Ameron
Disclaimer: Keine der wundervollen Charaktere Tolkiens gehören mir, allerdings ist der Held der Geschichte meiner Phantasie entsprungen!
Rating: PG 13, wegen teilweise blutigen Szenen...
Inhalt: Der zehnjährige Ameron verliert zur Zeit des Ringkrieges bei einem brutalen Überfall seine gesamte Familie. Er rettet sich in den Wald und lernt, sein Schicksal zu meistern. Im Laufe der Zeit entwickelt er sich zu einem tapferen jungen Mann, dessen Leben eines Tages eine unvorhergesehene Wende nimmt, als er eine kleine Person im Wasser des Flusses treiben sieht...
Der Vater saß auf dem Dach des Stalles und schlug mit schwungvoller Hand die Nägel ein, die das Brett an seinem Platz halten sollen. Nach dem schweren Unwetter letzte Nacht hatte das alte Gebäude ziemlich gelitten. Die Mutter stand an der Tür und winkte, während Samina und Serina, die Zwillingsschwestern, vor dem Haus so ausgelassen herumtobten, wie es sich für achtjährige Mädchen gehörte. Es war ein wunderschöner Morgen, strahlendblauer Himmel und die Sonne schien bereits warm und hell. Die Vögel begrüßten laut den noch jungen Tag. Mit einem Male verdunkelte sich der Himmel, schwarze Wolken zogen auf. Ein Unwetter? Nein, es war Rauch, der die Sonne zum Verschwinden brachte, statt des Vogelsangs war plötzlich nur noch Schreie, Orkgebrüll und Waffenlärm zu hören! Und immer wieder diese gellenden Schreie, wenn ein Mensch von einem Schwert oder einem Pfeil durchbohrt wurde! Ein Schrei! Schweißgebadet erwachte der Junge und sah sich verstört um, ängstlich in die Dunkelheit lauschend. Allmählich wurde ihm klar, dass es sein eigener Schrei gewesen war, der ihn aus diesem Alptraum erwachen ließ. Der Junge, er zählte eben einmal zehn Sommer, schlug die Hände vors Gesicht und begann herzzerreißend zu weinen. Er wusste, es war nicht einfach ein gewöhnlicher Alptraum, den man von einer gruseligen Geschichte bekam, nein, er hatte nur das geträumt, was er am Tage zuvor erlebt hatte. Unglücklich versuchte der Junge wieder, es sich in der Astgabel des Baumes, auf dem er Zuflucht gefunden hatte, so bequem wie möglich zu machen. Morgen würde er in das Dorf zurückkehren und nach seiner Familie suchen. Sie würden ihn bestimmt schon vermissen!
Noch bevor die Sonne aufging, war der Junge auf dem Weg zum Dorf zurück, immer ängstlich umsehend, ob da nicht einer der böses Menschen hinter ihm wäre. Jedes Blätterrascheln und Knacken eines Ästchens ließen ihn erschrocken zusammenfahren. Die Schritte wurden immer schneller, bis der Junge endlich zu laufen begann. In wilder Jagd ging es über Äste, Wurzeln und kleine Gräben, auf das Dorf zu, wo er gewiss bereits sehnsüchtig von seiner Familie erwartet werden würde!
Am Waldrand hielt er mit einem Male an und spähte durch das Dickicht. Das Dorf lag ruhig da, vereinzelt zogen Rauchfahnen in den Himmel, der sich rot verfärbt hatte, als ob er zeigen wollte, was geschehen war. Der Junge ging langsam weiter, irgendetwas schien seine Schritte zu hemmen, er kämpfte gegen das Gefühl an, auf der Stelle kehrtzumachen und wieder zurück in den Wald zu laufen. Endlich hatte er die ersten Häuser erreicht und es stockte ihm der Atem. Fassungslos starrte er vor sich auf den Boden und schluckte. Fang, der Hund des Dorfältesten, lag mitten auf der Strasse, seine toten Augen schienen den Jungen fragend anzustarren, als wollte er den Grund wissen, warum er sterben musste. Ein Schluchzen entfuhr der Kehle des Kindes, es war sein liebster Spielgefährte gewesen, der da vor ihm lag, den Kopf vom Körper getrennt. Der Junge hob seinen Blick und die Tränen begannen über seine Wangen zu rollen. Ein wenig entfernt von dem Kadaver sah er den alten Norgas, ein Pfeil steckte in seiner Brust. Langsam begriff er, was er da sah. Panik machte sich in seinem jungen Herzen breit, wo war seine Familie? Er lief wie von Sinnen weiter, sprang über Leichen, Frauen, die ihre Säuglinge im Arm hielten, Männer, die sich erbittert gegen einen übermächtigen Feind zur Wehr gesetzt haben. Mit Heugabeln, Schlegeln und anderen Werkzeugen hatten sie versucht, ihre Familien zu schützen. Es waren fast ausnahmslos Bauern, die wenigsten hatten in ihrem Leben jemals ein Schwert in der Hand gehalten oder gar besessen.
Als er schließlich stolperte und zu Boden stürzte, entfuhr seiner Kehle ein lauter Schrei! Torben, sein bester Freund, lag vor ihm, blutüberströmt und grausam zugerichtet. Die beiden Jungen waren gleich alt gewesen und unzertrennlich. In dem Dorf hatte man sie scherzhaft "die Zwillinge" genannt, nie war einer ohne den anderen anzutreffen. Zitternd streckte der Junge seine Hand nach dem Freunde aus, zog sie aber wieder zurück, ohne ihn berührt zu haben. Schwankend erhob er sich wieder und taumelte wie in Trance weiter. Endlich war sein Elternhaus zu sehen. Der Junge wollte aufatmen, aber dann sah er eine Person vor dem Haus liegen und ein furchtbarer Gedanke keimte in dem Kind auf. Er begann zu laufen und fiel vor seinem Vater auf die Knie. Er hatte ihm den Rücken zugewandt und bewegte sich nicht. "Papa?" Die Stimme des Jungen zitterte. "Papa? Ich bin´s, Ameron! Wach auf, es ist alles vorbei!" Er rüttelte den Mann an der Schulter und drehte ihn zu sich. Als Ameron das viele Blut sah, schrie er laut auf. Sein Vater starrte mit leblosen Augen an ihm vorbei in den Himmel, der tiefe Schnitt an seinem Hals klaffte weit auf. Erschrocken sprang das Kind auf und taumelte ein paar Schritte zurück, die Augen in Panik geweitet. Weinend lief er ins Haus. "MAMA!" schrie er so laut er konnte, aber er bekam keine Antwort. Verzweifelt begann er nach seiner Mutter zu suchen, aber die Räume waren leer, kein Mensch war zu sehen. Ameron lief zur Hintertüre hinaus, in den Garten, wo er sich suchend umsah. Dort, unterm Kirschbaum, entdeckte er etwas Grünes im Gras liegen. Er erinnerte sich an Mutters Kleid, das sie gestern getragen hatte. Es war ihr grünes Lieblingskleid, das sie meist an hatte. "Mama? Bist du da?" fragte er mit leiser Stimme. Er hatte die Worte leise gesprochen, als ob er Angst vor der Antwort hätte. Langsam ging der Junge auf den Baum zu, den Blick starr auf das Grün gerichtet, das sachte vom Wind bewegt wurde. Als er dort angekommen war, blieb er stehen. Unbeweglich stand er eine ganze Weile da und sah seine tote Mutter an, unfähig zu begreifen, was er sah. Sie lag da, als ob sie ein Schläfchen unter dem Baum hielt, so, wie sie es in letzter Zeit oft getan hatte. Wenn er sie gefragt hatte, warum sie immer so müde war, lachte sie und antwortete: "Dein Geschwisterchen macht es mir schwer, in der Nacht genügend Schlaf zu bekommen, da ist es meist wach und tritt mich kräftig in den Bauch. Tagsüber schläft es dafür und ich muss sehen, dass ich mich auch ein wenig ausruhen kann!" Bei diesen Worten hatte sie immer eine Hand auf ihrem großen Bauch liegen. Auch jetzt ruhte eine Hand auf ihrem Bauch, aber sie schien einen Pfeil zu umklammern, der genau dort steckte, wo seine kleine Schwester oder sein kleiner Bruder sein musste. Nun sah Ameron auch die anderen Pfeile, die seine Mutter in ihrer Brust und in ihrem Hals stecken hatte. Er kniete sich neben sie hin und griff ihre kalte Hand. "Mama, bitte wach auf" flüsterte er leise und wusste mit einem Mal, dass sie nicht aufwachen würde. Nie wieder! Leise weinend kauerte sich der Junge neben sie und legte ihren leblosen Arm über sich, so wie sie es immer getan hatte, wenn er zu ihr ins Bett gekrochen kam. Sein kleines Herz schmerzte vor Trauer und irgendwann hatte er sich in den Schlaf geweint.
Ameron wusste im ersten Moment nicht, wo er war. Verschlafen sah er sich um und langsam kam ihm die Erinnerung wieder. Er stand auf und verstört blickte er sich um. Seine Eltern waren beide tot, und seine Schwestern... wo waren sie überhaupt? Ameron hatte sie völlig vergessen gehabt! Wie besessen begann er nach ihnen zu suchen, jedes Versteck, das er kannte wurde auf den Kopf gestellt, aber die beiden Mädchen blieben wie von Erdboden verschluckt. Schließlich gab er die Suche auf und die Tränen kamen ihm wieder hoch. Ameron fühlte sich so einsam und verlassen wie nie zuvor in seinem Leben. Was sollte er nun tun? Wer würde für ihn sorgen, er war ja noch zu jung, um alleine überleben zu können! Hilflos stand er da und wünschte sich, auch tot zu sein. Aber er war am Leben! Sein Herz sagte ihm, dass er seine Eltern beerdigen musste, ihnen die ewige Ruhe geben, die sie nur in einem Grab finden würden. Er kannte die Bräuche seines Volkes, oft war er dabei gewesen, wenn eine Beerdigung stattgefunden hatte. Schwankend ging er in die Scheune und holte dort eine Schaufel, mit der er begann, unter dem Kirschbaum ein Grab auszuheben. Dort, wo seine Eltern immer gerne zusammen gesessen und den Sonnenuntergang beobachtet hatten, sollten sie ihre Ruhe finden!
Ameron ging mit einer Ernsthaftigkeit seinen Gedanken nach, die für einen Zehnjährigen nicht normal war. Aber er war immer so gewesen, den Kindern seines Alters immer weit voraus. Er konnte früher sitzen und laufen, das Erlernen der Sprache war ihm leichtgefallen und als ihm sein Vater lesen und schreiben lehrte, war er ein eifriger und wissbegieriger Schüler gewesen. "Der Junge ist hochintelligent, er weiß bald mehr, als ich ihm jemals lehren kann!" sagte sein Vater stolz zu seinen Freunden. Viele Stunden hatte der Junge unermüdlich gegraben, seine kleinen Hände waren bereits von Blasen übersät, aber sein Wille befahl ihm, weiterzumachen. Endlich erschien ihm das Grab gut genug zu sein, die Ruhestatt seiner Eltern zu sein. Ameron legte die Schaufel beiseite und ging in die Scheune um den Handkarren zu holen. Seine Mutter hatte immer mit ihm das Gemüse und die Heilkräuter auf den Markt gefahren, nun würde er seinen Vater zum Kirschbaum bringen. Ameron wusste später nicht mehr, wie er den Vater, ein sehr großer, kräftiger Mann, auf den Wagen bekommen hatte, aber der Junge hatte es irgendwie geschafft.
Schließlich stand er vor dem offenen Grab seiner Eltern und sah sie lange Zeit stumm an. Der Junge hatte sie mit einer Decke zugedeckt, damit sie nicht in der kalten Erde frieren mussten und schließlich begann er, leise zu sprechen: "Ihr Valar, hört mir zu: Ich, Ameron, Sohn von Thuron und Amrin, bitte euch, beschützt sie und nehmt sie gnädig auf!" Er senkte den Kopf und sprach im Stillen ein Gebet, dass ihm seine Mutter gelehrt hatte. Dann fuhr er fort, diesmal mit lauter und fester Stimme, die von einer Reife und Stärke zeugte, die man einem zehnjährigen Jungen niemals zugestehen würde: "Mama, Papa, ich schwöre euch, dass die Bestien dafür bezahlen werden, was sie euch angetan haben! Solange ich lebe, werde ich jeden Ork und jeden Mann, der unter Saurons Befehl steht, töten!" Die kleine Gestalt hatte sich gestrafft und die braunen Augen des Jungen blitzten entschlossen auf.
Als die Eltern bestattet waren, nahm Ameron den Handkarren seiner Mutter und suchte im Haus alles, was er zum Überleben brauchen würde, zusammen. Er wusste, dass es nur eine Frage der Zeit war, bis der Feind zurückkehren würde. In Vaters Schrank fand er seinen Bogen und den Köcher mit Pfeilen, die er ebenso auf den Wagen lud wie sein Schwert, das beinahe so groß war wie Ameron selbst. Es würde ihm ein kostbares Andenken an seinen Vater sein, der als einziger Mann in diesem Dorf das Kriegshandwerk erlernt hatte. Einst stand er unter dem Dienst Denethors und kämpfte im Namen Gondors gegen die Bedrohung aus Mordor. Auch das Jagdmesser nahm der Junge an sich. Mit entschlossenem Blick befestigte er die lederne Scheide der Waffe an seinem Gürtel und steckte das Messer hinein. Als Erinnerung an seine geliebte Mutter hatte er sich ihr Amulett um den Hals gelegt, dass sie stets bei sich getragen hatte. Der Junge warf noch einen letzten Blick auf den Kirschbaum, unter dem seine Eltern den ewigen Schlaf schliefen und er machte sich auf den Weg zurück in den Wald. Sein Ziel war eine alte, verlassene Jagdhütte, die er vor einiger Zeit bei seinen Streifzügen entdeckt hatte. Sie sollte sein neues Zuhause werden. Hier, tief im Wald versteckt, würden ihn die Bestien nicht finden können!
Disclaimer: Keine der wundervollen Charaktere Tolkiens gehören mir, allerdings ist der Held der Geschichte meiner Phantasie entsprungen!
Rating: PG 13, wegen teilweise blutigen Szenen...
Inhalt: Der zehnjährige Ameron verliert zur Zeit des Ringkrieges bei einem brutalen Überfall seine gesamte Familie. Er rettet sich in den Wald und lernt, sein Schicksal zu meistern. Im Laufe der Zeit entwickelt er sich zu einem tapferen jungen Mann, dessen Leben eines Tages eine unvorhergesehene Wende nimmt, als er eine kleine Person im Wasser des Flusses treiben sieht...
Der Vater saß auf dem Dach des Stalles und schlug mit schwungvoller Hand die Nägel ein, die das Brett an seinem Platz halten sollen. Nach dem schweren Unwetter letzte Nacht hatte das alte Gebäude ziemlich gelitten. Die Mutter stand an der Tür und winkte, während Samina und Serina, die Zwillingsschwestern, vor dem Haus so ausgelassen herumtobten, wie es sich für achtjährige Mädchen gehörte. Es war ein wunderschöner Morgen, strahlendblauer Himmel und die Sonne schien bereits warm und hell. Die Vögel begrüßten laut den noch jungen Tag. Mit einem Male verdunkelte sich der Himmel, schwarze Wolken zogen auf. Ein Unwetter? Nein, es war Rauch, der die Sonne zum Verschwinden brachte, statt des Vogelsangs war plötzlich nur noch Schreie, Orkgebrüll und Waffenlärm zu hören! Und immer wieder diese gellenden Schreie, wenn ein Mensch von einem Schwert oder einem Pfeil durchbohrt wurde! Ein Schrei! Schweißgebadet erwachte der Junge und sah sich verstört um, ängstlich in die Dunkelheit lauschend. Allmählich wurde ihm klar, dass es sein eigener Schrei gewesen war, der ihn aus diesem Alptraum erwachen ließ. Der Junge, er zählte eben einmal zehn Sommer, schlug die Hände vors Gesicht und begann herzzerreißend zu weinen. Er wusste, es war nicht einfach ein gewöhnlicher Alptraum, den man von einer gruseligen Geschichte bekam, nein, er hatte nur das geträumt, was er am Tage zuvor erlebt hatte. Unglücklich versuchte der Junge wieder, es sich in der Astgabel des Baumes, auf dem er Zuflucht gefunden hatte, so bequem wie möglich zu machen. Morgen würde er in das Dorf zurückkehren und nach seiner Familie suchen. Sie würden ihn bestimmt schon vermissen!
Noch bevor die Sonne aufging, war der Junge auf dem Weg zum Dorf zurück, immer ängstlich umsehend, ob da nicht einer der böses Menschen hinter ihm wäre. Jedes Blätterrascheln und Knacken eines Ästchens ließen ihn erschrocken zusammenfahren. Die Schritte wurden immer schneller, bis der Junge endlich zu laufen begann. In wilder Jagd ging es über Äste, Wurzeln und kleine Gräben, auf das Dorf zu, wo er gewiss bereits sehnsüchtig von seiner Familie erwartet werden würde!
Am Waldrand hielt er mit einem Male an und spähte durch das Dickicht. Das Dorf lag ruhig da, vereinzelt zogen Rauchfahnen in den Himmel, der sich rot verfärbt hatte, als ob er zeigen wollte, was geschehen war. Der Junge ging langsam weiter, irgendetwas schien seine Schritte zu hemmen, er kämpfte gegen das Gefühl an, auf der Stelle kehrtzumachen und wieder zurück in den Wald zu laufen. Endlich hatte er die ersten Häuser erreicht und es stockte ihm der Atem. Fassungslos starrte er vor sich auf den Boden und schluckte. Fang, der Hund des Dorfältesten, lag mitten auf der Strasse, seine toten Augen schienen den Jungen fragend anzustarren, als wollte er den Grund wissen, warum er sterben musste. Ein Schluchzen entfuhr der Kehle des Kindes, es war sein liebster Spielgefährte gewesen, der da vor ihm lag, den Kopf vom Körper getrennt. Der Junge hob seinen Blick und die Tränen begannen über seine Wangen zu rollen. Ein wenig entfernt von dem Kadaver sah er den alten Norgas, ein Pfeil steckte in seiner Brust. Langsam begriff er, was er da sah. Panik machte sich in seinem jungen Herzen breit, wo war seine Familie? Er lief wie von Sinnen weiter, sprang über Leichen, Frauen, die ihre Säuglinge im Arm hielten, Männer, die sich erbittert gegen einen übermächtigen Feind zur Wehr gesetzt haben. Mit Heugabeln, Schlegeln und anderen Werkzeugen hatten sie versucht, ihre Familien zu schützen. Es waren fast ausnahmslos Bauern, die wenigsten hatten in ihrem Leben jemals ein Schwert in der Hand gehalten oder gar besessen.
Als er schließlich stolperte und zu Boden stürzte, entfuhr seiner Kehle ein lauter Schrei! Torben, sein bester Freund, lag vor ihm, blutüberströmt und grausam zugerichtet. Die beiden Jungen waren gleich alt gewesen und unzertrennlich. In dem Dorf hatte man sie scherzhaft "die Zwillinge" genannt, nie war einer ohne den anderen anzutreffen. Zitternd streckte der Junge seine Hand nach dem Freunde aus, zog sie aber wieder zurück, ohne ihn berührt zu haben. Schwankend erhob er sich wieder und taumelte wie in Trance weiter. Endlich war sein Elternhaus zu sehen. Der Junge wollte aufatmen, aber dann sah er eine Person vor dem Haus liegen und ein furchtbarer Gedanke keimte in dem Kind auf. Er begann zu laufen und fiel vor seinem Vater auf die Knie. Er hatte ihm den Rücken zugewandt und bewegte sich nicht. "Papa?" Die Stimme des Jungen zitterte. "Papa? Ich bin´s, Ameron! Wach auf, es ist alles vorbei!" Er rüttelte den Mann an der Schulter und drehte ihn zu sich. Als Ameron das viele Blut sah, schrie er laut auf. Sein Vater starrte mit leblosen Augen an ihm vorbei in den Himmel, der tiefe Schnitt an seinem Hals klaffte weit auf. Erschrocken sprang das Kind auf und taumelte ein paar Schritte zurück, die Augen in Panik geweitet. Weinend lief er ins Haus. "MAMA!" schrie er so laut er konnte, aber er bekam keine Antwort. Verzweifelt begann er nach seiner Mutter zu suchen, aber die Räume waren leer, kein Mensch war zu sehen. Ameron lief zur Hintertüre hinaus, in den Garten, wo er sich suchend umsah. Dort, unterm Kirschbaum, entdeckte er etwas Grünes im Gras liegen. Er erinnerte sich an Mutters Kleid, das sie gestern getragen hatte. Es war ihr grünes Lieblingskleid, das sie meist an hatte. "Mama? Bist du da?" fragte er mit leiser Stimme. Er hatte die Worte leise gesprochen, als ob er Angst vor der Antwort hätte. Langsam ging der Junge auf den Baum zu, den Blick starr auf das Grün gerichtet, das sachte vom Wind bewegt wurde. Als er dort angekommen war, blieb er stehen. Unbeweglich stand er eine ganze Weile da und sah seine tote Mutter an, unfähig zu begreifen, was er sah. Sie lag da, als ob sie ein Schläfchen unter dem Baum hielt, so, wie sie es in letzter Zeit oft getan hatte. Wenn er sie gefragt hatte, warum sie immer so müde war, lachte sie und antwortete: "Dein Geschwisterchen macht es mir schwer, in der Nacht genügend Schlaf zu bekommen, da ist es meist wach und tritt mich kräftig in den Bauch. Tagsüber schläft es dafür und ich muss sehen, dass ich mich auch ein wenig ausruhen kann!" Bei diesen Worten hatte sie immer eine Hand auf ihrem großen Bauch liegen. Auch jetzt ruhte eine Hand auf ihrem Bauch, aber sie schien einen Pfeil zu umklammern, der genau dort steckte, wo seine kleine Schwester oder sein kleiner Bruder sein musste. Nun sah Ameron auch die anderen Pfeile, die seine Mutter in ihrer Brust und in ihrem Hals stecken hatte. Er kniete sich neben sie hin und griff ihre kalte Hand. "Mama, bitte wach auf" flüsterte er leise und wusste mit einem Mal, dass sie nicht aufwachen würde. Nie wieder! Leise weinend kauerte sich der Junge neben sie und legte ihren leblosen Arm über sich, so wie sie es immer getan hatte, wenn er zu ihr ins Bett gekrochen kam. Sein kleines Herz schmerzte vor Trauer und irgendwann hatte er sich in den Schlaf geweint.
Ameron wusste im ersten Moment nicht, wo er war. Verschlafen sah er sich um und langsam kam ihm die Erinnerung wieder. Er stand auf und verstört blickte er sich um. Seine Eltern waren beide tot, und seine Schwestern... wo waren sie überhaupt? Ameron hatte sie völlig vergessen gehabt! Wie besessen begann er nach ihnen zu suchen, jedes Versteck, das er kannte wurde auf den Kopf gestellt, aber die beiden Mädchen blieben wie von Erdboden verschluckt. Schließlich gab er die Suche auf und die Tränen kamen ihm wieder hoch. Ameron fühlte sich so einsam und verlassen wie nie zuvor in seinem Leben. Was sollte er nun tun? Wer würde für ihn sorgen, er war ja noch zu jung, um alleine überleben zu können! Hilflos stand er da und wünschte sich, auch tot zu sein. Aber er war am Leben! Sein Herz sagte ihm, dass er seine Eltern beerdigen musste, ihnen die ewige Ruhe geben, die sie nur in einem Grab finden würden. Er kannte die Bräuche seines Volkes, oft war er dabei gewesen, wenn eine Beerdigung stattgefunden hatte. Schwankend ging er in die Scheune und holte dort eine Schaufel, mit der er begann, unter dem Kirschbaum ein Grab auszuheben. Dort, wo seine Eltern immer gerne zusammen gesessen und den Sonnenuntergang beobachtet hatten, sollten sie ihre Ruhe finden!
Ameron ging mit einer Ernsthaftigkeit seinen Gedanken nach, die für einen Zehnjährigen nicht normal war. Aber er war immer so gewesen, den Kindern seines Alters immer weit voraus. Er konnte früher sitzen und laufen, das Erlernen der Sprache war ihm leichtgefallen und als ihm sein Vater lesen und schreiben lehrte, war er ein eifriger und wissbegieriger Schüler gewesen. "Der Junge ist hochintelligent, er weiß bald mehr, als ich ihm jemals lehren kann!" sagte sein Vater stolz zu seinen Freunden. Viele Stunden hatte der Junge unermüdlich gegraben, seine kleinen Hände waren bereits von Blasen übersät, aber sein Wille befahl ihm, weiterzumachen. Endlich erschien ihm das Grab gut genug zu sein, die Ruhestatt seiner Eltern zu sein. Ameron legte die Schaufel beiseite und ging in die Scheune um den Handkarren zu holen. Seine Mutter hatte immer mit ihm das Gemüse und die Heilkräuter auf den Markt gefahren, nun würde er seinen Vater zum Kirschbaum bringen. Ameron wusste später nicht mehr, wie er den Vater, ein sehr großer, kräftiger Mann, auf den Wagen bekommen hatte, aber der Junge hatte es irgendwie geschafft.
Schließlich stand er vor dem offenen Grab seiner Eltern und sah sie lange Zeit stumm an. Der Junge hatte sie mit einer Decke zugedeckt, damit sie nicht in der kalten Erde frieren mussten und schließlich begann er, leise zu sprechen: "Ihr Valar, hört mir zu: Ich, Ameron, Sohn von Thuron und Amrin, bitte euch, beschützt sie und nehmt sie gnädig auf!" Er senkte den Kopf und sprach im Stillen ein Gebet, dass ihm seine Mutter gelehrt hatte. Dann fuhr er fort, diesmal mit lauter und fester Stimme, die von einer Reife und Stärke zeugte, die man einem zehnjährigen Jungen niemals zugestehen würde: "Mama, Papa, ich schwöre euch, dass die Bestien dafür bezahlen werden, was sie euch angetan haben! Solange ich lebe, werde ich jeden Ork und jeden Mann, der unter Saurons Befehl steht, töten!" Die kleine Gestalt hatte sich gestrafft und die braunen Augen des Jungen blitzten entschlossen auf.
Als die Eltern bestattet waren, nahm Ameron den Handkarren seiner Mutter und suchte im Haus alles, was er zum Überleben brauchen würde, zusammen. Er wusste, dass es nur eine Frage der Zeit war, bis der Feind zurückkehren würde. In Vaters Schrank fand er seinen Bogen und den Köcher mit Pfeilen, die er ebenso auf den Wagen lud wie sein Schwert, das beinahe so groß war wie Ameron selbst. Es würde ihm ein kostbares Andenken an seinen Vater sein, der als einziger Mann in diesem Dorf das Kriegshandwerk erlernt hatte. Einst stand er unter dem Dienst Denethors und kämpfte im Namen Gondors gegen die Bedrohung aus Mordor. Auch das Jagdmesser nahm der Junge an sich. Mit entschlossenem Blick befestigte er die lederne Scheide der Waffe an seinem Gürtel und steckte das Messer hinein. Als Erinnerung an seine geliebte Mutter hatte er sich ihr Amulett um den Hals gelegt, dass sie stets bei sich getragen hatte. Der Junge warf noch einen letzten Blick auf den Kirschbaum, unter dem seine Eltern den ewigen Schlaf schliefen und er machte sich auf den Weg zurück in den Wald. Sein Ziel war eine alte, verlassene Jagdhütte, die er vor einiger Zeit bei seinen Streifzügen entdeckt hatte. Sie sollte sein neues Zuhause werden. Hier, tief im Wald versteckt, würden ihn die Bestien nicht finden können!
