Uiuiui! Das war aber eine schwere Geburt! Nach etlichem Lernen und verdammt
vielen verlorenen Nerven stehen nun die beiden letzten Zwischenklausuren
an... Das bedeutet: Endlich wieder schreiben! Es lebe Weihnachten! Und Herr
der Ringe *freu*. Das ist das einzige, was mich in den letzten zwei Wochen
aufrecht gehalten hat *lol*! Oder wie geht's Euch armen gebeutelten
Landratten? Seid ihr denn überhaupt noch da? Keine Reviews, kein Mucks...
bis natürlich auf einige sehr anhängliche *knutscht euch*! Nun ja... da hat
eben auch etwas die Motivation gefehlt, zu schreiben... ;)
Wenn ihr euch diesmal dranhaltet, verspreche ich euch in den
Weihnachtsferien mindestens 2 Kapitel... uhu... es wird langsam wieder
düster!
@Elanor8: *seufz* da bin ich aber froh, daß es wenigstens etwas gefallen hat...;) aber mußt dich in Acht nehmen und den Ventilator bereit stellen... schließlich muß Jacky seine Finger wieder irgendwo ins Spiel bringen *evilgrin*...
@Minui: ohhh, du arme! Hast jetzt so lange warten müssen *streichelt über Kopf* sorry! Aber wie schon angedroht, darfst du bald wieder mitleiden.... hab schon ein super Ende im Kopf... falls es ein Ende gibt???
@Liberty: Will behalten???? NEIIIIIIIIINNNN! Ich glaub es geht nimmer! Jetzt hab ich so viel gearbeitet und du nimmst mir den Süßen einfach weg? Er ist mein! Hehe.... Die junge Turner hab ich geschrieben? Wie peinlich! Das passiert eben ohne Beta manchmal... weiß nicht, was ich mir dabei gedacht habe... irgendwann werde ich mal die Storys nach Fehlern absuchen und dann die non-plus-ultra version ins netzt stellen.... *lol* aber 100% ohne Fehler wird's wohl nie...
A Sons Revenge 6
Concordia
Sie waren etwa eine Stunde unterwegs gewesen. Der Wald, im Grunde nicht dicht bewachsen, aber das Unterholz war ziemlich hoch, so daß sie sich den Weg öfter hatten frei schlagen müssen. Doch etwa in der Hälfte hatte Lara einen Pfad entdeckt, der wohl noch benutzt wurde. Von da an war es angenehmer, vor allem für die Frauen. Elizabeth` Kleid hatte schon Flecken am Saum des Rockes. Der Zarte Stoff sog jede Flüssigkeit sofort ein. Lara Jades war auch nicht mehr ganz sauber, aber auf dem schweren, groben Stoff fiel es weniger auf. Jedenfalls mußten sie nun nicht immer stehen bleiben, um eines der Kleider von einem dornigen Gewächs oder herausragenden Zweig zu befreien, sondern konnten fast ohne Probleme laufen. Nach einer weiteren viertel Stunde traten sie aus dem Wald auf eine Straße und vor ihnen offenbarten sich helle Häuser, aus denen ein Kirchturm herausragte. Sie waren keinen Kilometer mehr weg.
Jade war froh, daß hier eine Straße verlief, denn so war es ihnen möglich, das Holz für die Reparaturen möglichst weit bringen zu lassen. Sie wollte sich gar nicht erst die Tortur vorstellen, die es bedeutet hätte, wenn das gesamte Material ganz durch den Wald hätte transportiert werden müssen.
Mit gutem Schrittempo kamen sie nun voran und kleine Felder, die sich zwischen Stadt und Wald drängten, säumten ihren Weg. Goldenes Korn wiegte sich sanft in dem leichten Lüftchen, das nach Meer roch. Dieses war zu ihrer Rechten zu sehen und Wills Blick schweifte immer wieder leicht dorthin ab. Mit dem Beginn der Häuser, endete der blaue Strich, aber der junge Mann wußte, daß dies natürlich nicht wirklich so war. Auch hinter den Häusern ging das Meer weiter, es umschloß sie. Er atmete tief ein, roch das Salz und glaubte beinahe zu spüren, wie sich der Boden in seiner Vorstellung unter seinen Füßen wiegte. Ein wohliges Gefühl kam in ihm hoch, wenn er an sich aufblähende Segel dachte oder an das rauhe Holz unter seinen Händen, wenn er sich auf die Reling stützte. Der Wind, der ihm ins Gesicht blies, seine Haare ordnend aus den Augen wehte oder wild damit spielte, so daß er keine Chance hatte, dagegen anzukommen, selbst nicht mit dem kleinen Lederband, welches er benutze, um die lockigen, dunklen Strähnen zurück zubinden.
Das Meer bot immer Abwechslung, immer einen atemberaubenden Anblick. Ob bei Tage oder Nacht, ob bei Sonnenschein oder... Sturm. So gefährlich dies auch war, aber er liebte das Wasser, wenn es ungebändigt hin und her gepeitscht wurde, wenn es mit Schiffen spielte, wie Jungen mit kleinen Holzpferdchen, wie Mädchen mit Puppen. Wenn das Meer unberechenbar war, lebensbedrohend, genau dann faszinierte es ihn am meisten.
Lara genoß die leichte Würze in der Luft, das Korn stand in voller Ähre. Das Gras unter ihren Füßen federte ihren Gang. Sie wünschte nur noch eines... daß sie endlich wieder in normaler Kleidung steckte. Der Stoff schleifte über den Boden, wenn sie ihn nicht anhob. Sowieso war er ziemlich schwer, viel unpraktischer, als ihre gewöhnlichen Sachen. Ihr Schwert war nun nicht mehr mit einem Handgriff zu erreichen, denn bevor sie daran kam, mußte sie ja erst den Rock hoch heben und es umständlich aus dem schmalen Gürtel ziehen, den sie darunter trug. Sie fürchtete, daß dies im Ernstfall eine Ewigkeit dauern würde. Aber was konnten sie tun? Wenn diese Stadt tatsächlich so klischeehaft war, dann würde jeder Fremde auffallen. Ob nun ein Mann mit weit ausladendem schwarzen Mantel, oder eine Frau in Männerkleidung.
Seufzend ergab sie sich in ihr Schicksal und schritt so stolz, wie möglich voran. Wie war es Elizabeth nur möglich, sich so auch noch wohl zu fühlen? Die junge Turner lief leichtfüßig voran. Ein Schmetterling flog vor Lara vorüber. Etwas, das sie seit Ewigkeiten nicht mehr gesehen hatte. Auf dem Meer gab es solch Getier nicht. Der kleine gelbe Falter erinnerte sie an Zuhause. Wie lange war sie nun schon fort von dort? Sie hatte schon vor Monaten aufgehört, die Tage zu zählen. Es hatte sie deprimiert und fast von ihrem Vorhaben abgebracht, bis sie schließlich eingesehen hatte, daß ihre Reise länger dauern würde. Um einiges länger. Sie erinnerte sich an die weißen Kohlfalter im Frühjahr und wie sie als Kind immer mit ihnen gespielt hatte. Im Garten war sie herum gesprungen, von einem Kohl zum anderen.
Sie schüttelte den Kopf und vertrieb die Gedanken aus ihrem Kopf. Das alles hatte sich gelohnt. Sie hatte Rache bekommen und sogar noch einiges darüber hinaus, mehr als sie sich hatte vorstellen können. Ein zufriedenes Lächeln erschien auf ihrem Gesicht und die grünen Augen strahlten... bis sie eine schnelle Bewegung aus den Augenwinkeln wahrnahmen.
Sofort sah sie hin.
Williams Kopf zuckte zur Seite, sah ungewöhnlich verkrampft aus, die Muskeln in seinem Hals waren so angespannt, daß sie deutlich heraus traten. Er zuckte in die andere Richtung, der Mann war stehen geblieben und preßte eine geballte Faust an seine Schläfe.
Nun hatte auch Elizabeth bemerkt, daß ihre Gefährten ihr nicht mehr folgten. Sie drehte sich um, gerade in dem Augenblick, als Will die Hand vom Haupt weg riß und sein Blick klar wurde.
"Was ist mit dir?" fragte Lara.
"Es ist nichts," aber der gereizte Unterton verriet beiden Frauen, daß dies nicht der Wahrheit entsprach.
Doch der Mann schien sich nicht auf weitere Fragen einlassen zu wollen und ging weiter, seine schweren Stiefel drückten das Gras nieder.
"Wir sollten voran machen."
Lara sah ihm nach, als er an ihr vorbei ging und auch an Elizabeth, die betrübt zu Boden sah. Lara versuchte ihren Blick zu erfassen, aber sie wollte nicht aufsehen. Also kam sie an die jüngere heran und nahm ihre Hand. Nichts kam über ihre Lippen, nur ein leichter Druck ihres Griffes und ein starker Blick.
Elizabeth atmete tief durch und nickte. Dann drehte sie sich um und beisammen folgten die beiden Frauen Will bis zu Concordia.
*~*~*~*~*
"Maar...ley!" eine dumpfe Stimme ging durch die Kajüte, weckte den ersten Maat aus seinen Gedanken, denen er sich über der großen Karte auf dem Schreibtisch hingegeben hatte. Er sah auf zum Bett, fragte sich, ob er sich das gerade eingebildet hatte.
Aber dem war nicht so. Die Gestalt unter der Decke bewegte sich langsam und träge. Ein Arm wurde gehoben und wieder gesenkt.
"Kapitän!" Marley humpelte so schnell er konnte zum Bett.
Dort fand er Jack vor, beinahe so, wie er ihn gebettet hatte. Auf dem Bauch, so daß er nicht an Erbrochenem ersticken konnte, mit dem Kopf zur Seite auf sein Kissen gelegen. Das Bettzeug war etwas Schmutzig, von dem was in letzter Zeit aus des Kapitäns Mund gekommen war, aber er hatte versucht, dies so gut es ging zu beseitigen. Nun war die Kapitänskajüte von einem säuerlichen Geruch durchzogen, der noch geblieben war, obwohl Marley die Türe immer etwas offen stehen ließ.
Der alte Mann ließ sich neben den anderen auf das Bett sinken und saß nun aufrecht neben der liegenden Gestalt.
"Ihr seid wach, das ist gut. Ich dachte schon, ihr wolltet noch die ganze Woche durchschlafen."
"Vielleicht... will ich das." Ein leichtes Würgen setzte ein. "Ist mir schlecht."
Der Maat nickte und fuhr mit seiner großen Hand sanft über den nackten Rücken des Kapitäns. Die langen Haare wurden dabei etwas zur Seite geschoben und wanden sich seine starken Schultern entlang. Es kam Marley seltsam vor, Jack so zu sehen. So... schwach. Er wollte dies nicht, er wollte diese Verantwortung nicht. Die Pearl war schwer beschädigt und der Kapitän nicht im Stande, sich um sein Schiff zu kümmern. Statt dessen bedurfte er selbst Sorge, konnte sich nicht einmal aus dem Bett erheben. Sogar ausziehen hatte Marley ihn müssen. Es kam dem Maat vor, als seien beide, Mann und Schiff, miteinander verbunden, erlitten zusammen Qualen. Irgendwie tröstete es ihn, daß sie nun bald Holz bekommen würden, um die Lecks der Black Pearl zu reparieren. Vielleicht ging es Jack dann auch besser?
Er atmete tief ein. Nein. Es schien ihm ja nun schon besser zu gehen. Immerhin war er bei Bewußtsein und trotz des Würgens, erbrach er nicht mehr.
"Ich glaube, es wird vorbei gehen," versuchte er dem Liegenden gut zuzusprechen.
"Ich hoffe, es geht schnell vorbei," antwortete Jack mit rauher Stimme. "Rum."
Marley mußte lachen.
"Rum? Jack, ich denke, es geht dir schlecht genug, da brauchst du nicht auch noch Rum. Aber ich habe hier etwas anderes für dich."
Der Maat griff neben das Bett, wo ein Becher auf der Kommode stand und tauchte diesen in den Eimer mit Wasser, den er zuvor herein geholt hatte.
"Rum!"
Aber als der Kapitän das kühle Naß auf seinem Gesicht spürte, welches vom Becher tropfte, war er wohl bereit, sich auch mit diesem Getränk zufrieden zu geben. Langsam liefe es seine Kehle herunter, nahm etwas von dem ekelhaften Geschmack weg, der gegenwärtig war, seitdem er aufgewacht war.
Ein erleichtertes Seufzen kam über seine Lippen. Nie hatte Wasser so gut geschmeckt. So wohl getan.
"Wie.. geh........ geht es meinem Schiff?"
Der Maat hatte diese Frage erwartet und versucht, sich darauf vorzubereiten. Er hatte sich überlegt, wie er die Worte am besten formulierte, so daß sie nicht allzu schnell und hart kamen, aber nun zögerte er. Er sprach hier nicht mit irgendeinem Mann, der beschönigende Umschweife der Wirklichkeit vorzog. Jack wollte wissen, wie es um seinen größten Schatz bestellt war.
"Sie hat ziemlich viel abbekommen. Zwei große Lecks, eines zwei Meter lang und einen breit. Außerdem jede Menge kleine Löcher, ein Segel ist drauf gegangen und den Ausguck müssen wir gänzlich ersetzen."
Er machte eine Pause. Aber der Kapitän sagte nichts.
"Dann noch ein paar kleinere Schäden, wie zum Beispiel an der Reling oder am Deck. Sieben Männer haben es nicht geschafft, zehn der anderen Crew sind drauf gegangen. Einige Verletzte, wenn man von Gehör- und Sehschäden absieht. Und... sie haben Gefangene gemacht. Iona ist weg."
Als er dies gesagt hatte, fing Jack an sich zu bewegen. Er schien sich vom Bett abstützen zu wollen, aber hatte nicht die Kraft, seine Position aus eigener Kraft zu verändern. Der Maat griff dem Kapitän unter die Arme und rollte ihn auf den Rücken. Jack schnaufte hart vor Anstrengung und erneutem Schwindel. Er kniff die schwarz umrandeten Augen zu und Falten bildeten sich auf seiner Stirn.
"Dann müssen wir hinterher."
"Unmöglich, die Pearl muß erst repariert werden."
Jack schien dies sofort einzusehen und hörte auf zu versuchen aufzustehen.
"Wo sind wir? Wir brauchen entsprechendes Material."
"Wir sind vor wenigen Stunden bei Port Concordia angekommen und haben in einer benachbarten Bucht angelegt."
Jack wußte, was es mit Concordia auf sich hatte und sofort machten sich neue Sorgen um sein Schiff breit.
"Concordia?... Wir sind..."
"Es war die beste Lösung, die nächste. Keine Ahnung, wie weit wir es noch gemacht hätten. Ich habe Lara, Will und Elizabeth los geschickt, um Holz zu besorgen. Sie sind nun wahrscheinlich in der Stadt."
Jack ergriff plötzlich seine Schulter und auf einmal lag ein schweres Gewicht auf dem Maat. Der Kapitän versuchte, sich an ihm hochzuziehen und ganz langsam richtete er sich auf.
"Nein, Ihr solltet ruhig bleiben. So liegt Ihr gleich wieder flach."
Jack gehorchte und ließ sich zurück fallen, nicht ganz aus freiem Willen, denn schon bereiteten üble Kopfschmerzen und schwere Übelkeit dem Kapitän Pein.
"Ich habe es Euch gesagt. Keine Sorge, sie werden das schon schaffen. Lara meinte, bis morgen vor Sonnenaufgang würden sie zurück sein. Vertrau meiner Tochter, sie weiß, was sie tut."
"Dessen... bin... ich mir gewiß. Warum hast du... dich nicht darum gekümmert?" stöhnte Jack und wand sich.
"Ich bin leider selbst nicht ganz unbeschadet aus dem vorletzten Tag hervorgegangen."
*Ich hätte sie gerne begleitet...*
Er sah an seinem Bein herab, welches er gut und sauber verbunden hatte. Die Wunde war sicherlich schon wieder am Verheilen. Er hoffte es zumindest, aber die Wirkung des Rums war von vielen unterschätzt. Als Desinfektionsmittel gab es nichts Besseres. Doch dies würde er Jack nicht sagen. Der Maat traute es dem Kapitän zu, daß dieser es fast als Verschwendung von Verpflegung ansah. Innerlich mußte Marley lachen.
"Oh, Mann... Alles schwankt ganz furchtbar. Aber ich brauche ganz schnell was für zwischen die Zähne."
Jetzt lachte Marley laut.
"Tja, Jack, du bist einfach nicht unter zu kriegen, nicht wahr? Ich hoffe, mit deinem Appetit kommt auch dein Gleichgewichtssinn wieder zurück!"
*~*~*~*~*
Commodore Norrington wartete vor der Dauntless auf die Kutsche des Gouvernors. Während er da so stand, sah er zum Anlegeplatz hinüber, wo dieses große, schwarze Schiff lag und wieder reger Betrieb herrschte, wenn auch nicht ganz so viel, wie am Tag zuvor. Vieler der Männer machten sich an Deck zu schaffen, lautes Klopfen hallte durch den Hafen, herrührend von den Hämmern, welche Nägel in Holz schlugen. Begleitet wurde der Krach vom Krächzen der Möwen und den verwirrten Stimmen der Menschen, denn auf den Straßen war schon allerhand los. Männer machten kleine Fischerboote am Hafen bereit, nahmen Ware von einem Handelsschiff in Empfang oder brachten Ware, welche sie selbst zu verkaufen hatten in ein Schiff. Frauen kehrten die Straßenrinne oder waren auf dem Weg zum Markt, manche sogar mit Kindern oder Gesindel.
Da bemerkte er Hufgeklapper, das immer langsamer wurde und schließlich neben ihm zum ruhen kam. Er zwang seinen Blick weg von dem Schiff, dessen Namen er nicht erkennen konnte und erblickte sofort die Kutsche. Es war die selbige, wie am Vortag. Die Türe öffnete sich schwungvoll und heraus ragte der breite Oberkörper des Gouvernors.
"Entschuldigt meine Verspätung, Commodore Norrington, aber Es gab noch Dinge zu klären. Ihr wißt ja, als Gouvernor ist man leider immerzu eingespannt, das Wohl der Stadt steht über meinem Vergnügen."
Edward nickte und entschuldigte den Mann sofort, zumal die Verspätung nicht sehr schwerwiegend war. Doch nun stieg er ein und Harington befahl dem Kutscher, los zu fahren.
In stetigem Tempo, aber langsam genug, um alles genauestens sehen zu können, zogen die Straßen an ihnen vorbei. Die Tour war sehr interessant für den Commodore, er war beeindruckt, wie sauber und ruhig Concordia war. Er konnte die Brunnen nicht zählen, welche der Stadt ein ganz besonderes Flair gaben. Die Führung beschrieb eine Runde um den Markt, die beiden Kirchen und sogar den Park, der Norrington so gut gefallen hatte. Sie fuhren sowohl durchs Bürger- als auch durchs Handwerkerviertel. Die Häuser der gehobenen Gesellschaft waren neu oder sehr gut erhalten. Die kleinen Vorgärten ordentlich. Aber auch die einfachen Leute schienen nicht schlecht zu wohnen. Gerade fuhr die Kutsche an verschiedenen Wirtshäusern vorbei, von denen nur wenige geöffnet hatten. Edward vermutete, daß diese erst gegen Abend aufmachen würden.
"Zuweilen pflegen es sogar Bürger und auch Leute vom Adel sich in den Wirtshäusern nieder zu lassen, wenn es ihnen danach ist. Selbst ich lasse mich hier manchmal sehen und trinke einen Krug Bier."
"Sind die Schichten hier so verwoben?"
"Die Wirtshäuser sind sauber und die Straßen sicher. Warum soll sich nur das gemeine Volk vergnügen dürfen? Ich genieße ihre Einfachheit und irgendwie... kann ich etwas von ihrer Mentalität abgewinnen. Concordia besteht nicht nur aus Bürgerlichen, ein Gouvernor sollte auch ein paar Gewohnheiten dieser fleißigen Handwerker annehmen."
"Solch rauhe Gewohnheiten sind erstrebenswert?"
Harington lachte.
"Oh, Norrington! Ist das denn so undenkbar für Euch?"
Aber Edward wußte tatsächlich nicht, welche dieser Gewohnheiten das sein sollten. Die Manieren etwa?
"Sie haben etwas, das in der höheren Gesellschaft verloren gegangen ist. Wir streben doch nur nach Geld und Macht. Besitz ist unser höchstes Gut und um ihn zu erlangen über die Moral gehen. Habt ihr Euch denn schon einmal genau diese einfachen Leute betrachtet? Seht hin!"
Norrington sah zum Fenster hinaus und beobachtete die Menschen. Zwei Frauen standen beieinander und tratschten wahrscheinlich, andere liefen, teilweise mit Kindern an der Hand, die Straße entlang. An einem Obstständchen wurde gerade die Ware in Kisten ausgeladen von zwei kräftigen Männern. Ein anderer kehrte die Straße und eine stämmige Frau stand hinter ihm, die Hände in die Hüfte gestämmt.
"All diese Leute haben eine Tugend, die bei uns - nun sagen wir, in den Hintergrund geraten ist. Sie helfen einander. Wenn jemand krank ist, kommt ein anderer und springt ein. Wenn jemand zu alt wird, übernimmt die Familie. Mir liegt sehr viel daran, denn genau das bringt Concordia den Wohlstand. Nicht etwa die Bürger, welche Tag für Tag in ihren Häusern den Wohlstand genießen... dies sind die Menschen, die ihn überhaupt bringen," er wies nach draußen.
Edward war etwas beschämt, aber sah Harington dennoch direkt in die Augen. Vielleicht hatte der Mann recht? Wie anders war er doch, wie gescheit schien er! Swann hätte sich wahrscheinlich niemals dazu herabgelassen, sich in ein Wirtshaus zu setzen.
Aber er selbst hatte auch nicht daran gedacht. Vielleicht ließ sich ja tatsächlich viel ändern, indem man den Leuten zuhörte, sie ernst nahm. Ihnen zeigte, daß man ihnen etwas Respekt entgegen brachte.
"Dann möchte ich sie um etwas bitten."
Der Gouvernor schien überrascht und seine Augen spiegelten Interesse wieder.
"Und das wäre?"
"Laßt uns heute Abend hier her kommen und zusammen ein Glas auf Concordia erheben. Ich finde, ihr seid einem Gast Beweise schuldig."
Ein grollendes Gelächter erfüllte den kleinen Raum, den die Kutsche bot.
"Commodore, ihr seid der Rechte! So soll es sein! Wir gehen heute Abend zusammen hier her, ich sage Euch ich kenne die besten Wirtshäuser mit dem besten Bier! Ich schicke Euch eine Kutsche!"
Aber Edward hob abwehrend die Hand.
"Nein, das wird nicht nötig sein, ich ziehe es vor einen Spaziergang zu genießen und mir meinen Weg selbst zu bahnen."
"Ich hoffe, Ihr werdet Euch nicht verlaufen."
"Ganz sicher nicht. Die Straßen sind wohlgeordnet und ausgeschildert. Wo treffen wir uns?"
Der Gouvernor sah aus dem Fenster der Kutsche und wies mit der Hand auf ein Haus. Ein grünes Schild prangte daran mit goldener Aufschrift. "Zur grünen Kajüte" stand darauf in feinem Schriftzung.
Edward prägte sich die Straße und das Haus gut ein. Die Gegend lag näher beim Hafen, als die bürgerlichen Häuser und war sicher nicht schwer zu finden. Er nickte Harington freundlich zu, aber da wies er die Kutsche zum Halten an.
Norrington war überrascht und wußte zunächst nicht, was dies zu bedeuten hatte. John Harington erhob starken Körper und öffnete die Tür.
"Entschuldigt mich bitte erneut, aber meine Gouvernorspflicht ruft unverhofft. Die Kutsche wird Euch zur Dauntless bringen."
Der Commodore war zu überrascht, hatte Mühe, angemessene Abschiedsworte zu formulieren. Also nickte er nur und sah dem Mann nach, der ausstieg.
"Also gut, dann treffen wir uns heute Abend gegen acht Uhr in der grünen Kajüte. Einen Angenehmen Tag wünsche ich Euch!"
Mit diesen Worten schlug er die kleine Tür zu und verschwand aus dem Blickfeld des Commodores. Verwirrt schüttelte dieser den Kopf. Was war denn das gewesen? Ein sehr unkonventioneller Mann, so schien es Norrington. Vielleicht zu andersartig? Wer ließ denn schon einen Gesannten eines Gouvernors einfach so verdutzt und ohne genaue Erklärung einfach in der Kutsche sitzen? Er fühlte sich etwas gekränkt, aber nahm es schließlich hin. Eben, er war nur der Gesannte, nicht der Gouvernor selbst. Obwohl ihm Zweifel daran kamen, ob Harington sich gegenüber Swann anders verhalten hätte.
*~*~*~*~*
Will, Lara und Elizabeth hatten die Stadt erreicht und befanden sich nun in einem Viertel, welches Lara zunächst seltsam vorgekommen war. Es war zu schäbig für das Besitzbürgertum, aber zu ordentlich und Wohlhabend für den Arbeiterstand. Reger Betrieb herrschte in den kleinen Handwerksgeschäften und Leute liefen hin und her, handelten und trugen ihre Einkäufe nach Hause.
"Wo sind wir?"
Elizabeth führte sie. Zielsicher schritt sie voran, nur manchmal blieb sie stehen und überlegte, wo sie entlang liefen. Jetzt stoppte die Frau und drehte sich um.
"Ein seltsames Städtchen, nicht wahr? Wir sind im Handwerkerviertel. Die Leute sind sehr wohlhabend in Concordia, das hatte ich bereits erwähnt. Aber in der Tat muß man es erst selbst gesehen haben, bevor man der Beschreibung auch die richtige Bedeutung zuweisen kann. Ich bekomme hier immer ein ziemlich heimisches Gefühl. Wenn die Welt überall so friedlich wäre... Aber mein Gefühl trügt mich."
"Mich nicht," meinte Will nachdenklich und besah sich beeindruckt Häuser und Leute. "Ich habe ein ganz seltsames Gefühl."
Elizabeth nickte.
"Wie ich schon sagte: Es ist utopisch. Und noch nicht wirklich ausgereift, denn sonst wären die Methoden besser, die diesen Standart gewährleisten."
"Hat Concordia auch ein Armenviertel?" wollte Lara wissen.
Aber die junge Frau schüttelte den Kopf.
"Nein, so etwas wird nicht geduldet. Alles ist hier auf Ruhe und Wohlstand ausgerichtet. Arme und Bettler bedrohen beides."
"Kaum zu glauben," staunte die Rothaarige. "Keine Armen, keine Bettler... keine Gauner. Nur glückliche und brave Leute. Wie langweilig."
"Es gibt Leute, die geisteskrank geschimpft werden, weil sie einen unnatürlichen Ordnungsdrang haben. Ich frage mich von welcher Stabilität der Geist des Gouvernors ist." Will sah seine Umgebung ziemlich kritisch an, schien jedem zu mißtrauen, der an ihm vorbei lief.
Sie wurden beobachtet. Jeder um sie herum warf ihnen fragende Blicke zu. Sie waren Fremde und das schien hier aufzufallen, wie ein Bürgerlicher in Tortuga.
Lara mied Augenkontakt und sah hinab zu ihren Füßen auf das saubere Kopfsteinpflaster. Sie stand direkt neben einer kleinen Wasserrinne, die gemütlich an ihr vorbei plätscherte. Sie seufzte tief und wandte sich Elizabeth zu.
"Wir sollten lieber machen, daß wir hier wieder weg kommen. Je schneller, desto besser."
*~*
Elizabeth hatte sie weitergeführt und nach kurzer Zeit waren sie am Rande der Stadt angelangt, welcher genau an den Wald angrenzte. Aber Will erkannte sofort, warum sie hier her gegangen waren. Dort vor ihnen Lag ein großes Haus und dahinter türmten sich zwei geschichtete Holzberge auf. Ein Sägewerk.
Sie brachten die letzten Meter hinter sich und ein Waagen kam ihnen entgegen, schwer beladen mit breiten Brettern. Die Kutsche fuhr langsam und gemächlich und als sie neben ihnen war grüßten die Männer darauf höflich, worauf die Fremden zurück grüßten.
Endlich waren sie dort und gingen hinter das Haus. Das regelmäßige Ritscheratsche einer benutzten Zweiersäge war schon von vorne zu hören gewesen und hatte ihnen verraten, wo sich die Arbeiter aufhielten. Als sie um die Ecke des Hauses traten, sahen sie sofort, von wo es herrührte. Zwei Männer standen auf einer Konstruktion, die dazu gebaut war, einen breiten Stamm, wie der, der gerade darauf gelegt war, zu halten, so daß die Männer möglichst einfach Bretter daraus sägen konnten. Einfach war nicht das richtige Wort, denn es war harte Arbeit. Nebenbei stand ein weiterer großer Mann, dessen hochgekrämpelten Ärmel starke Oberarme preisgaben. Er schärfte gerade eine Axt und stand dazu vor einem Wetzstein.
Lara nickte Will zu.
"Guten Tag!" grüßte er dann und der Mann mit der Axt drehte sich um, während die anderen weiter sägten.
Der Mann nickte ihnen zu und drehte sich wieder um. Er schliff seine Axt fertig und warf sie sich dann auf die Schulter, kam mit stampfenden Gang zu den Neulingen.
"Was kann ich für sie tun?" eine dunkle und rauhe Stimme fragte dies, das markante Gesicht war von Falten zerfurcht und auf dem linken Unterarm zog sich eine lange breite Narbe hin.
"Offensichtlich brauchen wir Holz, guter Mann."
"Sie sollten ihre Wünsche etwas konkretisieren."
"Bretter, so lange, wie möglich. Wenn möglich aus einem Holz, welches biegsam, aber strapazierfähig ist. Und wenn`s geht jede Menge"
Der Mann lachte.
"Sind so viele Schiffe in Seenot geraten? Ich komme beinahe nicht mehr nach, mit dem Sägen!"
"Wie meint ihr das?"
"Ach, habt ihr nicht das große Schiff im Hafen gesehen? Gerade ist wieder eine Ladung mit Holz abgeholt worden."
Will griff sich an den Kopf.
"Ach, dieses Schiff. Es bezieht sein Holz auch von Euch?"
"Von wem sonst? Ich bin der einzige Holzfäller hier in Concordia. Ihr seid fremd, das merkt man sofort, vielleicht solltet ihr Euch heimischer geben, dann fallt ihn nicht auf, wie ein bunter Hund."
"Heimischer?" William war verwirrt.
"Ach, vergeßt es! Aber ihr wißt doch sicher, daß ihr eine Genehmigung braucht?"
Will sah Elizabeth an, die die Augen verdrehte.
"Wie konnte ich das nur vergessen!"
Der Mann stöhnte und stellte die Axt auf den Boden, stützte sich darauf.
"Es tut mir sehr leid, aber ohne Genehmigung darf ich keine großen Mengen an Fremde herausgeben."
Da trat Lara vor und nahm den schweren Beutel, zur Hand, den ihr Marley gegeben hatte.
"Wir haben es leider eilig. Können wir uns nicht irgendwie arrangieren?"
Sie schüttelte den Beutel etwas, so daß das Geld klimperte. Aber der Holzfäller schüttelte den Kopf.
"In anderen Städten mag dies vielleicht funktionieren, aber nicht hier. Wir sind bescheidene Leute und sind zufrieden mit unserem Leben. Bestechungsgelder mögen uns für den Augenblick bereichern, aber wenn es der Gouvernor herausfindet, dann gnade uns Gott. Ich werde kein Risiko eingehen."
"Dann verzeiht unseren Versuch, aber es hätte wahrscheinlich einige zeit erspart. Selbstverständlich verschaffen wir uns sofort eine Genehmigung. Ihr seht nur zu, daß Ihr genug für unsere Zwecke bereit haltet."
William sprach sehr diplomatisch und vertrauenserweckend zu dem großen Holzfäller und Lara beschlich ein mulmiges Gefühl. Seine Täuschung war wahrhaftig nicht schlecht gewesen und er hatte einen gewissen Charme, ein Auftreten, welches ihr irgendwie nobel vorkam. Wer wollte nicht vertrauen, wenn er in solch jugendhaftes Gesicht sah mit diesen ehrlichen Augen, dieser Unschuld? Will hatte mit ihnen gegen Seth gekämpft, jedoch aus eigenen Gründen. Aber es war nicht die Zeit für Mißtrauen und Zweifel. Das würde sie nur noch mehr aufhalten. Dennoch beschloß Lara, den jungen Mann besser im Auge zu behalten.
Mit einer freundlichen Geste verabschiedeten sich die Männer und sie traten den Rückweg ins Innere der Stadt an.
"Tut mir leid, aber ich hatte das ganz vergessen. Mein Vater hat immer die Geschäfte geführt, ich wurde wenig mit dem bürokratischen Kram konfrontiert."
Aber weder Will noch Lara warfen ihr etwas vor. Im Grunde waren sie ja froh, sie dabei zu haben, denn mit ihrer Ortskenntnis ersparte sie ihnen schon sehr viel Zeit. Jedoch hatten sie nun ein großes Problem, welches es geschickt zu lösen hieß. Sie suchten sich eine Kneipe, in der sie zunächst ihr weiteres Vorgehen besprechen konnten. Unter den vielen hatten nur wenige zur Mittagszeit geöffnet, doch als sie eine gefunden hatten, gingen sie hinein und ließen sich in einer Sitznische, sicher vor neugierigen Blicken nieder.
"Herzlich willkommen, Fremde! Was darf ich Euch bringen?" fragte ein ordentlich gekleideter Wirt.
Elizabeth hatte überlegt einen Grog zu bestellen, aber die gegenwärtigen Umstände und die Erinnerung an das letzte Mal, als sie dieses Getränk versucht hatte, hielten sie davon ab. Statt dessen bestellte sie sich Wein, Lara und Will nahmen jeweils einen großen Krug Bier.
Die junge Swann mußte das Gesicht verziehen, als sie den mehr als dürftigen Wein probierte, aber was hatte sie denn schon erwartet?
"Das ist ziemlich schlecht für uns. Wie zum Teufel kommen wir an eine Genehmigung für so viel Holz heran? Zumal unser Schiff ja nicht mal im Hafen liegt," Lara starrte nachdenklich in ihren Krug.
"Ein Schiff sei angekommen... mit Bedarf an Reparatur," Wills Stimme war voller Mißtrauen und den beiden Frauen war bewußt, auf was er anspielte.
"Das Schiff in diesem Hafen? Es hat ja nicht einmal einen Namen," meinte Elizabeth. "Ich weiß nicht, ob Harington so etwas zuläßt. Und ein Piratenschiff sowieso nicht."
Will nickte und lehnte sich zurück in die Eckbank, verschränkte die Arme vor der Brust. Es war ihm aufgefallen, wie oft der Wirt an ihrem Tisch vorbei ging, sei es, um einen anderen Tisch abzuwischen, ihnen etwas anzubieten, oder auch nur andere Gäste zu bedienen.
Auch Lara bemerkte, wie der Mann immer wieder hinter ihr hin und her ging, sie hörte seine Schritte, oder spürte gar den Lufthauch, den er verursachte. Also lehnte sie sich weiter vor und stützte sich mit den Unterarmen auf den Tisch. Elizabeth hatte dies automatisch getan, als Will sich zurück gelehnt hatte, um ihn besser verstehen zu können.
"Wir sollten das abchecken," meinte Lara. "Wenn Seth hier ist, will ich wenigstens darüber bescheid wissen."
Die anderen stimmten zu.
"Und danach, werden Will und ich versuchen, eine Genehmigung für das Holz zu bekommen. Du halte dich besser von Harington fern, das Risiko ist zu groß, daß er sich an dich erinnert."
"Ja, ich weiß, aber was soll ich denn in der Zeit machen?"
"Du könntest versuchen Leinen für das neue Segel aufzutreiben, vielleicht brauchen wir dafür ja keine Genehmigung..."
Elizabeth zuckte mit den Schultern.
"Ich weiß es nicht, aber werde es versuchen."
"Gut. Dann beschreibst du uns jetzt am besten den Weg. Wir treffen uns wieder hier und zwar heute Abend. Hier," Lara gab Elizabeth einen Teil des Geldes ab, damit sie das Segel bezahlen konnte.
Der Wirt bekam große Ohren, als er das Geld im Beutel hörte.
*~*
William und Lara standen vor dem Anwesen des Gouvernors. Lange Stäbe eines großen Tores versperrten ihnen den Weg, allerdings bewachten zwei Soldaten den Eigang. Stramm standen sie da und starrten geradeaus, bis sie bemerkten, daß sich jemand dem Schlößchen näherte. Der rechte trat vor, während der andere eine neue Position in der Mitte des Tores einnahm und vor einem wunderschönen, eigeschlossenen Panorama stand.
"Was ist Euer Begehr?" fragte der Mann, welcher auf sie zukam und ein leichtes Lächeln begrüßte sie.
Dies hatten die beiden Neuankömmlinge nicht erwartet. Normalerweise waren Soldaten im Dienst Fremden gegenüber mißtrauischer.
"Wir wünschen den Gouvernor zu sprechen, bitte. Wir benötigen eine Genehmigung, um Holz zu erwerben," antwortete Will höflich.
"Dann tut es mir sehr leid, Euch sagen zu müssen, daß Gouvernor Harington nicht im Hause ist. Er zeigt gerade einem Besucher die Stadt. Er ist gerade fort, aber wenn es Euch beliebt, so bleibt und wartet, obwohl ich Euch empfehlen möchte, es dem neuen Besucher gleich zu tun, denn es wird noch eine Weile dauern, bis er zurück sein wird."
Lara stöhnte.
*Auch das noch!*
Es war ihr gar nicht recht, auch noch diese Verzögerung in Kauf nehmen zu müssen.
"Warum erläßt der Gouvernor solche Vorschriften, wenn er nicht da ist? Weiß er nicht daß Reisende auf schnelle Bürokratie angewiesen sind?"
Der Mann sah entschuldigend drein, aber William erkannte im Gesicht des anderen Mannes, welcher am Tor stand, Mißtrauen. Schnell übernahm er das Wort wieder.
"Entschuldigt meine Begleiterin, aber sie ist nicht von sehr ruhigem Gemüt. Was soll ich sagen? Frauen! Haben sie keine Zeit, so beschweren sie sich, daß sie sich die Stadt nicht ansehen können, haben sie sie, so kann es nicht schnell genug gehen..."
Lara sah empört zu Will, bis ihr plötzlich bewußt wurde, daß er sie gerade aus der Patsche gebracht hatte. Sofort dachte sie weiter, daß sie mit ihrer Empörung richtig reagiert hatte, denn sonst wäre er unglaubwürdig geworden. Die Wachen lachten, als die Frau den Mann böse anfunkelte und ihm sogar in die Rippen stieß. Das würde wohl den Haussegen bedrohen.
"Wir kommen heute Abend wieder," lächelte William unsicher im Angesicht seiner Begleiterin, die er vor den Kopf gestoßen hatte.
Der uniformierte grinste und nickte höflich zum Abschied.
"Ich hoffe, Ihr werdet dann mehr Glück haben!"
*~*
Überall Stoff! Grob und fein! Schlicht und Aufwendig! Grau und bunt!
Elizabeth fühlte sich wohl, sie stand gerade an feiner Seide, die dünn bestickt war und sich nach einem Hauch von Himmel anfühlte. Sachte glitt der leichte, altrosa Stoff durch ihre erfahrenen Hände und verriet ihr, daß dies Ausgezeichnete Qualität war. Wie würde sich wohl ein Kleid daraus auf ihrer Haut anfühlen? Sie atmete tief ein.
Ein Mann trat hinter sie und labte sich an dem Anblick der jungen Frau, die in Träumen zu schweben schien.
"Er ist wunderschön, nicht wahr?" flüsterte er, um die Ruhe nicht zu stören.
Dennoch erschrak Elizabeth und wurde aus ihren Gedanken gerissen. Schnell drehte sie sich um, schaute in zwei nette dunkle Augen, die von weißen dicken Augenbrauen umrandet waren. Schnell hob er die Hand.
"Oh, ich wollte Euch nicht erschrecken, junges Fräulein. Aber wann sieht man schon mal eine schöne Frau so andächtig bei einem der edelsten Stoffe stehen, die ich überhaupt besitze?"
Elizabeth errötete leicht. Zum Glück war außer ihr und dem Mann nur noch ein Kunde da, welcher sich allerdings gerade in einer Kabine befand, damit die Schneiderin seine Maße nehmen konnte. So blieb ihr diese kleine Peinlichkeit erspart. Vielen Männern gefiel diese Schwächer der Frauen, aber sie fand es fast lächerlich, zumal auch Männer erröteten, es bei ihnen aber als unangebracht bezeichnet wurde. Wie gerne dachte sie an den schüchternen Will Turner zurück, welcher ihr vor dieser Sache den Hof gemacht hatte... beinahe den Hof gemacht hatte, denn er war ja zu schüchtern gewesen. Innerlich kicherte sie, aber da wurde sie sich wieder bewußt, wo sie war.
Diese sanften Augen schauten sie immer noch an. Ein kleines Lächeln umspielte den Mund, ließ die ohnehin schon faltige Haut noch mehr Falten bekommen.
"Ihr... nein, ist schon gut. Ich sollte hier sowieso nicht meine Zeit vertrödeln, da ich in Eile bin."
"Dann tut es mir umso mehr leid, denn die Zeit verstreicht sowieso schon so schnell und niemand nimmt sich mehr die Ruhe und Muse für wirklich schöne Dinge. Für die kleinen, unscheinbaren Kunstwerke."
Seine von Altersflecken übersäte Hand strich langsam über den zarten Stoff vor ihr. Seine Augen waren geschlossen und er schien es wirklich zu genießen. Wie sehr sie seine Worte doch gut hieß.
Doch da blickte er wieder auf und die schöne Atmosphäre verlor etwas von ihrem Frieden.
"Was kann ich dann für sie tun, junge Dame? Ein neues Kleid? Stoff zur eigenen Verarbeitung?"
"Nein, ich stehe hier eigentlich bei der falschen Ware. Bei der völlig falschen, muß ich gestehn!" Sie lächelte und errötete ein weiteres Mal.
"So? Und was begehrt Ihr?"
"Da Ihr hier der einzige Tucher seid, wollte ich mich zunächst an Euch wenden. Habt ihr groben Stoff, in der Größe eines Segels?"
Der Mann wies zu einer Türe.
"Ja, den haben wir immer. Alle Schiffe, die hier einfahren und neue Segel brauchen, kommen zu mir. Habe immer auf Vorrat und das ist Euer Glück, denn heute Morgen war gerade jemand hier, um dergleichen zu besorgen. Habt Ihr das dunkle Schiff am Hafen gesehen?"
Elizabeth war besorgt aber nickte zustimmend, während sie zur Türe ging und sich im Innenhof des Hauses befand.
"Jedenfalls scheint es ziemlich beschädigt worden zu sein, denn man ist immer an der Reparatur. Schon seit Tagen."
Er führte sie zu der Scheune und öffnete eine kleine Türe. Drinnen war ein großer Stapel von schwerem Stoff, weiß oder grau.
"Hier ist er. Im Laden ist dafür zu wenig Platz und außerdem hält er einiges aus, so daß ich ihn hier draußen lagere."
Die junge Frau nickte und sah das Licht, welches durch die Holzritzen fiel, den Staub beleuchtete, der in der Luft hing. Da fiel ihr etwas auf.
"Habt ihr auch dunkleren?"
"Dunkleren?"
"Schwarz."
Der Mann schien überrascht.
"Seid ihr von dem dunklen Schiff?"
Was sollte sie nun sagen? Ihr Puls ging hoch. Sie sollte sich nun nicht verhaspeln.
"Ja, wir wollen ein weiteres erwerben."
"So sagt dies doch gleich! Ich habe gerade kein schwarzes, aber ich kann Euch eines färben!"
Elizabeth dachte darüber nach. Hatten sie so viel Zeit? Aber Jack würde es sicher begrüßen...
"Wie lange wird es dauern?"
"Nicht lange. Einen Tag. Ich kann es Euch auch zum Hafen bringen lassen."
Da erschrak die junge Frau.
"Nein!"
*Mist!*
"Nein," wiederholte sie etwas ruhiger. "Ich lasse es holen."
"Es wären wirklich keine Umstände."
"Ich werde es holen lassen," meinte sie bestimmt.
Der Tucher schwieg einen Augenblick und beobachtete Elizabeth eindringlich, so daß es ihr ganz unangenehm wurde. Seine Augen waren plötzlich scharf, als könne ihnen nichts entgehen. Wissend.
Sie spürte, wie sich ihr Körper anspannte. War sie entdeckt? War ihre Lüge aufgeflogen?
Da wurde der alte Mann wieder weich und ließ seinen Blick von ihr ab.
"Kommt mit mir, ich geleite Euch noch zur Tür. Bezahlung bei Übergabe, bis morgen werde ich sicherlich fertig sein."
Langsam atmete die junge Frau aus und folgte dem Mann.
Im Laden blieb er allerdings noch einmal stehen und betrachtete sie, bevor er ihr höflich die Tür öffnete.
"Ich hoffe, Euch morgen wieder zu sehen."
Elizabeth nickte ihm zu und ein wunderschönes Lächeln erhellte ihr Gesicht, ließ es engelsgleich strahlen.
"Vielleicht komme ich selbst, um es abzuholen. Einen schönen Tag noch, wünsche ich."
Mit diesen Worten kehrte sie dem netten alten Tucher den Rücken und trat auf die Straße. Sie hörte die Tür nicht zufallen und vermutete, daß der Mann noch eine Weile darin stand und ihr nachblickte. Allerdings wagte sie es auch nicht, sich umzudrehen. Also schritt sie fest die gepflasterte Straße entlang und mischte sich wieder unter die Leute.
Sie genoß den Trubel, überall beschäftigte Leute. Auch wenn ihr viele nachsahen, weil sie neu war, es machte ihr irgendwann nichts mehr aus. Lieber wollte sie sich noch etwas die Stadt anschauen, die sie so lange nicht mehr gesehen hatte, die so eine seltsame Wirkung auf sie hatte. Auf der einen Seite war sie so wunderschön, so friedlich. Jedem Besucher mußte es hier vorkommen, wie eine Art Paradies, hier schien es jedermann gut zu gehen, kein Übel, keine Armut. Auf der anderen Seite kannte sie Concordias Geheimnisse, was ihr das Herz schwer machte. Konnte denn solche Zufriedenheit nur auf diese Weise erreicht werden?
Plötzlich verharrte sie ihn ihrem Gehen vor einer Werkstadt. Etwas furchtbar Vertrautes durchfuhr sie. Alles war vertraut. Der Geruch, welcher in ihre Nase stieg, die Geräusche, ihre Füße waren wie angewurzelt.
Es roch verbrannt und ein schweres "Klong" war zu hören, immer und immer wieder. Sie sah auf und war kaum verwundert, das Schild mit dem Symbol der Schmiede zu sehen. Einen Amboß mit einem Hammer. Unwillkürlich kamen ihr Erinnerungen in den Sinn. William in grober Arbeitskluft, das Gesicht schmutzig und die Kleider voller Schweiß. Aber einen Zufriedenen Ausdruck in den Augen, der immer etwas erregt wurde, wenn sie in sein Blickfeld getreten war. Und die leichte Röte...
"Ach, Will..." seufzte sie.
Auf einmal spürte sie etwas auf ihrer Schulter. Erschrocken drehte sie sich um und wollte die Hand empört wegschlagen. Doch bevor sie es tun konnte, wurde die ihrige abgefangen, befand sich nun im festen Griff einer anderen.
"Was?!" Aber sie hielt inne, nicht im Stande, etwas weiteres zu sagen.
"Ihr hier? Ich bin hoch erfreut."
@Elanor8: *seufz* da bin ich aber froh, daß es wenigstens etwas gefallen hat...;) aber mußt dich in Acht nehmen und den Ventilator bereit stellen... schließlich muß Jacky seine Finger wieder irgendwo ins Spiel bringen *evilgrin*...
@Minui: ohhh, du arme! Hast jetzt so lange warten müssen *streichelt über Kopf* sorry! Aber wie schon angedroht, darfst du bald wieder mitleiden.... hab schon ein super Ende im Kopf... falls es ein Ende gibt???
@Liberty: Will behalten???? NEIIIIIIIIINNNN! Ich glaub es geht nimmer! Jetzt hab ich so viel gearbeitet und du nimmst mir den Süßen einfach weg? Er ist mein! Hehe.... Die junge Turner hab ich geschrieben? Wie peinlich! Das passiert eben ohne Beta manchmal... weiß nicht, was ich mir dabei gedacht habe... irgendwann werde ich mal die Storys nach Fehlern absuchen und dann die non-plus-ultra version ins netzt stellen.... *lol* aber 100% ohne Fehler wird's wohl nie...
A Sons Revenge 6
Concordia
Sie waren etwa eine Stunde unterwegs gewesen. Der Wald, im Grunde nicht dicht bewachsen, aber das Unterholz war ziemlich hoch, so daß sie sich den Weg öfter hatten frei schlagen müssen. Doch etwa in der Hälfte hatte Lara einen Pfad entdeckt, der wohl noch benutzt wurde. Von da an war es angenehmer, vor allem für die Frauen. Elizabeth` Kleid hatte schon Flecken am Saum des Rockes. Der Zarte Stoff sog jede Flüssigkeit sofort ein. Lara Jades war auch nicht mehr ganz sauber, aber auf dem schweren, groben Stoff fiel es weniger auf. Jedenfalls mußten sie nun nicht immer stehen bleiben, um eines der Kleider von einem dornigen Gewächs oder herausragenden Zweig zu befreien, sondern konnten fast ohne Probleme laufen. Nach einer weiteren viertel Stunde traten sie aus dem Wald auf eine Straße und vor ihnen offenbarten sich helle Häuser, aus denen ein Kirchturm herausragte. Sie waren keinen Kilometer mehr weg.
Jade war froh, daß hier eine Straße verlief, denn so war es ihnen möglich, das Holz für die Reparaturen möglichst weit bringen zu lassen. Sie wollte sich gar nicht erst die Tortur vorstellen, die es bedeutet hätte, wenn das gesamte Material ganz durch den Wald hätte transportiert werden müssen.
Mit gutem Schrittempo kamen sie nun voran und kleine Felder, die sich zwischen Stadt und Wald drängten, säumten ihren Weg. Goldenes Korn wiegte sich sanft in dem leichten Lüftchen, das nach Meer roch. Dieses war zu ihrer Rechten zu sehen und Wills Blick schweifte immer wieder leicht dorthin ab. Mit dem Beginn der Häuser, endete der blaue Strich, aber der junge Mann wußte, daß dies natürlich nicht wirklich so war. Auch hinter den Häusern ging das Meer weiter, es umschloß sie. Er atmete tief ein, roch das Salz und glaubte beinahe zu spüren, wie sich der Boden in seiner Vorstellung unter seinen Füßen wiegte. Ein wohliges Gefühl kam in ihm hoch, wenn er an sich aufblähende Segel dachte oder an das rauhe Holz unter seinen Händen, wenn er sich auf die Reling stützte. Der Wind, der ihm ins Gesicht blies, seine Haare ordnend aus den Augen wehte oder wild damit spielte, so daß er keine Chance hatte, dagegen anzukommen, selbst nicht mit dem kleinen Lederband, welches er benutze, um die lockigen, dunklen Strähnen zurück zubinden.
Das Meer bot immer Abwechslung, immer einen atemberaubenden Anblick. Ob bei Tage oder Nacht, ob bei Sonnenschein oder... Sturm. So gefährlich dies auch war, aber er liebte das Wasser, wenn es ungebändigt hin und her gepeitscht wurde, wenn es mit Schiffen spielte, wie Jungen mit kleinen Holzpferdchen, wie Mädchen mit Puppen. Wenn das Meer unberechenbar war, lebensbedrohend, genau dann faszinierte es ihn am meisten.
Lara genoß die leichte Würze in der Luft, das Korn stand in voller Ähre. Das Gras unter ihren Füßen federte ihren Gang. Sie wünschte nur noch eines... daß sie endlich wieder in normaler Kleidung steckte. Der Stoff schleifte über den Boden, wenn sie ihn nicht anhob. Sowieso war er ziemlich schwer, viel unpraktischer, als ihre gewöhnlichen Sachen. Ihr Schwert war nun nicht mehr mit einem Handgriff zu erreichen, denn bevor sie daran kam, mußte sie ja erst den Rock hoch heben und es umständlich aus dem schmalen Gürtel ziehen, den sie darunter trug. Sie fürchtete, daß dies im Ernstfall eine Ewigkeit dauern würde. Aber was konnten sie tun? Wenn diese Stadt tatsächlich so klischeehaft war, dann würde jeder Fremde auffallen. Ob nun ein Mann mit weit ausladendem schwarzen Mantel, oder eine Frau in Männerkleidung.
Seufzend ergab sie sich in ihr Schicksal und schritt so stolz, wie möglich voran. Wie war es Elizabeth nur möglich, sich so auch noch wohl zu fühlen? Die junge Turner lief leichtfüßig voran. Ein Schmetterling flog vor Lara vorüber. Etwas, das sie seit Ewigkeiten nicht mehr gesehen hatte. Auf dem Meer gab es solch Getier nicht. Der kleine gelbe Falter erinnerte sie an Zuhause. Wie lange war sie nun schon fort von dort? Sie hatte schon vor Monaten aufgehört, die Tage zu zählen. Es hatte sie deprimiert und fast von ihrem Vorhaben abgebracht, bis sie schließlich eingesehen hatte, daß ihre Reise länger dauern würde. Um einiges länger. Sie erinnerte sich an die weißen Kohlfalter im Frühjahr und wie sie als Kind immer mit ihnen gespielt hatte. Im Garten war sie herum gesprungen, von einem Kohl zum anderen.
Sie schüttelte den Kopf und vertrieb die Gedanken aus ihrem Kopf. Das alles hatte sich gelohnt. Sie hatte Rache bekommen und sogar noch einiges darüber hinaus, mehr als sie sich hatte vorstellen können. Ein zufriedenes Lächeln erschien auf ihrem Gesicht und die grünen Augen strahlten... bis sie eine schnelle Bewegung aus den Augenwinkeln wahrnahmen.
Sofort sah sie hin.
Williams Kopf zuckte zur Seite, sah ungewöhnlich verkrampft aus, die Muskeln in seinem Hals waren so angespannt, daß sie deutlich heraus traten. Er zuckte in die andere Richtung, der Mann war stehen geblieben und preßte eine geballte Faust an seine Schläfe.
Nun hatte auch Elizabeth bemerkt, daß ihre Gefährten ihr nicht mehr folgten. Sie drehte sich um, gerade in dem Augenblick, als Will die Hand vom Haupt weg riß und sein Blick klar wurde.
"Was ist mit dir?" fragte Lara.
"Es ist nichts," aber der gereizte Unterton verriet beiden Frauen, daß dies nicht der Wahrheit entsprach.
Doch der Mann schien sich nicht auf weitere Fragen einlassen zu wollen und ging weiter, seine schweren Stiefel drückten das Gras nieder.
"Wir sollten voran machen."
Lara sah ihm nach, als er an ihr vorbei ging und auch an Elizabeth, die betrübt zu Boden sah. Lara versuchte ihren Blick zu erfassen, aber sie wollte nicht aufsehen. Also kam sie an die jüngere heran und nahm ihre Hand. Nichts kam über ihre Lippen, nur ein leichter Druck ihres Griffes und ein starker Blick.
Elizabeth atmete tief durch und nickte. Dann drehte sie sich um und beisammen folgten die beiden Frauen Will bis zu Concordia.
*~*~*~*~*
"Maar...ley!" eine dumpfe Stimme ging durch die Kajüte, weckte den ersten Maat aus seinen Gedanken, denen er sich über der großen Karte auf dem Schreibtisch hingegeben hatte. Er sah auf zum Bett, fragte sich, ob er sich das gerade eingebildet hatte.
Aber dem war nicht so. Die Gestalt unter der Decke bewegte sich langsam und träge. Ein Arm wurde gehoben und wieder gesenkt.
"Kapitän!" Marley humpelte so schnell er konnte zum Bett.
Dort fand er Jack vor, beinahe so, wie er ihn gebettet hatte. Auf dem Bauch, so daß er nicht an Erbrochenem ersticken konnte, mit dem Kopf zur Seite auf sein Kissen gelegen. Das Bettzeug war etwas Schmutzig, von dem was in letzter Zeit aus des Kapitäns Mund gekommen war, aber er hatte versucht, dies so gut es ging zu beseitigen. Nun war die Kapitänskajüte von einem säuerlichen Geruch durchzogen, der noch geblieben war, obwohl Marley die Türe immer etwas offen stehen ließ.
Der alte Mann ließ sich neben den anderen auf das Bett sinken und saß nun aufrecht neben der liegenden Gestalt.
"Ihr seid wach, das ist gut. Ich dachte schon, ihr wolltet noch die ganze Woche durchschlafen."
"Vielleicht... will ich das." Ein leichtes Würgen setzte ein. "Ist mir schlecht."
Der Maat nickte und fuhr mit seiner großen Hand sanft über den nackten Rücken des Kapitäns. Die langen Haare wurden dabei etwas zur Seite geschoben und wanden sich seine starken Schultern entlang. Es kam Marley seltsam vor, Jack so zu sehen. So... schwach. Er wollte dies nicht, er wollte diese Verantwortung nicht. Die Pearl war schwer beschädigt und der Kapitän nicht im Stande, sich um sein Schiff zu kümmern. Statt dessen bedurfte er selbst Sorge, konnte sich nicht einmal aus dem Bett erheben. Sogar ausziehen hatte Marley ihn müssen. Es kam dem Maat vor, als seien beide, Mann und Schiff, miteinander verbunden, erlitten zusammen Qualen. Irgendwie tröstete es ihn, daß sie nun bald Holz bekommen würden, um die Lecks der Black Pearl zu reparieren. Vielleicht ging es Jack dann auch besser?
Er atmete tief ein. Nein. Es schien ihm ja nun schon besser zu gehen. Immerhin war er bei Bewußtsein und trotz des Würgens, erbrach er nicht mehr.
"Ich glaube, es wird vorbei gehen," versuchte er dem Liegenden gut zuzusprechen.
"Ich hoffe, es geht schnell vorbei," antwortete Jack mit rauher Stimme. "Rum."
Marley mußte lachen.
"Rum? Jack, ich denke, es geht dir schlecht genug, da brauchst du nicht auch noch Rum. Aber ich habe hier etwas anderes für dich."
Der Maat griff neben das Bett, wo ein Becher auf der Kommode stand und tauchte diesen in den Eimer mit Wasser, den er zuvor herein geholt hatte.
"Rum!"
Aber als der Kapitän das kühle Naß auf seinem Gesicht spürte, welches vom Becher tropfte, war er wohl bereit, sich auch mit diesem Getränk zufrieden zu geben. Langsam liefe es seine Kehle herunter, nahm etwas von dem ekelhaften Geschmack weg, der gegenwärtig war, seitdem er aufgewacht war.
Ein erleichtertes Seufzen kam über seine Lippen. Nie hatte Wasser so gut geschmeckt. So wohl getan.
"Wie.. geh........ geht es meinem Schiff?"
Der Maat hatte diese Frage erwartet und versucht, sich darauf vorzubereiten. Er hatte sich überlegt, wie er die Worte am besten formulierte, so daß sie nicht allzu schnell und hart kamen, aber nun zögerte er. Er sprach hier nicht mit irgendeinem Mann, der beschönigende Umschweife der Wirklichkeit vorzog. Jack wollte wissen, wie es um seinen größten Schatz bestellt war.
"Sie hat ziemlich viel abbekommen. Zwei große Lecks, eines zwei Meter lang und einen breit. Außerdem jede Menge kleine Löcher, ein Segel ist drauf gegangen und den Ausguck müssen wir gänzlich ersetzen."
Er machte eine Pause. Aber der Kapitän sagte nichts.
"Dann noch ein paar kleinere Schäden, wie zum Beispiel an der Reling oder am Deck. Sieben Männer haben es nicht geschafft, zehn der anderen Crew sind drauf gegangen. Einige Verletzte, wenn man von Gehör- und Sehschäden absieht. Und... sie haben Gefangene gemacht. Iona ist weg."
Als er dies gesagt hatte, fing Jack an sich zu bewegen. Er schien sich vom Bett abstützen zu wollen, aber hatte nicht die Kraft, seine Position aus eigener Kraft zu verändern. Der Maat griff dem Kapitän unter die Arme und rollte ihn auf den Rücken. Jack schnaufte hart vor Anstrengung und erneutem Schwindel. Er kniff die schwarz umrandeten Augen zu und Falten bildeten sich auf seiner Stirn.
"Dann müssen wir hinterher."
"Unmöglich, die Pearl muß erst repariert werden."
Jack schien dies sofort einzusehen und hörte auf zu versuchen aufzustehen.
"Wo sind wir? Wir brauchen entsprechendes Material."
"Wir sind vor wenigen Stunden bei Port Concordia angekommen und haben in einer benachbarten Bucht angelegt."
Jack wußte, was es mit Concordia auf sich hatte und sofort machten sich neue Sorgen um sein Schiff breit.
"Concordia?... Wir sind..."
"Es war die beste Lösung, die nächste. Keine Ahnung, wie weit wir es noch gemacht hätten. Ich habe Lara, Will und Elizabeth los geschickt, um Holz zu besorgen. Sie sind nun wahrscheinlich in der Stadt."
Jack ergriff plötzlich seine Schulter und auf einmal lag ein schweres Gewicht auf dem Maat. Der Kapitän versuchte, sich an ihm hochzuziehen und ganz langsam richtete er sich auf.
"Nein, Ihr solltet ruhig bleiben. So liegt Ihr gleich wieder flach."
Jack gehorchte und ließ sich zurück fallen, nicht ganz aus freiem Willen, denn schon bereiteten üble Kopfschmerzen und schwere Übelkeit dem Kapitän Pein.
"Ich habe es Euch gesagt. Keine Sorge, sie werden das schon schaffen. Lara meinte, bis morgen vor Sonnenaufgang würden sie zurück sein. Vertrau meiner Tochter, sie weiß, was sie tut."
"Dessen... bin... ich mir gewiß. Warum hast du... dich nicht darum gekümmert?" stöhnte Jack und wand sich.
"Ich bin leider selbst nicht ganz unbeschadet aus dem vorletzten Tag hervorgegangen."
*Ich hätte sie gerne begleitet...*
Er sah an seinem Bein herab, welches er gut und sauber verbunden hatte. Die Wunde war sicherlich schon wieder am Verheilen. Er hoffte es zumindest, aber die Wirkung des Rums war von vielen unterschätzt. Als Desinfektionsmittel gab es nichts Besseres. Doch dies würde er Jack nicht sagen. Der Maat traute es dem Kapitän zu, daß dieser es fast als Verschwendung von Verpflegung ansah. Innerlich mußte Marley lachen.
"Oh, Mann... Alles schwankt ganz furchtbar. Aber ich brauche ganz schnell was für zwischen die Zähne."
Jetzt lachte Marley laut.
"Tja, Jack, du bist einfach nicht unter zu kriegen, nicht wahr? Ich hoffe, mit deinem Appetit kommt auch dein Gleichgewichtssinn wieder zurück!"
*~*~*~*~*
Commodore Norrington wartete vor der Dauntless auf die Kutsche des Gouvernors. Während er da so stand, sah er zum Anlegeplatz hinüber, wo dieses große, schwarze Schiff lag und wieder reger Betrieb herrschte, wenn auch nicht ganz so viel, wie am Tag zuvor. Vieler der Männer machten sich an Deck zu schaffen, lautes Klopfen hallte durch den Hafen, herrührend von den Hämmern, welche Nägel in Holz schlugen. Begleitet wurde der Krach vom Krächzen der Möwen und den verwirrten Stimmen der Menschen, denn auf den Straßen war schon allerhand los. Männer machten kleine Fischerboote am Hafen bereit, nahmen Ware von einem Handelsschiff in Empfang oder brachten Ware, welche sie selbst zu verkaufen hatten in ein Schiff. Frauen kehrten die Straßenrinne oder waren auf dem Weg zum Markt, manche sogar mit Kindern oder Gesindel.
Da bemerkte er Hufgeklapper, das immer langsamer wurde und schließlich neben ihm zum ruhen kam. Er zwang seinen Blick weg von dem Schiff, dessen Namen er nicht erkennen konnte und erblickte sofort die Kutsche. Es war die selbige, wie am Vortag. Die Türe öffnete sich schwungvoll und heraus ragte der breite Oberkörper des Gouvernors.
"Entschuldigt meine Verspätung, Commodore Norrington, aber Es gab noch Dinge zu klären. Ihr wißt ja, als Gouvernor ist man leider immerzu eingespannt, das Wohl der Stadt steht über meinem Vergnügen."
Edward nickte und entschuldigte den Mann sofort, zumal die Verspätung nicht sehr schwerwiegend war. Doch nun stieg er ein und Harington befahl dem Kutscher, los zu fahren.
In stetigem Tempo, aber langsam genug, um alles genauestens sehen zu können, zogen die Straßen an ihnen vorbei. Die Tour war sehr interessant für den Commodore, er war beeindruckt, wie sauber und ruhig Concordia war. Er konnte die Brunnen nicht zählen, welche der Stadt ein ganz besonderes Flair gaben. Die Führung beschrieb eine Runde um den Markt, die beiden Kirchen und sogar den Park, der Norrington so gut gefallen hatte. Sie fuhren sowohl durchs Bürger- als auch durchs Handwerkerviertel. Die Häuser der gehobenen Gesellschaft waren neu oder sehr gut erhalten. Die kleinen Vorgärten ordentlich. Aber auch die einfachen Leute schienen nicht schlecht zu wohnen. Gerade fuhr die Kutsche an verschiedenen Wirtshäusern vorbei, von denen nur wenige geöffnet hatten. Edward vermutete, daß diese erst gegen Abend aufmachen würden.
"Zuweilen pflegen es sogar Bürger und auch Leute vom Adel sich in den Wirtshäusern nieder zu lassen, wenn es ihnen danach ist. Selbst ich lasse mich hier manchmal sehen und trinke einen Krug Bier."
"Sind die Schichten hier so verwoben?"
"Die Wirtshäuser sind sauber und die Straßen sicher. Warum soll sich nur das gemeine Volk vergnügen dürfen? Ich genieße ihre Einfachheit und irgendwie... kann ich etwas von ihrer Mentalität abgewinnen. Concordia besteht nicht nur aus Bürgerlichen, ein Gouvernor sollte auch ein paar Gewohnheiten dieser fleißigen Handwerker annehmen."
"Solch rauhe Gewohnheiten sind erstrebenswert?"
Harington lachte.
"Oh, Norrington! Ist das denn so undenkbar für Euch?"
Aber Edward wußte tatsächlich nicht, welche dieser Gewohnheiten das sein sollten. Die Manieren etwa?
"Sie haben etwas, das in der höheren Gesellschaft verloren gegangen ist. Wir streben doch nur nach Geld und Macht. Besitz ist unser höchstes Gut und um ihn zu erlangen über die Moral gehen. Habt ihr Euch denn schon einmal genau diese einfachen Leute betrachtet? Seht hin!"
Norrington sah zum Fenster hinaus und beobachtete die Menschen. Zwei Frauen standen beieinander und tratschten wahrscheinlich, andere liefen, teilweise mit Kindern an der Hand, die Straße entlang. An einem Obstständchen wurde gerade die Ware in Kisten ausgeladen von zwei kräftigen Männern. Ein anderer kehrte die Straße und eine stämmige Frau stand hinter ihm, die Hände in die Hüfte gestämmt.
"All diese Leute haben eine Tugend, die bei uns - nun sagen wir, in den Hintergrund geraten ist. Sie helfen einander. Wenn jemand krank ist, kommt ein anderer und springt ein. Wenn jemand zu alt wird, übernimmt die Familie. Mir liegt sehr viel daran, denn genau das bringt Concordia den Wohlstand. Nicht etwa die Bürger, welche Tag für Tag in ihren Häusern den Wohlstand genießen... dies sind die Menschen, die ihn überhaupt bringen," er wies nach draußen.
Edward war etwas beschämt, aber sah Harington dennoch direkt in die Augen. Vielleicht hatte der Mann recht? Wie anders war er doch, wie gescheit schien er! Swann hätte sich wahrscheinlich niemals dazu herabgelassen, sich in ein Wirtshaus zu setzen.
Aber er selbst hatte auch nicht daran gedacht. Vielleicht ließ sich ja tatsächlich viel ändern, indem man den Leuten zuhörte, sie ernst nahm. Ihnen zeigte, daß man ihnen etwas Respekt entgegen brachte.
"Dann möchte ich sie um etwas bitten."
Der Gouvernor schien überrascht und seine Augen spiegelten Interesse wieder.
"Und das wäre?"
"Laßt uns heute Abend hier her kommen und zusammen ein Glas auf Concordia erheben. Ich finde, ihr seid einem Gast Beweise schuldig."
Ein grollendes Gelächter erfüllte den kleinen Raum, den die Kutsche bot.
"Commodore, ihr seid der Rechte! So soll es sein! Wir gehen heute Abend zusammen hier her, ich sage Euch ich kenne die besten Wirtshäuser mit dem besten Bier! Ich schicke Euch eine Kutsche!"
Aber Edward hob abwehrend die Hand.
"Nein, das wird nicht nötig sein, ich ziehe es vor einen Spaziergang zu genießen und mir meinen Weg selbst zu bahnen."
"Ich hoffe, Ihr werdet Euch nicht verlaufen."
"Ganz sicher nicht. Die Straßen sind wohlgeordnet und ausgeschildert. Wo treffen wir uns?"
Der Gouvernor sah aus dem Fenster der Kutsche und wies mit der Hand auf ein Haus. Ein grünes Schild prangte daran mit goldener Aufschrift. "Zur grünen Kajüte" stand darauf in feinem Schriftzung.
Edward prägte sich die Straße und das Haus gut ein. Die Gegend lag näher beim Hafen, als die bürgerlichen Häuser und war sicher nicht schwer zu finden. Er nickte Harington freundlich zu, aber da wies er die Kutsche zum Halten an.
Norrington war überrascht und wußte zunächst nicht, was dies zu bedeuten hatte. John Harington erhob starken Körper und öffnete die Tür.
"Entschuldigt mich bitte erneut, aber meine Gouvernorspflicht ruft unverhofft. Die Kutsche wird Euch zur Dauntless bringen."
Der Commodore war zu überrascht, hatte Mühe, angemessene Abschiedsworte zu formulieren. Also nickte er nur und sah dem Mann nach, der ausstieg.
"Also gut, dann treffen wir uns heute Abend gegen acht Uhr in der grünen Kajüte. Einen Angenehmen Tag wünsche ich Euch!"
Mit diesen Worten schlug er die kleine Tür zu und verschwand aus dem Blickfeld des Commodores. Verwirrt schüttelte dieser den Kopf. Was war denn das gewesen? Ein sehr unkonventioneller Mann, so schien es Norrington. Vielleicht zu andersartig? Wer ließ denn schon einen Gesannten eines Gouvernors einfach so verdutzt und ohne genaue Erklärung einfach in der Kutsche sitzen? Er fühlte sich etwas gekränkt, aber nahm es schließlich hin. Eben, er war nur der Gesannte, nicht der Gouvernor selbst. Obwohl ihm Zweifel daran kamen, ob Harington sich gegenüber Swann anders verhalten hätte.
*~*~*~*~*
Will, Lara und Elizabeth hatten die Stadt erreicht und befanden sich nun in einem Viertel, welches Lara zunächst seltsam vorgekommen war. Es war zu schäbig für das Besitzbürgertum, aber zu ordentlich und Wohlhabend für den Arbeiterstand. Reger Betrieb herrschte in den kleinen Handwerksgeschäften und Leute liefen hin und her, handelten und trugen ihre Einkäufe nach Hause.
"Wo sind wir?"
Elizabeth führte sie. Zielsicher schritt sie voran, nur manchmal blieb sie stehen und überlegte, wo sie entlang liefen. Jetzt stoppte die Frau und drehte sich um.
"Ein seltsames Städtchen, nicht wahr? Wir sind im Handwerkerviertel. Die Leute sind sehr wohlhabend in Concordia, das hatte ich bereits erwähnt. Aber in der Tat muß man es erst selbst gesehen haben, bevor man der Beschreibung auch die richtige Bedeutung zuweisen kann. Ich bekomme hier immer ein ziemlich heimisches Gefühl. Wenn die Welt überall so friedlich wäre... Aber mein Gefühl trügt mich."
"Mich nicht," meinte Will nachdenklich und besah sich beeindruckt Häuser und Leute. "Ich habe ein ganz seltsames Gefühl."
Elizabeth nickte.
"Wie ich schon sagte: Es ist utopisch. Und noch nicht wirklich ausgereift, denn sonst wären die Methoden besser, die diesen Standart gewährleisten."
"Hat Concordia auch ein Armenviertel?" wollte Lara wissen.
Aber die junge Frau schüttelte den Kopf.
"Nein, so etwas wird nicht geduldet. Alles ist hier auf Ruhe und Wohlstand ausgerichtet. Arme und Bettler bedrohen beides."
"Kaum zu glauben," staunte die Rothaarige. "Keine Armen, keine Bettler... keine Gauner. Nur glückliche und brave Leute. Wie langweilig."
"Es gibt Leute, die geisteskrank geschimpft werden, weil sie einen unnatürlichen Ordnungsdrang haben. Ich frage mich von welcher Stabilität der Geist des Gouvernors ist." Will sah seine Umgebung ziemlich kritisch an, schien jedem zu mißtrauen, der an ihm vorbei lief.
Sie wurden beobachtet. Jeder um sie herum warf ihnen fragende Blicke zu. Sie waren Fremde und das schien hier aufzufallen, wie ein Bürgerlicher in Tortuga.
Lara mied Augenkontakt und sah hinab zu ihren Füßen auf das saubere Kopfsteinpflaster. Sie stand direkt neben einer kleinen Wasserrinne, die gemütlich an ihr vorbei plätscherte. Sie seufzte tief und wandte sich Elizabeth zu.
"Wir sollten lieber machen, daß wir hier wieder weg kommen. Je schneller, desto besser."
*~*
Elizabeth hatte sie weitergeführt und nach kurzer Zeit waren sie am Rande der Stadt angelangt, welcher genau an den Wald angrenzte. Aber Will erkannte sofort, warum sie hier her gegangen waren. Dort vor ihnen Lag ein großes Haus und dahinter türmten sich zwei geschichtete Holzberge auf. Ein Sägewerk.
Sie brachten die letzten Meter hinter sich und ein Waagen kam ihnen entgegen, schwer beladen mit breiten Brettern. Die Kutsche fuhr langsam und gemächlich und als sie neben ihnen war grüßten die Männer darauf höflich, worauf die Fremden zurück grüßten.
Endlich waren sie dort und gingen hinter das Haus. Das regelmäßige Ritscheratsche einer benutzten Zweiersäge war schon von vorne zu hören gewesen und hatte ihnen verraten, wo sich die Arbeiter aufhielten. Als sie um die Ecke des Hauses traten, sahen sie sofort, von wo es herrührte. Zwei Männer standen auf einer Konstruktion, die dazu gebaut war, einen breiten Stamm, wie der, der gerade darauf gelegt war, zu halten, so daß die Männer möglichst einfach Bretter daraus sägen konnten. Einfach war nicht das richtige Wort, denn es war harte Arbeit. Nebenbei stand ein weiterer großer Mann, dessen hochgekrämpelten Ärmel starke Oberarme preisgaben. Er schärfte gerade eine Axt und stand dazu vor einem Wetzstein.
Lara nickte Will zu.
"Guten Tag!" grüßte er dann und der Mann mit der Axt drehte sich um, während die anderen weiter sägten.
Der Mann nickte ihnen zu und drehte sich wieder um. Er schliff seine Axt fertig und warf sie sich dann auf die Schulter, kam mit stampfenden Gang zu den Neulingen.
"Was kann ich für sie tun?" eine dunkle und rauhe Stimme fragte dies, das markante Gesicht war von Falten zerfurcht und auf dem linken Unterarm zog sich eine lange breite Narbe hin.
"Offensichtlich brauchen wir Holz, guter Mann."
"Sie sollten ihre Wünsche etwas konkretisieren."
"Bretter, so lange, wie möglich. Wenn möglich aus einem Holz, welches biegsam, aber strapazierfähig ist. Und wenn`s geht jede Menge"
Der Mann lachte.
"Sind so viele Schiffe in Seenot geraten? Ich komme beinahe nicht mehr nach, mit dem Sägen!"
"Wie meint ihr das?"
"Ach, habt ihr nicht das große Schiff im Hafen gesehen? Gerade ist wieder eine Ladung mit Holz abgeholt worden."
Will griff sich an den Kopf.
"Ach, dieses Schiff. Es bezieht sein Holz auch von Euch?"
"Von wem sonst? Ich bin der einzige Holzfäller hier in Concordia. Ihr seid fremd, das merkt man sofort, vielleicht solltet ihr Euch heimischer geben, dann fallt ihn nicht auf, wie ein bunter Hund."
"Heimischer?" William war verwirrt.
"Ach, vergeßt es! Aber ihr wißt doch sicher, daß ihr eine Genehmigung braucht?"
Will sah Elizabeth an, die die Augen verdrehte.
"Wie konnte ich das nur vergessen!"
Der Mann stöhnte und stellte die Axt auf den Boden, stützte sich darauf.
"Es tut mir sehr leid, aber ohne Genehmigung darf ich keine großen Mengen an Fremde herausgeben."
Da trat Lara vor und nahm den schweren Beutel, zur Hand, den ihr Marley gegeben hatte.
"Wir haben es leider eilig. Können wir uns nicht irgendwie arrangieren?"
Sie schüttelte den Beutel etwas, so daß das Geld klimperte. Aber der Holzfäller schüttelte den Kopf.
"In anderen Städten mag dies vielleicht funktionieren, aber nicht hier. Wir sind bescheidene Leute und sind zufrieden mit unserem Leben. Bestechungsgelder mögen uns für den Augenblick bereichern, aber wenn es der Gouvernor herausfindet, dann gnade uns Gott. Ich werde kein Risiko eingehen."
"Dann verzeiht unseren Versuch, aber es hätte wahrscheinlich einige zeit erspart. Selbstverständlich verschaffen wir uns sofort eine Genehmigung. Ihr seht nur zu, daß Ihr genug für unsere Zwecke bereit haltet."
William sprach sehr diplomatisch und vertrauenserweckend zu dem großen Holzfäller und Lara beschlich ein mulmiges Gefühl. Seine Täuschung war wahrhaftig nicht schlecht gewesen und er hatte einen gewissen Charme, ein Auftreten, welches ihr irgendwie nobel vorkam. Wer wollte nicht vertrauen, wenn er in solch jugendhaftes Gesicht sah mit diesen ehrlichen Augen, dieser Unschuld? Will hatte mit ihnen gegen Seth gekämpft, jedoch aus eigenen Gründen. Aber es war nicht die Zeit für Mißtrauen und Zweifel. Das würde sie nur noch mehr aufhalten. Dennoch beschloß Lara, den jungen Mann besser im Auge zu behalten.
Mit einer freundlichen Geste verabschiedeten sich die Männer und sie traten den Rückweg ins Innere der Stadt an.
"Tut mir leid, aber ich hatte das ganz vergessen. Mein Vater hat immer die Geschäfte geführt, ich wurde wenig mit dem bürokratischen Kram konfrontiert."
Aber weder Will noch Lara warfen ihr etwas vor. Im Grunde waren sie ja froh, sie dabei zu haben, denn mit ihrer Ortskenntnis ersparte sie ihnen schon sehr viel Zeit. Jedoch hatten sie nun ein großes Problem, welches es geschickt zu lösen hieß. Sie suchten sich eine Kneipe, in der sie zunächst ihr weiteres Vorgehen besprechen konnten. Unter den vielen hatten nur wenige zur Mittagszeit geöffnet, doch als sie eine gefunden hatten, gingen sie hinein und ließen sich in einer Sitznische, sicher vor neugierigen Blicken nieder.
"Herzlich willkommen, Fremde! Was darf ich Euch bringen?" fragte ein ordentlich gekleideter Wirt.
Elizabeth hatte überlegt einen Grog zu bestellen, aber die gegenwärtigen Umstände und die Erinnerung an das letzte Mal, als sie dieses Getränk versucht hatte, hielten sie davon ab. Statt dessen bestellte sie sich Wein, Lara und Will nahmen jeweils einen großen Krug Bier.
Die junge Swann mußte das Gesicht verziehen, als sie den mehr als dürftigen Wein probierte, aber was hatte sie denn schon erwartet?
"Das ist ziemlich schlecht für uns. Wie zum Teufel kommen wir an eine Genehmigung für so viel Holz heran? Zumal unser Schiff ja nicht mal im Hafen liegt," Lara starrte nachdenklich in ihren Krug.
"Ein Schiff sei angekommen... mit Bedarf an Reparatur," Wills Stimme war voller Mißtrauen und den beiden Frauen war bewußt, auf was er anspielte.
"Das Schiff in diesem Hafen? Es hat ja nicht einmal einen Namen," meinte Elizabeth. "Ich weiß nicht, ob Harington so etwas zuläßt. Und ein Piratenschiff sowieso nicht."
Will nickte und lehnte sich zurück in die Eckbank, verschränkte die Arme vor der Brust. Es war ihm aufgefallen, wie oft der Wirt an ihrem Tisch vorbei ging, sei es, um einen anderen Tisch abzuwischen, ihnen etwas anzubieten, oder auch nur andere Gäste zu bedienen.
Auch Lara bemerkte, wie der Mann immer wieder hinter ihr hin und her ging, sie hörte seine Schritte, oder spürte gar den Lufthauch, den er verursachte. Also lehnte sie sich weiter vor und stützte sich mit den Unterarmen auf den Tisch. Elizabeth hatte dies automatisch getan, als Will sich zurück gelehnt hatte, um ihn besser verstehen zu können.
"Wir sollten das abchecken," meinte Lara. "Wenn Seth hier ist, will ich wenigstens darüber bescheid wissen."
Die anderen stimmten zu.
"Und danach, werden Will und ich versuchen, eine Genehmigung für das Holz zu bekommen. Du halte dich besser von Harington fern, das Risiko ist zu groß, daß er sich an dich erinnert."
"Ja, ich weiß, aber was soll ich denn in der Zeit machen?"
"Du könntest versuchen Leinen für das neue Segel aufzutreiben, vielleicht brauchen wir dafür ja keine Genehmigung..."
Elizabeth zuckte mit den Schultern.
"Ich weiß es nicht, aber werde es versuchen."
"Gut. Dann beschreibst du uns jetzt am besten den Weg. Wir treffen uns wieder hier und zwar heute Abend. Hier," Lara gab Elizabeth einen Teil des Geldes ab, damit sie das Segel bezahlen konnte.
Der Wirt bekam große Ohren, als er das Geld im Beutel hörte.
*~*
William und Lara standen vor dem Anwesen des Gouvernors. Lange Stäbe eines großen Tores versperrten ihnen den Weg, allerdings bewachten zwei Soldaten den Eigang. Stramm standen sie da und starrten geradeaus, bis sie bemerkten, daß sich jemand dem Schlößchen näherte. Der rechte trat vor, während der andere eine neue Position in der Mitte des Tores einnahm und vor einem wunderschönen, eigeschlossenen Panorama stand.
"Was ist Euer Begehr?" fragte der Mann, welcher auf sie zukam und ein leichtes Lächeln begrüßte sie.
Dies hatten die beiden Neuankömmlinge nicht erwartet. Normalerweise waren Soldaten im Dienst Fremden gegenüber mißtrauischer.
"Wir wünschen den Gouvernor zu sprechen, bitte. Wir benötigen eine Genehmigung, um Holz zu erwerben," antwortete Will höflich.
"Dann tut es mir sehr leid, Euch sagen zu müssen, daß Gouvernor Harington nicht im Hause ist. Er zeigt gerade einem Besucher die Stadt. Er ist gerade fort, aber wenn es Euch beliebt, so bleibt und wartet, obwohl ich Euch empfehlen möchte, es dem neuen Besucher gleich zu tun, denn es wird noch eine Weile dauern, bis er zurück sein wird."
Lara stöhnte.
*Auch das noch!*
Es war ihr gar nicht recht, auch noch diese Verzögerung in Kauf nehmen zu müssen.
"Warum erläßt der Gouvernor solche Vorschriften, wenn er nicht da ist? Weiß er nicht daß Reisende auf schnelle Bürokratie angewiesen sind?"
Der Mann sah entschuldigend drein, aber William erkannte im Gesicht des anderen Mannes, welcher am Tor stand, Mißtrauen. Schnell übernahm er das Wort wieder.
"Entschuldigt meine Begleiterin, aber sie ist nicht von sehr ruhigem Gemüt. Was soll ich sagen? Frauen! Haben sie keine Zeit, so beschweren sie sich, daß sie sich die Stadt nicht ansehen können, haben sie sie, so kann es nicht schnell genug gehen..."
Lara sah empört zu Will, bis ihr plötzlich bewußt wurde, daß er sie gerade aus der Patsche gebracht hatte. Sofort dachte sie weiter, daß sie mit ihrer Empörung richtig reagiert hatte, denn sonst wäre er unglaubwürdig geworden. Die Wachen lachten, als die Frau den Mann böse anfunkelte und ihm sogar in die Rippen stieß. Das würde wohl den Haussegen bedrohen.
"Wir kommen heute Abend wieder," lächelte William unsicher im Angesicht seiner Begleiterin, die er vor den Kopf gestoßen hatte.
Der uniformierte grinste und nickte höflich zum Abschied.
"Ich hoffe, Ihr werdet dann mehr Glück haben!"
*~*
Überall Stoff! Grob und fein! Schlicht und Aufwendig! Grau und bunt!
Elizabeth fühlte sich wohl, sie stand gerade an feiner Seide, die dünn bestickt war und sich nach einem Hauch von Himmel anfühlte. Sachte glitt der leichte, altrosa Stoff durch ihre erfahrenen Hände und verriet ihr, daß dies Ausgezeichnete Qualität war. Wie würde sich wohl ein Kleid daraus auf ihrer Haut anfühlen? Sie atmete tief ein.
Ein Mann trat hinter sie und labte sich an dem Anblick der jungen Frau, die in Träumen zu schweben schien.
"Er ist wunderschön, nicht wahr?" flüsterte er, um die Ruhe nicht zu stören.
Dennoch erschrak Elizabeth und wurde aus ihren Gedanken gerissen. Schnell drehte sie sich um, schaute in zwei nette dunkle Augen, die von weißen dicken Augenbrauen umrandet waren. Schnell hob er die Hand.
"Oh, ich wollte Euch nicht erschrecken, junges Fräulein. Aber wann sieht man schon mal eine schöne Frau so andächtig bei einem der edelsten Stoffe stehen, die ich überhaupt besitze?"
Elizabeth errötete leicht. Zum Glück war außer ihr und dem Mann nur noch ein Kunde da, welcher sich allerdings gerade in einer Kabine befand, damit die Schneiderin seine Maße nehmen konnte. So blieb ihr diese kleine Peinlichkeit erspart. Vielen Männern gefiel diese Schwächer der Frauen, aber sie fand es fast lächerlich, zumal auch Männer erröteten, es bei ihnen aber als unangebracht bezeichnet wurde. Wie gerne dachte sie an den schüchternen Will Turner zurück, welcher ihr vor dieser Sache den Hof gemacht hatte... beinahe den Hof gemacht hatte, denn er war ja zu schüchtern gewesen. Innerlich kicherte sie, aber da wurde sie sich wieder bewußt, wo sie war.
Diese sanften Augen schauten sie immer noch an. Ein kleines Lächeln umspielte den Mund, ließ die ohnehin schon faltige Haut noch mehr Falten bekommen.
"Ihr... nein, ist schon gut. Ich sollte hier sowieso nicht meine Zeit vertrödeln, da ich in Eile bin."
"Dann tut es mir umso mehr leid, denn die Zeit verstreicht sowieso schon so schnell und niemand nimmt sich mehr die Ruhe und Muse für wirklich schöne Dinge. Für die kleinen, unscheinbaren Kunstwerke."
Seine von Altersflecken übersäte Hand strich langsam über den zarten Stoff vor ihr. Seine Augen waren geschlossen und er schien es wirklich zu genießen. Wie sehr sie seine Worte doch gut hieß.
Doch da blickte er wieder auf und die schöne Atmosphäre verlor etwas von ihrem Frieden.
"Was kann ich dann für sie tun, junge Dame? Ein neues Kleid? Stoff zur eigenen Verarbeitung?"
"Nein, ich stehe hier eigentlich bei der falschen Ware. Bei der völlig falschen, muß ich gestehn!" Sie lächelte und errötete ein weiteres Mal.
"So? Und was begehrt Ihr?"
"Da Ihr hier der einzige Tucher seid, wollte ich mich zunächst an Euch wenden. Habt ihr groben Stoff, in der Größe eines Segels?"
Der Mann wies zu einer Türe.
"Ja, den haben wir immer. Alle Schiffe, die hier einfahren und neue Segel brauchen, kommen zu mir. Habe immer auf Vorrat und das ist Euer Glück, denn heute Morgen war gerade jemand hier, um dergleichen zu besorgen. Habt Ihr das dunkle Schiff am Hafen gesehen?"
Elizabeth war besorgt aber nickte zustimmend, während sie zur Türe ging und sich im Innenhof des Hauses befand.
"Jedenfalls scheint es ziemlich beschädigt worden zu sein, denn man ist immer an der Reparatur. Schon seit Tagen."
Er führte sie zu der Scheune und öffnete eine kleine Türe. Drinnen war ein großer Stapel von schwerem Stoff, weiß oder grau.
"Hier ist er. Im Laden ist dafür zu wenig Platz und außerdem hält er einiges aus, so daß ich ihn hier draußen lagere."
Die junge Frau nickte und sah das Licht, welches durch die Holzritzen fiel, den Staub beleuchtete, der in der Luft hing. Da fiel ihr etwas auf.
"Habt ihr auch dunkleren?"
"Dunkleren?"
"Schwarz."
Der Mann schien überrascht.
"Seid ihr von dem dunklen Schiff?"
Was sollte sie nun sagen? Ihr Puls ging hoch. Sie sollte sich nun nicht verhaspeln.
"Ja, wir wollen ein weiteres erwerben."
"So sagt dies doch gleich! Ich habe gerade kein schwarzes, aber ich kann Euch eines färben!"
Elizabeth dachte darüber nach. Hatten sie so viel Zeit? Aber Jack würde es sicher begrüßen...
"Wie lange wird es dauern?"
"Nicht lange. Einen Tag. Ich kann es Euch auch zum Hafen bringen lassen."
Da erschrak die junge Frau.
"Nein!"
*Mist!*
"Nein," wiederholte sie etwas ruhiger. "Ich lasse es holen."
"Es wären wirklich keine Umstände."
"Ich werde es holen lassen," meinte sie bestimmt.
Der Tucher schwieg einen Augenblick und beobachtete Elizabeth eindringlich, so daß es ihr ganz unangenehm wurde. Seine Augen waren plötzlich scharf, als könne ihnen nichts entgehen. Wissend.
Sie spürte, wie sich ihr Körper anspannte. War sie entdeckt? War ihre Lüge aufgeflogen?
Da wurde der alte Mann wieder weich und ließ seinen Blick von ihr ab.
"Kommt mit mir, ich geleite Euch noch zur Tür. Bezahlung bei Übergabe, bis morgen werde ich sicherlich fertig sein."
Langsam atmete die junge Frau aus und folgte dem Mann.
Im Laden blieb er allerdings noch einmal stehen und betrachtete sie, bevor er ihr höflich die Tür öffnete.
"Ich hoffe, Euch morgen wieder zu sehen."
Elizabeth nickte ihm zu und ein wunderschönes Lächeln erhellte ihr Gesicht, ließ es engelsgleich strahlen.
"Vielleicht komme ich selbst, um es abzuholen. Einen schönen Tag noch, wünsche ich."
Mit diesen Worten kehrte sie dem netten alten Tucher den Rücken und trat auf die Straße. Sie hörte die Tür nicht zufallen und vermutete, daß der Mann noch eine Weile darin stand und ihr nachblickte. Allerdings wagte sie es auch nicht, sich umzudrehen. Also schritt sie fest die gepflasterte Straße entlang und mischte sich wieder unter die Leute.
Sie genoß den Trubel, überall beschäftigte Leute. Auch wenn ihr viele nachsahen, weil sie neu war, es machte ihr irgendwann nichts mehr aus. Lieber wollte sie sich noch etwas die Stadt anschauen, die sie so lange nicht mehr gesehen hatte, die so eine seltsame Wirkung auf sie hatte. Auf der einen Seite war sie so wunderschön, so friedlich. Jedem Besucher mußte es hier vorkommen, wie eine Art Paradies, hier schien es jedermann gut zu gehen, kein Übel, keine Armut. Auf der anderen Seite kannte sie Concordias Geheimnisse, was ihr das Herz schwer machte. Konnte denn solche Zufriedenheit nur auf diese Weise erreicht werden?
Plötzlich verharrte sie ihn ihrem Gehen vor einer Werkstadt. Etwas furchtbar Vertrautes durchfuhr sie. Alles war vertraut. Der Geruch, welcher in ihre Nase stieg, die Geräusche, ihre Füße waren wie angewurzelt.
Es roch verbrannt und ein schweres "Klong" war zu hören, immer und immer wieder. Sie sah auf und war kaum verwundert, das Schild mit dem Symbol der Schmiede zu sehen. Einen Amboß mit einem Hammer. Unwillkürlich kamen ihr Erinnerungen in den Sinn. William in grober Arbeitskluft, das Gesicht schmutzig und die Kleider voller Schweiß. Aber einen Zufriedenen Ausdruck in den Augen, der immer etwas erregt wurde, wenn sie in sein Blickfeld getreten war. Und die leichte Röte...
"Ach, Will..." seufzte sie.
Auf einmal spürte sie etwas auf ihrer Schulter. Erschrocken drehte sie sich um und wollte die Hand empört wegschlagen. Doch bevor sie es tun konnte, wurde die ihrige abgefangen, befand sich nun im festen Griff einer anderen.
"Was?!" Aber sie hielt inne, nicht im Stande, etwas weiteres zu sagen.
"Ihr hier? Ich bin hoch erfreut."
