?!"fragte er sie knapp und musterte sie von oben bis unten. Sie nahm ihre Sonnenbrille ab. Ihre violetten Augen besahen sich nun auch ihren Bruder. Er trug einen schwarzen Anzug, ein weißes Hemd und eine dunkelviolette Krawatte – alles bis oben hin zu... unnahbar. Die Hände hatte er lässig in die Hosentaschen gesteckt. Seine dunkelblonden Haare waren ziemlich kurz. Aber die Augen konnte sie bei ihm nicht erkennen. Er nahm seine Sonnenbrille nicht ab. Die ‚Diva' – wie Nao diese Frau kurzfristig getauft hatte - strecket ihr die Hand entgegen „Ich freue mich sie kennen zu lernen. Gehen wir doch in ein Café. Es ist hier gleich um die Ecke."Nao schüttelte kurz ihre Hand – weiße Handschuhe trug sie. Seiji drehte sich noch währenddessen um und ging schon mal vor. Nao und die Diva folgten ihm in kurzen Abstand. Später saßen sie in einem noblen Café. Nao saß beiden Gegenüber. Sie hatte sich nur einen Kaffee bestellt. „Entschuldigen sie mich bitte, ich muss mal eben telefonieren."Entschuldigte sich die Frau kurz darauf und ließ Bruder und Schwester alleine. Seiji trug immer noch die Sonnenbrille. Seine Hände lagen gefaltet auf dem Tisch neben einer Tasse schwarzen Kaffees. „So sehen wir uns wieder!"fing er an, aber es klang nicht wirklich interessiert. „Seiji... komm zur Sache!"erwiderte nun Nao ebenso kalt. Sein Verhalten ging ihr allmählich auf die Nerven. Er atmete hörbar ein. Erst jetzt nahm er langsam die Sonnenbrille ab. Nao blickte erstaunt in seine hellen, blauen Augen – die Augen ihres Vaters. Seine Augenringe waren nicht zu übersehen und seine Haut war so unglaublich matt. „Vater ist tot!"Dieser eine Satz... Nao schaffte es nicht mehr etwas zu sagen. Lange sah sie Seiji an, doch der wich ihrem Blick aus. Erst nach ein paar ewig lang erscheinenden Minuten setzte er wieder an „Es ist wie bei Mutter."Wieder nur ein kurzer aber prägnanter Satz, der so viel aussagte. Nao ballte ihre Hände zu Fäusten. Ihre langen Fingernägel schnitten in ihre Handflächen. „Man fand ihn in seinem Haus an der Küste. Etwa eine Woche später. Alles deutet auf die gleichen Täter hin. Weißt du... diese Männer die nicht sie selbst zu sein scheinen."Murmelte er. Nao machte die Augen zu „Ich weiß wie es bei Mutter war! Ich war ja schließlich dabei als..."sie brach ab. Es war unmöglich es auszusprechen. Würde sie es aussprechen – ob als Worte aus ihrem Mund oder nur die Gedanken – dann wäre es wirklich so. „Sprich es doch aus! Wovor hast du Angst?"Sie spürte die Blicke von Seiji auf ihr heften und langsam machte sie die Augen wieder auf. „Du hast die gleichen Augen wie Mutter, wusstest du das? Ich hatte es fast vergessen."Es klang beinahe liebevoll. Aber sein Blick war weiterhin kalt und abweisend. „Ich sehe es noch richtig vor mir. Ihr Blick als sie starb... ihre Augen, wie sie langsam leer wurden. Erst waren ihre Augen noch in einem hellen violett und weit aufgerissen, dann fingen sie an zu flackern und das Licht verschwand langsam, wurde trüb. Wie sich ihre Arme um dich verkrampften... Ich frage mich ob es bei dir auch so sein wird..."Nao schaute ihn geschockt an. Es war wie ein Messerstich genau ins Herz. Er zuckte nur mit den Schultern „Es wird bestimmt so sein... vielleicht sogar noch dramatischer. Du hast doch so eine Ader deine Gefühle auszudrücken. Du hast nach Mutters Tod Jahrelang nichts mehr gesprochen. Hast dich versteckt, bist nicht mehr mit uns zusammen auf die Straße gegangen. Aber früher oder später wird es so sein, dass sie dich dann doch noch finden. Vielleicht werde aber auch ich noch vor dir dran sein. Vielleicht denken sie es ist besser wenn die ganze Familie ausgerottet wird. Vielleicht wurden Gene auch an mich weiter gegeben. Die Prophezeiung verfolgt unsere Familie und wird alle die wir lieben nach und nach zerstören. Da wird es wohl nichts bringen wenn du nach Tokyo flüchtest. Aber wenn es dann passiert... dann ist es endlich vorbei! Dann brauchst du nicht mehr die Last zu tragen. Die Last dass du am Tod unserer Eltern, der ganzen Familie und dann auch an meinem Tod Schuld hast!"seine Stimme war immer lauter geworden. Die Leute von Nachbarstisch schauten schon zu ihnen hin. Nao konnte die Gedanken in den Köpfen der Leute schon fast hören. Sie überschlugen sich. Rannten auf sie ein und schlugen Purzelbäume. Ihr Herz verkrampfte sich. Ihr Herz mit diesem einen kleinen Fehler. Ihr Atem beschleunigte sich, wurde immer unruhiger. Sie verkrampfte sich völlig, krallte ihre rechte Hand in das Leder der Sitzbank. Ihre Linke versuchte durch den Stoff des Sommerkleides ihr Herz zu halten. Sie wollte den Schmerz lindern. Tränen stiegen auf und sie presste ihre Augen zusammen. Ihr Bruder sollte ihre Tränen nicht sehen. Eigentlich wollte sie aufstehen und einfach weggehen aber ihr Kopf schaffte es nicht den Befehl an ihre Beine zu geben. Und irgendwann war es dann dunkel geworden...
*Flashback Ende*
Seitaro würde das nie vergessen. Er war Nao damals hinterher geflogen. Mit diesem unruhigen Gefühl im Bauch. Mit dem Gefühl dass es schon nicht gut war sie alleine gehen zu lassen. Als er dann beim Haus von Naos Bruder in Sydney ankam bekam er von einer großen, schlanken und blonden Frau zu hören, dass Nao im Krankenhaus lag. Sie hätte die Nachricht vom Tod ihres Vaters nicht verkraftet. Und dann noch der Herzfehler. Seiji hätte davon nichts gewusst. Sonst wäre er umsichtiger gewesen. Alles Lügen wie sich später herausstellte. Seitaro war sofort ins Krankenhaus gefahren und fand Nao auf der Intensivstation. Die elektronischen Geräte piepsten leise vor sich hin. Der Arzt sagte ihm dass sie wohl bald von der Station runter könnte. Die Werte schienen stabil zu sein. Als sie gebracht wurde hatte man sie gleich ausführlich untersucht. Schnell war klar dass sie einen Herzfehler hatte. Schon von Geburt an. Die Patientin wusste davon. Schließlich stand es in einem Ausweis drin, den sie bei sich führte. Eigentlich wäre eine Operation von Nöten. Ob er das gewusst hätte?! Seitaro konnte nur überrascht – oder war es doch eher geschockt - mit dem Kopf schütteln. Auf die Frage wer Nao ins Krankenhaus gebracht hätte meinte der Arzt nur dass es eine große, blonde Frau gewesen war. Seiji hatte sich also nicht mal um sie gekümmert. Wollte er sie lieber tot haben?! Seitaro schlug mit der Faust gegen die Wand in der Dusche. Jedes mal wenn er an das geschehene dachte tat ihm alles weh und am Liebsten würde er auf Seiji losgehen. Noch jetzt, ein ganzes Jahr später, sah er vor sich wie Nao langsam die Augen aufschlug. Sämtliches Leben schien aus ihr gewichen. Sie war noch nie so blass gewesen. Wie sie ihn damals angesehen hatte... wie könnte er das jemals vergessen. Er hatte ihre Hand genommen. Drückte die damals sanft. Aber Nao schaffte es nicht den Druck zu erwidern. Er sah nur noch wie Tränen ihre Augen füllten die lange nicht versiegen konnten. Seitaro atmete tief durch. Niemals würde er Nao wieder mit ihrem Bruder alleine lassen. Niemals wieder zulassen dass er ihr wieder weh tat und sie wieder Monate nicht reden würde. Danach war es als hätte Nao alles verdrängt. Sie fing plötzlich an Songs zu schreiben. Es ging alles ganz einfach. Sie sprühte förmlich vor Ideen und sie schaffte es ihre ganzen Gefühle und Gedanken in Worte zu fassen. Schließlich war sie nächtelang wach und spielte Piano. An den Tagen trieb sie ihre Scherze, lachte und schien so richtig lebensfroh. Seitaro sah die Fassade nur allzu deutlich. Selbst die anderen beiden konnte sie damit nicht täuschen. Es kam oft vor dass Nao nachts durch das Apartment lief. Unruhig um dann wieder Piano zu spielen. Erst war es nur eine Aneinanderreihung von Noten. Später konnte man darin eine wirkliche Struktur erkennen. Und kaum sahen sie sich alle um, fanden sie sich in einen Tonstudio wieder. Kurz darauf die Veröffentlichung einer Single, dann ein Album, Konzerte, Photo shootings für Zeitschriften und Pressetermine. Und plötzlich waren sie unglaublich erfolgreich. Lag das an dem Elan den Nao rein steckte?! Auch wenn sie fast schon dem Umfallen nahe war, ihr schien es unglaublich wichtig zu sein. Sie fanden aber alle Gefallen daran. Schließlich machten sie alle gerne Musik und hörten sie natürlich auch gerne. Nao liebte es Piano oder Violine zu spielen und gesungen hatte sie schon immer gern. Und jeder gab ohne weiteres zu, dass sie eine wundervolle Stimme hatte. Aber auch die Ausstrahlung war atemberaubend. Hiroji der wie Nao in Australien geboren wurde, spielte schon früher in einer Band. Und Ikemoto – der so unschuldig aussah – überraschte seine Freunde als Drummer. Seitaro spielte Keyboard und sang selbst, wobei seine melancholische Stimme so manche Mädchenherzen zum Schmelzen brachte. Bei den Duetten mit Nao lief es den Meisten wohl heiß-kalt den Rücken hinunter. Kein Wunder dass man munkelte dass er und Nao ein Pärchen wären. Dabei war das so absurd. Er und Nao waren einfach nur Freunde. Vielleicht ein bisschen mehr als platonische Freundschaft. Ikemoto meinte immer sie wären wie Bruder und Schwester. Wobei sie und Ikemoto manchmal wie ein altes Ehrpaar erschienen. Die beiden schienen ein Geheimnis zu haben, das war sicher. Und Hiroji war der Jugendfreund. Es klopfte schon wieder an der Tür. „Ich soll dir was von Nao ausrichten."Das war eindeutig die Stimme von Hiroji – wenn man vom Teufel spricht. „Sie meint, wenn du nicht bald aus der Dusche kommst, stellt sie das Wasser ab, anschließend bricht sie die Tür auf und schleppt dich so wie du bist ins Photostudio. Und dann wird sie sich kugeln vor lachen weil die Visagistin mit deiner aufgeweichten Haut nichts mehr anfangen kann. Also beeil dich!" damit hörte er auch schon wieder wie Hiroji verschwand. Aber kurz darauf noch ein Satz von ihm „Solltest du dich mit wegwaschen, dann gehört Nao mir!"der Schelm lachte. Aber Seitaro stellte wie auf Kommando die Dusche aus, sprang raus und trocknete sich ab. Als er aus dem Bad trat, stand Hiroji noch immer im Zimmer und grinste „Na also, geht doch!"er lachte laut und verließ schnell den Raum. Seitaros Blick war ja auch wirklich zum Fürchten.
