Disclaimer: Keine der wundervollen Charaktere Tolkiens gehören mir, allerdings ist der Held der Geschichte meiner Phantasie entsprungen!

Rating: PG 13, wegen teilweise blutigen Szenen...

Ameron wagte nicht zu atmen. Gespannt saß er unter einem Gebüsch und beobachtete ängstlich die Männer, die den Waldrand abzusuchen schienen.

"Ich könnte schwören, jemanden gesehen zu haben! Es war eine kleine Person, ein Kind oder ein Hobbit!" rief der eine Mann, der Ameron am nächsten stand, seinem Kameraden zu. "Ach was! Ich glaube eher, dass du ein Reh oder ein anderes Tier gesehen hast! Das Massaker da drüben hat niemand überlebt, schon gar kein Kind! Und was sollte ein Halbling hier, außerhalb der Grenzen zum Auenland?" Der Waldläufer schüttelte den Kopf und ging noch ein paar Schritte, bis er genau vor dem Gehölz stand, unter dem der Junge sich zusammengekauert hatte. "Ich fürchte, dass du recht hast, da ist doch nichts! Aber irgend jemand muss überlebt haben, hast du nicht das Grab gesehen, das unter dem Baum liegt? Die Erde ist noch frisch, wenige Tage erst ist es her, dass jemand dort beerdigt worden war!" Ameron hielt die Luft an. Sie hatten das Grab entdeckt! Er hoffte inständig, dass sie seine Eltern in Frieden ruhen lassen würden, aber bei den Teufeln Saurons konnte ja man nie wissen! Ameron war der festen Überzeugung, dass die Männer zu den Schergen Saurons gehörten, er hatte keine Ahnung, dass es sich jedoch um die Waldläufer, den Dunedains handelte, die auf den blutigen Überfall aufmerksam wurden und nun nach Überlebenden suchten.

An diesem Morgen war der Junge noch ein letztes Mal in die Nähe des Dorfes gekommen, er wollte das Grab seiner Eltern besuchen, ihnen Blumen hinlegen. Aber nach diesem Schreck mied Ameron diese Gegend fortan. Er wartete, bis sich die Männer soweit entfernt hatten, dass er unbemerkt verschwinden konnte und bald war der Junge in den Schatten des Waldes untergetaucht. Den Weg zur Hütte hatte er in Windeseile zurückgelegt, er schloss die alte, morsche Tür hinter sich und warf sich weinend auf das Bett. Wie sehr vermisste er seine Familie! Langsam versiegten die Tränen wieder und er setzte sich hin, die Knie mit den Armen umschlungen und starrte vor sich hin. Vor drei Tagen war ihm seine Familie genommen worden, doch Ameron schien es, als wären es Jahre, die er alleine im Wald verbrachte. Er vermisste sie sehr, die liebevollen Streicheleinheiten seiner Mutter, das wilde Spiel mit seinem Vater, worüber sich die Mutter so gerne geärgert hatte, sogar seine Schwestern fehlten ihm. Sie hatten sich immer wieder irgendwelche Streiche überlegt, um ihn zu ärgern. Samina und Serina raubten ihm oft den letzten Nerv, dennoch liebte er sie sehr. Aber sie alle waren nur mehr Erinnerungen an eine andere, längst vergangenen Zeit! Nie wieder würde er sie wiedersehen!

Dieser Gedanke hatte sich in seinem Hirn festgesetzt und Wut befiel ihm. Wut auf die Mörder seiner Familie, die sogar ein ungeborenes Kind töteten, Wut auf seine Eltern, weil sie ihn einfach alleine gelassen hatten und Wut auf sich selbst, weil er noch am Leben war! "Warum habt ihr mir das angetan?" schrie er verzweifelt auf und begann, wie von Sinnen mit seinen Fäusten auf die Wand einzuschlagen. Immer wieder traf seine Hand die Lehmmauer, der Schmerz, den er fühlte, tat irgendwie gut, er lenkte ein wenig von den Schmerz ab, der sein Herz zu zerreißen drohte.

Irgendwann hörte er damit auf und sah sich in der Hütte um, er konnte endlich wieder einen klaren Gedanken fassen und Ameron merkte, dass sein Magen laut knurrte. Bisher hatte er seinen Hunger nicht gespürt, aber nun forderte sein Körper unnachgiebig nach Nahrung. Er ging zu dem Handwagen, den er einfach beladen in der Hütte stehen gelassen hatte und nahm sich ein Stück Brot. Während er kaute, bemerkte er, dass die Vorräte wohl nicht sehr lange halten würden. Ameron wusste dass, wenn er überleben wollte, lernen müsste zu jagen. Sein Vater hatte ihm schon gezeigt, wie man mit Pfeil und Bogen schießt, aber selbst hatte er es nie versucht. Nun würde er es tun müssen! Ameron griff nach dem Bogen und betrachtete ihn versonnen. Die Waffe war lang, beinahe so lang wie er groß war. Als der Junge die Sehne zurückziehen wollte, merkte er den Widerstand, seine Kräfte reichten nicht aus, um den Bogen mehr als wenige Handbreit zu spannen. Traurig legte er den Bogen beiseite, bis er stark genug sein würde, müsste er noch sehr viel üben!

In den nächsten Wochen versuchte er immer wieder, mit dem Bogen umgehen zu lernen und langsam schaffte er es, die Sehnen immer weiter zu spannen. Aber es war noch immer zu wenig, um schießen zu können. Mehr Erfolg hatte er mit dem Messer, rasch hatte er herausgefunden, wie es in der Hand zu halten war, dass, wenn er es schleuderte, die Klinge im Stamm stecken blieb. Nur mit dem Zielen war es ein wenig schwieriger, meist sauste das Messer an dem Holz vorbei und grub sich in den Waldboden. Ameron hatte sich einen Speer geschnitzt, mit dem er schließlich auf Fischfang ging. Stundenlang stand er in dem klaren Wasser des Flusses, der sich nicht weit von der Hütte durch den Wald schlängelte, und lauerte den Fischen auf. Endlich, nach einer halben Ewigkeit, schwamm einer heran und begann schließlich, an Amerons Zehen zu knabbern. Der Körper des Jungen spannte sich an und mit aller Kraft stieß er mit dem Speer ins Wasser. Als er ihn wieder herauszog, zappelte an dessen Ende - der Fisch! Ein großer, silberner Fisch wand sich um das Holz, verzweifelt bemüht, seinem Schicksal zu entkommen! Ameron sprang vor Freude im Wasser herum und beachtete gar nicht, dass seine Kleidung triefend nass wurde, er hatte seinen ersten Fisch gefangen! "Mama, Papa! Seht, ich habe ihn erwischt! Ich bin ein Fischer!" jubelte er und hielt seine Beute in den Himmel.

Er war der festen Überzeugung, dass seine Eltern irgendwo da oben sein mussten und ihn beobachten und hören würden. Der einsame Junge sprach sehr oft zu seinen Eltern, es gab ihm ein Gefühl der Geborgenheit, als ob sie noch da wären. In seiner Hütte angekommen, brachte er das Feuer in Gang und stellte sich der nächsten Herausforderung: Das Ausnehmen des Fisches. Ameron grauste es sehr, den toten, nassen Körper aufzuschneiden, aber er wusste genau, dass das unbedingt nötig sein würde. Der Junge überwand seinen Ekel und bald brutzelte der Fisch über dem Feuer. Wie gut das weiße Fleisch doch schmeckte! In letzter Zeit hatte sich Ameron von Wurzeln und Beeren ernähren müssen, seit die Vorräte aus dem Dorf zu Ende gegangen waren.

Das Reh hob den Kopf, seine Ohren zuckten. Nach wenigen Sekunden senkte es den Kopf wieder und begann beruhigt weiterzufressen. So bemerkte es den Pfeil nicht, der es plötzlich mitten ins Herz traf. Ein kurzer Schrei, ein verzweifelter Sprung nach vorne, und es war tot, es ging schnell und schmerzlos.

Ameron trat aus dem Dickicht und ging langsam zu seiner Beute, er kniete vor dem toten Reh und strich ihm fast liebevoll über den Hals. Ihm tat es aufrichtig leid, das schöne Tier getötet zu haben, aber er brauchte dringend dessen Fleisch zum Überleben. Der Winter stand bereits vor der Tür und Ameron musste Vorräte anlegen. Es sollte ihm nicht wieder so ergehen wie in seinem ersten Winter vor zwei Jahren. Damals wäre er fast verhungert, es gab keine Beeren und Früchte mehr, die Fische waren tief am Grunde des Flusses und verschliefen die kalte Zeit und die paar kleinen Tiere, die er erwischte, reichten kaum, den ärgsten Hunger zu stillen. Der nun fast dreizehnjährige Junge hatte daraus gelernt, nie wieder würde ihm so etwas passieren, er konnte nun schon sehr gut mit dem Bogen umgehen und seines Vaters Schwert hatte er auch schon recht gut im Griff. Ameron packte das Wild an den Beinen und wuchtete es sich auf die Schultern, ein kurzer Blick auf seine Umgebung und er ging los, zurück in seine Hütte. Der Junge verhielt sich im Grunde nicht anders als jedes andere Geschöpf hier in der Wildnis, gleich, ob es Jäger oder Gejagter war.

Ameron musste sich vorsehen, es gab Wölfe hier im Wald und ab und an sah er Orks, die in kleinen Gruppen durchzogen, Richtung Osten, wo das Reich des dunklen Herrschers Sauron liegen musste - Mordor. Er hatte im Dorf über ihn gehört, darüber, dass er Mittelerde in Besitz nehmen wollte, aber auch, dass es Rettung geben könnte. Die Männer im Wirtshaus hatten von einem Halbling gesprochen, der nach Mordor unterwegs sein sollte, um Sauron zu vernichten. Der Junge hatte es nicht ganz verstanden, er hatte schon einmal welche vom kleinen Volk gesehen, aber dass einer der kleinen Wesen einen so mächtigen Herrscher töten konnte, das konnte er sich beim besten Willen nicht vorstellen. Auch die Männer hielten nicht viel von diesem Gerücht, es schien zu unwahrscheinlich zu sein.

Ameron hatte seine Behausung erreicht und legte das Reh auf den Boden. Er würde es jetzt ausweiden und zerteilen müssen, die Fleischstücke würde er über der Kochstelle zum räuchern aufhängen, dann würde er den Winter über immer Fleisch haben. An den Haken an der Decke hingen bereits jetzt Fische, verschieden große Fleischstücke von Kaninchen, einem jungen Wildschwein und ein Lauf eines Rehs. Zufrieden betrachtete der Junge seinen Vorrat. Nein, dieses Mal würde er keinen Hunger leiden müssen!

Geschickt begann er, mit seinem Messer das Tier zu verarbeiten, als er plötzlich etwas hörte. Irgend etwas war in der Nähe der Hütte! Leise glitt Ameron zur offenen Tür und sah vorsichtig nach draußen. Wenige Schritte vor der Tür sah er einen Ork stehen! Groß, grässlich anzusehen und - er sah genau in seine Richtung! Lautlos wich der Junge Schritt für Schritt zurück, das Messer fest in seiner Faust. Gebannt sah er zu, wie der Ork immer näher kam, schon hatte er die Tür erreicht und witterte in die Hütte.

Ameron stand an der Wand und begann zu zittern, er kam fast um vor Angst. In seinem Gehirn tauchten wieder die Bilder auf. Bilder, von denen er gehofft hatte, sie nie wieder sehen zu müssen, die Gräueltaten, die Orks und böse Menschen in seinen Dorf verbrochen hatten. Ameron sah wieder seine toten Eltern vor sich, er war sich sicher, dass ihm nun das gleiche Schicksal ereilen würde. Aber er wollte es der Bestie nicht leicht machen! Der Junge hörte auf zu zittern und sein junges Gesicht nahm einen harten Ausdruck an. Unwillkürlich schlossen sich seine Finger fester um den Griff des Messers, gebannt sah er zu, wie der Ork den Raum betrat und auf das Reh, das mitten in der Hütte lag, starrte. Er schien Ameron noch nicht bemerkt zu haben, der Geruch des frischen Blutes hatte ihn hierher geführt. Der Junge beobachtete jede Bewegung des Orks und machte sich bereit, sofort anzugreifen, wenn ihn die Bestie entdeckte. Nur so hätte er eine kleine Chance, er musste unbedingt den Überraschungsmoment nutzen.

Der Ork hatte das Wild mittlerweile erreicht und wollte es schon packen, als sich langsam sein Blick hob und Ameron entdeckte. Leise begann er zu knurren, doch noch ehe er sich zu seiner vollen Größe aufgerichtet hatte, sprang der Junge ihn an und rammte das Messer tief in das Fleisch der bösen Kreatur. Der Ork jaulte laut auf und wurde von der Wucht zu Boden geworfen. Ameron sprang sofort wieder auf seine Beine und ließ den Ork nicht aus den Augen. Die Bestie heulte vor Schmerz und Schreck, aber war ebenfalls schnell wieder auf den Beinen, zu schnell für den Jungen, um noch mal anzugreifen. Ameron ahnte, dass er jetzt nichts gegen den Ork ausrichten konnte und stürzte aus der Hütte hinaus, wo er sich hinter einen Stamm eines alten Baumes versteckte und keuchend abwartete.

Kurz darauf erschien die Bestie und brüllte wütend irgendetwas, das Ameron nicht verstehen konnte. Aber er wusste auch so, was er ihm zubrüllte, er konnte es sich denken. "Hoffentlich findet er mich nicht!" dachte er verzweifelt und schloss einen Moment die Augen. Aber schnell waren sie wieder geöffnet, als ihm der Ork seinen stinkenden Atem entgegenbrüllte, er hatte ihn entdeckt! Mit einem lauten Schrei stürmte der Junge davon, dicht gefolgt von dem Ork.

Amerons Lungen begannen zu brennen, er fühlte, dass ihn seine Kräfte verließen, doch der Ork holte langsam auf, gleich würde er ihn packen und ihn töten. Der Junge versuchte verzweifelt zu entkommen, sein Lebenswillen war trotz allem ungebrochen. Plötzlich stolperte Ameron über eine Wurzel und schlug der Länge nach auf den Waldboden auf. Blitzschnell hatte er sich auf den Rücken gedreht und sah gerade noch, wie sich der Ork auf ihn stürzte. Verzweifelt schloss er seine Augen und riss seine Hand, in der er noch immer das Messer hielt nach oben. Die Luft wurde ihm aus den Lungen gedrückt und er meinte, jeder einzelne Knochen in seinem Körper wäre zerschmettert, als sich die Bestie auf ihn warf und unter sich begrub. "Jetzt ist alles vorbei!" schoss Ameron durch den Kopf, bevor ihn Dunkelheit umfing.