Disclaimer: Keine Änderung der Eigentumsverhältnisse. Alles bei Tolkien bzw. seinen Erben.
11. Kapitel: Hilfe, die Elben kommen!
Der Waldrand lag in seiner ganzen Bedrohlichkeit zu ihrer Rechten. Zu ihrer Linken erstreckte sich die Trostlosigkeit der Ödlande. Das einzige, was etwas ermunternd war, war die Abwesenheit von Feinden. Bislang waren sie niemandem begegnet. Es würde sich ändern, sobald sie in wenigen Stunden in den Wald abbiegen mussten. Noch etwa eine halbe Tagesreise und sie erreichten das Dorf der Waldmenschen. Inzwischen dürfte Celeborn bereits für Ablenkung am Westrand sorgen und auch die dritte Gruppe unter Thranduil, seinem Vater und Elrond hatte wahrscheinlich schon ihre Position erreicht. Vielleicht hatten die Kämpfe sogar schon begonnen. Dol Guldur würde anderes zu tun haben, als sich mit einem Dorf der Waldmenschen zu beschäftigen.
Elladan ließ den Blick über seine Begleiter schweifen. Von ihnen hing ab, ob die Leben der Rhûnar-Elben gerettet werden konnten. Er hoffte es, denn Galen war das, was Estel in seiner nicht sehr phantasievollen Art immer einen ‚netten Jungen' nannte.
Elrohir lenkte sein Pferd neben das seines Zwillings. „Sieh ihn dir genau an."
„Wen meinst du?"
Elrohir deutete mit einer unauffälligen Kopfbewegung auf Galen, der neben Estel einige Schritte schräg vor ihnen ritt. Im ersten Moment wusste Elladan nicht, worauf sein Bruder hinaus wollte, doch dann bemerkte er die Anzeichen. Galen, sonst so entspannt in allem was er tat, wirkte wie versteinert. Dafür lag eine leichte Röte auf seinen Wangen, die überhaupt nicht zu dem immer so blassen Elben passte.
„Es fängt bei ihm an", murmelte Elladan entsetzt. „Was glaubst du, wie viel Zeit uns noch bleibt?"
„Höchstens einen Tag, dann kann er nicht mehr weiter. Wir sind sehr viel näher an der Quelle dieses Zaubers als es Enach war." Elrohir schüttelte unglücklich den Kopf. „Es gefällt mir nicht, dass wir ihn in dieses Dorf mitnehmen müssen."
„Er kann als einziger die Gegenstände identifizieren", erinnerte Elladan ihn.
„Und was ist mit der Liste, die Legolas uns gezeigt hat?"
„Wie lange willst du denn mit dieser Auflistung in der Hand durch das Dorf laufen, Bruder?"
„Sie werden sie doch wohl alle an einer Stelle aufbewahren."
„Es sind ganz alltägliche Dinge." Elladan schüttelte düster den Kopf. „Selbst wenn sie alle in einer Hütte aufbewahrt würden, kann es sein, dass wir einfach an ihnen vorbei laufen. Nein, er muss mit. Estel wird ihn schützen, zusammen mit Legolas."
„Ich wünschte, wir hätten eine andere Wahl." Elrohir seufzte. „Ich werde mit den beiden sprechen."
Kurz danach hatte er dann die Gelegenheit dazu. Bevor sie die Pferde am Waldrand zurückließen und zu Fuß weiter gehen mussten, gab es eine kurze Rast. Elrohir lotste Legolas und Estel unauffällig von Galen weg, während Elladan weiter ein Auge auf Galen hatte.
Der junge Rhûna stand etwas abseits der anderen auf seinen Stab gestützt. Aus halb geschlossenen Augen beobachtete er das Treiben um sich herum. Vielleicht gab er es auch nur vor, Elladan war sich nicht sicher.
„Denkst du an Schmetterlinge?" sprach er ihn betont munter an.
Galen brauchte einen Moment, um ihn zu verstehen, dann tauchte ein leichtes Lächeln auf seinem Gesicht auf. „Du wirst mir das nie vergessen, was?"
„Es hätte mir damals schon eine Warnung sein sollen", grinste Elladan, während ihm das seltsame Glänzen von Galens Augen Sorgen machte. „Du warst hinterlistig, Rhûnar-Elb."
„Nicht hinterlistig, nur schlauer als du." Galen schien etwas wacher zu werden. „Ich bin es immer noch, Elladan. Du weißt doch genau, dass es jetzt bei mir anfängt. Red also nicht über Schmetterlinge, sonst benutze ich das nächste Mal einen Lockstoff, der Warge anzieht."
„Es wird kein nächstes Mal geben." Kaum waren die Worte heraus, hätte sich Elladan am liebsten geohrfeigt. Zweideutiger ging es wohl nicht mehr.
Wie erwartet nickte Galen mit etwas trübem Blick. „Finden wir diesen Hexer nicht, wird es das tatsächlich nicht."
„Wir werden ihn finden, Galen."
„Ich wünsche es mir nicht meinetwegen", murmelte der Rhûna. „So wichtig bin ich nicht. Aber auf dieser Liste stehen so viele, die ich kenne. Einige sind noch kleine Kinder."
Oh, das klang überhaupt nicht gut. Galen schien sich aufzugeben. Elladan entschloss sich zu drastischeren Schritten. „Ein gutes hätte es allerdings, wenn du von der Bildfläche verschwindest."
„Und das wäre?"
„Varya..." Elladan schnalzte genießerisch mit der Zunge und musste sich dabei nicht einmal verstellen.
Sofort ruckte Galens Kopf hoch und sein Blick wurde wieder klar. „Du lässt deine Finger von ihr. Sie ist gerade halb so alt wie ich und wird bestimmt keine Kerbe in deinem Bettpfosten. Ich warne dich, mein Freund."
„Für was hältst du mich, Galen?"
„Spar dir die Entrüstung. Ich habe genug über dich, deinen Bruder und eure Eskapaden in Bruchtal gehört. Wenn ich merke, dass du sie auch nur falsch ansiehst, bekommst du meinen Stab ins Kreuz – und ich werde die Klingen vorher öffnen."
So ähnlich hatte sich Elladan die Unterhaltung vorgestellt. Er lächelte boshaft. „Dann solltest du dich auf dein Überleben konzentrieren. Wenn du hier einfach aufgibst, wird mich wohl keiner aufhalten können. Hm, Glorfindel vielleicht, er hat sie auf dem Fest recht interessiert beobachtet. Du kennst den Balrog-Töter."
„Du willst mich provozieren."
„Das auch, aber ich werde trotzdem meine Finger nicht von ihr lassen. Stirbst du, wird sie eine Menge Trost brauchen."
„Man sollte nicht glauben, dass du Meister Elronds Sohn bist."
„Galen, mein Freund, du kennst meinen Vater nur halb so gut wie du denkst." Mit diesem Rätsel ließ er ihn einfach stehen. In Gedanken entschuldigte er sich halbherzig bei seinem Vater. In Notfällen war alles erlaubt, sogar Rufmord.
„Wie hast du das geschafft?" erkundigte sich Estel, als Galen beim Weitermarsch einen ungleich frischeren Eindruck machte.
„Ich habe ihm angedroht, mich näher mit Varya zu befassen."
Estel runzelte die Stirn. „Was soll daran so schlimm sein?"
Die Zwillinge tauschten einen langen Blick. Naiv würden sie ihn nicht gerade nennen, aber irgendwie hatte er viel zu früh in seinem ohnehin begrenzten Leben schon die Bindung mit ihrer Schwester geschlossen. Dabei hatten sie sich damals schon auf die Zeit gefreut, in der er endlich einmal die Vergnügungen des Erwachsenendaseins kennen lernen konnte.
„Das ist so eine Bruder-beschützt-Schwester-Angelegenheit", erklärte Legolas sanft. „Er traut Elladan eben nicht."
„Ich rede mit ihm", sagte Estel und mit einem aufmunternden Lächeln Richtung Elladan schloss er zu Galen auf.
Elladan seufzte. „Wisst ihr, manchmal frage ich mich ernsthaft-„
„Ich auch", unterbrach ihn sein Zwilling. „Ich auch, Bruder. Aber das ist Arwens Problem."
***
Schon den ganzen Tag trampelte der Trupp Elben nun unter heillosem Getöse und Lärm durch den Wald. Die Krieger unterhielten sich dabei, als gelte es, mit dem Klang ihrer Stimmen ganz Mittelerde zu beschallen.
„Beeilt euch!" donnerte Thranduil gerade in seiner unnachahmlichen Art seine Krieger an. „Wenn wir zusammen mit meinem überaus geschätzten Verwandten aus Lothlorien gleichzeitig angreifen wollen, müssen wir schneller sein."
Glorfindel schüttelte leicht den Kopf. Sie sollten Aufmerksamkeit erregen, doch dies war beinahe zuviel des Guten. Niemand hatte je behauptet, dass Elben sehr gut in der Kunst der Verstellung seien und sie alle traten soeben den Beweis für diesen Mangel an. Er konnte nur hoffen, dass die Geistesgaben der Orks wirklich noch so beschränkt waren, wie es in den letzten Jahrtausenden gewesen war. Gab es nur einen unter ihnen, dessen Intelligenz über der einer Küchenschabe lag, flogen sie alle auf. Tröstlich war nur, dass Celeborn mit seinen Galadhrim am Westrand des Waldes wohl gerade eine ähnlich peinliche Vorstellung ablieferte.
„Wollt Ihr nicht auch Euren Beitrag leisten und vielleicht noch ein Lied zum Besten geben?" erkundigte er sich bei Rhûnars Heilerin, die angenehm schweigsam neben ihm herlief.
„Ich glaube nicht, dass meine Hilfe noch benötigt wird", meinte sie mit einem boshaften Lächeln. „Wenn er rumbrüllt, hört man uns sowieso bis nach Mordor."
Thranduil, denn kein anderer war gemeint, bedachte sie mit einem düsteren Blick. „Du vergisst, für wen wir dieses ganze Unternehmen durchführen, Hexe."
„Bestimmt nicht, da Ihr keine Gelegenheit auslasst, mich daran zu erinnern."
Kein Lied, aber zumindest war sie jetzt laut genug. Glorfindel unterdrückte einen Seufzer. Es ging wieder los. Wenn die Valar sehr gnädig waren, dauerte es nur einige Minuten. Waren die Valar gerade in schlechter Stimmung, nahm die Schreierei vorerst kein Ende mehr.
„Dann achtet dein Volk vielleicht beim nächsten Mal besser auf sein Eigentum!"
„Ihr habt keine Ahnung, wie es in Rhûnar zugeht!"
Dieser Wald war wirklich ein ungemütlicher Ort. Glorfindel ließ seine Blicke über die Bäume gleiten, unter denen sie sich trotz allem mit der gebotenen Vorsicht bewegten. Nicht nur von Orks drohte Gefahr, allerlei abstoßendes Getier hatte sich in den letzten Jahrhunderten hier breit gemacht.
„Ich kann es mir vorstellen. Wenn ein Geschöpf wie du dort als Heilerin geschätzt wird, muss es eine Ansammlung Verwirrter sein."
„Die Rhûna sind nicht mehr oder weniger verwirrt wie die Tawarwaith. Immerhin haben wir keinen König, der seine Gäste in einen Kerker sperrt."
„Gäste? Ich kann keine Gäste erkennen. Das einzige, was seit Wochen meinen Palast heimsucht, sind Verrückte, die mit Magie herumspielen und keinerlei Respekt kennen."
Vor ihnen schien der Wald dunkler als zuvor. Glorfindel legte seine Hand auf den Schwertgriff. Diese Dunkelheit war fremdartig und bedrohlich. Die dichte Reihe der Waldelben, die zuvorderst marschierten, schien genau zu wissen, was dort lauerte. Die Bogen, die sie während der ganzen Zeit bereits in den Händen gehalten hatten, wurden nun erhoben, Pfeile aus dem Köcher gezogen.
„Ich hätte dich nie aus der Beutegrube ziehen sollen. Diese Erdspinne schuldet mir jedenfalls ihren tiefsten Dank. Du hättest sie in den Wahnsinn getrieben."
„Habe ich Euch etwa darum gebeten?"
„Du nicht-„ Thranduil brach ab. „Alle zusammenrücken. Dorinion, wie viele sind es?"
Der Krieger, der die erste Reihe anführte, wandte nicht einmal den Kopf. „Nur eine kleine Kolonie, mein König. Wenig mehr als ein Dutzend."
Thranduil zog sein Schwert und streifte die beiden Elbenfürsten mit einem fragenden Blick. „Seid Ihr schon einmal auf Ungoliaths Nachkommen getroffen?"
„Es blieb uns bislang erspart", antwortete Elrond ruhig.
„Dann macht Euch auf ein unangenehmes Erlebnis gefasst." Thranduil bedachte Varya noch mit einem mehr als mörderischen Blick. „Du bleibst bei Forlos."
Glorfindel hatte nicht den Eindruck, dass sie sehr kampflustig war. Eigentlich hatte sie sich schon halb hinter den Hauptmann geschoben und zog ein Gesicht wie ein entsetztes Kind.
Es blieb ihm nicht die Zeit, sich noch weiter Gedanken über die Rhûna zu machen. Aus der tiefen Dunkelheit vor ihnen schossen silbrige Bänder, denen die Elben hastig auswichen.
„Meidet die Fäden", riet Thranduil. „Diese speziellen Fangfäden sind nicht nur klebrig sondern verätzen alles, mit dem sie in Kontakt kommen."
„Danke für die frühe Warnung", murmelte Elrond und duckte sich unter einem der armdicken Fäden hinweg. Mit einer heftigen Bewegung zertrennte er diesen Fangfaden, der neben ihm an einem Baum haftete.
Die Tawarwaith schossen ihre Pfeile in die Dunkelheit als wüssten sie ganz genau, wo dort ihre Ziele lauerten. Wahrscheinlich war dem auch so, während die Bruchtal-Elben rein gar nichts erkennen konnten.
Egal, was man von Thranduil hielt - er war sicherlich kein Feigling. An der Spitze seiner Männer stürmte der König vor. Glorfindel würde eher sterben, als sich hinter Orophers Sohn zu verstecken und so folgte er ihm mit gezogenem Schwert.
Keine gute Idee, befand er kurz darauf, als aus allen Himmelsrichtungen die Fäden auf ihn zu schossen. Den meisten wich er dank seiner unermüdlich trainierten Reflexe aus, einer jedoch streifte seine linke Schulter. Nun erfuhr er auch, was Thranduil zu der Warnung bewogen hatte. Trotz des Leders und Metalls fraß sich die Säure durch die obersten Schichten seiner Rüstung. Als sie endlich bis auf seine Schulter durchgedrungen war, hatte sie sich zum Glück so weit abgeschwächt, dass es nur noch mehr ein unangenehmes Brennen war.
Thranduils Männer hatten mit ihren Pfeilen genug der Spinnen erlegt, dass sich die unnatürliche Dunkelheit lichtete. Eine Verbesserung war dies nicht gerade. Angewidert starrte Glorfindel auf die riesigen achtbeinigen Geschöpfe, die zwischen den stärkeren Ästen der Bäume hingen und dort dichte Netze von erschreckender Perfektion gesponnen hatte. In einigen davon hingen weißliche Kokons, in denen weniger glückliche Bewohner des Waldes ihr Leben ausgehaucht hatten.
Die schwarzen, von dichtem Pelz überzogenen Geschöpfe Mordors gingen nun zum direkten Angriff über, nachdem zu viele von ihnen in den Netzen von Pfeilen regelrecht gespickt worden waren. In beängstigender Schnelle ließen sie sich zu Boden und glitten dann auf die Elben zu. Ungoliaths Kinder mochten kleiner sein als ihre Schöpferin, doch noch immer waren es riesige Untiere, in deren unzähligen, nachtschwarzen Augen reine Blutgier schimmerte.
Das also waren Galens berühmte Zwergspinnen. Glorfindel korrigierte sich – Hüttenspinnen. Er fragte sich, wie der junge Rhûna überhaupt die Begegnung mit ihnen überstanden hatte mit nicht mehr als einem Biss in der Schulter. Nachträglich konnte er ihm nur seinen Respekt zollen.
Glorfindel fand sich an Thranduils Seite genau einem dieser Untiere gegenüber.
„Blendet sie!" befahl der Waldelbenkönig und machte es gleich vor. Er wich den vorschnellenden Kiefern der Spinne aus und stieß von der Seite aus sein Schwert in die Anhäufung kreisrunder Augen. Mit einem hellen Kreischen fuhr der Schädel des Tieres hoch und riss Thranduils Schwert mit sich.
Glorfindel unterdrückte einen Fluch. Er sprang vor und zog Thranduil aus dem Bereich der wild hin und her schwingenden Kiefer. Elrond erschien an seiner Seite und attackierte die andere Seite des Schädels. Die Spinne mochte geblendet sein, doch sie war deswegen nicht tödlich verletzt. Glorfindel traute seinen Augen kaum, als Thranduil wieder auf die Füße kam und über den Kopf des Untieres auf dessen Rücken sprang. Beinahe spielerisch angelte der Tawarwaith nach seinem Schwert und begann, tiefe Wunden in den Rücken der Spinne zu schlagen.
Offenbar war es eine bekannte Taktik bei den Waldelben. Noch vier der Spinnen waren am Leben und auf jeder standen trotz der heftigen Gegenwehr Thranduils Männer, um ihre Schwerter durch den harten Leib des Untieres zu bohren, während andere die Augen mit Pfeilen spickten. Doch trotz der Erfahrung gab es Verluste. Nicht nur einer der Waldelben lag am Boden oder versuchte, sich aus dem Bereich der tobenden Bestien zu retten.
„Ich habe es befürchtet!" zischte Elrond, als ein silbriger Schimmer zwischen den Kämpfenden durchhuschte, gefolgt von einem höchst alarmierten Rhûnar-Hauptmann.
„Holt sie da weg!" schrie Thranduil ihnen vom Rücken der langsam schwächer werdenden Spinne zu.
Elrond und Glorfindel warteten jedoch, bis mehrere von Thranduils Männern bei ihnen waren und es übernahmen, das Untier vom Boden aus weiter anzugreifen. Erst dann fuhren sie herum, um Rhûnars lebensmüde Heilerin vor dem Tod in den Fängen einer ausgesprochen wütenden Spinne zu retten. Varya lag halb über einem schwerverletzten Waldelben, dem eine Spinne einen tiefen Biss in den rechten Oberschenkel zugefügt hatte. Über ihr stand Forlos und versuchte, die Aufmerksamkeit des Untiers von seiner geistesabwesenden Schutzbefohlenen abzulenken.
Elrond und Glorfindel stellten sich an seine Seite, da sie weder die Rhûna noch den Waldelben aus der Angriffslinie bringen konnten. Die Spinne hatte sich halb aufgerichtet und ihre Kiefer klafften weit auseinander. Elrond nahm sich die eine Seite des Spinnenkopfes vor und Forlos die andere. Glorfindel hatte nun die Wahl. Entweder er sprang so wie Thranduil auf ihren Rücken oder er versuchte, ihren Bauch aufzuschlitzen.
Der Vanya hasste sich bewegende Untergründe, also rückte er notgedrungen unter den mächtigen Spinnenkörper vor, über sich das geifernden Giftmaul dieses Monstrums und stieß so kräftig es ging immer wieder nach oben in den frustrierend harten Leib. Angestrengt ignorierte er die diversen, übelriechenden Körperflüssigkeiten, die mit jedem Schwertstreich auf ihn tropften und versuchte, wenigstens irgendein lebenswichtiges Organ zu treffen, ohne dabei an die Quelle der Spinnfäden zu geraten, die ihn in Säure und wahrscheinlich auch noch Gift baden würde. Erst als schon fast die Innereien aus dem Tier quollen, ging ein unheilverkündendes Zittern durch den riesigen Körper über ihm.
„Weg hier!" erklang Elronds Stimme hinter ihm. Im nächsten Moment hatte der Elbenlord ihn am Arm gepackt und zog ihn unter dem sterbenden Koloss weg. Sie stolperten beide gerade noch rechtzeitig ins Freie, bevor alle acht Beine der Spinne gleichzeitig einknickten und sie so heftig zu Boden krachte, dass dieser vernehmlich zitterte.
Glorfindel strauchelte und landete auf dem Rücken und den Ellbogen. Direkt vor seinen Füßen ruhte das mächtige Haupt der verendeten Spinne. Glorfindel schüttelte sich. Einen Atemzug länger und er wäre wieder auf dem Weg in Mandos Hallen gewesen, zerquetscht von einem schwarzen Monstrum.
„Seid Ihr verletzt?" erkundigte sich neben ihm der silberhaarige Auslöser dieses Wahnsinns.
Glorfindel schüttelte stumm den Kopf. Er hatte nicht übel Lust, ihr den Hals umzudrehen.
„Gut, dann haltet ihn fest", befahl sie, deutete auf den verblutenden Elb unter sich und zerrte einen Lederriemen und einen kurzen Stock aus ihrem Beutel.
„Ich mach das", kam Elrond ihm zuvor. Er richtete den verletzten Waldelben etwas auf und umfasste seine Schultern, während Varya das verletzte Bein abband. Sehr behutsam war sie nicht, aber nach dem hellen Blutstrom, der aus der Wunde strömte, war auch kaum Zeit für Zartheiten.
„Fixiert es", forderte sie und Elrond ergriff den eingedrehten Stock. Varya riss in einer heftigen Bewegung den Stoff über der Wunde auf, aus der nun deutlich weniger Blut austrat. Dann griff sie mit ihren blutbesudelten Händen in ihre Tasche und holte einen kleine Tontopf heraus. „Das brennt jetzt."
Nach dem Schrei, den der Waldelb ausstieß, als die gelbe Paste mit seinem Bein in Berührung kam, musste es wie flüssiges Feuer sein. Glorfindel unterdrückte nur schwer eine mitleidige Grimasse. Das war wohl das letzte, das der Tawarwaith jetzt brauchte.
„Seid nicht kindisch", kommentierte Varya kopfschüttelnd. „Wie kann man sich nur so anstellen?"
Glorfindel bewegte unruhig seine Schulter, in der der ätzende Spinnenkleber nun verstärkt sein Unwesen trieb. Er würde sich bestimmt nicht von der Rhûna behandeln lassen. Elrond warf ihm einen spöttischen Blick zu, konzentrierte sich dann aber wieder darauf, was die Rhûnar-Heilerin als nächstes vorhatte.
Sie rieb kurz ihre Hände aneinander, lächelte dem panischen Waldelben vor sich geradezu sonnig zu und drückte die Handflächen dann fest auf die Wunde. Der Mann gab zuerst einen erschreckten Laut von sich, blinzelte dann verwundert und entspannte sich merklich. Varya hatte den Kopf gesenkt, die langen Haare verbargen ihr Gesicht. Nichts an ihr bewegte sich mehr, sie schien nicht einmal mehr zu atmen. Gerade als Elrond den Arm ausstreckte, um sie aus der Konzentration zu reißen, holte sie geräuschvoll Luft und nahm die Hände von der Wunde.
„Das war es auch schon", verkündete sie um Atem ringend.
Glorfindels Blick glitt von ihr zu Thranduil, der sich gerade wie der Fürst der Finsternis hinter ihr aufbaute. „Tatsächlich?"
Noch während sie zu einer Antwort ansetzte, lernte die Heilerin der Rhûna fliegen. Thranduil packte sie unter den Armen, riss sie hoch und stieß sie dann ungeachtet ihres empörten Schreies auf den Spinnenkadaver zu.
„Siehst du diese Kiefer?" brüllte er sie an und trat mit dem Fuß gegen den Spinnenkopf. Ein Reflex nach dem Tod sorgte dafür, dass sich das Maul des Untiers öffnete.
Varya gab ein hysterisches Quietschen von sich und klammerte sich an den verblüfften Waldelbenkönig. „Tötet sie!" forderte sie schrill.
Thranduil blickte völlig überrascht auf das panische Geschöpf, das Anstalten machte, in ihn hineinzukriechen. Ratlos wandte er den Kopf zu den beiden Elbenfürsten, die gerade wieder auf die Beine kamen und dabei den eben noch verletzten Waldelb mit hochzogen.
„Varya, diese Spinne ist bereits tot", sagte Elrond freundlich.
„Jetzt jedenfalls", ergänzte Thranduil grimmig. „Sie war es nicht, als du dich über Dorinion geworfen hast."
Hochrot vor Verlegenheit machte sich die Heilerin von ihm los, bedachte den Spinnenkadaver mit einem angeekelten Blick und wischte geistesabwesend ihre blutbeschmierten Hände an Thranduils Ärmel ab. „Darauf habe ich nicht geachtet. Euer Krieger war dabei zu verbluten."
Hauptmann Forlos lächelte entschuldigend und folgte seiner Heilerin, die bereits neue Opfer für ihre bemerkenswerte Heilkunst erspäht hatte.
„Sie hat die Verletzung fast vollständig geheilt", meinte Dorinion in Richtung seines Königs, der sich noch immer nicht ganz über eine angemessene Reaktion klar zu sein schien.
„Aber um welchen Preis", murmelte Elrond. „Die Heiler der Rhûna gehen weit auf gefährlichen Wegen in ihren Bemühungen. Glorfindel, lass mich deine Schulter sehen."
***
Das versteckt zwischen den Bäumen liegende Dorf lag im Dunkel. Natürlich nicht vollständig im Dunkeln, in einigen der kleinen, holzgedeckten Steinhäuser brannten Lichter. So spät am Abend war es noch nicht, die Nacht noch jung. Stimmen waren zu hören, die sich leise in einem schwer verständlichen Westron-Dialekt unterhielten. Daneben konnte man die Geräusche von Schlafenden ausmachen, unruhige Bewegungen und verschiedenartigste Laute von Nutztieren, die in einfachen Verschlägen bei den Häusern untergebracht waren.
Alles schien so harmlos und dennoch lag über allem die Ahnung von Gefahr. Galen glaubte nicht, dass er sich das nur einbildete. Das Fieber war zwar in den letzten Stunden gestiegen und er hatte mehr und mehr Mühe, seine Aufmerksamkeit auf seine Umgebung zu konzentrieren, doch noch reichten seine Kräfte.
Mühsam blinzelte er, als zwischen den Hütten ein schmaler Schatten umherhuschte und dann zielgerichtet auf ihr Versteck am Dorfrand zuhielt. Lange nach seinen Begleitern gelang es ihm erst, den Schatten als Legolas zu identifizieren, der kurz vorher losgeschlichen war, um dieses Dorf zu erkunden.
„Am Südrand befindet sich ein größeres Haus", berichtete der Elb leise. „Ostlinge gehen dort ein und aus. Im Stall lagern einige von ihnen."
„Orks?"
„Ich konnte keine entdecken. Aber sie sind irgendwo hier, man riecht es."
„Das bringt uns nicht weiter", sagte Elladan. „Hauptmann Caeril, Ihr werdet ein Ablenkungsmanöver starten. Sobald dieses Haus nicht mehr von Ostlingen wimmelt, werden meine Brüder, Legolas und ich dort eindringen und es nach diesem Hexer durchsuchen. Wenn irgendwo Orks sind, dann werden sie sich wohl zeigen."
„Ich begleite euch", murmelte Galen.
„Sicher", nickte Elrohir und tätschelte ihm leicht die Schulter. „Dann haben wir schon fast gewonnen. Kannst du überhaupt noch laufen?"
„Schnell genug, um dich bis nach Mordor zu jagen."
Galen wünschte sich nur noch, sich irgendwo auszustrecken und in einen tiefen Schlaf zu versinken. Stattdessen sammelte er seine letzten Kräfte zusammen und beobachtete, wie Caeril mit den Elben aus Bruchtal den Ostrand des Dorfes aufsuchte. Kurz darauf ertönten von dort erste Kampfgeräusche.
„Wir müssen uns beeilen." Estel nahm Galen am Arm und zerrte ihn unbarmherzig mit sich durch das erwachende Dorf. Sie hielten sich am Westrand, wo noch nicht alle der Waldmenschen auf den Beinen waren.
Das Haus, von dem Legolas gesprochen hatte, lag von den anderen entfernt. Dort herrschte reger Betrieb. Dutzende Ostlinge strömten aus dem Stall, einige auch aus dem Haus selbst. Galen hasste diese kleinen, dunkelhäutigen Geschöpfe, die soviel Leid über sein Volk gebracht hatten.
Caeril musste Feuer am Ostrand gelegt haben, denn von dort kam nun ein heller Schein und die Stimmen der Waldmenschen, die schrill in Galens Ohren klangen, wurden noch aufgeregter.
„Das dürfte als Ablenkung reichen", erklärte Elladan. „Wir gehen rein."
Wo rein? wunderte sich Galen einen Moment. Das Haus, natürlich.
Er stolperte neben Estel her auf die breite Eingangstür zu. Die Zwillinge gingen voran mit gezogenen Schwertern, Legolas blieb an seiner Seite, den Bogen schussbereit. Es gab ein seltsames Geräusch, als ein Pfeil die Sehne verließ und in der Brust eines Ostlings einschlug, der gerade durch die Tür hinausstürzen wollte. Der Mann wurde zurückgeworfen und riss dabei einen anderen um, der ihm dichtauf gefolgt war. Die Zwillinge drangen beinahe gleichzeitig auf ihn ein. Dann war der Weg in das Haus zunächst frei.
Sie landeten einer recht bescheidenen Eingangshalle, nur mäßig erleuchtet. Rechts und links gingen Türen ab und eine Holztreppe führte hinauf in den ersten Stock. Elladan und Elrohir stürmten bereits mit gezogenen Schwertern die Treppe hinauf, während Legolas durch die Tür zur Linken verschwand.
Nur Galen und an seiner Seite ein unruhiger Estel blieben im Eingangsbereich stehen. Aus dem Raum, in den Legolas hineingelaufen war, ertönten Kampfgeräusche und wütende Stimmen. Auf der rechten Seite des Hauses war jedoch alles ruhig.
„Es sind mehrere", flüsterte Galen mühsam. „Du musst ihm helfen, Estel."
Der Mensch bedachte ihn mit einem unglücklichen Blick. „Ich kann dich nicht alleine lassen."
Galen deutete auf den dämmrigen Hintergrund der Halle. „Ich warte dort. Niemand wird mich entdecken."
Estel zögerte noch einen Moment, dann verfrachtete er Galen auf einen Stuhl, der dort an der Wand stand. „Schrei, sobald sich hier etwas regt. Verstanden?"
Mit einem Nicken bestätigte Galen. Estel stob sofort davon, um Legolas zu helfen. Die Kampfgeräusche im Nebenraum wurden augenblicklich lauter. Umstürzende Möbel kamen hinzu und Schmerzensschreie. Galen hatte genug seiner Gaben als Heiler wieder zurück, um fast jedem Geräusch eine Verletzung zuordnen zu können. Fast schien es, als hätte dieses Fieber sein Gehör noch geschärft. Er zuckte zusammen, als Estel zuerst einen Schrei ausstieß und dann unter den ganzen anderen Geräuschen vielleicht nur für Galen vernehmbar das unheilvolle Knirschen eines gebrochenen Knochens zu hören war.
Galen unterdrückte den Drang, sofort aufzuspringen und Elronds Ziehsohn zu Hilfe zu eilen. Er konnte nicht einmal sich selbst helfen im Moment, geschweige denn dem Sterblichen. Es war so hoffnungslos.
Auch aus dem Stock über ihm kamen keine beruhigenderen Geräusche. Menschen liefen dort durcheinander, Waffen trafen auf andere und Elladan und Elrohir riefen sich gegenseitig Warnungen zu. Es waren nicht wenige, die dort Elronds Söhne bedrängten.
Im Halbdunkel seines Verstecks blieben Galens umherirrende Blicke an einem schmalen Lichtstreifen hängen. Ihm direkt gegenüber musste unter der Treppe eine Tür sein, unter der nun Licht hervordrang. Nur langsam drang die Erkenntnis durch seine fiebergeschüttelten Gedanken, dass dieses Haus vielleicht über Kellergewölbe verfügen könnte.
Schon hatte er angesetzt, um nach Estel zu rufen, überlegte es sich aber dann. Der Kampf im Nebenraum war noch in vollem Gange. Wenn er jetzt um Hilfe rief, konnte er seine Freunde nur in Gefahr bringen. Auf seinen Stock gestützt rappelte er sich auf und taumelte auf die Holzwand zu. Tiefe Zufriedenheit erfüllte ihn, als er im Dunkel einen Türgriff ertastete.
Hinter der Tür begannen sofort steile Steintreppen. Eine Fackel brannte in einer schlichten Halterung auf halber Höhe und beleuchtete den Weg in die Tiefe. Eine Hand an der Wand machte sich Galen an den mühsamen Abstieg. Hier unten würde er den Feind seines Volkes finden, diesen Hexer. Er zitterte vor Anstrengung, als er endlich am Fuß der Treppe angelangt war. Von hier aus bog der Gang nach links ab, eine andere Richtung war nicht möglich.
Galen blieb einen Moment stehen. Schatten tanzten vor seinen Augen. Ein unangenehmer Geruch breitete sich aus. Die Schatten schienen näher zu kommen. Mühsam blinzelte er und seine Sicht klärte sich. Galen öffnete den Mund zu einem entsetzten Schrei, als sich vor ihm ein böse grinsender Ork aufbaute.
***
@Lachfindel: Legolas? *kratz am Kopf* Thranduil, Legolas, noch weitere Vorschläge? Wir treiben noch eine für Elrond auf, vier für die Zwillinge. Glorfindel braucht keine Hilfe.
@Shelley: Ja, er ist so niedlich, fast wie eine Spinne. Zu Th+V sag ich jetzt nichts.
@Airihnaa: Leider muss ich dich enttäuschen. Gerade wurde ein Vertrag zu ‚Der Förster vom Düsterwald' unterschrieben, danach wird noch ‚und ewig singen die Nebelberge' gedreht bevor dann die Serie ‚Gute Zeitalter, schlechte Zeitalter' anfängt mit einer ersten Staffel von 6000 Folgen.
@feanen: Lass ihn falten, das macht ihm wirklich Spaß. Die Ewigkeit ist ihm sonst zu langweilig.
@Loriel: Gut, dass das Schild wieder eingemottet wurde *grins* Und Glorfindel kann man den Vanya-Adel doch gönnen. Wenn nicht ihm, wem dann?
@Atropos: Die böse Stiefmutter? *grins* Das mit dem Kompost *kicher* hat mich auch immer gestört. Das hatte was von einem kleinen, dicken Bacchus. Im Moment müsste der gute Mr. ‚das Auge' S. eigentlich seine Handlanger Mr. ‚schwarze Kutte' N. dort stationiert haben. Und sei nicht so gemein zu Haldir, Elrond hat ja bei dir schon genug zu leiden, von Prinzlein reden wir erst gar nicht.
@Donnfindel: Die Birke kenn ich. Das ist die gleiche, unter der ich meinen Camping-Kühlschrank fest montiert hab, weil ich da immer auf die Updates einer bestimmten Autorin warte. Nimm dir solange eine Cola.
@Michiru-chan: Nicht doch! Komm aus der Ecke raus. Ja, Thrandy ist ein Süßer und vielleicht ganz gut, dass er nicht selbst angetanzt ist. Dann hätte die Heilerin wahrscheinlich einen Heiler gebraucht.
@Amélie: Nu hat er's ja nicht leicht. Ein bisschen besser als die Uruks kann er sich wohl schon benehmen. Und Elronds Ausreden? Der Elb kann eben nicht lügen, oder nur sehr schlecht. Er ist weise, er ist alt und er ist edel. Und er ist mit einem Berater wie Glorfindel geschlagen. Tröste ihn!
@Mystic: Gut, ich geb's zu, du hast es geschafft. Und ja, sie fangen jetzt an zu suchen.
