Kapitel 18 - Die Ruhe vor dem Sturm

Harry durfte am nächsten Morgen den Krankenflügel verlassen, und sich wieder dem Unterricht widmen. Am Nachmittag wurde er wieder zum Direktor gerufen.

Er wurde von Remus und Dumbledore empfangen.

Nachdem er sie begrüßt hatte, sagte er zu Remus: „Danke, dass du so schnell reagiert hast."

„Keine Ursache. Das hätte doch jeder gemacht. Im Gegenteil, wir haben dir zu danken, denn ohne dich hätten wir kaum eine Chance gegen die Drachen gehabt."

„Ja, Harry, das wirklich eine reife Leistung. Ich habe auch das Ministerium informiert, dass es allein deinem Mut, sich dem Feind unter Einsatz deines eigenen Lebens in den Weg zu stellen, zu verdanken ist, dass unsere Schüler und Hogwarts mit einem blauen Auge davon gekommen sind."

Harry sah beschämt zu Boden. „Dieser zweifelhafte Ruhm gehört nicht mir allein, sondern allen Beteiligten, z.B. meinen Freunden und sogar Draco."

„Ich hatte keine andere Aussage von dir erwartet, Harry. Ich muss sagen, ich bin von deiner dritten Totem-Form beeindruckt. Kannst du sie jeder Zeit annehmen?" fragte Dumbledore ernst.

„Moment." bat sich Harry aus.

‚Gibt es Einschränkungen?' fragte er Drache.

‚Prinzipiell kannst du sie jeder Zeit annehmen, aber diese Form ist anders als die anderen. Es handelt sich um ein Magisches Wesen und um ein sehr mächtiges und großes noch dazu. Dein Körper ist nicht dafür ausgerichtet, solche Belastungen zu ertragen. Es besteht immer ein kein geringes Risiko, dass diese Belastung zu groß wird und du die Verwandlung nicht überlebst.'

‚Ich wusste gar nicht, dass es gefährlich ist.'

‚Nun, irgendwie fehlte uns auch die Zeit, darüber zu diskutieren, oder?'

‚Ja, stimmt schon. Gibt es sonst noch etwas, dass ich wissen müsste?'

‚Selbst wenn du die Verwandlung überlebst, ist dein Körper danach geschwächt. Es könnte sein, dass du nach jeder Verwandlung einen oder mehrere Tage auf der Krankenstation verbringen musst, selbst wenn du nicht verletzt wurdest, damit sich dein Körper regenerieren kann.'

‚So ernst ist es also?'

‚Ja'

‚Und wie wahrscheinlich ist es, dass ich die Verwandlung nicht überlebe?'

‚Schwer zu sagen. Du bist mächtig und hast mehr Energie und Kraft, als du denkst. Dennoch besteht das Risiko. Ich würde denken, die Chance, dass du dich mit einer Verwandlung zu sehr verausgabst liegt zwischen 10 und 20 Prozent.'

‚Kann man das irgendwie beeinflussen?'

‚Eigentlich kaum. Ich würde mich nur nicht verwandeln, wenn ich schon erschöpft wäre, weil es das Risiko auf jeden Fall erhöhen würde. Wichtig ist aber noch, dass die Verwandlung auf jeden Fall stattfindet und du in der Form agieren kannst. Nur die Rückverwandlung kann dir letztendlich den Tod bringen.'

‚Also kann ich auf jeden Fall den Märtyrer spielen.' dachte Harry bitter.

‚So ist es. Sollte es einmal darauf ankommen, kannst du trotzdem deine Freunde retten, auch wenn du es vielleicht nicht überlebst. Setze den Drachen also nur ein, wenn es unbedingt erforderlich ist.'

Dumbledore und Remus hatten den stummen Wortwechsel gespannt verfolgt und bemerkt, dass Harrys Gesicht von Sekunde zu Sekunde ernster wurde.

Schließlich sprach er wieder zu ihnen.

„Drache hat mich darüber aufgeklärt, dass bei jeder Verwandlung eine Chance besteht, dass es mich zu viel Kraft kostet und ich den Versuch nicht überlebe."

Dumbledore und Lupin zogen überrascht die Luft ein.

„Außerdem sagte er mir, dass ich bei einer erfolgreichen Verwandlung sehr geschwächt werde und mit Sicherheit anschließend ein bis drei Tage im Krankenflügel verbringen kann bzw. zumindest Ruhe brauche."

„Das ist sehr ernst Harry" sagte Dumbledore nachdenklich, „Ich möchte, dass du deinen Drachen nur im äußersten Notfall einsetzt."

„Ich hatte nichts anderes vor."

„Es gibt noch ein Problem. Hast du bei diesem Angriff etwas ungewöhnliches bemerkt?"

Harry dachte an das, was er vorhin zu Ginny gesagt hatte.

„Ja. Ich denke er war zu schwach für Voldemort. Es handelte sich bestimmt nur um ein Ablenkungsmanöver. Er hat die Drachen sicher nur eingesetzt, um die Chance zu erhöhen, mich oder Sie wirklich zu erwischen. Aber er hatte sicher etwas anderes vor."

Dumbledore nickte anerkennend zu Remus.

„Du hast recht Harry. Wir haben Berichte erhalten, dass Voldemort Askaban angegriffen hat. Er hat die Dementoren ja schon letztes Jahr auf seine Seite gebracht und sie bei diesem Angriff eingesetzt. Nun hat er seine Anhänger aus dem Gefängnis befreit. Sämtliche menschlichen Wachen und alle Häftlinge, für die er keine Verwendung hatte, wurden getötet oder von den Dementoren geküsst. Es gibt nun über zwanzig seelenlose Menschen da draussen."

Harry wurde blass.

„Wann haben wir mit dem nächsten Angriff zu rechnen?" fragte er betroffen.

„Nach unseren Informationen ist er noch dabei, seine Machtstruktur neu aufzubauen, schließlich waren einige seiner wichtigeren Todesser bei dem Angriff auf Hogwarts dabei und diese sind zum Glück auch noch nicht in Askaban gelandet. Außerdem muss er noch seine Truppen sammeln. Die Riesen sind zum Beispiel immer noch in Frankreich. Wir gehen davon aus, dass es noch mindestens vier Monate dauert, bis er sich zu einem neuen Angriff entschließt."

„Das ist nicht viel Zeit."

Dumbledore sah Harry ernst an.

„Harry, hältst du es für möglich, dass du einige wenige ausgesuchte Schüler in der alten Magie ausbilden kannst?"

‚Könnte das gehen?' fragte er seine Totems.

‚Wir sind uns nicht sicher, da wir damit eigentlich nichts zu tun haben. Wir sind ein Bestandteil deiner schamanischen Ausbildung. Aber vielleicht, wenn du diesen Teil weglässt und ihr euch auf die alte Magie konzentriert. Der Teil hat ja auch nur drei Monate gedauert bei dir. Wähle einige Schüler mit viel Potential aus und lehre sie die Meditation und Trance. Dann kontaktiere Denron.'

„Wir sind uns nicht sicher." antwortete Harry nun. „Vielleicht könnte es gehen, wenn wir den schamanischen Teil der Ausbildung weglassen und jeden Tag üben zu meditieren und in Trance zu gehen. Ich müsste auf jeden Fall Denron kontaktieren."

Er sah Remus an: „Wir beide wollten ihn sowieso besuchen oder"

Remus nickte begeistert.

Dumbledore murmelte „Denron, dieser Name sagt mir etwas."

„Er kannte ihren Namen auch, Professor."

„Hast du schon eine Vorstellung wen du wählst?"

„Hmmm.... auf jeden Fall Ginny, sie hat das meiste Potential bei den Schilden gezeigt. Hermine, weil sie einen scharfen Verstand hat, obwohl ihr das bei dieser Art der Ausbildung hinderlich sein könnte. Sie wird nicht begeistert sein, dass Wissen einfach so eingepflanzt zu bekommen, ohne fleißiges Lernen"

Bei diesen Worten zeigte sich auf allen drei Gesichtern ein deutliches Schmunzeln.

„Ron werde ich auch dazu nehmen, weil Hermine ohne ihn nicht mitmachen würde. Dann wahrscheinlich noch Luna Lovegood, sie hat schon so eine Ader für das spirituelle und ungewöhnliche, aber mehr fallen mir auf die schnelle nicht ein. Wir werden mit Meditation und Trance-Ausbildung beginnen. Daher würde ich Remus auf jeden Fall gern dabei haben wollen, das wird seiner besonderen Situation sicher helfen. Aber ich muss ihnen sagen, dass die Entscheidung über die eigentliche Ausbildung nicht bei mir liegt, sondern zunächst bei Denron, denn er muss uns zu den Geistern der Ahnen führen und dann bei den Ahnen selbst. Ich würde gern Denrons Zustimmung einholen, nein, eigentlich würde ich ihn am liebsten hierher holen, damit er die Ausbildung koordinieren kann."

„Das ist eine hervorragende Idee. Er könnte auch noch mal die Leute aus dem Verteidigungskurs näher unter die Lupe nehmen, nicht dass ich deine Wahl anzweifeln würde, Harry."

Dumbledore zeigte sich begeistert, wurde dann aber wieder ernst.

„Ich hab noch ein Anliegen, Harry."

„Noch etwas schlimmes?"

Dumbledores Augen zeigten wieder mal ihr typisches Leuchten.

„Nein. Du hast mich um Vertrauen in dich und deine Fähigkeiten gebeten und ich weiß, dass ich dir davon bisher zu wenig entgegengebracht habe. Du hast mich auf sehr drastische Weise von deinen Fähigkeiten und von deinem Mut überzeugt Harry und nicht nur mich. Ich habe mich mit den Mitgliedern des Ordens beraten und obwohl du noch nicht volljährig bist, geben wir dir hiermit die Möglichkeit, Mitglied des Ordens zu werden, Harry. Mach dir die Entscheidung aber nicht leicht, denn damit übernimmst du auch viel Verantwortung. Du bist an die Verantwortung gegenüber dem Orden gebunden und hast dich den Anweisungen des Ordens zu beugen, Harry. Dafür wirst du aber auch alle Informationen erhalten, die wir haben ohne Ausnahme. Keine Geheimnisse mehr, Harry und du stehst unter dem Schutz des Ordens. Jedes Mitglied wird dir nach seinen Fähigkeiten Hilfe leisten, genau wie du jedem Mitlied Hilfe gewähren musst."

Harry sah Dumbledore ernst an.

„Sie haben keine Geheimnisse mehr vor mir?"

„Nein, Harry."

„Sie werden mir zur Abwechslung mal Antworten geben, ohne in Rätseln zu sprechen?"

Man sah Remus an, dass er sich ein Lachen verkneifen musste und Dumbledores Augen funkelten vergnügt.

„Das verspreche ich Dir. Du hast bewiesen, dass du mit brisantem Wissen verantwortungsvoll umgehst und dass du schwere Bürden erträgst, wie man es von keinem Menschen verlangen kann. Keine Spiele mehr."

„Muss ich ihnen auch alle meine Geheimnisse offenbaren?" fragte Harry und tat unschuldig.

Dumbledore sah ihn fragend an.

„Wenn du mir noch etwas verheimlichst, Harry, wirst du deine Gründe haben. Doch ich bitte dich, alles zu sagen, was du über unsere Situation weißt. Du musst dir bewusst sein, dass falsches Zurückhalten von Wissen, den Orden in Gefahr bringen kann."

„Ich würde nie so etwas verheimlichen." Er sah Remus ernst an. Verstehen zeichnete sich in seinen Augen ab und er deutete ein Kopfschütteln an.

„Wenn ich noch etwas vor ihnen verheimliche, dient das eher dem Schutz des Ordens, denn davon zu wissen, bedeutet ein Ziel für Voldemort zu werden."

„Das bedeutet nicht zufällig das Wissen, sagen wir um einen sehr mächtigen magischen Gegenstand?" fragte Dumbledore.

Harry sah Remus böse an, doch der schüttelte wieder den Kopf.

Er hatte also noch nichts über den Stab erzählt.

„Keine Angst, Harry. Ich weiß nichts, es war wirklich nur eine Vermutung, die du allerdings gerade bestätigt hast." sagte er lächelnd.

„Nun, ich halte es schon für gefährlich, nur das zu wissen" sagte Harry sehr ernst, „denken sie nur an die Prophezeiung."

Dumbledores Augen verdüsterten sich sorgenvoll.

„Du hast Recht, Harry. Ich sehe, dass Remus Bescheid weiß, und ich vertraue euch beiden, dass ihr wisst, was ihr tut nur eines möchte ich wissen. Ist es etwas das uns hilft oder etwas, das dem bösen helfen würde und ihm nicht in die Hände fallen darf."

„Ersteres," sagte Harry bestimmt, „es würde dem Bösen nichts nützen, aber der Verlust würde uns schwächen."

„Gut," sagte Dumbledore erleichtert.

„Ach Professor, man ist doch mit siebzehn volljährig, in der Zaubererwelt, oder?"

„Ja, warum."

„Nun, wie alt bin ich denn gerade?"

„Sechzehn... Moment. Wie lange warst du bei Denron?"

„Ein Jahr." antwortete Harry lächelnd.

„Dann... bist du ja volljährig. Das muss ich prüfen."

Er nahm eine Schriftrolle aus dem Regal und öffnete sie. Auf dieser  Schriftrolle befanden sich die Geburtsdaten, Namen und das Alter aller Sechstklässler. Und neben Harrys Namen stand eine siebzehn.

Er sah Remus ernst an. „Du weißt, was das bedeutet."

Harry sah die beiden überrascht an.

Remus kam zu ihm herüber.

„Harry, jetzt da du volljährig bist, habe ich eine Pflicht zu erfüllen. Du bist nun alt genug, dein Erbe anzutreten."

Harry war überrascht.

„Deine Eltern haben zunächst Sirius und im Falle seines Ablebens mich als Nachlassverwalter eingesetzt. Du wusstest bisher nur von dem kleinen Vermögen in deinem Gringotts-Verließ. Aber, wie du weißt besaßen deine Eltern auch noch das Haus in Godrics Hollow. Das wurde aber nach der Explosion nicht wiederaufgebaut sondern in ein Memorial umgewandelt. Außerdem liegt dort das Grab deiner Eltern."

Bei diesen Worten versteifte sich Harry und Tränen schossen in die Augen.

Remus legte ihm beruhigend eine Hand auf die Schulter.

„Du hättest, rein theoretisch das Recht, dort das Haus wieder aufbauen zu lassen. Das Land gehört jedenfalls dir. Aber ich denke nicht, dass du das tun wirst.

Dein Vater war aber auch der Erbe des Potter-Anwesens, das er jedoch auf Rücksicht auf die Wünsche deiner Mutter nie bewohnte. Wie du nun vielleicht schon weißt, stammt ihr in direkter Linie von den Gryffindors ab und deine Familie hat sich wesentlich mehr Reichtum angehäuft, als die paar Goldmünzen in dem Verließ. Du erbst einen regelrechten Fond mit Beteiligungen an verschiedenen Firmen in der Zaubererwelt und in der Muggelwelt. Dieser Muggel-Fond wird von der Henson&Partner-Bank verwaltet, wobei &Partner für eine Beteiligung durch Gringotts steht. Gringotts verwaltet den Fond in der Zaubererwelt. Du kannst daher Transaktionen in die Muggelwelt und andersherum durch Gringotts bzw. Henson & Partner veranlassen. Dein Gringotts-Verließ beinhaltet etwa fünfhunderttausend Gallonen. Dein zweites Gringotts-Verließ beinhaltet ca. zweieinhalb Millionen. Dorthin fließen auch die Erträge aus den Beteiligungen. Du kannst nun, da du volljährig bist, die Verliese zusammenlegen lassen. Dein Bar-Vermögen auf der Muggelbank beträgt zwei Millionen Pfund. Dieser Betrag wird aus deinem Gringotts-Verließ konstant gehalten, da alle Beteiligungserträge, wie auch die Zinsen aus dem Muggelgeld nach Gringotts fließen. Die Kobolde händigen dir die entsprechenden Unterlagen und Geld- bzw. Kreditkarten aus. Es wurde alles schon bei deiner Geburt vorbereitet."

„Wow, das... ist unglaublich." stammelte Harry.

„Es kommt noch etwas. Wie du weißt, hast du auch das Vermögen der Blacks geerbt. Das Haus kennst du schon und nun erhältst du auch Sirius' Verließ. Es enthält neben dreihundertfünfzigtausend Gallonen auch noch ein paar private Gegenstände, wie z.B. sein fliegendes Motorrad. Die Schlüssel für die Verliese bekommst du auch von den Kobolden. Ich schlage vor, wir erledigen das am Samstag."

„Und wann besuchen wir das Potter-Anwesen?"

„Ich denke, das hat noch Zeit. Wenn ich dich vorhin richtig verstanden habe, hast du viel zu tun."

„Ja, das ist wahr."

„Ich würde sagen, wir beziehen es in den Sommerferien. Das heißt, falls du nichts dagegen hast, wenn ich dir etwas Gesellschaft leiste."

„Was, nein im Gegenteil. Ich würde mich freuen."

„Aber du musst noch für mindestens eine Woche zu den Dursleys zurück, um deinen Schutz zu stärken. Außerdem habe ich den dringenden Verdacht, du könntest dort etwas sinnvolles mit dem ganzen Geld anfangen." warf Dumbledore ein und schmunzelte.

„Was möchtest du mit dem Haus der Blacks machen?" fragte Dumbledore.

Harry überlegte kurz. „Ich überlasse es dem Orden. Aber nur unter der Bedingung, dass ihr Kreacher entfernt und alles was an die bösen Blacks erinnert. Außerdem solltet ihr euch etwas einfallen lassen, das dort an Sirius erinnert."

„Einverstanden." sagte Dumbledore ernst, „es wird aber in deinem Eigentum verbleiben, wir betrachten es als gepachtet. Wir könnten es auch schlecht offiziell auf den Orden überschreiben. Außerdem wollen wir es auch nicht als Eigentum, da der Orden nach Beseitigung der Gefahr wieder aufgelöst wird und sich dann nur noch zweimal im Jahr zu Versammlungen trifft. Dort werden eventuelle Bedrohungen diskutiert und gegebenenfalls neue Mitglieder aufgenommen. Diese Versammlungen finden aber meist hier in Hogwarts statt. Vielleicht findest du jemand anderen, der darin wohnen möchte."

„Ich möchte das Grab meiner Eltern besuchen." sagte Harry nun etwas traurig und leise.

„Ich würde vorschlagen, das erledigen wir Samstag mit." sagte Remus.

Harry nickte.

Damit war das Gespräch beendet.

Harry trottete traurig und nachdenklich in den Gemeinschaftsraum zurück.

Dort wurde er stürmisch von seiner Ginny umarmt und er küsste sie zaghaft.

Sie bemerkte seinen Gesichtsausdruck, als sie sich aus der Umarmung löste.

„Harry, was hast du? Du siehst so traurig aus." fragte sie besorgt.

Hermine und Ron gesellten sich zu ihnen, beide schauten ebenfalls besorgt. Harry hatte sich trotz der schweren Zeiten in diesem Jahr sehr gut im Griff, wenn man bedachte, dass er innerhalb eines Jahres Sirius und seine ehemalige Freundin verloren hatte. Daran war nicht zu letzt seine neuen Liebe zu Ginny verantwortlich und seine Fähigkeit, seinen Geist zu verschließen. Aber dieser Gesichtsausdruck erinnerte die beiden zu sehr an die vergangenen Jahre, als er noch von Alpträumen über Cedrics Tod und den Tod seiner Eltern geplagt wurde.

„Ach es ist nichts. Ich wurde gerade an den Tod meiner Eltern und von Sirius erinnert und an Idiras." Ron und Hermine nickten sich verstehend zu.

„Remus hat mir gerade gesagt, wo das Grab meiner Eltern ist. Ich werde es Samstag besuchen."

Ginny umarmte ihn verständnisvoll.

„Möchtest du, dass ich dich begleite?" fragte sie liebevoll.

„Ginny, das würde mir sehr viel bedeuten."

„Dann bin ich dabei."

„Es gibt aber auch ernste Nachrichten. Askaban wurde angegriffen und Voldemorts Anhänger wurden befreit."

Die drei zuckten überrascht zusammen.

„Es wird mit Sicherheit einen neuen Angriff auf Hogwarts geben, aber Dumbledore vermutet, dass wir noch wenigstens vier Monate Zeit haben. Er hat mich gebeten, einige Schüler in der alten Magie zu unterrichten."

„Und was hast du gesagt?" fragte Ginny.

„Ich habe gesagt, ich würde es versuchen und ich würde probieren, Denron dafür zu gewinnen."

„Das ist ja großartig." rief Ginny aus, aber dann sagte sie niedergeschlagen, „Aber dafür werden nur ältere Schüler in Frage kommen, nicht wahr?"

„Das hört sich an, als würdest du es kaum erwarten können, das zu lernen."

„Wenn es denn ginge, schon."

„Um ehrlich zu sein, du warst mein erster Gedanke, Ginny. Du hast das meiste Potential gezeigt." lachte er und ihre Augen leuchteten vor Freude.

„Dann dachte ich noch an euch beide, Remus und Luna."

„Das macht Sinn." sagte Hermine nachdenklich.

„Du musst natürlich nicht mitmachen, Hermine" sie schaute ihn überrascht an, „Denk daran, es gibt keine Bücher zum Lesen."

Ron und Ginny fingen an zu lachen und Hermine gab Harry einen Klaps auf die Schulter.

Dann wurde Harry plötzlich ernst.

„Ihr müsst aber eines wissen, es ist riskant. Ich hatte ein Jahr Zeit das zu lernen. Ihr habt drei Monate. Wir lassen zwar das ganze Schamanentraining weg, aber in der Lernmethode an sich liegt eine Gefahr. Dadurch, dass euch das Wissen sozusagen injiziert wird, könnte es zu einer Überlastung des Geistes kommen. Euer Verstand würde sozusagen ausbrennen. Ihr wärt nicht viel besser dran, als nach dem Kuss eines Dementors. Außerdem könnte Denron oder die Ahnen es ablehnen euch auszubilden."

Die drei sahen ziemlich blass aus. Aber Ginny fasste sich als erste.

„Die Gefahr durch Voldemort ist groß," Ron zuckte immer noch bei der Erwähnung seines Namens zusammen. „deswegen müssen wir zusammenhalten und alles tun, um gut gegen ihn gewappnet zu sein."

Hermine und Ron nickten zustimmend.

„Ich denke, so schlimm ist es auch nicht, denn Denron und die Ahnen werden auch prüfen, ob ihr dazu bereit seid, aber ein Restrisiko bleibt."

„Warum verwandelst du dich nicht in den Drachen und grillst ihn gut durch?" fragte Ron grimmig.

Harry senkte seinen Blick, er überlegte, ob er seine Freunde einweihen sollte. Allerdings würde er zumindest Ginny sowieso einweihen und außerdem wollte er nicht den gleichen Fehler machen, wie Dumbledore und Informationen zurückhalten.

„Drache hat mich informiert, dass eine gewisse Chance besteht, dass ich diese Verwandlung nicht überlebe."

Ginny sah ihn entsetzt an und Ron und Hermine wurden blass.

„Das heißt, du hättest bei dem Angriff allein durch die Verwandlung schon sterben können?" fragte Ginny mit Tränen in den Augen.

„Theoretisch schon." sagte er und umarmte sie, um sie zu trösten.

„Aber die Chance ist nicht sehr hoch, Drache meinte 10-20 Prozent."

„Das nennst du nicht sehr hoch? Ein halbes Prozent ist mir schon zuviel." sagte sie ernst. „Ich möchte nicht, dass du das noch mal tust, auch nicht wenn wir in Gefahr sind, Harry."

 Harry schüttelte ernst den Kopf. „Ginny, ich kann dir das nicht versprechen. Wenn ich eine Chance sehe, euch dadurch zu retten, dass ich mich verwandle, werde ich es tun. Ich würde es sogar tun, wenn die Chance dabei zu sterben 80 Prozent betragen würde. Ich würde mein Leben für dich geben. Und du weißt, dass du nichts tun kannst, um das zu ändern."

Sie sah ihn tränenüberströmt an. „Und wenn ich dich unter diesen Umständen nicht lieben könnte und dich verlassen würde?" schluchzte sie.

Harry sah sie erschrocken an, plötzlich kreideweiß.

„Ginny, du weißt das mir deine Liebe alles bedeutet. Ich hätte ohne dich diese Zeit nicht überstanden. Nur deine Liebe hat mir die Kraft gegeben, das alles durchzustehen. Aber versteh doch. Ich würde das für dich tun, auch wenn ich dich nicht lieben würde und wir nur Freunde wären." Er war nun den Tränen nahe.

„Ich würde es sogar tun, wenn ich dich nicht mal kennen würde, ich könnte nie mit dem Gedanken leben, dass ich nicht alles tun würde, um Unschuldige zu retten."

Sie brach nun endgültig in Tränen aus und rannte in die Mädchen-Schlafsäle.

Er rief er noch hinterher „Ginny..." dann war sie außer Sicht.

„... was hab ich nur getan."

Hermine stand auf und flüsterte Ron ins Ohr „Kümmere dich um ihn."

Dann legte sie beruhigend die Hand auf seine Schulter und sagte „Ich sehe nach ihr. Ich möchte auch nicht, dass du dich für uns opferst, auch wenn es in diesem speziellen Fall nur eine geringe Chance bedeuten würde, dass das passiert. Aber ich verstehe dich auch. Ich bin mir sicher, wir alle würden genauso handeln. Das ist es, was Freundschaft bedeutet und für wahre Liebe gilt das noch viel mehr. Ich versuche mit ihr zu reden. Gib ihr etwas Zeit." Dann ging sie.

Ron schaute Harry hilflos an. Harry war verzweifelt.

„Und, was nun? Willst du mich jetzt fertig machen, wo ich Ginny weh getan habe?" fragte Harry sarkastisch.

Ron sah ihn erschrocken an. Er hatte die Geschehnisse vom letzten Mal noch gut vor Augen.

„Nein, Harry. Das letzte mal war ich im Unrecht und dieses mal wäre ich es auch." sagte er zu Harry, „Ich weiß, dass du es ehrlich meinst, schließlich kenne ich dich jetzt schon eine Weile. Du hast noch nie davor zurückgeschreckt, dein Leben zu riskieren, um andere zu retten, insbesondere nicht, wenn es um Ginny geht. Dafür bin ich dir dankbar. Und ich denke genau das gleiche, wie Hermine. Ich möchte auch nicht, dass du dich für uns opferst, aber ich weiß, dass du es trotzdem jederzeit tun würdest, genau wie wir für dich. Also lass deinen Ärger nicht an mir aus. Du hast es nur gut gemeint und sie auch."

Sie starrten sich wütend an. Dann seufzte Harry und entschuldigte sich bei ihm.

„Eine Partie Zaubererschach?" fragte Ron.

„Hmmm, wenn du einen leichten Sieg willst, mir soll es recht sein."

Sie hatten schon lange nicht mehr gespielt und Ron wurde durch Harrys Züge überrascht. Er unterhielt sich lange mit seinen Figuren, bevor er einen Zug machte. Da Rons Figuren schon viel Spiel-Erfahrung besaßen, hatte Ron einen großen Vorteil. Ron wusste nicht, dass Harry diesen Vorteil nun ausglich, indem er sich mit Drache, Adler und Wolf unterhielt und Drache war ein guter Stratege.

Schließlich hatte Harry Rons König in die Ecke gedrängt, aber scheinbar übersehen, dass Ron nun seinen Springer mit dem König schlagen konnte, was dieser auch tat.

Doch nun zog Harry seine Dame quer über das ganze Spielfeld: „Schach und matt!"

„Nein!" rief Ron „Das kann nicht sein! Du hast mich noch nie geschlagen!"

Plötzlich spürte Harry Hände auf seiner Schulter: „Was ist los?" fragte Ginny mit unsicherer Stimme.

Harrys Kopf schoss herum. Ginny hatte immer noch rote verquollene Augen, aber sie weinte nicht mehr.

„Ach, Harry hat mich geschlagen..." sagte er aufgewühlt und bei diesen Worten schlich sich der Ansatz eines Lächelns in Ginnys Gesicht. Niemand schlug ihren Bruder so leicht, „... Ginny, du bist wieder da, ähh, ich geh mal nach Hermine schauen."

 Ginny setzte sich auf Harrys Schoß. „Ginny, es tut mir leid..."

„Nein, Harry. Mir tut es leid. Ich weiß, dass du nur ehrlich warst." sagte sie ernst.

„Und nun? Möchtest du dich von mir trennen?" fragte er leise.

Sie sah ihm ängstlich in die Augen.

„Nein, Harry. Ich liebe dich viel zu sehr. Und wie du mir klar gemacht hast, würde das auch nichts ändern, sondern nur uns beiden weh tun. Hermine hat mir klar gemacht, dass das deine Art ist und das wir alle uns im Endeffekt nicht anders verhalten würden. Außerdem ist mir klar geworden, dass genau diese Einsatzbereitschaft Unschuldige zu retten, ein Grund dafür ist, warum ich dich so sehr liebe."

Sie gab ihm einen zärtlichen Kuss.

„Harry, kannst du mir vielleicht das Schamanentraining trotz der kurzen Zeit beibringen? Ich möchte so viel lernen, wie es geht, damit ich dir so hilfreich sein kann, wie möglich. Vielleicht schaffe ich es auch, ein Totem zu finden und mich zu verwandeln."

Harry überlegte. „Ich könnte es parallel zum Training versuchen, aber nur wenn du dich nicht in einen Drachen verwandelst." fügte er scherzhaft hinzu.

Kurze Zeit später kamen Hermine und Ron wieder zu ihnen, als sie bemerkt hatten, dass die Krise überstanden war.

„Ich war eigentlich noch nicht fertig. Es gibt noch ein paar andere Neuigkeiten."

„Was denn noch?"

„Dumbledore will mich in den Orden aufnehmen."

„Das ist ja Klasse!" rief Ron, aber Ginny sah ihn nachdenklich an.

„Das bedeutet noch mehr Last auf deinen Schultern." sagte sie besorgt.

„Ich weiß, das stört mich nicht, da die Ziele des Ordens sowieso die meinen sind. Ich weiß nur nicht, ob ich Dumbledore so weit vertraue."

„Ich glaube, er hat seine Lektion gelernt, Harry." sagte sie und Hermine nickte zustimmend.

„Ich denke, ich werde mich dem Orden anschliessen."

„Ich dachte, sie würden nur volljährige Zauberer akzeptieren." sagte Hermine.

„Das ist die nächste Neuigkeit, oder eigentlich auch nicht."

Ginny schaute plötzlich überrascht: „Er ist doch volljährig."

Hermine und Ron schauten sie fragend an.

„Ist doch klar. Harry ist sechzehn, aber er war ein Jahr mit Denron und Idira in der Vergangenheit, das heißt er ist nicht sechzehn sondern siebzehn und da ist man bei den Zauberern volljährig."

Harry schaute plötzlich wieder traurig.

„Oh, entschuldige Harry. Es tut mir leid, ich wollte dich nicht an sie erinnern." sagte Ginny betrübt.

„Ist schon gut, mein Engel."

„Ja, ich bin volljährig. Remus hat mich über mein Erbe informiert. Ich habe Sirius und meiner Eltern Vermögen geerbt. Das Haus von Sirius überlasse ich bis auf weiteres dem Orden. Godrics Hollow ist ein Denkmal, habe ich erfahren und dort sind auch meine Eltern begraben, aber eigentlich gehört das Land mir."

„Wow. Aber wenn dort kein Haus steht und du Sirius' Haus dem Orden überlässt, wo wirst du dann wohnen?"

„Ich muss im Sommer noch eine Woche zu den Dursleys, dann kann ich in mein neues Haus ziehen, nach Potters Place. Mein Vater hatte von seiner Familie scheinbar noch ein kleines Anwesen geerbt, was meine Mutter wohl nicht bewohnen wollte. Dort werde ich den Rest des Sommers wohnen."

„Das ist ja großartig, Harry." sagte Ginny, die sich für ihren Liebsten freute.

„Würdest du den Sommer dort mit mir verbringen?" fragte er sie.

Sie schaute zweifelnd: „Wenn mich meine Mutter lässt, würde ich das gern tun."

Harry war glücklich.

„Ich würde mich natürlich auch über euren Besuch freuen."

Die beiden nickten begeistert.

„Ich werde Samstag dann mit Ginny und Remus zu dem Grab meiner Eltern gehen und dann muss ich noch zu Gringotts, wegen dem Erbe. Sonntag werde ich Denron besuchen auch mit Remus und mit Ginny, wenn du möchtest." Sie nickte begeistert.

„Gut, dann frage ich morgen früh Luna und morgen und Freitag nachmittag werden wir Meditation üben. Mit Ginny werde ich dann abends weiter machen."

„Wieso?" fragte Ron misstrauisch.

„Nicht was du schon wieder denkst" sagte Ginny schnippisch „Das was wir abends oder nachts machen, geht dich nichts an, mal abgesehen davon, dass es sowieso zu spät wäre." fügte sie mit einem frechen Grinsen hinzu.

„Heißt das, dass ihr...." bellte er wütend. Harry schaute Ginny entsetzt an und wurde rot wie eine Tomate.

„...nein, ich will es gar nicht wissen. Schon alleine bei der Vorstellung bekomme ich Albträume. Danke. Warte ab, wenn unsere Mutter davon erfährt."

„Oh ja, erzähl es ihr ruhig. Vielleicht klärt sie dich dann ja auch auf, wie sie es mit mir gemacht hat und vielleicht gibst du Hermine dann ja endlich, worauf sie schon so lange wartet." sagte sie spöttisch und feixte.

„Ginny!" riefen Harry und Hermine wie aus einem Mund.

„Heißt das, dass Mutter davon wusste? Moment mal. Hermine..." und er flüsterte ihr etwas ins Ohr. Sie flüsterte etwas zurück und er wurde rot. „Es tut mir leid, Hermy, ich wusste nicht..." sie legte ihm einen Finger auf die Lippen und brachte ihm zu schweigen.

„Ich wollte eigentlich nur sagen, dass Ginny mich überredet hat, ihr trotz unserer knappen Zeit, das Wissen der Schamanen zu lehren."

Hermine und Ron sahen sie überrascht an.

„Du hast doch die ZAG-Prüfungen!" rief Hermine entsetzt.

„Hermine, du solltest dringend deine Prioritäten klären!" sagte Ginny und Harry und Ron sahen sich an und feixten.

„Was?" fuhr Hermine sie an.

„Das gleiche haben wir auch gesagt, als wir dem Fluffy entkommen waren und du dich mit den Worten verabschiedet hast: „Wir hätten umkommen können, ja sie könnten uns sogar rausschmeißen." antwortete Ron, genau ihren Tonfall damals imitierend.

Harry lachte die ganze Zeit und Ginny stimmte mit ein. Schließlich lachte auch Hermine.

„Außerdem bin ich gut vorbereitet. Ich hatte schließlich ein gutes Vorbild, nicht wahr, Hermy."

„Wage es ja nicht. Nur Ron darf mich so nennen." sagte sie drohend, sich bemühend, ein Grinsen zu verkneifen.

„Und Gwarp.." fügte Harry lachend hinzu.

„Erinnere mich nicht daran!"