Harry konnte den Montag nicht erwarten. Zwar hatte er wieder eine Doppelstunde Zaubertränke, aber da Snape geradezu erträglich war, verlor das seinen Schrecken.
Der Tag verging schnell und so endete auch der Unterricht in Transfiguration.
Er blieb nach dem Unterricht wieder zurück und Ron und Hermine sahen ihn fragend an. Er hatte ihnen den Grund dafür immer noch nicht verraten. Er formte nur mit seinem Mund das Wort „später" und sie gaben nach und gingen.
„Nun, zeigen sie mal, ob sie das behalten haben, was wir letzte Woche geübt haben." forderte sie ihn auf.
Harry ließ sich nicht lange bitten und verformte seine Hände in Pfoten. McGonagall nickte anerkennend. Dann machte Harry plötzlich weiter und transformierte seine Arme und seine Beine und stand nun so schon auf allen vieren. McGonagall keuchte erschrocken.
Harry verwandelte sich zurück.
„Um so weit zu kommen, brauchen die meisten Monate, und nicht eine Woche, Mr. Potter. Wie haben sie das so schnell geschafft?"
„Übung" erwiderte er lakonisch und es war nicht mal gelogen. Er hatte festgestellt, das sich die Transformation nicht wirklich von der Totem-Verwandlung unterschied. Die Animagus-Transformation war nur etwas schwerer zu meistern, wahrscheinlich, weil die Hilfe der Totems fehlte. Das Prinzip ist jedenfalls das selbe.
‚Du lernst schnell' meinte Wolke anerkennend. Harry sah dadurch seine Vermutung bestätigt.
„Ich möchte gern die komplette Transformation versuchen." sagte Harry.
„Hmm, sie wissen, dass das sehr anstrengend ist. Aber es wäre ohnehin der nächste Schritt gewesen." antwortete McGonagall.
Harry schloss die Augen und konzentrierte sich. Er leerte seinen Geist, wie vor einer Meditation. Dann stellte er sich den Greif vor. Als er das Bild klar vor Augen hatte, stellte er sich vor, wie sich sein Körper verwandelte, erst Arme und Beine, dann der Körper und der Kopf, zum Schluss dachte er an die Flügel. Er fühlte, wie sich sein Körper schmerzhaft krümmte und nach vorn beugte. Er spürte seine Muskeln und seine Knochen wachsen. Dann öffnete er die Augen. Er sah seltsame Farben, zusätzlich zu den normalen.
‚Du bist jetzt ein magisches Tier' sagte Wolke ‚du kannst gewissermaßen die Magie sehen'
McGonagall keuchte überrascht.
„Sie haben es fast geschafft Potter!" sagte sie aufgeregt. Sie holte einen Spiegel hervor und er betrachtete sich. Er sah tatsächlich aus wie ein großer Löwe. Dann versuchte er, seine Flügel zu spreizen. Da erkannte er, was noch fehlte. Seine Flügel waren nur rudimentär vorhanden. Aber der Rest des Körpers war soweit in Ordnung.
„Verwandeln sie sich wieder zurück." forderte ihn McGonagall auf.
Harry konzentrierte sich und führte die Rückverwandlung durch. Es war ein sehr schmerzhafter Prozess und so stöhnte er auf, als er fertig war.
„Machen sie sich keine Sorgen, an die Schmerzen gewöhnen sie sich. Ich muss zugeben, ich bin beeindruckt. Ihr Vater hat dafür drei Jahre benötigt und er war nicht mal ein magisches Tier. Das mit den Flügeln schaffen wir beim nächsten mal. Ach, eh ich es vergesse, der Direktor hat mich gebeten, das Training mit ihnen am Samstag fortzusetzen."
„Samstag, ist das nicht ein Hogsmeade-Wochenende?"
„Ja, aber meinen sie nicht auch, dass das Training wichtiger ist?" fragte ihn McGonagall mit ihrem ernsten durchdringenden Blick.
„Ja, ja schon gut. Ich komme." gab er missmutig zu verstehen.
Er hatte sich so darauf gefreut, mit Ginny und den anderen durch Hogsmeade zu streifen.
Er ging in den Gemeinschaftsraum zurück.
Dort wurde er schon von Ron, Hermine und Ginny erwartet.
„Nun, was will denn die McGonagall immer von dir? Musst du nachsitzen?" wollte Ron wissen. Ginny feixte in sich hinein.
„Och, das war nur Animagus-Training." winkte er lässig ab, nachdem er sich vergewissert hatte, dass niemand weiter in der Nähe war.
Ron und Hermine bleib der Mund offen stehen. Hermine fasste sich als erste wieder.
„Welche Form hast du gewählt?" fragte sie ihn.
Er nickte Ginny unmerklich zu.
„Er ist ein Goldener Greif." sagte sie leise und freute sich über ihre Gesichter.
Ron fuhr sie an: „Du wusstest es?"
„Tja, manchmal erfährt man das eine oder andere, wenn man nicht grad mit Knutschen beschäftigt ist." gab sie schnippisch zurück. Harry sah sie warnend an.
Ron und Hermine sahen schuldbewusst zu Boden.
Dann fasste sich Ron wieder. „Das feiern wir mit einem Butterbier in Hogsmeade!"
„Daraus wird leider nichts. Ich soll Samstag mit McGonagall weiter üben. Aber vielleicht könnt ihr mir was mitbringen." sagte er betrübt.
„Dann gehen wir auch nicht." sagte Ginny fest entschlossen.
„Ich weiß deine Anteilnahme zu schätzen, Ginny, aber das ist Quatsch. Ich bin doch sowieso beschäftigt. Ich bestehe darauf, dass ihr geht." gab Harry zurück.
„Ok, dann bringen wir dir ein paar Süßigkeiten mit." sagte sie freundlich.
Am nächsten Tag stand endlich Verteidigung gegen die dunklen Künste an. Gryffindor nahm an diesem Unterricht allein teil. Remus Lupin begrüßte sie freundlich.
„Hallo liebe Schüler. Wie ich gehört habe, seit ihr sehr weit fortgeschritten für euer Alter. Ihr hattet schon bestimmte gefährliche Magische Wesen und hattet sogar schon mit den unverzeihlichen Flüchen Kontakt. Ich habe ein Gerücht gehört, dass es eine geheime Studiengruppe gegeben hat, die sich auf die Verteidigung gegen die dunklen Künste spezialisiert hat." fügte er mit einem Augenzwinkern hinzu.
„Dieses Jahr werden wir uns auf Abwehrzauber, Schildzauber und wenn Zeit bleibt, auch einige Angriffzauber für Duelle konzentrieren."
Die Klasse klopfte begeistert auf die Tische.
Hermine flüsterte zu Ron und Harry: „Schildzauber sind sehr komplex. Das wird schwer."
„Kennt denn jemand schon Abwehr- oder Schildzauber?" fragte Remus.
Hermines Hand schoss wie üblich nach oben und diesmal auch Harrys.
„Miss Granger!"
„Also es gibt zum Beispiel den ‚Protego!'-Spruch. Dieser erzeugt einen Abwehr-Schild gegen Flüche. Diese werden vom Schild reflektiert." antwortete sie.
„Ja, sehr gut. Fünf Punkte für Gryffindor. Dieser Schild hat, wie viele andere Schildzauber den Nachteil, dass sie nicht gegen die Unverzeihlichen Flüche wirken. Harry, beherrscht du diesen Zauber sicher?" Harry nickte.
„Dann komm bitte nach vorn."
Harry stellte sich gegenüber Remus auf.
„Ich zähle bis drei, dann führst du den Schildzauber aus. Anschließend werde ich dich mit dem ‚Rictustempra'-Fluch belegen. Die Wirkung kennst du. Es wird also nicht so schlimm, sollte dein Schild nicht halten."
Harry und Remus nahmen ihre Zauberstäbe.
„Eins. Zwei. Drei."
„PROTEGO!" ein rötlicher Schild baute sich vor Harry auf. Remus nickte.
„RICTUSTEMPRA!" rief Remus.
Der Fluch prallte wirkungslos vom Schild ab.
„Bravo, Harry. Du hast dich vorhin gemeldet. Kennst du weitere Abwehrzauber?"
„Nun, man kann Zaubersprüche direkt reflektieren zum Beispiel mit dem ‚DEFLECTO'-Spruch, außerdem kenne ich noch einen besseren Schild-Zauber." antwortete Harry nüchtern.
Remus' Augen weiteten sich überrascht.
„Der Deflecto-Spruch ist schon sehr komplexe Magie. Wir werden ihn später im Jahr noch behandeln. Beherrscht du diesen Spruch?"
Harry nickte. „Wieder bei drei?" fragte er lächelnd.
Remus nickte. „Du weißt, dass bei der direkten Abwehr das Timing sehr wichtige ist?"
„Ja, das ist mir bewusst."
„Also gut. Eins. Zwei. Drei. RICTUSTEMPRA!" schleuderte er den Fluch auf Harry.
Harry reagierte gelassen, aber schnell: „DEFLECTO!" rief er laut.
Sein Konterspruch traf den Rictustempra-Fluch und reflektierte ihn, genau zurück auf Remus. Dieser konnte gerade noch ausweichen.
„Oops." sagte Harry, aber Remus lachte. „Das war großartig. Fünf Punkte für Gryffindor."
„Nun, Harry, welchen Schildzauber kennst du noch? Soweit ich weiß, kennen nur einige wenige Spezialeinsatzkräfte der Auroren noch stärkere Schildzauber."
„Ich werde es ihnen zeigen Professor und Harry
wenn sie gestatten, möchte ich sie widerlegen."
„Mich widerlegen? Inwiefern?"
„Nun, dieser Schild ist in der Lage die unverzeihlichen Flüche zu blocken."
„Das gibt es nicht. Und selbst wenn, wie willst du das widerlegen?"
„Sie könnten den Crucatius-Fluch auf mich anwenden." sagte Harry todernst. Die Klasse seufzte vor Schreck auf.
„Harry!" rief Hermine entsetzt.
„Unmöglich! Die Flüche sind nicht umsonst ‚unverzeihlich' und nie im Leben würde ich einen solch grausamen Fluch auf dich anwenden, Harry." sagte er blass.
„Professor, ich habe den Crucatius-Fluch schon mehrmals ertragen, ich weiß genau, was auf mich zukommt. Ich habe ihn mit dem Schild auch schon erfolgreich abgewehrt. Mir wird nichts passieren. Und ich gebe ihnen hiermit ausdrücklich meine Einwilligung, den Fluch zu Studienzwecken auf mich anzuwenden. Damit handeln sie nicht strafbar. Fragen sie Professor Dumbledore, wenn sie zweifeln."
Das tat er allerdings. Er ging zum Kamin, nahm etwas Flohpulver und rief: „Albus Dumbledore." Sein Gesicht erschien im Kamin.
„Professor, ich behandle gerade Schildzauber und Harry verlangt, dass ich ihn mit dem Crucatius-Fluch belege." sagte er immer noch sichtlich entsetzt.
Dumbledore sagte nichts. Sein Gesicht verschwand und kurz darauf trat er durch das Kaminfeuer in den Klassenraum. Er ging auf Harry zu.
„Bist du dir sicher, Harry?" fragte er besorgt. Harry nickte entschlossen.
„Warum?" fragte Dumbledore.
„Ich weiß, dass ich es kann und ich bin mir sicher, dass einige der besseren Schüler diesen Zauber lernen können. Sie werden aber nur auf ihn vertrauen, wenn sie sehen, wie wirkungsvoll er ist."
„Welchen Zauber willst du demonstrieren?" fragte er nach.
„Den Aegis-Schild." sagte Harry kurz.
Remus schaute fragend, doch Dumbledore zuckte zusammen.
„Ich habe einmal in einem alten Manuskript drüber gelesen. Niemand weiß mehr wie er ausgeführt wird. Aber, wenn du dir sicher bist, dann werde ich es gestatten. Ich möchte mir das mit ansehen. Remus!" sagte er.
Harry nickte und machte sich bereit. „Die gleiche Prozedur." sagte er.
Remus nickte und hob seinen Zauberstab. „Eins. Zwei. Drei."
Die gesamte Klasse hielt den Atem an. Neville war leichenblass, er musste daran denken, dass seine Eltern so lange mit dem Fluch gefoltert wurden, dass sie letztendlich den Verstand verloren. Seitdem waren sie in St. Mungos, dem Hospital der Zauberer.
„AEGIS!" rief Harry und drehte sich mit ausgestrecktem Zauberstab im Kreis. Um ihn herum baute sich der bläuliche Schild auf und bildete eine Halbkugel über ihm. Harry nickte Remus aufmunternd zu. Dieser fasste sich, konzentrierte sich und rief dann laut und mit fester Stimme „CRUCIO!" Ein roter Lichtstrahl schoss auf Harry zu und wurde harmlos an Harrys Schild reflektiert und schlug in die Decke des Klasseraumes ein. Harry beendete den Zauber.
Erst war es mucksmäuschenstill, dann klatschte die Klasse begeistert.
Selbst Dumbledore klatschte anerkennend. „Ich bin beeindruckt, Harry. Zwanzig Punkte für Gryffindor! Ich möchte, dass du mit Remus diesen Spruch nach dem Unterricht übst. Wenn er ihn beherrscht, kann er ihn der Klasse im zweiten Halbjahr beibringen. Dies ist sehr komplexe Magie, deshalb ist das Erlernen freiwillig. Ich hoffe aber, dass sich zumindest die ehemaligen Mitglieder von „Dumbledores Armee" damit befassen.
Wir sehen schweren Zeiten entgegen, wie sich auch beim letzten Quidditch-Spiel gezeigt hat. Ich rechne sogar damit, dass die Schule von Voldemort angegriffen werden könnte, insbesondere, wenn Voldemort mitbekommt, wie stark sein gefürchtetster Gegner geworden ist." bei den letzten Worten sah er Harry ernst an. „Wie auch immer, ich möchte, dass jeder entsprechend seiner Fähigkeiten, bereit ist, sich und andere zu verteidigen." Mit diesen Worten verabschiedete sich Dumbledore.
Nach diesem Fach, hatten sie Kräuterkunde. Anschließend gingen sie zum Mittag in die große Halle. Dort trafen sie natürlich auch auf Ginny und Harry setzte sich, wie selbstverständlich neben sie.
Ron flüsterte ihr verschwörerisch zu: „Hast du schon gehört, Harry hat vorhin in Verteidigung einen Crucatius-Fluch geblockt. Er hat Lupin überredet, den Spruch auf ihn loszulassen und sich dann mit einem Schild geschützt."
Ginny wurde blass, dann drehte sie sich zu Harry und gab ihm einen Fausthieb auf den Oberarm.
„Au! Wofür war das denn?" fragte er perplex.
„Dafür, dass du dich unnötig in Gefahr gebracht hast. Also wirklich. Ist dir die Bedrohung durch ‚Du-weißt-schon-wen' nicht genug, dass du nun die Lehrer anstiftest, dich mit unverzeihlichen Flüchen zu belegen?" antwortete sie ernsthaft besorgt.
Er schoss einen strafenden Blick auf Ron ab, aber der zuckte nur mit den Schultern.
„Ähh... Ginny..." er wusste einfach nicht, was er sagen sollte. Dann versuchte er ihr die Gründe zu erklären, warum er es gemacht hatte. Sie wirkte zwar immer noch besorgt, gab sich damit aber zufrieden.
Der Rest der Woche verging wie im Flug. Sie besuchten zur Abwechslung mal Hagrid, der sich darüber sehr erfreut zeigte.
So kam schließlich das Wochenende. Harry verabschiedete morgens seine Freunde und wünschte ihnen einen schönen Hogsmeade-Tag.
Dann ging er zu McGonagall, um sein Animagustraining durchzuführen.
Sie erwartete ihn schon.
„Guten Morgen, Mister Potter."
„Guten Morgen, Professor."
„Dann lassen sie uns beginnen."
Harry verwandelte sich wieder und wieder. Beim dritten Versuch schaffte er es schließlich, sich komplett und ohne Fehler zu transformieren.
Als er sich wieder zurückverwandelt hatte, wendete sich McGonagall an ihn.
„Sie erstaunen mich zutiefst Mister Potter! So schnell hat das noch niemand geschafft. Nicht mal vier Wochen für die komplette Transformation. Gratuliere!"
Harry war ziemlich geschafft und ließ sich erst einmal auf einen Stuhl fallen.
„Montag werden wir dann mit Hagrid in den Wald gehen. Dort werden sie lernen, ihren Tierkörper zu beherrschen." sagte sie erfreut.
„Warum haben wir ausgerechnet Samstag als Trainingstag ausgesucht?" murrte er. Es war nun schon Nachmittag, da sie zwischen den Verwandlungen Pausen eingelegt haben.
„Das hat mir Professor Dumbledore ausdrücklich gesagt, Mr. Potter." antwortete sie, ohne weiter darüber nachzudenken.
„Man könnte glatt meinen, er wollte mich nicht in Hogsmeade haben." murmelte er. Er sah, wie McGonagall zusammenzuckte. Da machte sich ein mieses Gefühl in seinem Magen breit.
Er stand plötzlich auf „Dumbledore!" rief er wütend.
Er murmelte den Portalzauber und schritt ohne zögern direkt in Dumbledores Büro.
Das Portal schloss sich direkt hinter ihm wieder. Er kochte vor Wut. In diesem Moment strahlte er wieder eine Aura der Autorität und der Macht aus, die seines gleichen suchte.
„Professor, warum haben sie mich aus Hogsmeade ferngehalten?" bellte er.
Dumbledore zuckte zusammen. Er sank in seinen Stuhl zurück.
„Es gab Gerüchte, dass Todesser hinter dir her sind und ich befürchtete, dass sie dir in Hogsmeade auflauern würden." sagte er niedergeschlagen.
„Aber meine Freunde haben sie gehen lassen? Was ist, wenn er sie als Geiseln nimmt? Oder ihnen einfach etwas antut, nur um mich zu zerstören? Haben sie daran gedacht?" schrie er nun schon in den Raum. Dumbledores Augen weiteten sich vor Schreck.
„Sie haben mein Vertrauen schon letztes Jahr auf die Probe gestellt. Wenn meinen Freunden etwas passiert ist, dann haben sie den letzten Rest nun völlig verwirkt. Seien sie froh, dass wir auf der selben Seite stehen." sagte er jetzt mit einer eisigen Stimme, die Dumbledore einen Schauer über den Rücken jagte.
Dann richtete Harry seinen Zauberstab auf das nächste Fenster und rief „REDUCTO". Es zerbarst mit einem Knall. Er steckte seinen Stab ein und sprang durch das offene Fenster hinaus. Dumbledore stürzte geschockt hinterher. Er konnte sehen, wie sich Harry in einen mächtigen Adler verwandelte und in Richtung Hogsmeade flog, so schnell ihn seine Flügel trugen. „Was habe ich nur getan?" fragte er sich.
Die Tür zu seinem Büro sprang auf und McGonagall stürzte völlig außer Atem hinein.
Dumbledore drehte sich langsam um. „Minerva, hattest du nicht gesagt, Harrys Animagus-Form wäre ein Greif?"
„Ja, Albus. Wieso fragst du?"
„Nun, Harry ist gerade aus dem Fenster gesprungen..." McGonagalls Augen weiteten sich entsetzt, „... und er verwandelte sich in einen Adler."
„Aber wie?" fragte McGonagall baff.
„Das würde ich auch gern wissen. Ich hoffe nur, dass nichts passiert." sagte er leise. Wie sehr sollte er sich irren.
Harry flog so schnell er konnte in Richtung Hogsmeade. Als er über dem Dorf war, konnte er Flüche aufblitzen sehen. Er sorgte sich und suchte fieberhaft nach seinen Freunden. Schließlich fand er sie. Sie waren von zehn Gestalten umzingelt, die schwarze Roben trugen und Masken. Todesser. Er sah, wie zwei Todesser Reduktor-Flüche auf Ron und Ginny abfeuerten. ‚Oh nein!' dachte er entsetzt und erinnerte sich schmerzhaft daran, wie Idira gestorben war. Kalte Wut machte sich in ihm breit.
Er hörte noch wie einer zu Hermine sagte: „Du willst mir nicht sagen, wo Potter ist? Gut. Dann werde ich dich mit dem Crucatius-Fluch bekannt machen." Hermine hatte sich schluchzend über Ron gebeugt und sah den Todesser mit Todesangst an. Harry stürzte sich furios in die Tiefe. Schon drei Meter über dem Boden verwandelte er sich zurück. Mit seiner flatternden schwarzen Robe, dem zornigen Gesichtsausdruck und den vor Wut lodernden leuchtend grünen Augen sah er aus wie ein Racheengel, der aus dem Himmel herabgestiegen ist. Die Todesser keuchten entsetzt. Noch bevor er den Boden erreichte hatte er schon den Zauberstab in der Hand und rief: „AEGIS!" Keinen Moment zu früh, denn der Todesser hatte derweil seine Drohung war gemacht und einen Crucatius-Fluch auf Hermine geschleudert.
Doch dank Harrys Schild prallte er zurück und traf einen anderen Todesser, der schreiend zu Boden ging. Hermine sah Harry ungläubig an. Sie konnte nicht fassen, was gerade passierte.
Genau, wie damals auf dem Indianerfriedhof rief er dann: „Stupor maximus circumcurro!"
Alle zehn Todesser gingen zu Boden, doch Harry war noch nicht fertig.
Zweimal rief er „Enervate!" und belebte so die zwei Todesser wieder, die Ron und Ginny ausgeschaltet hatten.
Die beiden waren so geschockt, dass sie sich nicht rührten.
Er sprach denjenigen an der Ron getroffen hatte: „Niemand wagt es, meine Freunde zu verletzten! Richte das Tom Riddle aus, der sich selbst Voldemort nennt."
Seine Stimme kochte vor Wut
Hermine war blass und starr vor Schrecken. So hatte sie Harry noch nie gesehen. Er war sicher dann und wann mal wütend, doch meist verbarg er es vor den anderen. Außerdem schreckte er immer davor zurück, Gewalt gegen irgend jemand anzuwenden, selbst gegen Malfoy. Irgendetwas hatte ihn verändert. Es mussten seine Erlebnisse in Amerika sein, dachte sie sich. Bestimmt fühlte er sich durch diese Ereignisse hier daran erinnert. Seine Freundin war ja auch durch den Reduktor-Fluch umgekommen, erinnerte sie sich und sie dachte daran, wie er damals reagiert hatte.
Harrys Augen leuchteten in einem unheimlichen Grün.
Plötzlich bekam sie eine Gänsehaut. Die ganze Luft schien voller Energie zu sein. Sie bekam zum ersten Mal einen Eindruck von Harrys wirklicher Macht.
„Du hast es gewagt, meine Freundin anzugreifen. Sie bedeutet mir mehr, als alles andere auf dieser Welt. Dafür wirst du bezahlen."
Hermines Augen weiteten sich vor Schreck. Sie erwartete das Schlimmste.
Plötzlich hörte er Ginny: „Harry, nicht..."
Er drehte sich zu Ginny. Seine Augen verloren ihre entsetzliche Härte und wurden sanft. Ginny sah furchtbar aus.
Hermine sah, wie die beiden ihre Zauberstäbe hoben. Einer rief „EXPILLIARMUS". Harry wurde getroffen und sein Stab fiel zu Boden, aber Harry wurde nicht umgeworfen, sondern stand wie ein Fels in der Brandung. Seine Augen wurden wieder hart.
Der andere Zauberer setzte zum Todesfluch an „AVADA..." aber bevor er den Fluch beenden konnte, riss Harry beide Arme hoch. Die Luft knisterte nur so vor Magie.
„REDUDTO!" rief Harry mit harter Stimme. Aus beiden Händen schoss ein heller Strahl und traf je einen Todesser. Diese klappten zusammen wie Taschenmesser und wurden zwanzig Meter nach hinten geschleudert. Sie regten sich nicht mehr.
Harry löschte seinen Schild und stürzte zu Ginny. „Ginny..."
Er sah, dass sie schwer verletzt war. „Ginny, du darfst mich jetzt nicht verlassen." Sie zuckte unter ihren Schmerzen. In ihrem Gesicht war keine Farbe mehr und ihre Augen wirkten leer.
„Bitte bleib wach. Halte durch. Ich brauche dich doch. Ich... Ich liebe dich." Ein Lächeln schlich sich auf ihre Lippen, doch in ihren Augen war deutlich ihr Schmerz abzulesen. Harry reagierte. Er schloss die Augen, legte seine Hände auf ihre Stirn und auf ihren Bauch und konzentrierte sich. Er fühlte, wo ihre Verletzungen lagen. Sie waren fast so schlimm, wie bei Idira. Er gab alles. Er ließ seine Magie fließen und schenkte ihr seine eigene Lebensenergie. Er spürte, wie ihre Verletzungen heilten. Dann war es vollbracht.
Harry nahm die Hände herunter. Er war ausgelaugt und ihm war schwindlig von der Anstrengung.
„Harry," sagte sie leise, „du hast mich gerettet. Meintest du das gerade ernst, was du gesagt hast?"
„Ja," sagte er, denn er hatte in diesem Moment begriffen, wie viel sie ihm bedeutete, „ich liebe dich." Jetzt lächelte sie glücklich und ihr Lächeln erreichte auch ihre Augen. Er küsste sie zärtlich auf ihre Lippen.
„Aber ich muss dir noch etwas erzählen, etwas das noch nicht mal Ron und Hermine wissen. Später." sagte er ernst.
Sie sah ihm in die Augen und verstand plötzlich, dass er eine sehr schwere Last mit sich herum trug. Sie nickte ihm aufmunternd zu.
„Wie hast du das geschafft?" fragte sie ihn.
„Ich habe meine Magie benutzt, dich zu heilen und ich habe meine Lebensenergie dazu eingesetzt. Es war fast zuviel für mich." antwortete er leise. Sie umarmte ihn herzlich.
„Danke. Du bist mein Held."
Dann kam Hermine zu ihnen rüber.
„Ron. Er..., er ist schwer verletzt." schluchzte sie tränenüberströmt, „kannst du ihm nicht helfen?"
Harrys Augen zeigten unendlich tiefe Trauer.
‚Das überlebst du nicht' warnte ihn Wolke.
„Ich fürchte, das schaffe ich nicht mehr" antwortete er leise mit Tränen in den Augen.
„Bitte, du musst es versuchen" flehte sie ihn an „er ist alles, was ich habe."
Dann nickte Harry langsam. Er schaute Ginny an und umarmte sie noch einmal und küsste sie zärtlich.
„Nein. Du schaffst das nicht." sagte Ginny erschrocken.
„Ich liebe dich! Aber ich muss es versuchen. Ron ist mein bester Freund und ich schulde es ihm. Außerdem ist er dein Bruder und ich könnte dir nie wieder in die Augen schauen, wenn ich es nicht wenigstens probieren würde."
Ihre Augen weiteten sich vor Schreck, als sie realisierte, was das bedeutete.
Dann erhob er sich und ging zu Ron, um die Heilungsprozedur zu wiederholen.
Ginny brach in Tränen aus. Hermine sah sie überrascht und fragend an.
„Was ist denn?" fragte sie Ginny verwundert.
„Weißt du was du gerade getan hast?" fragte sie schluchzend.
Hermine schüttelte verwirrt ihren Kopf.
„Harry hat mich nicht nur mit seiner Magie geheilt. Er hat auch seine Lebensenergie benutzt, um mich zu retten. Er sagte, es wäre fast zuviel für ihn gewesen. Ich glaube, du hast gerade sein Leben gegen das von Ron getauscht." Dann brach sie weinend zusammen.
„Oh nein!" sagte Hermine entsetzt. „Das werde ich nicht zulassen." Sie wollte aufstehen, doch Ginny hielt sie fest.
„Nein. Lass ihn! Es war seine Entscheidung und ich respektiere sie. Vielleicht schafft er es ja auch." sagte sie mit zitternder Stimme.
Hermine umarmte ihre beste Freundin, um sie zu trösten. Dann erhoben sie sich und gingen zu Harry und Ron hinüber. Sie konnten sehen, wie die Farbe in Rons Gesicht zurückkehrte. Dann öffnete er die Augen und Harry ließ von ihm ab. Er drehte sich noch mal zu Ginny um und sie erschrak, als sie seine Augen sah. Sie waren völlig leer und ohne Energie. Der Funken, der sie sonst immer zum Leuchten gebracht hatte, war verschwunden. Das grün, das sonst seine Augen erfüllte war so weit verblasst, dass seine Augen fast in einem milchiges Grau erschienen.
In einer letzten Anstrengung hob Harry seinen Zauberstab und öffnete ein Portal nach Hogwarts, direkt in den Krankenflügel, dann brach er zusammen.
Ginny schrie auf „NEIN! HARRY!" und drückte ihn fest an sich.
Hermine fühlte nach seinem Puls. Er ging nur noch ganz schwach.
„Was ist mit ihm" fragte Ron verstört und noch sichtlich fertig, von seinen Verletzungen.
„Er hat seine Lebensenergie gegeben, um uns beide zu heilen" schluchzte Ginny.
„Kommt schnell. Er ist noch am Leben." sagte Hermine hektisch.
Ron hob ihn hoch und die drei stürzten durch das Portal.
Madam Pomfrey, die Krankenschwester von Hogwarts, bekam fast einen Herzanfall, als sie aus dem Nichts in ihr Krankenzimmer stürzten und fast noch einmal, als sie den leblosen Harry in Rons Armen sah.
„Was ist passiert?" fragte sie, während sie Harry auf ein Bett legten.
„Er hat seine Lebensenergie eingesetzt, um Ginny und mich zu heilen. Wir waren sehr schwer verletzt. Er muss sich zu sehr verausgabt haben." erklärte Ron sachlich die Lage. „Können sie ihm helfen?"
Sie sah die Schüler mit überraschten Augen an.
„Er hat euch geheilt? Das können nur wahre Heiler und solche gibt es nicht mehr. Ich weiß nicht sicher, ob wir ihm helfen können."
Sie rannte zum Kamin, warf etwas Flohpulver hinein „Serverus Snape!"
„Ja" antwortete er kurz.
„Mister Potter wurde gerade hier angeliefert. Er ist bewusstlos und den Schilderungen seiner Freunde nach, hat er seine Lebensenergie benutzt, sie zu heilen. Haben sie etwas, dass ihm helfen könnte?"
„Mal überlegen. ..., ich komme sofort."
Dann warf sie ein zweites mal Flohpulver in den Kamin. „Albus Dumbledore"
„Ja, was gibt es" fragte er freundlich.
„Harry wurde gerade hergebracht, es geht ihm schlecht. Vielleicht kommen sie besser her, ich weiß nicht, ob wir ihm helfen können."
„Ich bin unterwegs."
Madam Pomfrey kehrte zu Harry zurück und fühlte nach seinem Puls und kontrollierte seine Pupillen und seine Atmung. Sie sagte ernst: „Ich habe noch nie von so etwas gehört und ich weiß nicht, was wir tun können. Er atmet und hat noch Puls. Beides ist sehr schwach und seine Pupillen reagieren schon nicht mehr. Ich fürchte, wenn nicht ein Wunder geschieht, werden wir ihn verlieren."
Ginny setzte sich an sein Bett und nahm seine Hand. Tränen flossen ungehemmt aus ihren Augen und sie schluchzte leise.
Snape kam in das Krankenzimmer gestürzt und Dumbledore folgte ihm auf dem Fuße.
„Was ist passiert?" fragten sie beide, wie aus einem Mund.
Hermine schilderte mit kurzen Worten den Angriff der Todesser, wie Harry als Adler vom Himmel gestürzt ist und sie vor den Todessern gerettet hatte. Alle, bis auf Dumbledore und Ginny schauten überrascht.
„Ja, er hat mich im Büro zur Rede gestellt und ist dann aus dem Fenster gesprungen. Im Fall hat er sich in den Adler verwandelt. Ich frag mich, wie er das gemacht hat, denn das ist nicht seine Animagus-Form." Snape zuckte wiederum zusammen, denn er wusste nichts von dem Training.
Ginny überlegte kurz, aber da die Lehrer es schon gesehen hatten, sah sie keinen Sinn darin, das Geheimnis zu bewahren.
„Das war seine Totem-Form, Adler" sagte sie leise.
Dumbledore sog überrascht die Luft ein. „Er folgt einem Totem? Und er kann seine Form annehmen? Und nun stellt sich auch noch heraus, dass er ein Heiler ist. In ihm steckt wirklich mehr, als wir gedacht haben."
Snape fasste sich wieder.
Er kramte in der Tasche, die er mit gebracht hatte. „Hmm, mir fällt eigentlich nur der Pepperup-Trank ein. Er führt dem Körper einen Energieschub zu."
Er flößte Harry den Trank ein. Der Schluckreflex war zum Glück noch vorhanden, wenn auch nur schwach. Aber der Trank zeigte keine Wirkung.
Er probierte noch zwei andere Tränke aus, aber Harry reagierte nicht.
„Ich weiß nicht weiter." gab er niedergeschlagen auf.
„Ich weiß auch keinen Rat. Echte Heiler gibt es schon lange nicht mehr." fügte Dumbledore hinzu.
„Sein Puls wird schwächer" sagte Ginny plötzlich.
Alle überlegten fieberhaft.
Plötzlich rief Hermine: „Professor Snape, haben sie noch etwas von dem Heiltrank, den Harry gebraut hat."
„Ja," sagte Snape nachdenklich „aber das ist ein Wundheiltrank. Ich bezweifle, dass er wirkt."
„Geben sie ihm den zu trinken. Einen Versuch ist es wert und sie haben gesehen, wie stark der Trank wirkt." Alle klammerten sich an diesen letzten Strohhalm, als Snape ihn den Trank einflößte. Es entstand diesmal kein Schaum und es war kein Zischen zu hören. Dafür glühte seine Haut kurz blau auf.
„Sein Puls stabilisiert sich." sagte Ginny aufgeregt.
Plötzlich kam Fawkes, der Phönix-Vogel, durch das Fenster hinein geflogen.
Er setzte sich auf das Bett, hielt seinen Kopf über Harrys Mund und fing an zu weinen. Seine Tränen tropften in Harrys Mund und wieder schluckte Harry.
„Phönixtränen!" rief Dumbledore überrascht aus, „Das wir nicht an ihre heilende Wirkung gedacht haben."
Nach einer Weile hörte Fawkes auf und fing an sein Lied zu singen. Alle im Raum fühlten sich plötzlich kräftiger und voller Energie. Dann verließ Fawkes das Krankenzimmer wieder.
Madam Pomfrey untersuchte Harry gründlich.
„Seine Atmung ist stabil und kräftig, genau wie sein Puls. Auch seine Pupillen reagieren wieder. Jetzt können wir nur noch hoffen, dass er sich wieder erholt."
„Danke, Professor Snape. Wären sie so freundlich, die Auroren zu verständigen? Und vielleicht könnten sie mit Minerva und Flitwick nach Hogsmeade fliegen, um zu sehen, ob noch weitere Schüler in Gefahr sind." sagte Dumbledore. Snape verließ das Krankenzimmer.
Dann sah er Harrys Freunde an.
„Ich nehme nicht an, dass ich sie von diesem Bett bewegen kann. Ich würde aber vorschlagen, dass sie sich abwechseln. Und ich erwarte, dass sie an ihren Klassen teilnehmen." damit ging er.
„Gut, sie haben den Direktor gehört. Einer darf hier bleiben, der Rest, raus hier. Der Patient braucht Ruhe." sagte Madam Pomfrey ernst, nachdem sie Ron und Ginny kurz untersucht hatte und nichts weiter bei ihnen festgestellt hatte außer ein paar Prellungen.
„Unglaublich!" murmelte sie.
Ginny blieb natürlich als erste.
Und so wechselten sie sich Tag für Tag ab. Sobald der Unterricht zu Ende war, saß einer der drei an Harrys Bett. Nach zwei Wochen war er immer noch nicht wieder erwacht.
