Es ist so weit! Der große Showdown wird eingeleitet! Endlich mal wieder Spannung! Jetzt soll sich nochmal einer beschweren, ich habe zu kurze Kapitel *ggg*... hat natürlich zur Folge, daß nicht mehr allzuviele kommen werden... ich rechne mit etwa zwei oder drei weiteren, aber dann ist Schluß. Für alle die fleißigen Reviewer hab ich noch einen echten Tipp, falls ihr die Story nicht schon entdeckt habt: Twisted Fate! Einfach genial und läßt die Hoffnung, daß Boromir den Krieg überlebt! Außerdem auch empfehlenswert für alle Leggi- und Aragorn-Fans. Aber natürlich -was mir am wichtigsten ist- endlich mal eine gescheite Faramir-Story! Ihr findet die Geschichte unter meinen Favorites, für den Fall, daß ihr interessiert seid. So, also genießt die letzten beiden Chapis! Viele Leser scheinen sowieso nicht geblieben zu sein... Aber euch treuen dank ich jetzt schon mal, daß ihr so lange dabei geblieben seid!

@Elanor8: Wie du siehst, wird deine Ventilatorrechnung bald etwas billiger werden! *lol* Danke für die liebe Review, hoffe, ich werde dich mit dem Ende nochmal so richtig in Atemnot bringen!

@Nilaihlah: Tut mir echt leid, daß ich dich zum weinen bringe *weint mit* Hoffe dennoch auf eine Review, will ja wissen, wie dir der große Showdown diesmal gefällt... vielleicht wird's etwas zu dramatisch, aber irgendwie muß die Story ja bald zu Ende gehen, warum dann nicht mal dick auftragen? ;- )

A Sons Revenge 10

Die Hinrichtung

Bobby saß in der Küche und nahm sein Frühstück ein. Allein. Wie immer. Der kleine Negerjunge war jeden Tag der erste, der wach wurde - und der erste der auch schlief. Doch nicht aus diesem Grund war er allein. Das erste, das er tat, war das Pferd des Gouvernors fertig zu machen und den Stall auszumisten. Erst dann nahm er sein einfaches Frühstück ein. Leider - oder war er froh darüber? - hatten die anderen Diener des Hauses um diese Uhrzeit bereits gefrühstückt. Nein, Bobby war nicht besonders erpicht auf die Gesellschaft der anderen. Viel zu oft mußte er böse Sticheleien über seine Herkunft, seine Hautfarbe oder seine Größe ertragen. Vor allem der große Buttler jagte ihm Angst ein, wenn er sagte, daß er nichts weiter als ein minderwertiges Tier wäre, gerade mal gut genug, um im Stall zu schlafen.

Dies tat Bobby auch, aber nicht unbedingt, weil er es mußte... nein, er wollte es. Er haßte dieses große Haus mit seiner feinen Gesellschaft und den vielen hochmütigen Dienern. Nur die dicke Küchenchefin mochte er. Grete war wirklich nett und lieb. Sie ließ ihn heimlich am Kuchenteig naschen, wenn keiner in der Küche war oder steckte ihm einen Keks zu. Man konnte fast sagen, er habe die dicke Köchin als eine Art Mutter adoptiert. Natürlich war sie es nicht wirklich. Das ging ja allein schon aus der Hautfarbe hervor. Aber sie war das, was einer Mutter am nächsten kam.

Seine richtigen Eltern hatte er kaum gekannt. Er erinnerte sich viel mehr an die Zeit im Waisenhaus, als an die Personen, die seine Eltern waren. In Wirklichkeit wußte er fast gar nichts von ihnen. Nur daß sie aus Afrika stammten. Die nächste Erinnerung war, daß er zu alt für das Waisenhaus war und auf die Straße hatte sollen. Von da an hatte die Zeit hier begonnen. Im Hause des Gouvernors. Dieser hatte ihn vom Waisenhaus abgeholt direkt in sein Haus. Von da an arbeitete er hier als Knecht. Doch er selbst wußte es besser trotz seines Mangels an Jahren, denn er war erst 13. Bobby kannte das Wort, welches seine Stellung in dieser Gesellschaft passend beschrieb. Sklave. Der große Buttler nannte ihn so.

Er sah seine dunklen kleinen Hände an. Er war nicht wie die anderen. Und er wollte auch gar nicht so sein. Er schüttelte den Kopf, was etwas lustig aussah, bei dem kleinen hageren Jungen.

Dann nahm er sein Stück Brot mit dem Käse und biß herzhaft hinein. Die Köchin hatte ihm etwas mehr zugeteilt, als ihm von Haus aus zustand und er war froh darüber. Schließlich befand Bobby sich im Wachstum und hatte immer Hunger.

Er liebte es, unter dem Tisch zu essen. Dann hatte er das Gefühl, sicherer zu sein, in Deckung zu sein. Daher hatte es sich so ergeben, daß sich niemand mehr wunderte, wenn man ihn unter dem großen massiven Tisch vorfand, anstatt daran sitzend.

Jetzt mampfte er, was ihm gegeben wart und dachte mit Vergnügen an die kurze Zeit am Nachmittag, in der er Freizeit hatte und hinaus gehen würde in den Stall. Dann würde er auch seinen Freund Besuchen. Freddy, so hatte er die kleine Maus genannt, die inzwischen ganz zahm geworden war und sich einen Spaß daraus machte auf seine Hand, in seinen Ärmel und dann durch den Kragen auf seine Schulter zu klettern.

Er brach ein kleines Stückchen Brot und Käse ab, um es seinem Freund heute Mittag zu geben.

Da sah er etwas aus seinen Augenwinkeln...

Die Kellertür öffnete sich langsam. Bobby dachte schon, einer der Diener oder eine Magd habe verschlafen und würde nun sein Frühstück stören. Aber was er sah, waren gänzlich unbekannte Gesichter. Sie schlichen herein. Der erste von beiden war ein Mann, ziemlich groß und edel aussehend, trotz seiner einfachen Kleidung. Die zweite Gestalt war ebenso seltsam, denn die Kleidung, welche die Frau trug, schien gar nicht zu ihr zu passen.... obwohl es ein Kleid war.

Bobby riß die schwarzen großen Augen auf, als er erkannte, daß diese beiden nicht zu der Hausschaft gehörten.

*Endlich mal ein bißchen Aufregung!*

*~*~*~*~*

Will und Lara sahen sich in der Küche um. Die Frau fand ein halbes Brot und schnitt schnell zwei Scheiben ab. Eine warf sie William zu eine behielt sie und stopfte sie schnell und kaum kauend in sich hinein. Wer wußte schon, wann sie wieder etwas zu Essen bekamen? Will tat es ebenso und innerhalb einer Minute war das Brot gänzlich vertilgt. Zwei Türen führten aus dem Raum hinaus.

Lara konnte kaum entscheiden, welche denn einladender war, die rechte, oder die linke? Beide übten keine Anziehungskraft auf sie aus. Sie sah Will an, der ebenso unentschlossen war. Also gab es nur eines: gaaanz vorsichtig dahintersehen. Sie nahm die linke und Will die rechte der Türen.

Lara legte die Linke auf die Klinke und William, der das gleiche tat, nickte ihr zu.

"Was macht ihr hier?"

Die beiden Fremden erschraken und wirbelten herum, ließen von den Ausgängen ab.

Aber als Will sah, wen er hier vor sich hatte beruhigte sich sein Puls langsam wieder. Vor ihnen stand ein schwarzes Kind und sah zu ihnen herauf mit neugierigen großen Augen.

"Wir sind entdeckt," meinte William.

"Aber von wem?" fragte Lara leise.

Sie tat einen Schritt vor und kniete sich vor den Jungen, sah in das kohlrabenschwarze Gesicht aus dem zwei Äuglein wach hervor schauten.

"Wer bist du?"

Der Junge grinste.

"Bobby!"

"Hallo Bobby," sagte Lara freundlich. "Bist du ganz allein?"

"Die anderen sind alle bei der Arbeit und die Köchin kommt erst am Vormittag vom Markt wieder. Seid ihr Gauner?"

"Was?" Will war total verdutzt, zum einen weil die Frage so direkt war, zum anderen, weil der Junge gar keine Angst zu haben schien.

"Gauner?" lachte Jade. "Wie kommst du denn darauf."

"Na weil ihr hier einbrecht. Das ist sehr gefährlich. Es darf hier keine Gauner geben."

Will verdrehte die Augen und sah genervt zur Decke. Sie waren entdeckt und dieses Kind auszuschalten würde um einiges schwerer werden, als es bei dem Hund gewesen war.

"Na toll. Und was jetzt?"

Lara schüttelte den Kopf über den Mann und lächelte den Jungen an.

"Wir wollten schon seit langem den Gouvernor sprechen, haben ihn aber nie angetroffen. Jetzt sind wir hier her gekommen, um die Informationen zu holen, die wir brauchen."

"Ihr spioniert?"

Irgendwie klang der Ton des Jungen hoffnungsvoll und aufgeregt in Laras Ohren, dennoch zuckte sie zusammen, als sie merkte, daß der Junge vielleicht cleverer war, als er aussah.

"Ja, wir sind Piraten und schmieden verwegene Pläne gegen den Gouvernor. Wir rauben alle aus und ziehen dann über alle sieben Weltmeere," sagte Will sarkastisch.

Da begannen die Augen des kleinen zu strahlen und seine kleinen Hände zitterten vor Aufregung.

"Ihr... seid... Piraten?"

"Ja und zwar vom gefürchtetsten Schiff der Meere, der Black Pearl," drohte Will. "Weißt du wer dieses Schiff befehligt?"

Aufgeregt schüttelte Bobby den Kopf.

"Jack Sparrow," Wills Stimme war dunkel und drohend.

"Kapitän Jack Sparrow," berichtigte Lara und grinste als sie an den Mann mit den langen Haaren dachte.

"Ja, genau. Der dunkelste, schrecklichste und grausamste Kapitän, den jemals die Welt gesehen hat."

Bobby haftete an den Lippen Williams und sog alles gebannt in sich hinein.

"Jack Sparrow," flüsterte er fasziniert.

"Ja, kleinen Jungen, wie dir hackt er Arme und Beine ab und läßt sie für seine Mannschaft zu Mittag kochen. Würdest du solch einem gerne begegnen?"

Lara warf Will einen bösen Blick zu, der ihn durchbohrte wie kalter Stahl. Aber Bobby war nur noch umso mehr angetan von den beiden Fremden.

"Ja, das will ich!"

Will schüttelte verdutzt den Kopf.

"Wie bitte?"

"Nehmt mich mit! Ich will Jack Sparrow kennenlernen!"

Lara nahm den Jungen an den Schultern und sah ihm ernst in die Augen.

"Wirst du uns verraten?"

Bobby schüttelte den Kopf und die Frau glaubte ihm, denn er schien unschuldig und ehrlich.

"Dann will ich sehen, was ich für dich tun kann, um dir den Kapitän der Pearl vorzustellen."

Ein Funkeln trat in Bobbys Augen, wie bei Kindern, die an Weihnachten das erste mal den Weihnachtsbaum sahen. Die beiden großen schwarzen Äuglein waren weit aufgerissen und eine Glückseligkeit leuchtete aus ihnen, wie die beiden Erwachsenen sie noch nie gesehen hatten.

*Hm, du mußt wirklich alles dran setzten, daß er Jack zu Gesicht bekommt,* dachte Lara bei sich.

"Bobby, wo liegt das Arbeitszimmer des Gouvernors?" fragte Will.

"Im Erdgeschoß, in der linken Haushälfte. Der größte Raum im ganzen Schloß. Ich kann euch hinbringen!"

Da mußte selbst Will grinsen und trat einen Schritt von seiner Türe zurück, um dem Jungen den Vortritt zu lassen. Dieser jedoch schüttelte den Kopf und wählte die andere Tür, an der Lara kurz zuvor noch gestanden hatte. Er guckte kurz hinaus und als er sicher war, daß die Luft rein war, winkte er den beiden Fremden, nachzukommen.

Ihr Weg führte sie durch ein etwas kleineres Speisezimmer, welches der Gouvernor benutzte, wenn er gerade keine Gäste zu Besuch hatte. Ein weiteres, etwas aufwendiger gestaltetes, Speisezimmer war im ersten Stock mit Ausblick auf den Vorgarten. Nichtsdestotrotz war dieses sehr edel ausgestattet mit einem großen reich beschnitzten Tisch und einigen mit blauem Samt überzogenen Stühlen. An den Wänden hingen einige sehr alte Gemälde.

Bald darauf traten sie in einen Gang, welcher von Rüstungen nur so eingefaßt war. Will schenkte dem ganzen Prunk keine besondere Aufmerksamkeit, aber Lara sah sich alles mit größer werdendem Staunen an, denn noch nie war sie in einem solch edlem Haus gewesen.

An einer großen Tür, die den Gang begrenzte blieb Bobby stehen und drehte sich um.

"Das hier ist sein Zimmer, aber ich darf nicht hinein. Wenn man mich da drin erwischt, werden sie mich bestrafen."

Lara nickte und schenkte ihrem Verbündeten ein warmes Lächeln.

"Du mußt nicht hinein gehen, wir kommen jetzt schon allein zurecht. Geh und tu, was dir aufgetragen ist."

Bei diesen Worten wurde das Gesicht des kleinen Jungen traurig.

"Keine Sorge, ich werde schon dafür Sorgen, daß du den Kapitän einmal siehst."

Zufrieden mit diesem Versprechen nickte Bobby und rannte schnell den Gang hinunter, strahlend.

Lara kicherte, als sie dem Jungen nachsah und drehte sich dann wieder der Tür zu. Will machte sich gerade daran zu schaffen. Mit einem kleinen Dolch stocherte er zwischen der Tür und ihrem Rahmen herum. Die rothaarige Frau sah interessiert zu, als das Schloß mit einem leisen "Klick" unter den geschickten Händen nachgab und die Tür aufsprang.

"Lernt man solche geschickten Handgriffe als Pirat," fragte Lara sarkastisch.

Will ging an ihr vorbei und grinste ein wenig.

"Nein, aber als Schmied."

Das war das erste Mal, daß Lara ihren Begleiter von sich selbst als Schmied reden gehört hatte. Wie seltsam stumpf sich diese Worte in ihren Ohren angehört hatten.

Etwas anderes zwang sie aber, ihre Aufmerksamkeit von William abzuwenden, denn sie betrat gerade ein gigantisches Arbeitszimmer - oder eine Bibliothek? Die Wände waren zugestellt mit Regalen, welche Unmengen an Büchern beherbergten. Und vor ihnen: Eine kleine Empore auf der ein mächtiger Schreibtisch stand. Dahinter war ein Fenster, so groß, wie eine Hauswand selbst.

Will hielt direkt darauf zu und Lara folgte ihm.

Nachdem sie die drei Stufen genommen hatten, welche zum Schreibtisch führten, sahen sie sich alles genau an. Auf dem Tisch lagen die verschiedensten Papiere, alle in einem System geordnet. Unbewußt nahm Lara einige Rechnungen, Beschlüsse und Anträge wahr. Sie durchsuchte die Unterlagen, fand aber nichts, was sie direkt interessieren würde. Hier ein Antrag eines Bauern, ein Geschäft eröffnen zu dürfen, dort eine Rechnung über eine Menge Holz und da ein Brief eines Handelspartners, der eine Ladung Getreide einforderte.

Will öffnete eine Schublade und ein Lächeln machte sich auf seinem Gesicht breit. Er holte ein Blatt Papier heraus und hielt es hoch.

"Schau, was wir hier haben!"

Lara sah genauer hin und erkannte ein Genehmigungsformular.

"Volltreffer," zischte sie und nahm dem Mann das Blatt aus der Hand.

Dann suchte Jade in einem Haufen von Dokumenten. Es dauerte nicht lange, da hatte sie gefunden, was sie gesucht hatte. Sie setzte sich in den massiven Stuhl und sank ein wenig darin ein. Dann legte sie die Blätter vor sich.

Will schaute über ihre Schulter und las das Dokument durch. Es handelte sich um einen Antrag auf Glas. Lara nahm die Feder vor sich aus dem Tintenfaß und streifte vorsichtig etwas überflüssige Tinte ab. Dann begann sie mit sicherer Hand und ohne abzusetzen zu schreiben.

*~* Ich, Gouvernor John Harington, erteile mit diesem Schreiben die Erlaubnis, eine Menge Holz an diejenigen auszuhändigen, welche dieses offizielle Schriftstück in Händen halten. Die Ware ist Holz in Brettern und sollte möglichst dunkel sein. *~*

"Kurz und knapp," meinte Lara und setzte schwungvoll den Namen "John Harington" unter das Geschriebene.

"Nicht schlecht," mußte William zugeben und versuchte, die kleinen Unterschiede in der Originalschrift und der Fälschung auszumachen, während Lara mit einer Kerze etwas Wachs schmolz und das Siegel Concordias auf das Dokument setzte.

Lara blies das Wachs trocken genug, daß es nicht verschmierte und wandte sich dann Will zu, der etwas in der Hand hielt. Ein Grinsen machte sich auf seinem Gesicht breit, als er sie schelmisch ansah. Er gab ihr die Dokumente, welche er gefunden hatte und die Frau sah, daß er die andere Schublade des Schreibtisches aufgebrochen hatte. Ihre Augen wanderten schnell über das Papier und Schrecken fuhr in sie. Ihre grünen Augen starrten seine durch und durch schwarzen an und sie nickte.

"Und jetzt? Wo sehen wir uns um?"

William grinste nur und ging die kleine Treppe hinunter. Lara stand auf und kam ihm nach. Will öffnete die Tür wieder als er einen Moment brauchte, um zu verarbeiten, was er gerade wahrnahm.

Es war zu spät! Die Tür war offen und William Turner im Blickfeld des Gouvernors, der etwa zwanzig Meter entfernt im Gang mit den Rüstungen stand. Graue Augen trafen auf schwarze.

Mit einem lauten Knall schlug Will die Tür zu und rannte Lara entgegen, die erschrocken drein blickte.

"Lauf!" rief der junge Mann ihr zu und war auch schon an ihr vorbei gerannt.

Sie machte sofort kehrt und stürzte ihm nach.

"Wohin?" schrie sie.

Will drehte sich nicht um und sprang die drei Stufen hinauf, als gerade der Gouvernor die gewaltige Tür aufstieß.

"Mittendurch!"

*~*~*~*~*

Nächster Tag

In Jacks Kopf schien eine Tortugahure Concon zu tanzen und zu seinem Ärgernis wollte sie einfach nicht damit aufhören. Dieses verdammte Biest! Wo war sie denn überhaupt. Jack durchforschte sein Bewußtsein nach der Frau, die ihm diese furchtbaren Kopfschmerzen verursachte - leider vergeblich.

"Ich trinke nie wieder Rum!" stöhnte Jack und versuchte sich an die vergangene Nacht zu erinnern.

"Ich glaube nicht, daß Rum an deinem Zustand schuld ist, denn dann würdest du viel mehr stinken!" sagte eine dunkle Stimm aus dem Dunkel zu ihm.

Dieser Baß kam ihm irgendwie bekannt vor. Jack versuchte die Augen zu öffnen, allerdings nur, um die Erfahrung eines erneuten Pochens in seinem Schädel zu machen, denn es war hellichter Tag und das Sonnenlich brannte sich in sein verwirrtes Gehirn. Schnell kniff Jack also wieder die Augen zu und versuchte den Schmerz zu beruhigen.

"Ich weiß zwar nicht, was mit dir los ist, aber da ich auch weiß, daß Unkraut nur schwer vergeht, mach ich mir um dich keine Sorgen."

Woher kannte Jack noch gleich diese Stimme? Eine dunkle Erinnerung bahnte sich langsam aber sicher ihren Weg durch seine Gehirnwindungen. Ein scharfer Geruch reizte seine Nase und der Kapitän der Black Pearl befürchtete, gleich niesen zu müssen... damit würde eine erneute Erschütterung seinen Geist vernebeln.

"Ha...haa...haaaa---tschieee!"

"Genesung!"

Und da fiel es Jack wie Schuppen von den geschlossenen Augen! Denn es hatte sich auch eher so verhalten, daß das Niesen seinen Kopf eher geklärt, als vernebelt hatte und ein wohliges Kribbeln durchfuhr nun seinen Körper.

"Early? Ich dachte du wärest bereits bei deinen Ahnen in der Hölle gelandet!"

Ein dunkles grollendes Lachen.

"Aye, so schnell kann man einen Early nicht unter die Erde bringen Jack."

Nein, das konnte man wohl in der Tat nicht.

"Man hörte, du seist gefaßt worden und die Royal Navy hätte ein mords Fest veranstaltet, anläßlich deiner Verurteilung."

"Alles Propaganda, um sich selbst höher in den Himmel zu heben, als man es eigentlich verdient, denn eines sag ich dir: Die Royal Navy ist genauso weit vom Himmel entfernt, wie ich."

Jack lehnte seinen Kopf zurück auf das flache Kissen und versuchte sich darauf zu konzentrieren, wieder sehen zu können, denn er glaubte es erst, wenn er ihn mit eigenen Augen sah.

"Ja, eine lange Zeit ist vergangen," fuhr die Stimme namens Early fort und Jack glaubte, daß jemand das Zimmer durchschritt. "Das letzte Mal, als ich dich gesehen habe, warst du in Tortuga, drei... vier Jahre vor Barbossas Meuterei?"

"Ja, so in etwa," stöhnte Jack, versuchte seine Gedanken noch etwas besser zu sammeln. "Und dann hat man auch schon von deinem "Verschwinden" gehört."

"Verschwinden ist gut... harrharr! Vor allem entspricht es eher der Wahrheit, als das, was die Navy verbreitet hat."

"Du machst mich neugierig, Kumpel..."

Ein Stuhl wurde vorgerückt und knarrte, als sich ein gewaltiges Gewicht darauf nieder ließ. Jack rieb sich die Augen und massierte dann die Stirn, während er der Geschichte lauschte.

"Die Gerüchte um mein Schiff stimmten, es wurde versenkt. Jedoch nicht die Gerüchte um meine Gefangennahme. Ich hatte genug Zeit und Köpfchen zu entkommen und mir ein gutes Versteck zu suchen, eines der allerbesten will ich meinen."

"Wo sind wir?"

"In Concordia, mittendrin!"

Diese Kopfschmerzen! Jack glaubte nicht richtig zu hören.

"Es ist war, denn hier suchen sie mich garantiert nie! Nie und nimmer! Wir sind hier im Keller einer kleinen Tucherei. Der Tucher hat mir Unterschlupf gegen Arbeitskraft gewährt, bis ich mich wieder nach draußen wagen kann und das ist sicher bald..."

Daher also der seltsame Geruch. Färbemittel!

"Nun ja... vielleicht sollte ich doch noch etwas warten? Im Moment ist Concordia in einem Aufruhr, wie es schon seit Jahren nicht mehr war, wenn überhaupt jemals! Ich bin eigentlich nicht wirklich überrascht, daß Kapitän Jack Sparrow sich ausgerechnet jetzt hier rumtreibt. Das paßt zu dir!"

"Was meinst du?"

"Also ob du keine Ahnung hättest, was?"

"Was für ein Aufruhr?"

Jack öffnete die Augen und zu seiner Erheiterung, war er jetzt in der Lage dazu, ohne sofort wieder nach hinten umzukippen. Er stützte sich auf die Unterarme und vor ihm saß ein Klotz von einem Mann, dessen muskulöser Körper sich wehrend gegen das enge Hemd drückte. Hemd? Seit wann trug Early Hemden? Früher, in seiner Zeit als Kapitän war es ihm immer zu wieder gewesen, sich so beengen zu lassen und so besegelte er mit nacktem Oberkörper die Meere.

Was sich nicht verändert hatte, war das Ödland auf seinem Kopf.

"Ach komm schon! Jack! Du hier mitten in Concordia, in diesem Aufzug und dazu noch nachts mitten auf der Straße, wo dich beinahe eine dieser lästigen Patroullien aufgelesen hätte? Was soll ich denn von dir denken, wenn du sagst, du hast nichts damit zu tun?"

Da war was wahres dran.

"Laß endlich die Katze aus dem Sack und ich sage dir, wie weit ich was damit zu tun hab."

Early grinste und seine Wangen verkraterten sich in etlichen Lachfalten. Er lehnte sich zurück und ließ langsam die Luft entweichen.

"Also gut. Gestern wurde in die Residenz des Gouvernors eingebrochen. Das ist seit Jahren nicht mehr passiert! Zudem heißt es, die Einbrecher wären in der Tat weit gekommen, wurden aber noch rechtzeitig geschnappt, bevor sie sich hatten absetzen können. Zur Zeit werden sie wohl verhört, bevor ihnen der Prozeß gemacht wird. Alles wird fein säuberlich hinter den Mauern der Festung gemacht, so daß die Bürger es nicht mitbekommen, aber es verbreitet sich bereits wie ein Lauffeuer. Die Handwerker läßt das ziemlich kalt, aber die Bürgerlichen fürchten jetzt um ihr Hab und Gut."

In Jacks Magengegend breitete sich ein flaues Gefühl aus. Irgendetwas sagte ihm, daß er diejenigen gut kannte, die diese Dummheit begangen hatten.

"Und es interessiert dich?"

"Wen nicht? Das ist die Jahrhundertneuigkeit in Concordia! Jemand hat es tatsächlich gewagt, den Gouvernor herauszufordern."

"Bist ja gut informiert..."

"Sagen wir, ich habe gute Beziehungen."

Eine kurze Pause entstand und Early beobachtete das Gesicht des Kapitäns der Pearl. Er selbst hatte nämlich so einige Fragen.

"Und?" drängte er.

"Und was?" fragte Jack, legte den Kopf zur Seite, so daß eine dicke Strähne seines Haares ihm ins Gesicht fiel.

"Na, wie paßt du jetzt in diese ganze Sache?"

"Ach, ich war bis jetzt eigentlich eher untätig in Concordia."

Ealry machte ein ungläubiges Gesicht und legte seinerseits den stämmigen Kopf schief, so daß er eine Tätowierung am Hals preis gab. Jack wußte, er mußte mit allem rausrücken, bevor sich der ehemalige Kapitän der Blue Hunter zufrieden gab.

"Nachdem ich Barbossa den Gar ausgemacht habe, hatte ich gedacht, ich könnte friedlich mordend und raubend meinem Hobby, der Plünderei nachgehen."

"Dem war nicht so?"

Jack schüttelte den Kopf.

"Dreimal darfst du raten, wer mir einen Strich durch die Rechnung gemacht hat... Bill Turner."

Der alte Pirat riß die Augen weit auf und glotzte Jack ungläubig an.

"Stiefelriemen Bill?"

"Genau der. Es hatte sich herausgestellt, daß Bill alles andere als bei den Fischen zum Kaffeekränzchen war. Irgendwie ist er Barbossa entkommen und hatte sich in den Kopf gesetzt der größte Pirat aller Zeiten zu werden. Das konnte ich mir nicht gefallen lassen, zumal das mein Titel ist. Nebenbei hat es mir auch nicht allzu gut gefallen, daß er seinen Sohn dazu bringen wollte, sich ihm anzuschließen."

Wieder dieses grollende Lachen, aber diesmal grölender.

"Seinen Sohn! Meine Güte, Jack! Du hast einen zu viel auf die Mütze bekommen, so scheint es mir! Bill und einen Sohn?"

Jack mußte selbst grinsen, als er an seinen früheren Freund dachte und sich den Mann mit Kind im Arm vorstellte. Jedoch war dieses Bild ja auch niemals Wirklichkeit gewesen.

"Aber so ist es nun mal. Der Gute war verrückt geworden und ließ mir keine andere Wahl, als ihn aufzuhalten. Jetzt spiele ich schon seit geraumer Zeit Babysitter und du wirst dich jetzt wohl kaum wundern, wenn ich dir sage, daß einer der Einbrecher im Schloß kein anderer als der junge Turner ist."

Aber es verwunderte Early sehr. Was er gerade erfahren hatte, klang mehr nach einem Märchen, als nach wahrer Begebenheit. Er schüttelte den Kopf und nun waren es seine Gedanken, welche verwirrt schienen.

"Was tischst du einem alten Mann doch für Seemannsgarn auf?" stöhnte er. "Ich kann dir kaum glauben."

"Glaube was du willst, aber entscheide dich schnell. Mein Magen knurrt."

"Wenn das wahr ist, was du sagst, sollte ich mich wirklich bald entscheiden, denn wir haben nur Zeit bis zur Abenddämmerung. Dann sollen die beiden nämlich gehängt werden."

Er warf einen Stapel Papier auf Jacks Schoß, der noch immer von der Bettdecke verdeckt war.

*~*~*~*~* Voriger Tag

Ein lautes Klirren schallte über die morgendliche Stille und über William und Lara brach ein Scherbenregen herein. Schützend hielten sich die beiden die Arme über den Kopf, als sie durch das gigantische Fenster im Schloß gesprungen waren. Hinter ihnen machte sich lautes Geschrei breit, als Harington nach den Wachen brüllte und die beiden Eindringlinge verfluchte.

Unsanft kamen die beiden Einbrecher auf dem Rasen auf und winzige Glassplitter bohrten sich in bloße Hände. Zusammen rannten Lara und Will zur alten Eiche, wo sie auch vorhin schon Schutz gefunden hatten. Die ersten Wachen stürmten herbei und legten ihre Gewehre an. Sie waren in der Falle!

Williams Herz pochte. Noch immer hielt er diese Blätter Papier in der Hand, welche kaum merklich vor Adrenalin zitterte. Er zeigte es Lara und diese sah auf das Dokument in ihrer eigenen Hand. Dann sah sie auf, Hoffnungslosigkeit in ihren Augen.

Panisch sahen sich die beiden nach einem Fluchtweg um, aber an einen Rückweg zur Mauer war nicht zu denken. Auf der anderen Seite der Eiche in angemessener Entfernung stellte sich John Harington breitbeinig auf und wartete genüßlich darauf, den Befehl zu geben.

"Wenn ihr ganz langsam heraus kommt, werde ich euch erst morgen töten. Jedoch ist es mir gleich, ob ich dies nun heute erledigen lasse, oder morgen," meinte er mit einem kalten Lächeln.

Lara nahm William den Stapel Blätter aus der Hand und wies ihn an, eine Räuberleiter zu machen. Zuerst wußte er nicht, was sie vorhatte, als er jedoch aufsah, bemerkte er das Loch im mächtigen Stamm des Baumes.

"Ich sage es nun zum letzten Mal. Entweder, ihr kommt heraus oder werdet hier auf der Stelle erschossen."

Zu Haringtons großer Verwunderung und auch Enttäuschung, traten die beiden Eindringlinge aus dem Schutz der Eiche und erhoben ihre Hände gen Himmel. Dennoch konnte er sich guten Gewissens ein zufriedenes Lächeln abringen.

"Eine Frau und eine halbe Person, schaffen es also, in mein Haus einzudringen?" Er sah verärgert seine Torwache an, die schuldbewußt und zornig die beiden Gefangenen ansahen, welche sie noch kurz vor dem Einbruch gesehen hatten.

Harington ging ruhig und überlegen langsam um die beide herum.

"Was wolltet ihr in meinem Haus?" Fragte er bedächtig und mit drohender Stimme, aber weder William noch Lara antworteten.

"Sie wollten eine Erlaubnis für eine größere Menge Holz," brach die eine Wache schnell hervor und hoffte dadurch die eigene Strafe mildern zu können."

"Holz? Für welchen Zweck? Habt ihr gefunden, nach was ihr gesucht habt?"

Schweigen. Seltsamerweise bemerkte Will, daß sich sein Puls beruhigt hatte und der Adrenalinschub versiegt war. Auch Lara ließ kein Anzeichen von Nervosität erkennen.

Zornig wandte sich der Gouvernor ab und grollte den Wachen zu: "Bringt sie zur Festung, ins Verließ, aber macht kein Aufsehen. Das letzte, was ich im Moment gebrauchen kann, ist eine Unruhe."

*~*~*~*~*

Bobby sprang aus dem Stall heraus zum großen Baum im Garten, wo kurz zuvor die Festnahme dieser beiden Piraten stattgefunden hatte. Er hatte alle genau gesehen: Wie die beiden Deckung gesucht hatten, die Wache, den Gouvernor, ja sogar das Versteck! Und er hatte beobachtet, wie die Eindringlinge niedergeschlagen und bewußtlos zu einer Kutsche getragen wurden. Jetzt kletterte er den Baum hinauf und griff in das Loch darin, um nachzusehen, was es war.

Aber er konnte nicht sagen, was es war. Er sah diese Zeichen und Zahlen, aber konnte sie nicht lesen. Das bißchen Bildung, das sie ihm im Waisenhaus beigebracht hatten, reichte bei langem nicht, um einen Brief zu entschlüsseln. Aber er wußte wen, der es konnte. Heute Nacht würde er sich hinaus schleichen.

Ob er jemals Kapitän Jack Sparrow zu Gesicht bekam?

*~*~*~*~*

Als Lara erwachte, konnte sie zunächst nichts erkennen. Der Raum war dunkel und stickig, irgendwie feucht. Ihr Kopf tat höllisch weh und ihre Glieder waren schwer. Sie konnte sich fast nicht bei Sinnen halten. Doch nach kurzer Zeit verflog die Benommenheit und sie konnte sich wieder erinnern, was passiert war. Leider nur allzu gut. Was würde ihr Vater nur dazu sagen? Wie würde er es überhaupt erfahren? Für einen Augenblick erfüllte sie panische Angst bei dem Gedanken, ihren Vater nicht wieder zu sehen. Aber schnell riß sie sich wieder zusammen und zwang ihren Geist, wach zu werden, damit sie nachdenken konnte, wie sie entfliehen konnte.

Plötzlich regte sich etwas neben ihr. Sie sah zur Seite und erblickte einen gerade erwachenden, ziemlich müde aussehenden William Turner, der sich gerade aufsetzte und sich die Schläfen rieb.

"Ja, das Erwachen ist zumeist schlimm, wenn man so viel getrunken hat, wie du gestern Nacht."

Will sah sie erschrocken an, bis plötzlich die tatsächliche Erinnerung zurückkam und er nur ein müdes Lächeln für den Scherz übrig hatte. Ihm war nicht dazu zu Mute. Irgendwie fühlte er einen unangenehmen Druck in seinem Hinterkopf, der nicht von dem letzten Schlag vor dem Schloß herrührte.

Er sah sich um und erkannte, warum seine Arme so schwer geworden waren. Seine, wie auch Laras Handgelenke waren in Eisen gelegt, welche am Boden an einer Stange fest gemacht worden waren. Sie befanden sich in einem Raum ohne Fenster, also war es beinahe völlig dunkel. Ein gelbes schwaches Licht aus dem Gang ließ eine Kerze und daher vielleicht auch Nacht vermuten.

Will ließ den Kopf an die Wand sinken, wie auch Lara es getan hatte und schloß die Augen wieder. Er versuchte nachzudenken, aber je mehr er es versuchte, desto mehr wurde ihm klar, daß er keinen Ausweg finden würde.

"Irgendeine Idee?" wandte er sich Jade zu, die immer noch mit geschlossenen Augen neben ihm in der Dunkelheit saß.

"Nein," sie schüttelte leicht den Kopf und nahm ihn dann in ihre Hände. "Nein, Mir will nichts einfallen."

"Egal, was euch einfiele, diese Festung ist sowieso absolut sicher," drang eine bekannte Stimme aus dem Dunkel heraus und die beiden hörten, wie die Zellentür aufgeschlossen wurde.

"Na, Harington? Habt Ihr schon eine neue Scheibe erstanden?"

"Du solltest nicht so eine große Lippe riskieren, Jüngling."

"Wieso? Was wollt ihr tun? Mich jetzt hier und gleich hinrichten, anstatt morgen?"

Ein tiefes Lachen. Harington ging auf Lara zu und sofort verkrampfte sich Wills Körper. Er verfluchte sich selbst dafür, daß nun Lara würde leiden müssen, für etwas, das er gesagt hatte.

Der Gouvernor kniete sich vor die junge schöne Frau, deren Haar sogar noch in der Schwärze der Zelle leicht zu brennen schien. Dann nahm er ihr Kinn in die linke Hand und zwang Lara, ihn anzusehen. Sie wehrte sich und versuchte, ihren Kopf seiner Hand zu entziehen, aber er war zu kräftig und hielt sie mit Leichtigkeit. Will versuchte mit aller Kraft, die Ketten zu lösen und einzuschreiten, aber es gelang ihm nicht. Er konnte nichts gegen Eisen und Stein ausrichten.

"Laß mich los," zischte sie gefährlich und blitzte ihn an.

"Ich will sehn, ob ich dich nicht zähmen kann..."

Harington griff in seine Brusttasche und nahm etwas heraus. Will erstarrte und erstarb in seinem Versuch, Lara irgendwie zu helfen.

"Das wollte ich sowieso ausprobieren."

Aber Harington stoppte ebenfalls in seiner Bewegung, als er die Stille bemerkte, welche von seiner Linken kam. Er ließ Lara los und wandte sich um, nur um in ein Gesicht voller Schrecken zu sehen. Zufrieden Lächelte er.

"Die ist dieses Schmuckstück bekannt, nicht wahr?" er war amüsiert und fuchtelte vor Williams Nase herum. "Deinen Gesichtsausdruck hat nur jemand, der die Macht der Steine kennt."

Das kleine glitzernde Ding schwenkte vor ihm hin und her, nahm alle seine Sinne ein, ließ den Druck in seinem Kopf ansteigen.

Die blauen Augen des Gouvernors funkelten.

"Ja, jetzt sind sie mein."

Will sah den Stein auf sich zu kommen, aber konnte sich nicht bewegen. Sein Körper schien von selbiger Kälte erstarrt zu sein, welche sich eine Sekunde später von seiner Stirn in sein Hirn fraß.

*~*~*~*~*

"Laßt mich ein! Laßt mich ein!"

Bobby stand vor der Türe des Tuchers und schlug wild dagegen. Es dauerte etwa eine viertel Stunde, bis sich endlich etwas tat und sich die Tür öffnete. Darin stand ein müde aussehender Mann, der in der einen Hand eine Kerze hielt und sich mit der anderen die Augen rieb. Der alte Tucher schaute gar nicht erfreut drein, aber schnell wurde ihm klar, daß der kleine Junge nicht ohne Grund gekommen war.

"Was willst du, Bobby? Warum bist du so spät noch hier her gekommen? Du wirst Ärger bekommen."

Aber Bobby ließ sich nicht abwimmeln.

"Wo ist Early? Ich muß zu ihm!"

"Das weiß ich nicht, mein kleiner. Ich bin auch erstaunt, daß nicht er dir die Tür geöffnet hat und ich mich deswegen aus dem Bett bemühen mußte. Wo kann er denn nur sein? In letzter Zeit macht er öfter diese Nachtspaziergänge. Das Fernweh treibt ihn dazu, aber er sollte das lieber lassen. Es ist zu gefährlich zu dieser Stund."

Aber der Tucher konnte den Jungen nicht wegschicken. Aufregung war in seinen Augen. Aufregung und Verwirung.

"Na, dann komm erst mal rein. Du kannst auf ihn warten, wenn du willst," bot er Bobby an und ließ ihn ein.

Zusammen saßen sie am Küchentisch und der alte Mann hatte dem Jungen einen Becher mit Milch hingestellt. Er selbst trank nichts, sondern betrachtete den Jungen nur mit seinen scharfen Augen. Schließlich, als Bobby den Becher geleert hatte, lächelte er ihn an.

"Na? Was ist denn nun so wichtig, daß du um diese Zeit noch hier her kommst?"

Bobby zögerte und sah zunächst auf den Boden. Sollte er dem Mann trauen?

*Early sagt immer, der alte Meister ist sehr nett und ein guter Freund,* dachte er bei sich.

Also holte er den Stapel Papier aus seinem Hemd, legte ihn auf den Tisch und schob ihn zu dem Erwachsenen. Dieser nahm die Blätter und schaute sie sich an. Eines nach dem anderen. Das Entsetzen in seinen Augen wuchs, von Blatt zu Blatt.

"Oh, mein Gott!" kam es leise und, wie ein Beten über seine Lippen.

Noch bevor er sich alle Blätter angesehen hatte, mußte er einhalten und legte den Stapel vor sich auf den Tisch. Dann stützte er den Kopf in die Hände.

"Was ist das?" fragte Bobby besorgt.

"Todesurteile. Vollstreckte Todesurteile."

*~*~*

Early kam spät, aber er kam noch vor Morgengrauen. Der Tucher hatte Bobby schon nach Hause geschickt, nachdem dieser ihm das Versprechen abgenommen hatte, daß er dem alten Piraten, die Dokumente zeigen würde. Nun wartete er selbst Stunde um Stunde in der Küche, bis er endlich die Eingangstür hörte. Der alte Mann erhob sich mit seinen steifen Knochen und ging auf den Gang. Was er da sah, gefiel ihm ganz und gar nicht.

"Was?!"

"Eher wer," meinte Early brummig.

"Wen bingst du mir ins Haus?! Noch einen Piraten? Das wird mich den Kopf kosten."

"Reg dich ab. Es wird niemandes Kopf kosten. Wir gewähren ihm nur eine Nacht Unterschlupf. Dann ist er wieder auf den Beinen. Wirst schon sehn."

"Ich soll mich abregen," meinte der alte Mann ernst und fing an, ihm zu erzählen, was ihm Bobby Stunden zuvor berichtet hatte.

*~*~*~*~*

"Will! Will"

Will hörte seinen Namen wie aus weiter Ferne zu ihm herüber schallen. Sein Kopf war wie aufgeweicht und seine Glieder schwammen selbständig in der warmen tiefsteinigen Luft davon. Ihm war zum Heulen zu Mute, aber er wußte nicht, warum. Er wollte nur noch weg. In ein Bett. Oder unter die Erde. Aber er wollte das nicht mehr fühlen.

"Will!"

Er versuchte einen Finger zu bewegen. Hatte der Finger gehorcht? Er machte die Augen auf und wollte nachsehen und erkannte in den verschwommenen Bildern etwas, das Farbe und Form seiner Hand hatte. Sie bewegte sich, also gehorchte sie.

Will sah, wie der Boden ihm entglitt und nach unten fiel. Nein. Sein Körper bewegte sich nur nach oben. Ein verzerrtes Gesicht kam in sein Blickfeld und ihm war klar, daß Lara ihn aufgehoben hatte. Bilder fluteten sein Gedächtnis. Er schloß die Augen und nahm schnell die Hände hoch, versuchte seinen Kopf festzuhalten, bevor dieser völlig aus dem Raum taumelte.

"Oh Gott. Ich dachte schon, du wärest ganz weggetreten und würdest nicht einmal deine eigene Hinrichtung miterleben."

Lara sah auf den jungen Mann herab und beobachtete, wie er schwer atmete. Aber er war bei Bewußtsein, soviel war klar. Sanft streichelte sie ihm über das dunkle gelockte Haar, welches immer noch zum Teil durch das kleine Lederband zusammengehalten wurde und wischte den kalten Schweiß von seiner Stirn.

Sie wußte nicht und wollte es vielleicht auch nicht wissen, was die Nacht zuvor geschehen war. Als dieser riesenhafte Tyrann diesen kleinen Stein an Wills Stirn geführt hatte. Zuerst hatte der junge Mann sich nicht bewegen können, hatte Harington nur angestarrt. Doch alsbald der Stein seine Haut berührt hatte, hatte der junge Turner angefangen zu zucken und brach nach Minuten des Schreckens und des Horrors schreiend zusammen. Lara hatte es machtlos mit ansehen müssen.

Nun hatte sie zum ersten mal, seit sie den Mann kannte, eine Vorstellung davon, was ihn so verändert haben mußte. Zum ersten Mal glaubte sie wirklich, daß er einst anders gewesen sein könnte, so wie Elizabeth ihn beschrieben hatte.

Will regte sich langsam und schien langsam wieder ins Hier und Jetzt zu gelangen. Sie ließ aber nicht nach mit ihren sanften Berührungen und zeigte ihm, daß sie da war, daß sie ihn nicht alleine lassen würde, wenn Harington zurückkehren würde. Sanft küßte sie ihn auf die Stirn.

Als er die Augen öffnete und versuchte, aufzustehen, half ihm Lara, sich aufzurichten.

"Danke," sagte er sacht und mit schwacher Stimme, sah sie mit seinen schwarzen Augen an.

Etwas flehendes war darin. Etwas unglaublich sensibles. Lara ließ den Blick nicht los, sondern hielt ihn fest, ganz fest. Ihr Herz schlug so laut, daß sie es fühlen konnte, daß sie es hören konnte. Sie stützte ihn immer noch fest, die Nähe zu seinem Körper hatte plötzlich etwas unglaublich anziehendes. Sie spürte seine Wärme, sein Herz und er... er atmete gleichmäßig, hauchte ihr mit jedem Atemzug etwas Luft entgegen. Ihre Gesichter näherten sich einander an und plötzlich wünschte sich William nichts mehr, als diese vollen roten Lippen, die vorhin seine Stirn erwärmt hatten, auf seinen schmalen blassen zu spüren. Er fühlte ihre Stärke, ihre willkommene Körperwärme und ihren süßen Atem auf seiner Haut. Langsam reckte er sich ihr entgegen.

"Ja, ihr solltet euch beeilen, denn lange bleibt euch nicht mehr für sowas," höhnte jemand.

Der intensive Blickkontakt brach ab und die wohlige Wärme war unter der kalten Stimme verschwunden. Seth stand vor dem Gitter und sein ämüsiertes Lächeln lag wie eine klamme Decke über den beiden Kauernden.

"So einfach.... Es war so einfach. Wer hätte erwarten können, daß ihr uns einfach in die Arme lauft?"

"Euch?" fragte Lara entrüstet, erkannte aber im gleichen Augenblick die Antwort auf die Frage. "Du und Harington!"

"Aber natürlich! Wie könnte ich denn sonst hier vor Anker liegen und mein Schiff für nichts reparieren lassen?"

Diese kalten Augen tasteten nach Williams, der stand zu halten versuchte. Lara bemerkte die Anspannung in Wills Körper und versuchte die Aufmerksamkeit auf sich zu lenken.

"Und was hast du ihm dafür angeboten? Schätze? Frauen? Deine schwarze Seele?"

Ein kurzes Schweigen.

"Macht."

Und da fiel es Lara wie Schuppen von den Augen, was Will schon längst gewußt hatte.

"Du hast ihm die Steine gegeben!"

"Was nützen sie mir, wenn ich sie nicht gebrauchen kann? Ich habe, was ich will. Mein Schiff, mein Leben, meine Rache."

Wut breitete sich in der Frau aus. Sie ließ Will an der Wand lehnen, sprang auf und schrie voller Zorn. Obwohl sie wegen der Ketten nicht einmal das Gitter ihres Gefängnisses erreichte, wich Seth erschrocken von der Wildheit zurück. Sein Atem stockte und Schrecken hatte sich seiner Gesichtszüge bemächtigt.

Als er bemerkte, daß er außer Gefahr war, versuchte er schnell, sich nichts anmerken zu lassen. Und grinste.

"Wo sind Iona und Elizabeth?" fragte Will so bestimmt wie möglich.

"Oh, um die beiden Ladys braucht ihr euch keine Gedanken zu machen. Iona wird Harington zur Seite stehen als, sagen wir, unfreiwillige Lehrerin. Elizabeth... nun ja. Sie wird zum schweigen gebracht und an ihren Vater zurück geschickt. Harington hätte dies zwar nicht mehr nötig, aber seis drum. Dann kann sie Norrington heiraten oder wen ihr Vater sonst bestimmen wird."

Seth lachte die geschockten Gesichter an und wandte sich zum Gehen.

"Ich muß nun los und die Vorbereitungen überwachen. Nutzt die zwei Stunden, welche euch noch bleiben. Die nächste kalte Nacht müßt ihr nicht mehr erleben."

*~*~*~*~*

Norrington hatte eigentlich gegen Mittag ablegen wollen, aber die Stadt war erfüllt mit unruhiger Stille. Eine Spannung lag über dem kleinen Hafen in der Karibik und war für jedermann zu spüren, der sich in der Nähe befand.

Es lag sicher auch an der erdrückenden Schwüle, die sich heute breitmachte und das war kein gutes Zeichen. Wenn die Luft so stickig war, war ein Sturm im Anflug, ob nun ein Regen- oder ein eher revolutionärer Sturm, das konnten die Bürger Concordias nur erahnen.

Aber Norrington, dessen Bauchgegend ihm beides voraussagte, zögerte, die Segel fallen zu lassen und sich endlich auf die Suche nach seiner Geliebten zu machen. Etwas sagte ihm, er solle hier bleiben und den Sturm abwarten.

Er ließ laut den Atem entweichen und stützte sich mit den Händen auf die zum Hafen liegende Reling ab. Was bedrückte ihn nur? Warum setzte er nicht einfach die Segel und tat, wofür er losgefahren war?

Seine Männer versuchten, sich so gut, wie möglich an Bord zu beschäftigen. Die Gastfreundlichkeit des Gouvernors hatte ihnen zwar erlaubt, etwas Landurlaub zu machen, aber langsam wurden sie unruhig. Es zog sie aufs Meer hinaus. Sie brauchten es, endlich wieder ausgelastet zu sein.

Der erste Maat trat an seine Seite und wartete still. Er wußte, daß der Commodore ihn wahrgenommen hatte und sich ihm zuwenden würde. So war es denn auch, aber Norrington gab genau den Befehl, den sein Untergebener nicht erwartet hatte: Sie sollten noch warten mit dem Auslaufen.

Norrington betrat das Festland wieder und beschloß, den Gouvernor darüber zu unterrichten, daß sie einen weiteren Tag in Concordia verweilen wollten. Dieser hatte ihn zwar kurz zuvor schon verabschiedet und ihn seinem Schiff überlassen, doch nun hatte Edward seine Meinung geändert. Ein Tag mehr oder weniger? Das machte doch nichts. Jedenfalls war es besser, als direkt in einen drohenden Sturm zu fahren.

An dem Schloß angekommen, neigte sich der Tag bereits dem Ende zu. Die Wachen, welche ihn nun ja schon kannten, sahen ihm zwar freundlich, aber wach entgegen.

Der Gouvernor sei zur Festung gefahren, wart ihm gesagt und mit einem knappen Kopfnicken machte sich der Commodore wieder davon. Zu Fuß spazierte er durch die Stadt, sah die einfachen Leute, ihren Beschäftigungen nachgehen. Hier und da wurde er mit einem mißtrauischen Blick bedacht, den er während seines ganzen Aufenthaltes nie geerntet hatte. Die Luft war so dick, daß ihm Schweiß aus allen Poren drang. Zum Glück war er sowieso jemand, der wenig zum Transpirieren neigte, jedoch war diese knisternde Spannung in der Luft sehr unangenehm.

Hier und da bemerkte er, daß einige Leute sich seinem Weg anschlossen. Zuerst hatte er gedacht, sie wollten ihn verfolgen, doch dann schloß er auch zu anderen auf, welche sich schon vor ihm auf den Weg gemacht hatten und zufällig die gleiche Richtung einschlugen.

Die Sonne war gerade dabei ins Meer einzutauchen, als Norrington zur Festung kam und sich unter eine kleine Menschenansammlung mischte. Zusammen mit Bürgern, aber auch Handwerkern ließ er sich in den großen Vorhof mittreiben. Darin war bereits eine kleine Bühne aufgestellt mit ihm sehr bekannten Werkzeugen. Zwei Galgen waren bereit geschnürt und der Henker testete gerade, ob diese einem Gewicht standhielten, indem er sich daran festhielt und hochzog. Das Seil hielt.

Der Commodore zog überrascht eine braue hoch. Von einer Hinrichtung war in den Gesprächen mit dem Gouvernor gar keine Rede gewesen. Plötzlich regte sich in ihm ein großes Interesse, wer denn heute wohl die Schlinge um den Hals gelegt bekam. Er suchte sich einen Platz, der außerhalb des Sichtfeldes, des Gouvernorssitzes befand und wo er dennoch einen guten Blick auf den Galgen hatte. In der Menge würde es unmöglich sein, ihn auszumachen.

Nach einer halben Stunde etwa und einigen hundert Ankünften von Concordianern, schallten schließlich Trompeten über den Hof und wildes Getrommele tönte laut durch die Festung. Es war so weit. Harington gab sich zu sehen. Er kam heraus und setzte sich auf seinen erhobenen Stuhl, so daß er das gesamte Volk unter sich hatte. Dann nickte er den Soldaten zu, im Spiel inne zu halten, worauf die Musik verstummte.

Norrington reckte neugierig den Hals, ob er schon etwas erkennen konnte. Aber dem war noch nicht so. Statt dessen grollte die mächtige dunkle Stimme durch den Hof und ließ die Leute verstummen.

"Höret, Bürger Concordias!" begann der Gouvernor theatralisch und ernst. "Unsere Stadt braucht sich vor anderen großen Häfen nicht zu verstecken! Unser Handel blüht!"

Ein bestätigender Schrei ging durch die Menge.

"Unsere Sicherheit ist einzigartig!"

Wieder Zustimmung.

"Und unsere Rechtschaffenheit, sucht ihres Gleichen," dieser Satz wurde etwas leiser, aber dennoch nicht wirkungsloser gesprochen.

Der Jubel blieb aus, aber nickende zufriedene Gesichter blieben.

"Bei uns gibt es keine Armut und keine Angst. ICH selbst habe dafür gesorgt. ICH habe hart dafür gearbeitet! ICH garantiere jedem von euch absolute Sicherheit! Und ich werde dafür sorgen, daß dieser Status Quo auch so bleibt!"

Mit einer Hand wies er nach rechts auf ein kleines Tor. Die Köpfe folgten der Handbewegung und warteten gespannt, daß sich die Tür öffnet. Dieses Gerückt hatte die Öffentlichkeit fasziniert und so war innerhalb eines Tages und einer Nacht die Neuigkeit von dem Einbruch durch ganz Concordia gegangen.

"Es ist wahr, jemand wagte es, in mein Schloß einzubrechen! Und wenn ich nicht einmal sicher bin, mit meinen Wachen und den Mauern um mein Haus, wer von euch ist es dann?"

Ein erschrockenes Gemurmel machte sich unter den Leuten breit und die Blicke hafteten immer noch auf dem Tor. Jedermann war mehr als gespannt auf die, welche diese Tat begangen hatten.

"Aber so etwas werde ich nicht dulden! Ich werde bestrafen, wer versucht, unseren Frieden und Wohlstand zu gefährden! Hängen sollen sie, die uns schaden wollen!"

Und mit diesen Worten öffnete sich das Tor und die Menge fing an zu schreien, zu fluchen und zu schimpfen. Männer, Frauen und Kinder warfen faules Obst und Gemüse, verschimmeltes Brot und sogar kleine Steine auf die, die da heraustraten. Keiner war mehr bei Sinnen und stellte die wunderbar patriotische und propagandistische Rede des Gouvernors in Frage. Die Soldaten hatten Schwierigkeiten, die beiden Verurteilten durch den Menschenauflauf zum Galgen zu bringen.

Aber letztendlich findet jeder dort hin und als Lara und William die wenigen Stufen auf das Podest hinauf stiegen, fiel Norringtons Kiefer nach unten, wie eine französische Gilloutine. Die Frau, welche dort stand kannte er nicht, aber diesen jungen Mann sehr wohl.

"Was geht hier vor?" sprach er leise zu sich und starrte zum Galgen hinüber.

Das war der Augenblick, wo Norrington gewahr wurde, daß hier etwas nicht mit rechten Dingen zuging. Er wußte nur noch nicht, was. So schnell es ging, aber beinahe machtlos drängelte er sich durch die Menschen immer weiter nach vorne, aber er wollte einfach nicht schnell genug voran kommen. Panik erfüllte seine Brust! Will Turner war ein kleiner Lichtblick für ihn. Vielleicht wußte er, wo Elizabeth war?

"Gouvernor!" schrie er immer und immer wieder, aber seine Stimme ging in dem Getose der Menge unter, die auch während der Verlesung der Anklage nicht Ruhe geben wollte. Norrington hoffte inständig, daß die Liste der Anklage lange genug war, daß er das Podest irgendwie erreichte.

Mit Grauen sah er zu, wie die Schriftrolle, des Verlesers immer weiter aufgerollt und verlesen wurde und der Henker den beiden Gefangenen den Strick zuzog. Im Geiste sah er bereits den besten Hinweis auf Elizabeth im Grabe verschwinden.

*~*~*~*~*

William stand neben einer leichenblassen Lara Jade, die mit erhobenem Haupt auf dem Podest stand und den Strick angelegt bekam. Er selbst hatte ihn bereits um den Hals. Hektisch sprangen seine Gedanken hin und her. Er mußte sich etwas einfallen lassen! Hier und jetzt! Die Zeit lief ihnen davon und er konnte nichts tun. Sei es ob nun seine Gedanken zu verwirrt waren, oder ob es wirklich keine Hoffnung auf Rettung mehr gab, aber es fiel ihm nichts ein, wie sie sich aus dieser verzweifelten Lage befreien konnten.

Er sog die Luft tief ein, als ob es das letzte mal sein würde, daß er die würzige Meeresluft schmeckte und sah auf in den Himmel. Er erinnerte sich wage an einen blau-gelben Papagei und ertappte sich dabei, wie er nach diesem Vogel Ausschau hielt. Aber am Himmel zogen nur einige weiße Möwen ihre stetigen Kreise.

Er nahm die Verlesung seiner "Straftaten" gar nicht wahr, sondern hörte diese Worte nur, wie aus weiter Entfernung. Dort hinten, genau vor ihnen saß Harington. Kein Lächeln, keine Regung war in seinem kalten Gesicht zu erkennen. Er schien das Schauspiel einfach nur zu genießen.

Gleißender Haß stieg in dem jungen Turner auf, als er daran dachte, daß ihn dieser Mann um seine Rache brachte und welchen Schmerz er ihm zugefügt hatte. Tränen des Zornes, der Verzweiflung und der Pein stiegen ihm in die Augen. Er wollte ihm nicht diese Genugtuung geben, konnte aber nicht verhindern, daß ihm eine Träne entrann und über die glatte Wange rann.

"Hör auf damit. Du wirst ihn damit nur noch mehr Befriedigung verschaffen," mahnte ihn Lara leise.

"Ich hasse ihn!" zischte Will gefährlicher als jede Schlange.

Und im selben Augenblick begann ein Trommelwirbel. Die Menge verstummte unter dem Donnern. Will hatte gar nicht gemerkt, wie die Anklage zu Ende gegangen war und nun plötzlich beschleunigte sich seine Atmung.

Auch Laras Herz schlug ihr bis zum Hals, aber sie schloß die Augen nicht, sie wandte den Blick nicht von Harington ab. Wenn sie starb, dann so trotzig, wie sie immer gewesen war und nicht winselnd wie ein Hund. Sie wollte so sterben, so daß ihr Vater nicht mehr Pein als nötig ertragen mußte.

Die Trommeln brachen ab. Stille.

Will atmete ein letztes mal aus und machte sich auf den Schmerz in seinem Genick bereit, bevor sich kurz darauf die kleine Falltür unter ihm öffnete. Beinahe gleichzeitig fielen Lara und Will.

Und noch im Fall hörte sie einen Aufschrei in der Menge...

Lara hatte festen Halt unter den Füßen!