Das große Fest

Schon früh am Morgen wurde ich durch das geschäftige Treiben im Palast geweckt. Gerade als ich meine Brille aufgesetzt hatte und aufstehen wollte, sprang die Tür auf und meine Nichte und mein Neffe stürmten in das Zimmer.

Aufgeregt sprangen sie auf mein Bett und begannen beide zur gleichen Zeit zu erzählen.

Ich musste sie zu erst bremsen, bis mir Elnahir erzählen konnte, was vorgefallen war. "Es sind schon ganz viele Leute da. Sie sehen so komisch aus. Es sind Leute dabei, die sind so groß wie wir und wollen schon erwachsen sein!" rief er aufgeregt.

Ich setzte mir Ilia auf den Schoß und erklärte beiden, dass die Leute, die sie meinten, Hobbits waren. Auch ich kannte nicht sehr viele Hobbits, doch Samweis Gamdschie, Peregrin Tuk und Merriadoc Brandybock waren mir wohl bekannt.

Ich konnte die beiden kaum aufhalten, als sie wieder losliefen, um sich die Kinder der Hobbits anzusehen.

Ich sah lächelnd auf die Tür, durch die sie eben gerade verschwunden waren, als es mich auch nicht mehr hielt. So sehr ich fremde Menschen mied, neugierig war ich dennoch.

Ich sprang schnell aus meinem Bett und zog mich an. Meine Haare band ich nur hoch und machte mich dann auf den Weg in die große Empfangshalle. Gut geschützt hinter einer Säule, sah ich mir das Treiben an. Aragorn und Arwen hießen jeden einzelnen Gast herzlich willkommen und schickten sie dann mit einigen Dienstboten in einen anderen Saal, in dem etwas zum Essen und Trinken angeboten wurde.

Plötzlich hörte ich eine bekannte Stimme hinter mir. "Nia, du kannst dich verstecken, doch finden werde ich dich immer." "Legolas! Du bist auch schon da", rief ich und nahm ihn herzlich in die Arme. Nach einiger Zeit hielt er mich von sich weg und sah mich an.

"Du bist schöner geworden. Wie lange haben wir uns nicht gesehen?" "Hör auf, du machst mich noch ganz verlegen", sagte ich und schlug ihm spaßeshalber auf den Arm. "Es waren zwei Jahre. Weißt du das nicht mehr? Es war auf der Hochzeit Suabien. Damals war ich 17."

"Aber natürlich, wie konnte ich das bloß vergessen. Hast du Gimli schon gesehen?" fragte er mich nun.

"Nein, tut mir Leid. Von meinem Beobachtungsposten habe ich ihn noch nicht gesehen."

"Na, denn werde ich weitersuchen. Außerdem habe ich deine Geschwister auch noch nicht gesehen. Bis später dann", rief Legolas noch, bevor er weiterging.

Ich konnte nun die ankommenden Gäste weiterbeobachten, doch lange blieb ich nicht verborgen.

"Niamh!" hörte ich hinter mir jemanden rufen. Ich drehte mich und konnte kaum glauben, wen ich dort sah.

"Gimli! Gerade hat Legolas nach dir gefragt", sagte ich und umarmte den Zwerg. "Dieser Elb soll sich bei mir mal sehen lassen", wetterte Gimli, als er sich von mir löste.

Da mein Posten etwas zu häufig entdeckt worden war, ging ich mit Gimli weiter. Zum Glück waren alle anderen Gäste beim Empfang, so dass die Gänge sehr leer waren. Gimli war, als er Legolas erblickte kaum zu halten, deshalb ging ich weiter.

Ich wollte gerade vor einer großen Gruppe mir unbekannter Elben flüchten, als ich mit meiner Schwester Assentia zusammenstieß. "Pass doch auf, Nia!" herrschte sie mich an.

"Tut mir Leid, Asti. Ich war nur etwas in Eile", rief ich ihr noch zu, während ich weiterlief. Als ich um die Ecke gebogen war, hörte ich, wie Assentia die Elben begrüßte. Wie schon so oft wünschte ich mir, so wie meine Schwestern zu sein. Sie konnten auf wildfremde Menschen zugehen und sie begrüßen. Mir steckte dabei immer ein Kloß im Hals, so dass ich kein Wort herausbrachte und meine Gesprächspartner dachten, ich hätte Sprachprobleme.

Außerdem konnte ich ihnen nicht in die Augen sehen, weil ich dann immer das Gefühl hatte, dass sie auf meine Brille starrten. Also sah ich zu Boden, was einer Prinzessin von Gondor natürlich nicht würdig war.

Den ganzen Tag über versuchte ich den fremden Menschen, Elben und Zwergen aus dem Weg zu gehen, doch als es Abend wurde, schwitzte ich Blut und Wasser, als Eldarion mich aus meinem Zimmer holte.

"Du brauchst keine Angst zu haben", sagte er einfühlsam. Dahea war auf meiner anderen Seite, während wir zum großen Saal gingen.

"Was ist, wenn ich Namen wichtiger Personen vergesse? Aragorn wird mich dafür töten!" sagte ich heiser.

"Ach, du bist heute so wunderschön, dass jeder dir deine Fehler verzeihen wird", sagte Dahea bestimmt.

Kurz bevor wir im Saal waren nahm ich schnell meine Brille ab und steckte sie in eine verborgene Tasche in meinem Kleid. Plötzlich war alles um mich herum verschwommen und das gab mir ein wenig Sicherheit.

Dahea hatte sich bei Eldarion eingehakt und ging mit ihm voran. Ich stolperte hinter den beiden her, bis zu dem Platz, der mir als Tochter Aragorns zugeteilt worden war. Suabien saß neben mir und sah mich an.

"Warum hast du deine Brille nicht auf", zischte sie mir leise zu. "Sieht blöd aus", war meine Antwort, mit der sie sich zufrieden gab.

Als endlich alle Gäste anwesend waren, begann Aragorn mit seiner Rede. Er begrüßte jedes einzelne Haus und wünschte allen am Ende einen schönen Abend. Die Musiker begannen zu spielen und sofort war die Tanzfläche voller Tänzer. Suabien wurde von Rahmni zum Tanzen aufgefordert und ich blieb alleine zurück. Neben mir saß ein älterer Elb, der sich jedoch mit seinem anderen Nachbarn unterhielt.

Wie lange ich dort saß wusste ich nicht mehr. Suabien kam nach einiger Zeit völlig außer Puste wieder und setzte sich neben mich. Sie löschte ihren Durst mit einem großen Schluck aus ihrem Glas.

Ich hatte mein Glas schon dreimal füllen lassen und langsam wurde mir etwas komisch, denn soviel Alkohol war ich nicht gewöhnt.

"Du solltest mehr lächeln", flüsterte sie mir zu, als plötzlich ein großer Schatten vor mir stand.

"Würdet ihr mir die Ehre erweisen und mir diesen Tanz schenken?" fragte mich eine dunkle Stimme.

Ich wollte gerade unhöflich sein und ihm diesen Tanz schriftlich schenken, doch dann sah ich Suabien, die mich auffordernd ansah und sagte zu. Wahrscheinlich waren alle Augen auf mich gerichtet, als mich der Riese auf die Tanzfläche führte.

Bisher hatte ich weder sein Gesicht gesehen, noch kannte ich seinen Namen, doch ich wollte Aragorn nicht verärgern.

Als wir auf der Tanzfläche waren, sah ich kurz zu dem Mann auf. Ich hatte keine Ahnung, wer er war, doch darüber konnte ich mir keine Gedanken mehr machen. Ich musste aufpassen, dass ich ihm nicht auf die Füße trat oder über meine eigenen stolperte. Mir stieg der Alkohol zu Kopf und ich begann zu schwitzen.

Ich wollte den Tanz schon abbrechen und mich in eine dunkle Ecke verziehen, doch zu meinem Glück war der Tanz bald zu Ende.

"Würdet ihr mich bitte entschuldigen", brachte ich noch hervor, bevor ich mich wenig königlich von ihm losriss und durch die offene Terrassentür flüchtete. Auch auf der Terrasse standen überall Gäste. Ich kämpfte mich durch die vielen Menschen durch, bis ich endlich bis zum Ende der Terrasse kam. Vier, Fünf Stufen musste ich hochsteigen, um auf die nächste Terrasse zu gelangen.

Dort rang ich nach Luft und versuchte die Übelkeit zu bekämpfen. Ich setzte mich auf einen Stein und schlug die Hände vor mein Gesicht. Ich konnte einfach nicht mehr. Die Tränen rannen mir zwischen den Fingern herunter und ich musste mein Schluchzen unterdrücken.

Plötzlich merkte ich, dass ich nicht mehr allein war. Ich wischte mir schnell die Tränen aus dem Gesicht und murmelte eine Entschuldigung.

"Hier, nehmen Sie das Tuch", sagte er und gab mir ein Taschentuch. Ich wischte meine Tränen damit weg und gab es ihm wieder.

"Geht es Ihnen wieder besser?" fragte er mich mit freundlicher Stimme. "Ja, ich glaube, dass ich etwas zu viel Alkohol getrunken hatte."

"Ich glaube, ich habe mich noch gar nicht vorgestellt. Ich bin Athaniel."

"Freut mich. Ich bin die dämliche, kurzsichtige und trottelige Prinzessin von Gondor", sagte ich und mir kamen wieder die Tränen.

"Darf ich mich zu Ihnen setzten, Niamh?" fragte er mich.

"Ja, natürlich. Wobei ich Ihnen gestehen muss, dass ich keine angenehme Gesprächspartnerin bin."

Er setzte sich schweigend neben mich.

"Warum setzten Sie Ihre Brille nicht auf?" fragte er plötzlich in die Stille hinein.

"Was?" ich war zuerst verwirrt, bis ich seine Frage verstand. "Ich weiß nicht..."

"Haben Sie sie bei sich?"

"Ja", sagte ich und holte meine Brille hervor. Ohne zu zögern nahm er sie mir aus der Hand und steckte sie mir auf die Nase.

Ich schob sie noch etwas weiter höher, damit sie richtig saß und blickte verlegen zu Boden, doch er hob mein Kopf, so dass ich ihn ansehen musste.

"Ist es nicht besser?" fragte er mich.

"Aber ich seh so dumm damit aus. Niemand trägt heutzutage eine Brille", sagte ich und wollte sie wieder abnehmen, doch er hielt meine Hände fest.

"Ich finde Sie sehen wunderschön aus, ob mit oder ohne Brille."

"Das sagen Sie doch jetzt nur so." sagte ich ein wenig verlegen. Dass mich meine Mutter schön findet, das kannte ich schon. Doch was sollte eine Mutter auch anderes sagen. Aber der Thronfolger von Rohan hatte mir so etwas noch nie gesagt.

"Ich kenne übrigens viele Menschen, die Brillen tragen. Die meisten sind zwar Männer, doch man hat auch schon von Frauen gehört, die welche trugen. Es wird erzählt, dass manche Menschen ihre Brille nach einiger Zeit nicht mehr tragen brauchen und wieder so gut sehen, wie früher."

"Ich kann mich nicht mehr daran erinnern wie es ist ohne Brille gut sehen zu können. Sie ist so lästig und rutscht mir immer von der Nase."

"Ich finde jedoch, dass sie sehr gut zu ihnen passt. Es ist eine sehr filigrane Arbeit." "Ja, ich habe mir wohl tausend Bilder ansehen müssen, um diese zu finden." Wir schwiegen beide wieder.

Stimmen und Musik drangen leise zu uns herüber.

"Wollen Sie tanzen?" fragte er mich. "Dieser Hauptmann war wirklich nicht für Sie gemacht."

"Sie kannten ihn?"

"Flüchtig. Auf jeden Fall konnte er nicht tanzen."

"Und ich dachte es lag an mir", sagte ich.

Athaniel stand auf und nahm meine Hand. "Kommen Sie." Er führte mich in die Mitte des Rasens und langsam fingen wir an uns zu der Musik zu bewegen.

Ich hätte jahrelang so weiter tanzen können. Meine Übelkeit war plötzlich weggeblasen und ich fühlte mich so frei wie schon lange nicht mehr.

Bei einem sehr ruhigen Lied überkam es mich plötzlich und ich legte meinen Kopf ganz vorsichtig an seine Schulter. Ich traute mich kaum zu atmen, weil ich Angst hatte, er würde mich zurückweisen, doch er ließ meine Hand los, um sie um meinen Rücken zu legen.

Bis weit in die Morgenstunden blieben wir auf der Terrasse. Wir scherten uns nicht darum, ob uns jemand suchen würde.

Ich wollte es nicht wahrhaben, doch ich wurde immer müder. Nur mit Anstrengung konnte ich ein Gähnen unterdrücken.

Athaniel hielt mich von sich weg und sah mich an.

"Bist du müde?"

"Nein." Ich lächelte ihn an, doch dabei musste ich so herzhaft gähnen, dass es mir schon fast wieder peinlich war. Obwohl ich mich in Athaniels Gesellschaft sicherer fühlte, als bei manch anderem. Er gab mir das Gefühl, als würden wir uns schon seit Jahren kennen und nicht erst seit ein paar Stunden. Ich hatte ihm von mir erzählt und je mehr ich erzählte, desto weniger Angst hatte ich, mich vor ihm lächerlich zu machen.

"Wir sollten vielleicht zurückgehen", sagte er plötzlich und riss mich aus meinem Tagtraum.

"Ja, du hast recht." Er nahm meine Hand und führte mich zurück in den Saal. Bis auf einige Gäste war er leer.

Die Musiker waren gegangen und mein Vater stand mit einigen anderen in einer Ecke und unterhielt sich. Als wir hineinkamen, fiel ihm das nicht einmal auf. Sonst entdeckte ich keinen aus meiner Familie. Sie waren wahrscheinlich schon schlafen gegangen.