Disclaimer: Manche Dinge ändern sich nie – immer noch alles Tolkien und mich nix.
12. Kapitel: Ein Ork namens Grunug
Sie waren klein, hässlich und ziemlich wütend. Außerdem schienen sie ihre Anzahl auf wundersame Weise zu vermehren, nämlich mitten im Kampf. Legolas riss seine gekreuzten Dolche hoch und fing die drei Schwerter ab, die gleichzeitig seinen Schädel spalten wollten. Als er den Raum betreten hatte, waren es fünf Ostlinge gewesen, denen er gegenüberstand. Davon lagen mittlerweile drei tot am Boden und trotzdem waren immer noch fünf Ostlinge dabei, ihn von einer Ecke in die andere zu treiben.
Unter lautem Gepolter drängten drei weitere durch eine schmale Tür in Hintergrund des Raumes. Daher also...Legolas warf die Männer vor ihm zurück und duckte sich gerade noch rechtzeitig weg, als über ihm eine Klinge die Luft zerschnitt. Als er sich umdrehte, riss der Ostling hinter ihm die Augen auf, gab ein seltsames Geräusch von sich und fiel ihm vor die Füße. Estel nickte ihm grimmig zu und stellte sich an seine Seite. Keinen Moment zu früh, denn mit Verstärkung stürmte der ganze Trupp Ostlinge erneut auf sie zu.
„Galen?" fragte Legolas und rammte einem unvorsichtigen Angreifen einen Langdolch in den Magen.
„Sitzt draußen", keuchte Estel. Er schlug einem Ostling das Schwert aus der Hand, trat ihm dann in den Unterleib und ließ seine den Schwertgriff umklammernde Faust auf den Nacken des einknickenden Mannes donnern.
Legolas beschloss, seine Lage zu verbessern und sprang auf den langen Holztisch, der den Raum beherrschte. Von hier oben war er den Angreifern eindeutig überlegen. Er sprang über eine Schwertklinge, die ihm ansonsten die Unterschenkel zerteilt hätte und trat dem Ostling dann mitten ins Gesicht. Der Tisch war einige Meter lang, dazu recht breit und Legolas rannte darauf hin und her, etwas hilflos am Boden verfolgt von den Ostlingen. Auch Aragorn schien die günstige Position zu erkennen, denn er folgte ihm sofort. Anstatt wie Legolas über die Schwerter der Ostlinge hinüber zu springen, trat er einfach auf eine der Klingen, lächelte den Ostling am anderen Ende böse an und versenkte dann sein eigenes Schwert in dessen Schulter.
Einer der Ostlinge gab einen Befehl in einem nicht verständlichen, harten Dialekt und die verbliebenen sechs Männer bildeten eine geschlossene Front an einer der Längskanten des Tisches. Wieso wieder sechs? wunderte sich Legolas. Wenn wir nicht bald diese verdammte Tür verriegelt bekommen, wird das hier ewig dauern.
„Was haben die vor?" rief ihm Estel alarmiert zu und versuchte, die aufrückenden Ostlinge vom Tisch fernzuhalten.
„Keine Ahnung. Galen müsste sie verstehen." Legolas stach nach einem der Männer, doch der wich ihm einfach aus.
„Galen ist aber nicht hier!" schrie ihn Estel erbost an.
Mit einem vielstimmigen Gebrüll stürmten die Ostlinge auf den Tisch zu, umfassten die Kante und stürzten ihn um. Estel landete mit einem Schmerzensschrei auf der steinernen Kaminumrandung an der Wand hinter ihnen, während Legolas schnell genug hochgesprungen war und sicher auf der nun hochstehenden Tischkante aufkam. Sie war breit genug. Er war schon über Äste gelaufen, die schmaler gewesen waren. Mit einem unheilvollen Lächeln blickte er auf zwei verwirrt zu ihm aufschauenden Ostlinge, bevor er mit beiden Dolchen gleichzeitig ihre Kehlen aufschlitzte.
Aus den Augenwinkeln bemerkte er, wie sich Estel wieder aufrappelte. Er zog zwar eine schmerzliche Grimasse, war aber immer noch kampfbereit. Der Ostling, der ihn wohl als leichte Beute ausersehen hatte, ging unter den Schwerthieben des Menschen in die Knie, bevor er endgültig sein Leben aushauchte.
Drei und dabei bleibt es diesmal, beschloss Legolas, lief hastig auf der Tischkante entlang und setzte dann mit einem Sprung über den dort wartenden Ostling hinweg. Er landete genau vor der Tür, der sich bereits von der anderen Seite wieder Verstärkung näherte. Legolas winkte den Neuankömmlingen kurz zu, dann schlug er die Tür zu und verkeilte einen stabilen Holzstuhl unter der Klinke. Von da drohte jedenfalls keine neue Gefahr mehr. Er drehte sich wieder um.
Estel fluchte lauthals vor sich hin, zwei der Ostlinge vor sich, die ihn umkreisten wie bösartige Ratten. Der letzte Überlebende stoppte gerade hinter Legolas, nachdem er ihm in den Rücken hatte fallen wollen. Praktischerweise hatte er seine Waffe hoch erhoben und Legolas nahm es als Einladung, die Langdolche in seinen Eingeweiden zu versenken. Der Mann war noch nicht zu Boden gesunken, da hatte der Elb schon seine Waffen getauscht. Er zielte sorgfältig und mit einem Pfeil im Kreuz verabschiedete sich der vorletzte Ostling aus dem Kampf gegen Estel. Den zweiten Pfeil konnte er sich sparen, denn Estel war wütend genug, den letzten dieser kleinen, dunkeläugigen Teufel in einer schnellen Attacke aufzuspießen.
„Schlimmer als Orks!" schrie Estel. „Gibt es hier ein Nest von denen?"
Legolas deutete auf die Tür hinter sich. „Einen Hintereingang."
„Ich dachte, du hast das Haus ausgekundschaftet. So unwichtig ist ein Hintereingang nicht!" Mit einem Schmerzenslaut betastete Estel seine linke Seite. „Ah, sie ist gebrochen. ICH HABE MIR DEINETWEGEN EINE RIPPE GEBROCHEN!"
„Nur eine ist gut", lächelte ihn Legolas entschuldigend an. „Es hätten mehrere sein können."
„Wir unterhalten uns später noch über diesen Hintereingang", grollte sein Freund. Mit einem Schnaufen richtete er sich wieder auf. „Galen..."
Beide stürmten sie hinaus in die Eingangshalle. Gleichzeitig mit ihnen kamen die Zwillinge etwas zerzaust und voller Blutspritzer wieder die Treppe herunter.
„Nichts", rief ihnen Elladan entgegen. „Jedenfalls nichts Wichtiges. Ein paar Ostlinge, mehr nicht. Galen?"
„Auf dem Stuhl", ächzte sein menschlicher Bruder und machte einen Geste zur Seite.
„Wo?" fragte Elrohir.
Vier Augenpaare richteten sich mit steigendem Entsetzen auf den leeren Stuhl, der dort an der Wand stand.
„Das darf nicht wahr sein!" fauchte Estel. „Dieser verdammte Idiot!"
Legolas suchte mit den Augen nachdenklich den Hintergrund der Halle ab. Er konnte sich nicht vorstellen, dass der Rhûna weit gekommen war. Dafür ging es ihm bereits zu schlecht. Ein Lichtschimmer unter der Treppe zog seine Aufmerksamkeit auf sich.
„Hier gibt es einen Keller", rief er und ärgerte sich, dass er nicht schon viel eher daran gedacht hatte.
Sie liefen alle gleichzeitig los. Legolas riss die nur angelehnte Holztür auf und sah die steile Treppe hinunter. Der Geruch, der den Luftzug von unten begleitete, war eindeutig.
„Wir haben die Orks wohl gefunden", stellte Elladan hinter ihm fest.
Ein wütendes Knurren drang an ihre Ohren, gefolgt von Galens unterdrücktem Schrei.
„Und die Orks unseren Heiler", murmelte Legolas, bevor er die Stufen herunterstürmte.
***
Für einen einzigen Tag reichte es ihm langsam. Orks, selbst wenn sie so ungeschickt waren wie der vor ihm, der sich laut knurrend auf ihn stürzte und dabei Elronds ausgestrecktes Schwert übersah, waren einfach kein angemessener Zeitvertreib für jemanden, dessen beste Waffe sonst die Diplomatie war.
Ich werde zu alt für diese Aufregung, grollte Elrond innerlich, vielleicht sollte ich Cirdan eine Nachricht schicken, dass er mir auf dem nächsten Schiff einen Platz freihält. Es wäre auch nett, Celebrian endlich wieder zu sehen. Die Jungs werden mich schon verstehen. Arwen vielleicht nicht sofort, doch die hat Estel zum Trost.'
„Du träumst!" fuhr ihn Glorfindel an und stieß ihn aus der Schussbahn eines Pfeils.
„Wenn, dann ist es ein einziger Albtraum", fauchte Elrond zurück. „Dieser Ort hier, diese Orks, einfach alles!"
„Nimm dir ein Beispiel an Thranduil." Mit diesem letzten spöttischen Kommentar stürzte sich Elronds Berater mit neuem Elan auf die angreifenden Orks, die sie schon von drei Seiten angriffen und sicherlich versuchen würden, den Kreis ganz zu schließen.
Es waren vielleicht an die dreihundert, die ihnen aufgelauert hatten, als sie bereits befürchteten, dass man sie ignorieren würde, bis sie unbeabsichtigt bis vor die Tore Dol Guldurs marschiert wären. Offenbar ging ihr Plan auf und die Festung zerriss sich gerade zwischen Celeborn am Westrand und ihnen selbst aus Norden kommend. Aber auch dreihundert waren immer noch genug, ihnen Schwierigkeiten zu machen.
Glorfindel war natürlich ganz in seinem Element. Nach dem eher unangenehmen Erlebnis mit den Spinnen lag ihm dieser Kampf sehr viel mehr. Und zumindest dabei waren der Elbenfürst und der Waldelbenkönig ein Herz und eine Seele. Die beiden fraßen sich wie ein wütender zweiköpfiger Drache durch die Reihen der angreifenden Orks. Nichts schien sie aus dem Takt bringen zu können. Thranduil fand sogar noch die Muße, seine Männer immer wieder mit neuen Anweisungen zu versorgen, obwohl Elrond den Eindruck hatte, dass die Waldelben auch so ganz gut zurecht kamen.
Elrond selbst kämpfte immer gerade da, wo seine Hilfe am meisten gebraucht wurde und versuchte gleichzeitig einen Überblick zu behalten, damit sie nicht von irgendeiner List der Orks überrascht wurden. Nicht, dass er diesen beschränkten Geschöpfen sehr viel zutraute, aber man konnte nie wissen. Es war nur erleichternd, dass sich keine Uruk'hai unter ihnen befanden. Die hätten sie ernstlich in Schwierigkeiten gebracht.
Die wenigen zu schwer für einen weiteren Kampf verletzten Elben befanden sich alle unter einer ausladenden Eiche gruppiert. Rhûnars Heilerin sprang wie ein Irrlicht zwischen ihnen umher und versorgte in der rustikalen Art ihres Volkes die Wunden, so gut es unter diesen Umständen möglich war. Forlos war ihr diesmal zum Glück immer dicht genug auf den Fersen und verhinderte neue selbstmörderische Rettungsaktionen.
„Elb!" Ein abstoßend hässlicher Ork mit einem großen goldenen Ohrring schob sich in Elronds Blickfeld. Das einfache Schwert in seinen Händen tropfte bereits vor Blut.
„Ork!" imitierte der Elbenlord ihn am Ende seiner Geduld und hackte ihm mit einem einzigen, schnellen Schlag die Hand ab. „Toter Ork!"
Verwirrt sah sich das Geschöpf Mordors um, starrte einen Moment auf seinen Armstummel und schrie dann laut auf, als Elronds Schwert erneut auf ihn zufuhr und sich tief in seinen Brustkorb senkte. Im Einzelkampf waren die Orks noch nie wirklich gut gewesen. Sie zogen all ihre Kraft aus ihrer großen Anzahl und dümmlichen Unerschrockenheit.
Eine halbe Stunde später erkannten auch die letzten noch lebenden Orks, dass sie gegen diese Elben nicht gewinnen konnten. Unter wütendem Brüllen zogen sie sich zurück.
„Keine Verfolgung!" donnerte Thranduils Stimme über das Schlachtfeld, als sich die Elben noch halb im Kampfrausch anschickten, den Flüchtenden nachzusetzen. „Wer noch einen Schritt weitergeht, kann sofort ins Exil nach Imladris durchmarschieren."
Elrond runzelte leicht die Stirn, als Thranduils Männer augenblicklich verharrten. Es schien eine überaus beliebte Drohung des Königs zu sein und offenbar noch wirksamer als die Verliese des Palastes. Dieses Elbenvolk war ihm schon immer ein Rätsel gewesen. Da grenzte es fast an ein Wunder, dass Legolas ein so höflicher und umgänglicher Elb geworden war.
Angesichts der Verletzten blieb ihm nicht die Zeit, sich näher mit diesen Gedanken zu befassen. Es gab genug schwere Verletzungen, dass Hilfe dringend erforderlich war. Elrond stellte fest, dass es zur Abwechslung sehr angenehm war, Hilfe in dem Umfang zu haben, wie er von Varya geleistet wurde. Sie mochte nicht die Sanfteste sein und manch einer der Leichtverletzten winkte hastig ab, wenn sie ihn fragend ansah, aber sie heilte mit großer Effizienz.
Es verging eine Weile, bis sich Elrond müde und mit mehr Elbenblut als dem der Orks besudelt zu Thranduil und Glorfindel gesellte, die gerade eine Wasserflasche mit dem silbergoldenen Siegel des Königs zwischen sich hin und her wandern ließen. Thranduil hielt sie ihm hin. „Durstig?"
Elrond nickte nur, nahm einen tiefen Schluck und im nächsten Moment traten ihm die Tränen in die Augen.
„Was ist das?" fragte er hustend.
„Obstbrand aus Esgaroth", grinste Thranduil boshaft. „Sieht aus wie Wasser, schmeckt aber besser. Heilt gelegentlich auch Wunden."
„Nur wenn man es draufgießt", ließ sich Varya spöttisch hinter ihnen vernehmen. „Oder habt Ihr innere Verletzungen erlitten, mein König?"
„Meine Nerven sind zerrissen", antwortete er. „Auch einen Schluck, Hexe? Oder hast du Angst, dein Temperament könnte das Gebräu noch in deinem Mund entzünden?"
Elrond wischte sich noch die Tränen aus den Augen, als sie dieses Zeug bereits herunterschluckte, als wäre es wirklich nur Wasser und sich nur ein wenig schüttelte.
„Meinen Respekt", lachte Glorfindel. „Euer Freund Galen zeigte weniger Standvermögen, als er sich in Elronds Weinkeller versuchte."
„Galen ist etwas empfindlich für einen Rhûna." Sie seufzte einen Moment und machte dann eine umfassende Armbewegung. „War es das nun? Hat es gereicht, um den anderen genug Luft zu verschaffen?"
Die drei Elben sahen sich nur an.
„Die Antwort habe ich erwartet", murmelte sie. Mit einem beinahe begeisterten Blick entdeckte sie auf Thranduils rechtem Arm einen blutigen Riss in der Kleidung und streckte ihre Hände danach aus. „Ihr seid verletzt."
„Nur ein Kratzer", wehrte er ab.
„Also genau so feige wie die anderen", behauptete sie erfreut. „Ich wusste es!"
Elrond verbiss sich ein breites Grinsen, als Thranduil ihr wütend den Arm hinhielt. „Du redest dich um Kopf und Kragen, Rhûnar-Hexe. Also mach schon, aber untersteh dich, wieder zu diesem Trick mit der Betäubung zu greifen."
„Ich hatte nicht vor, die Schmerzen zu lindern. Ein starker, mutiger König wie Ihr wird doch wohl genug Stehvermögen haben."
Mit einem Kopfschütteln wandte sich Elrond von den beiden ab.
„Die Tortur kann ich mir nicht anschauen", murmelte Glorfindel und gesellte sich zu ihm, als er langsam umherwanderte. „Wir sollten sie beide in Thranduils Weinkeller einsperren und nach einem Tag schauen, wer noch auf den Beinen ist. Der wird dann zum Sieger erklärt und die Streitereien sind vorbei."
„Du warst immer eine sehr hoffnungsvolle Seele", sagte Elrond.
Die Krieger hatten sich an die unschöne Aufgabe gemacht, die Orkkadaver einzusammeln und auf großen Haufen aufzuschichten. Wenn sie diesen Platz hier in einigen Stunden verließen, würden sie Feuer legen, damit nichts mehr von den Geschöpfen Saurons übrig blieb. Es waren auch Verluste unter den Elben zu beklagen. Einen Kampf wie diesen konnte man nicht führen, ohne dass der Tod auf beiden Seiten erntete.
„Der Preis ist wie immer zu hoch", sagte Elrond leise. „Manchmal bin ich es so müde. Ergeht es dir nie so, mein Freund?"
Glorfindel antwortete nicht. Angespannt wie eine Bogensehne stand er ein Stück vor Elrond und richtete seine gesamte Aufmerksamkeit auf das Unterholz zwischen den Bäumen. Die trüben Gedanken Elronds verflüchtigten sich und gleich seinem alten Freund, dessen Instinkte noch nie fehl gegangen waren, versuchte er, dort in der Dunkelheit des Waldes eine nahende Gefahr zu erkennen.
Zuerst vernahm er Geräusche. Etwas bahnte sich seinen Weg durch den Wald, stürmisch und ohne Rücksicht darauf, entdeckt zu werden. Seltsame Laute begleiteten diesen Weg. Mit einem leichten Luftzug erreichte ein strenger Geruch die Elben. Irgendwie bekannt, aber dennoch nicht mit dem der Orks zu vergleichen.
Glorfindel zog erneut sein Schwert. „Wir werden angegriffen!" schrie er über die Schulter. „Von Westen!"
Überall kamen die Elben wieder auf die Beine, nahmen ihre Waffen und versuchten, den Feind auszumachen, der sich ihnen näherte.
Sie waren auf alles gefasst, jedenfalls dachten sie es, bis ihre Angreifer durch das Unterholz brachen und sich auf sie stürzten.
„Erus Licht! Was ist das?" schrie Elrond und wich unwillkürlich einen Schritt zurück.
***
Sie stürmten alle gleichzeitig die Treppe herunter, bogen in einem Pulk um die Ecke und Aragorn konnte gerade noch verhindern, dass sein Schwert in Galens Rücken landete. Der Rhûna taumelte halb bewusstlos gegen ihn, das Gesicht blutüberströmt und hilflos mit seinem Kampfstab fuchtelnd. Dabei brachte er seine Retter mehr in Schwierigkeiten als den wütenden Ork, der jetzt etwas ratlos die Traube fluchender Elben musterte.
Elladan schlug Galens Kampfstab in einem Reflex heftig zur Seite, gegen die Schulter seines Bruders, der eigentlich auf der anderen Seite darüber hatte wegspringen wollen. Legolas stieß versehentlich seinen Ellbogen gegen Aragorns gebrochene Rippe, der daraufhin beschloss, sich aus dem Getümmel erst einmal zurückzuziehen. Er packte den Rhûna, dessen Stab und zerrte ihn einige Schritte zurück. Mit derart freier Bahn landete zuerst Elladans Schwert im Bauch des Orks, gefolgt von dem Elrohirs und schließlich gekrönt wie ein Dreieck durch Legolas Dolch.
Der Ork gab ein Keuchen von sich und sackte zu Boden.
„Du hast mir fast die Schulter gebrochen", zischte Elrohir seinen Bruder an.
Aragorn hörte nur mit einem Ohr zu. Galen sah furchterregend aus. Das helle Blut hatte seine Haare über der Stirn verklebt und war in einem breiten Strom über das Gesicht des Rhûna geflossen. Hastig suchte er nach einer tiefen Schwertwunde und war erleichtert, nur einen relativ kleinen Riss zu finden.
„Du hattest Glück", erklärte er dem Rhûna, der bereits versuchte, wieder auf die Beine zu kommen. „Der Ork hat dich nur gestreift."
„Das war nicht der Ork", murmelte Galen und blinzelte verlegen. „Ich habe mir den Stab selber gegen den Schädel gehauen."
„Wunderbar", seufzte Elladan. „Wir brauchen gar keine Orks. Die Verletzungen bringen wir uns schon gegenseitig bei."
„Du hast wohl den wenigsten Grund, dich zu beschweren", grollte Elrohir.
„Warum bist du nicht oben geblieben, Galen?" wollte Aragorn wissen, während er den Rhûna mit einem Arm stützte.
„Müssen wir das hier ausdiskutieren?" fragte Legolas und deutete mit seinem Dolch den Gang entlang. „Aus meiner durchaus langjährigen Erfahrung schließe ich, dass dies hier nicht der einzige Ork war."
„Gib nicht so an!" Elladan zog ein finsteres Gesicht.
„Können wir jetzt weiter oder warten wir lieber, bis ein Ork nach dem anderen auftaucht?" beharrte Legolas.
Elladan gab ein Knurren von sich und stieß den Waldelb voran. Legolas sprang hastig über den Orkkadaver und murmelte eine nicht sehr schmeichelhafte Bezeichnung über erstgeborene Zwillinge.
Der Gang war gerade breit genug, dass sie zu zweit nebeneinander hinter dem Waldelb herschleichen konnten. Aragorn schleppte dabei als letzter den Rhûna mit sich. Sollten sie erneut angegriffen werden, würde er ihn einfach fallen lassen, aber das sagte er ihm lieber nicht. Gelegentlich warf er einen Blick über die Schulter, ob ihnen auch niemand von oben folgte. Er versuchte gar nicht an ihre Lage zu denken, wenn das wirklich passieren sollte.
Für den Keller unter einem Haus der Waldmenschen war dieser Ort recht weitläufig. Der Gang verließ zunächst gute fünfzig Meter einfach geradeaus. Nirgendwo ging eine Tür ab, wie man es hätte erwarten können. Keine Vorratsräume, kein Anzeichen, dass diese Anlage wirklich als Lagerbereich genutzt wurde. Die Wände waren aus grobbehauenen Steinen gemauert, an einigen Stellen war sogar der bloße Fels gelassen worden, nur leicht geglättet. Zwei Fackeln waren die ganze Beleuchtung auf ihrem Weg und tauchten mit ihrem flackernden Licht diesen leicht abschüssigen Tunnel in ein unheilverkündendes Dämmerlicht.
Schließlich mündete der Weg auf einen Quergang, der etwas heller beleuchtet war. Legolas spähte vorsichtig hinein, um sofort wieder zurückzuzucken.
„Orks", raunte er. „Zu beiden Seiten. Links sind es drei, die eine Doppeltür bewachen und rechts einer vor einem Gitter."
„Sicher?" erkundigte sich Aragorn in Erinnerung an den Hintereingang im Erdgeschoss.
„Ganz sicher!" fauchte ihn sein Freund an.
Elrohir überlegte kurz. „Am besten locken wir sie hier rein und machen sie dann nieder. Das ist unauffälliger. Wer weiß, wie viele hinter den Türen lauern und beim kleinsten Zeichen sonst noch herauskommen. Irgendeine Idee für ein Ablenkungsmanöver?"
„Ich könnte den Köder spielen", bot sich sein Zwilling an. „Wenn sie mich sehen, werden sie mich verfolgen wollen."
„Und gleich um Verstärkung schreien", ergänzte Elrohir.
Galen hatte stumm an der Wand gelehnt, nun begann er in einer seiner Gürteltaschen zu kramen. „Ablenkung kann ich euch verschaffen."
Äußerst zweifelnd sahen sie zu, wie er einen kleinen, glänzenden Kegel hervorzog und auf seine Handfläche setzte.
„Was wird das?" fragte Aragorn verwundert.
„Es wird sie anlocken", murmelte Galen und konzentrierte sich auf seine Hand.
„Mit locken hat er es", ließ sich Elladan vernehmen. „Mir scheint, ich konnte in Imladris noch froh sein, dass er nur Schmetterlinge gerufen hat."
Der Rhûna lächelte kurz. „Eine Spielerei von Varya, sie liebt diese Dinger."
Überraschend begann der winzige Kegel in einem sanften blauen Licht zu leuchten, das schnell zu einer kleinen Flamme wurde, von Galens Hand aufstieg und wie ein lebendes Wesen herumschwirrte. Es kreiste kurz vor Elladans Nase, der verärgert danach schlug.
„Bisschen unkontrolliert", entschuldigte sich Galen. „Aber in dieser Konzentration harmlos. Varya hat anfangs öfter Feuer mit den Dingern gelegt, bis sie die richtige Mischung raushatte."
Aragorn unterdrückte eine Bemerkung über die exzentrische Neugierde der Rhûnar-Elben im allgemeinen und ihren Drang, mit gefährlichen Dingen herumzuspielen. Sie hatten jetzt sowieso keine andere Wahl mehr. Nicht sehr hoffnungsvoll verfolgte er, wie Galen die kleine Flamme mit einigen Handbewegungen von Elladan wegscheuchte und dann in Richtung Quergang losschickte. Sie tanzte eine Weile in Brusthöhe im Quergang herum und verschwand dann nach rechts.
Kurz darauf war eine Art verwundertes Grunzen zu hören.
„Was hast du da, Grunug?" erklang von links eine hämische Stimme.
„Halt die Schnauze und kümmert dich um deine eigenen Angelegenheiten!" kam es von rechts. Schritte schwerer, eisenbeschlagener Stiefel waren zu hören. Etwas zögerlich noch, aber sie kamen in ihre Richtung. Grunug, der Ork am Gitter, schien beschlossen zu haben, diesem rätselhaften Licht auf den Grund zu gehen.
Sie postierten sich alle an der rechten Wand, damit er sie nicht sofort entdeckte. Einige Atemzüge angespannten Wartens später tanzte Galens Flamme heran und bog mit einem regelrecht erfreuten Hüpfer zu ihnen in den Gang. Vor Elladan stoppte sie einen kurzen Moment und glitt dann weiter auf Galen zu. Aragorn hätte schwören können, dass sich dieses Ding über Elladans leichtes Zurückzucken amüsierte.
„Wo bist du?" knurrte Grunug bereits ganz in ihrer Nähe. „Komm schon, du Biest, dir werde ich ein paar verpassen."
Aragorn schüttelte leicht den Kopf, als der Ork seltsame Geräusche von sich gab, die wohl die Flamme wieder anlocken sollte. Saurons Geschöpfe waren noch viel beschränkter als er bislang geglaubt hatte. Die Lockrufe wurden lauter, ebenso das Geräusch der Schritte. Die Spannung unter den Wartenden erhöhte sich noch, die Griffe der Waffen wurden fester gepackt und sie machten sich bereit.
„Kleine Flamme...?" Grunug trampelte in ihr Sichtfeld. Sein schwarzes, hässliches Gesicht war zu einem falschen Lächeln verzogen. Es verging ihm, als er die Ansammlungen von Elben und Menschen vor sich sah. Gerade wollte er den Mund zu einem Warnschrei öffnen, als Legolas ihn am Kragen seiner dreckigen Rüstung packte und mit einem heftigen Ruck in den Gang zog. Elrohirs Schwert fuhr über seine Kehle und der Warnschrei wurde zu einem leisen Gurgeln, während die Waffen der anderen gleichzeitig in seinen Körper fuhren.
„Nummer eins", stellte Legolas zufrieden fest. „Schick sie wieder los, Galen."
Er hatte noch nicht ganz ausgesprochen, als die Flamme erlosch und etwas Staub zu Boden rieselte.
„Sie halten nicht sehr lang", erklärte der Rhûna betrübt.
„Hast du noch eine?" fragte Aragorn ihn.
„Nur eine rote und eine grüne", war die Antwort.
Aragorn starrte ihn einen Moment lang sprachlos an. Es konnte nur das Fieber sein, eine andere Erklärung fiel ihm nicht ein.
„Die Farbe ist mir egal." Elladans ungeduldig gezischelte Worte spiegelten Aragorns Gedanken nur zu deutlich. „Hauptsache, die Orks folgen ihr."
Interessanterweise schien Rot noch eine sehr viel anziehendere Wirkung auf die Orks zu haben als zuvor das zarte Blau. Nachdem die kleine Flamme diesmal fröhlich nach links abgebogen war, kam sie kurz darauf mit gleich zwei Orks im Schlepptau wieder zurück. Die beiden waren auch nicht schneller in ihrer Reaktion auf die Elben wie der unglückselige Grunug. Bevor noch die Wirkung einer dritten Farbe untersucht werden konnte, entschloss sich der letzte verbliebene Ork-Wächter, nun endlich den Verbleib seiner drei Kumpane aufzuklären. Schimpfend und fluchend kam er anmarschiert, um wenig später wie die anderen auf einem bluttriefenden und vor allen Dingen toten Haufen an der Gangwand zu enden.
„So, jetzt haben wir genug Zeit verschwendet", befand Elladan. „Estel, du durchsuchst mit Galen zusammen den Raum hinter dem Gitter. Irgendeinen Grund muss es schließlich geben, warum dieser Grunug ihn bewacht hat. Wir anderen nehmen uns die Doppeltür vor."
Aragorn nickte nur. Galen lehnte deutlich erschöpfter an der Gangwand. Dieses Flammenspiel schien seine letzten Kräfte fast verbraucht zu haben. Er schleifte den Rhûna regelrecht neben sich her. Seine Rippe quittierte diese Anstrengung mit überaus heftigen Schmerzen, die er mit zusammen gebissenen Zähnen über sich ergehen ließ.
„Das sind unsere Sachen." Galen klammerte sich verzweifelt an die Gitter und starrte in den Lagerraum, der im Halbdunkel lag. Einige Körbe standen unordentlich auf dem Boden herum, aus denen die unterschiedlichsten Gegenstände quollen. „Die Tür ist verschlossen, Estel. Bitte, du musst sie irgendwie aufbekommen."
Am besten mit dem Schlüssel, der in das einfache Schloss an der Gittertür passte. Aragorn hatte bereits eine Ahnung, wo der wohl zu finden sein mochte. Seufzend trabte er wieder zurück in den Quergang. Seine Brüder und Legolas hatten sich inzwischen vor der Doppeltür aufgebaut und schienen kurz zu beratschlagen, was sie als nächstes tun sollten. Aragorn wäre lieber bei ihnen, eingedenk von Galens letzter Eskapade verdrängte er diesen Wunsch jedoch schnell wieder.
Genauso wichtig war nun, den Schlüssel für das Gitter zu bekommen. Natürlich lag Grunug ganz unten. Aragorn zerrte und riss angeekelt an den Kadavern herum, bis er endlich den Ork freigelegt hatte. Es war widerlich, in der schmierigen und blutigen Kleidung herumzusuchen. Schließlich fand er einen großen, schwarzen Eisenschlüssel. Seine Finger schlossen sich darum und er hastete zu Galen zurück. Die anderen waren nicht mehr zu sehen, dafür stand einer der beiden Türflügel offen und dahinter waren schemenhaft mehrere Gestalten zu erkennen.
„Wir müssen uns beeilen", wurde er von Galen angetrieben, der ihm mit fiebrigen Augen zusah, wie er mit dem Schlüssel in dem schwergängigen Schloss herumrappelte. Widerstrebend ließ sich schließlich der innere Mechanismus betätigen und die Tür sprang vernehmlich ein Stück auf. Sie stolperten zusammen in den Lagerraum und begannen, die Körbe zusammen zu schieben.
„Die bekommen wir nicht auf einmal heraus." Galen in seinem benommenen Zustand schien den Tränen nahe zu sein. Er war auf die Knie gesunken und hatte die Hände hilflos in den Körben in seiner Nähe versenkt.
Aragorn brach fast das Herz, so verzweifelt war der junge Elb. Zu allem Überfluss hatte er auch noch Recht. Seine Überlegungen rasten auf der Suche nach einer Lösung. „Wir müssen nur verhindern, dass diese Dinge weiter benutzt werden können. Galen, denk nach! Was hat Varya dir von diesem fernen Tod erzählt?"
„Der Gegenstand muss zurückgeholt werden oder eine große Entfernung zwischen dem Zauber und dem Besitzer liegen", stammelte der Rhûna und sah ihn hoffnungsvoll an. „Worauf willst du hinaus, Estel?"
„Sie müssen wohl einfach nur dem Zauber entzogen werden. Wir zerstören alles was geht." Aragorn hätte vor Erleichterung fast geschrieen. Hastig durchforstete er die Körbe und holte heraus, was an metallischen Dingen, gleich ob Schmuck oder einfache Werkzeug darin zu finden war. Viel war es nicht. Den Rest schüttete er auf einen großen Haufen. Dann half er Galen wieder auf die Beine und brachte ihn aus dem Lagerraum hinaus. Er lehnte den Rhûna an die gegenüberliegende Gangwand, stellte den Korb mit den verbleibenden Gegenständen neben ihn auf den Boden und drückte ihm die Fackel in die Hand, die zuvor neben der Tür gebrannt hatte.
„Du wartest hier, aber diesmal wirklich!" befahl er. „Zähle bis zweihundert, wenn ich dann nicht zurück bin, zündest du alles an und siehst zu, dass du hier rauskommst. Verstanden?"
Galen nickte nur.
„Und vergiss nicht, den Korb mitzunehmen", ermahnte ihn Aragorn ernst.
„Und was machst du?"
Im gleichen Moment tauchte Legolas kurz in der Tür am anderen Ende des Ganges auf.
„Estel!" schrie er. „Wir könnten etwas Unterstützung brau-„
Eine große, schwarze Pranke schloss sich von hinten um den Hals des Waldelben und riss ihn in den Raum hinter ihm zurück.
Tbc
@Elhith: Gracias. Uh, ich hoffe, ich habe die Review richtig übersetzt. Die Geschichte gefällt dir?
@Airhinaa: Ich will dich nicht beunruhigen, aber bei den Spinnen würde ich lieber eine Axt nehmen und AUF dem Bett oder besser noch dem Dach nachsehen. Einkanal oder Zweikanal-Palantir, Farbe oder Schwarzweiß, Stereo oder Mono? Oder etwa Mordor-Surround?
@feanen: Danke, danke. Thranduils Laune hebt sich langsam, er kann andere verhauen, das entspannt ihn.
@Dani: Ja, ich habe festgestellt, ich mag ihn auch. Nett, dass Varya langsam Gnade vor deinen Augen findet. Glorfy und die Spinnen. Glorfy und die Orks. Glorfy und die...äh Dingsdas - verrat ich noch nicht, bäh!
@Shelley: Eigene Story zu dem Titel? Das wird dann wirklich zweideutig, tsts. Mit der Lokomotive fällt mir ein Versuch ein: wir machen einfach einen Vergleichstest. Mir lassen wir eine Hütte auf den Schädel fallen, dir eine Lokomotive und wer zuerst bei Mandos ist, bekommt einen Fensterplatz *grins*.
@Amélie: Jaja, die üppigen Schnitzereien in Imladris geben nun auch keine Rätsel mehr auf. Sie leben halt lang und die Ewigkeit kann echt eintönig werden, wenn man sich keine Hobbys sucht. Du bist so selbstlos *grins*. Endlich einer, der den armen Halbelb über die Ungerechtigkeiten der Welt tröstet.
@Bärbel: Ach, Elrond hat's in keiner meiner Stories leicht. Immer ein Quälgeist um ihn rum. Aber der Halbelb macht das schon, der ist einer von den Nervenstarken. Anmerkung der Autorin: Kann er in den nächsten zwei Kapiteln auch brauchen.
