Disclaimer: Keine der wundervollen Charaktere Tolkiens gehören mir,
allerdings ist der Held der Geschichte meiner Phantasie entsprungen!
Rating: PG 13, wegen teilweise blutigen Szenen...
@ Silvia: Ameronfan der ersten Stunde, danke für dein aufmunterndes Review!
@SweetDevil: Ich hoffe, es ist nun einfacher zu lesen...danke für deine Tipps!
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Langsam öffnete er seine Augen, feiner Regen hatte eingesetzt und fiel ihm ins Gesicht. Leise stöhnend drehte er sich zur Seite und Ameron sah neben sich den toten Ork liegen, das Messer seines Vaters steckte ihm mitten in der Brust. Mühsam rappelte sich der Junge auf und erhob sich schwankend. Er wartete ab, bis sich der Schwindel verzogen hatte und taumelte zu dem stinkenden Kadaver, vor dem er auf die Knie fiel und das Messer aus dem Körper zog. Dann stand er langsam auf und ging zurück zur Hütte, wo er sich auf das Bett fallen ließ und laut zu schluchzen begann, der erste Schock hatte sich ein wenig gelegt und nun brach es einfach aus ihm heraus, Angst, Wut, Einsamkeit, Schmerz, einfach alles, was Ameron bedrückt hatte, suchte sich nun einen Weg aus ihm heraus.
Lange Zeit konnte er nicht aufhören zu weinen, aber endlich versiegten auch die letzten Tränen und Ameron setzte sich auf. Er sah sich um und entdeckte das Messer, dass, noch immer mit Orkblut verschmutzt war, am Boden liegen, wo es ihm einfach aus der Hand gefallen war. Ameron hob es auf und sah es lange an. Schließlich presste er es fest an sich und murmelte: "Danke, Papa!"
Der Vorfall mit dem Ork hatte dem Jungen nun entgültig seine Kindheit genommen, die Unbeschwertheit seiner jungen Jahre war mit einem Mal dahin. Er hatte seinen ersten Feind getötet und war dadurch verändert worden.
Ameron stapfte durch den tiefen, weichen Schnee und sah sich immer wieder sichernd um. Er war auf der Suche nach Brennholz, ab und zu fand er einen Ast am Boden und hob ihn auf. Er legte ihn zu den anderen auf den alten Handwagen, der noch seiner Mutter gehört hatte und irgendwie ein Andenken an sie darstellte. Er und das Amulett, ein aus Ton gefertigter Wolfskopf, der seinem Träger die Kraft und den Mut eines Wolfes verleihen sollte. Dieses Tier war so etwas wie der Schutzgeist seiner Mutter gewesen, sie hatte die Wölfe immer sehr verehrt und ihren Kindern so manche Geschichte und Legende über diese Tiere erzählt. Sie wurde deswegen oft schief angesehen im Dorf, Wölfe hatten keinen guten Ruf hier, ihnen wurde angelastet, Schafe, Kälber und gelegentlich auch mal ein Kind zu holen. Die wundervollen Tiere wurden verfolgt und getötet, wo immer man ihnen habhaft werden konnte. Deswegen hatte Amerons Mutter des öfteren Streit mit den Männern des Dorfes gehabt, sie, die von einem Volk stammte, bei denen der Wolf als Beschützer und guter Geist verehrt wurde, war im Dorf immer eine Außenseiterin gewesen.
Amrin, wie seine Mutter hieß, kannte sich, wie ihre Mutter und ihre Großmutter zuvor, mit den Heilkräften der Natur bestens aus, jedes Heilkraut, das im weiten Umkreis wuchs, war ihr geläufig und die Zubereitungen der verschiedenen Tees, Salben und Tinkturen aus diesen Pflanzen und deren Wirkung waren ihr vertraut. Wann immer jemand krank oder verletzt war, Amrin war die, die helfen konnte, und man nahm ihre Hilfe gern an. Aber ansonsten wurde sie von der Dorfgemeinschaft gemieden und ausgeschlossen. Es tat ihr irgendwie weh, denn sie war ein fröhlicher, offener Mensch, der sich gerne mit anderen unterhielt, aber sie ertrug es, ohne sich anmerken zu lassen, wie sehr sie dieses Verhalten kränkte. Sie war auch nicht nachtragend, wann immer ihre Hilfe benötigt wurde war sie da und half.
Ameron hatte es oft nicht verstanden, warum seine Mutter so ausgegrenzt wurde, es machte ihn wütend, aber sie beschwichtigte ihren Sohn immer wieder. "Lass sie, mein Junge. Die Menschen fürchten das, was sie nicht erklären können. Du darfst es ihnen nicht vorwerfen, sie handeln nur so, weil sie es einfach nicht besser wissen." Oft dachte Ameron an sie, er vermisste seine Mutter so unendlich. Immer wieder rief er sich ihre Stimme, ihr warmes Lächeln, das helle Lachen, ihren Geruch und ihre strahlenden Augen in Erinnerung, aber die Eindrücke begannen langsam zu verblassen. Es machte dem Jungen Angst, er hatte Angst, sie eines Tages entgültig zu verlieren und klammerte sich deshalb an jede noch so kleine Erinnerung.
Aber nun galt seine Aufmerksamkeit einzig der Aufgabe, Holz zum Erhalten des Feuers zu finden, ohne die wärmende Glut würde er die Nacht nicht überleben. Es war eisig kalt, der Wind schnitt tief in die Haut, sodass es schmerzte und die Luft tat in den Lungen weh. Selten hatte Ameron eine derartige Kälte erlebt. Mit einem kurzen Blick hinter sich auf den Wagen, dessen Räder er abgenommen und durch Kufen ersetzt hatte, erkannte er, dass er genug Holz für die nächsten Tage haben würde. Zufrieden nickend wendete er den Wagen und wollte schon nach Hause gehen, als er ein Stück entfernt einen großen Ast liegen sah. Den wollte er sich nicht entgehen lassen, mit einem Kennerblick hatte der Junge bemerkt, dass das Holz zumindest über die Nacht reichen würde! Ameron ließ den Wagen stehen und lief auf den Ast zu.
Er wollte sich gerade darum bücken, als er unter ihm ein Tier liegen sah, halb vom Schnee verdeckt. "Es muss vom Ast erschlagen worden sein" sagte er leise zu sich und zog das Holz von dem Körper und legte ihn zur Seite. Dann begann er, den Schnee wegzuschaufeln und erkannte schließlich, um welches Tier es sich handelte. Ein Wolf! Ein Laut des Bedauerns entfuhr seiner Kehle und zärtlich strich seine Hand über das dichte, weiche Fell. Ameron stutzte, als er merkte, dass der Körper noch warm war, er konnte noch nicht lange hier liegen! Langsam gruben sich seine Finger durch die grauen Haare des Wolfes und der Junge presste seine Handfläche auf den Brustkorb des Tieres. Ihm blieb die Luft weg, als er einen schwachen Herzschlag fühlte. Der Wolf lebte noch! Ameron überlegte kurz, sollte er wirklich...? Aber hier lag ein Lebewesen, das ohne ihn zum Tode verurteilt war, er musste es zumindest versuchen. Entschlossen lief der Junge zurück und holte den Wagen. Er lud das meiste Holz wieder ab und legte es auf einen Haufen, später würde er es wieder holen, nun aber brauchte er den Platz. Behutsam griff er unter den Körper des Wolfes und hob ihn vorsichtig an, erstaunlicherweise war das Tier nicht besonders schwer, er fühlte die Knochen unter dem Fell hervorstechen. Es musste halb verhungert sein! Ameron dachte keine Sekunde daran, dass der Wolf erwachen und ihn an die Kehle gehen konnte, seine Mutter hatte nie etwas schlechtes von diesen Tieren erzählt und ein Schutzgeist würde bestimmt keinen Menschen anfallen!
Sachte bettete er den Wolf auf den Wagen und deckte ihn mit seinem Umhang zu, das geschwächte Tier brauchte ihn dringender als er. So schnell er konnte, fuhr er mit seiner Fracht zur Hütte, wo er das leblose Tier hineintrug und es neben dem Feuer auf den Boden legte. Rasch errichtete er aus ein wenig Stroh und einigen alten Lumpen ein Lager, worauf er den Wolf bettete und begann, das nasse Fell mit einem Tuch abzureiben. Ameron sah, dass es eine Wölfin war, ihr Fell war recht hell und als es trocken war, schimmerte es in verschiedenen Silbertönen. Noch nie hatte er ein derartig prächtiges Tier gesehen, trotz ihrer Magerkeit strahlte sie Stärke aus. Der Junge begann, den Körper der Wölfin abzutasten und bemerkte, dass der rechte Vorderlauf gebrochen war. Er sprang auf, suchte zwei dünne Äste und schiente das verletzte Bein. Er hatte sich einmal den Arm gebrochen und hatte gesehen, wie es seine Mutter gemacht hatte. Behutsam versorgte Ameron das verletzte Tier und deckte es schließlich noch mit einer Decke zu. Er nahm ein Stück Fleisch vom Haken und gab es in einen Topf um daraus Suppe zu machen. Wenn die Wölfin erwachen würde, hatte sie bestimmt Hunger. Während das Fleisch kochte, lief er rasch und holte das restliche Brennholz aus dem Wald, um die Wölfin später nicht mehr alleine lassen zu müssen. Während er durch den Schnee stapfte, dachte er daran, dass er nun nicht mehr allein wäre, zumindest eine Zeit lang hätte er ein lebendes Wesen um sich, zu dem er sprechen konnte. Wenn sie überlebte! Dieser Gedanke dämpfte die Freude sehr und Ameron beeilte sich noch mehr, um wieder nach Hause zurückzukehren. "Mutter, ich habe deinen Schutzgeist in meiner Hütte, hast du sie gesehen, die silberne Wölfin? Hilf mir bitte, dass sie nicht stirbt!" bat er im Stillen seine Mutter und hoffte, dass sie ihm beistehen würde.
Als er wieder zurück war, öffnete er leise die Tür, um das verletzte Tier nicht zu stören und huschte rasch hindurch. Erleichtert stellt Ameron fest, dass die Wölfin noch atmete, aber sie war noch immer nicht erwacht. Leise seufzend nahm sich der Junge einen Teller Suppe und setzte sich an den Tisch und aß langsam, aber er wandte keinen Blick von dem Tier, immer in der Hoffnung, dass er erwachen würde. Rasch wurde es dunkel, der Wind heulte um die Mauern und rüttelte an dem Fensterladen. Aber Ameron beachtete ihn dieses Mal gar nicht, ihm tanzenden Licht des Feuers saß er und wandte kein Auge von der Wölfin, von Zeit zu Zeit strich er ihr übers Fell und bemerkte, dass ihr Körper wieder wärmer geworden war, die Unterkühlung hatte sie überstanden. Lange saß der Junge neben dem Tier auf dem Lager, doch irgendwann in der Nacht übermannte ihn der Schlaf und er rollte sich neben der Wölfin zusammen.
Früh am nächsten Morgen wurde Ameron durch eine Bewegung an seiner Seite geweckt. Er öffnete die Augen und sah, dass die Wölfin erwacht war und ihn aus haselnussbraunen Augen unverwandt ansah. Langsam setzte sich der Junge auf und die beiden musterten sich eine Weile, ohne sich zu bewegen. Es war aber keinesfalls bedrohlich, für keinen von ihnen, sondern es war mehr ein stilles Kennenlernen, ein Vertraut machen und Freundschaft schließen zwischen der Wölfin und dem einsamen Jungen. Dieser Moment war der Beginn einer tiefen Freundschaft, das fühlten beide in ihren Herzen. Schließlich streckte Ameron vorsichtig die Hand aus und die silberne Wölfin leckte mit ihrer weichen Zunge sanft darüber. Sie schien zu wissen, dass sie dem Kind ihr Leben zu verdanken hatte und keine Gefahr von ihm ausging. Ameron lächelte sie an und erhob sich langsam, um sie nicht zu erschrecken. Er nahm eine Schüssel und füllte etwas Suppe hinein, die er der Wölfin vor die Schnauze stellte. Erst roch das wilde Tier vorsichtig, so etwas war ihr völlig fremd, aber dann ließ sie ihre Zunge eintauchen und kostete. Schnell war die Schüssel leer und sie sah Ameron erwartungsvoll an. "Na, hast du noch Hunger? Warte, gleich kommt noch eine Portion!" sagte er leise und nahm die Schüssel, um sie erneut zu füllen. Freudig beobachtete er die Wölfin, wie sie auch diesmal alles verputzte und sich schließlich zufrieden über die Lippen leckte. "Dir hat es wohl geschmeckt, habe ich recht?" fragte Ameron lächelnd und bemerkte glücklich, wie der Schwanz langsam auf den Boden schlug. Mit einem zufriedenen Schnaufen legte die Wölfin den Kopf auf die Vorderpfoten und schloss langsam die Augen. Der Junge war überglücklich, sie lebte und hatte gefressen. Und sie schien sich wohl zu fühlen und ihm zu vertrauen, das hatte ihm das Wedeln ihres kurzen Schwanzes verraten. Amerons Herz hätte Luftsprünge vor Freude veranstalten mögen, er war nun nicht mehr alleine, er hatte eine Freundin gefunden!
Die Wölfin blieb bei Ameron. Auch, als sie wieder völlig genesen war, wich sie ihm kaum von der Seite, er hatte eine Gefährtin gefunden, der er alles anvertrauen konnte, die ihn verstand und ihn zu trösten vermochte, wenn er von Alpträumen geplagt, des Nachts schweißgebadet aufwachte und weinte. Sie war da, legte ihren großen Kopf auf die Brust des Jungen und sah ihn mit ihren haselnussbraunen Augen an. Er nannte sie nach dem Schutzgeist seiner Mutter, Cuja. Ameron war sich sicher, dass seine Mutter die Wölfin zu ihm gesandt hatte, damit er eine Freundin hatte, die ihm über seine Einsamkeit hinweghalf.
Rating: PG 13, wegen teilweise blutigen Szenen...
@ Silvia: Ameronfan der ersten Stunde, danke für dein aufmunterndes Review!
@SweetDevil: Ich hoffe, es ist nun einfacher zu lesen...danke für deine Tipps!
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Langsam öffnete er seine Augen, feiner Regen hatte eingesetzt und fiel ihm ins Gesicht. Leise stöhnend drehte er sich zur Seite und Ameron sah neben sich den toten Ork liegen, das Messer seines Vaters steckte ihm mitten in der Brust. Mühsam rappelte sich der Junge auf und erhob sich schwankend. Er wartete ab, bis sich der Schwindel verzogen hatte und taumelte zu dem stinkenden Kadaver, vor dem er auf die Knie fiel und das Messer aus dem Körper zog. Dann stand er langsam auf und ging zurück zur Hütte, wo er sich auf das Bett fallen ließ und laut zu schluchzen begann, der erste Schock hatte sich ein wenig gelegt und nun brach es einfach aus ihm heraus, Angst, Wut, Einsamkeit, Schmerz, einfach alles, was Ameron bedrückt hatte, suchte sich nun einen Weg aus ihm heraus.
Lange Zeit konnte er nicht aufhören zu weinen, aber endlich versiegten auch die letzten Tränen und Ameron setzte sich auf. Er sah sich um und entdeckte das Messer, dass, noch immer mit Orkblut verschmutzt war, am Boden liegen, wo es ihm einfach aus der Hand gefallen war. Ameron hob es auf und sah es lange an. Schließlich presste er es fest an sich und murmelte: "Danke, Papa!"
Der Vorfall mit dem Ork hatte dem Jungen nun entgültig seine Kindheit genommen, die Unbeschwertheit seiner jungen Jahre war mit einem Mal dahin. Er hatte seinen ersten Feind getötet und war dadurch verändert worden.
Ameron stapfte durch den tiefen, weichen Schnee und sah sich immer wieder sichernd um. Er war auf der Suche nach Brennholz, ab und zu fand er einen Ast am Boden und hob ihn auf. Er legte ihn zu den anderen auf den alten Handwagen, der noch seiner Mutter gehört hatte und irgendwie ein Andenken an sie darstellte. Er und das Amulett, ein aus Ton gefertigter Wolfskopf, der seinem Träger die Kraft und den Mut eines Wolfes verleihen sollte. Dieses Tier war so etwas wie der Schutzgeist seiner Mutter gewesen, sie hatte die Wölfe immer sehr verehrt und ihren Kindern so manche Geschichte und Legende über diese Tiere erzählt. Sie wurde deswegen oft schief angesehen im Dorf, Wölfe hatten keinen guten Ruf hier, ihnen wurde angelastet, Schafe, Kälber und gelegentlich auch mal ein Kind zu holen. Die wundervollen Tiere wurden verfolgt und getötet, wo immer man ihnen habhaft werden konnte. Deswegen hatte Amerons Mutter des öfteren Streit mit den Männern des Dorfes gehabt, sie, die von einem Volk stammte, bei denen der Wolf als Beschützer und guter Geist verehrt wurde, war im Dorf immer eine Außenseiterin gewesen.
Amrin, wie seine Mutter hieß, kannte sich, wie ihre Mutter und ihre Großmutter zuvor, mit den Heilkräften der Natur bestens aus, jedes Heilkraut, das im weiten Umkreis wuchs, war ihr geläufig und die Zubereitungen der verschiedenen Tees, Salben und Tinkturen aus diesen Pflanzen und deren Wirkung waren ihr vertraut. Wann immer jemand krank oder verletzt war, Amrin war die, die helfen konnte, und man nahm ihre Hilfe gern an. Aber ansonsten wurde sie von der Dorfgemeinschaft gemieden und ausgeschlossen. Es tat ihr irgendwie weh, denn sie war ein fröhlicher, offener Mensch, der sich gerne mit anderen unterhielt, aber sie ertrug es, ohne sich anmerken zu lassen, wie sehr sie dieses Verhalten kränkte. Sie war auch nicht nachtragend, wann immer ihre Hilfe benötigt wurde war sie da und half.
Ameron hatte es oft nicht verstanden, warum seine Mutter so ausgegrenzt wurde, es machte ihn wütend, aber sie beschwichtigte ihren Sohn immer wieder. "Lass sie, mein Junge. Die Menschen fürchten das, was sie nicht erklären können. Du darfst es ihnen nicht vorwerfen, sie handeln nur so, weil sie es einfach nicht besser wissen." Oft dachte Ameron an sie, er vermisste seine Mutter so unendlich. Immer wieder rief er sich ihre Stimme, ihr warmes Lächeln, das helle Lachen, ihren Geruch und ihre strahlenden Augen in Erinnerung, aber die Eindrücke begannen langsam zu verblassen. Es machte dem Jungen Angst, er hatte Angst, sie eines Tages entgültig zu verlieren und klammerte sich deshalb an jede noch so kleine Erinnerung.
Aber nun galt seine Aufmerksamkeit einzig der Aufgabe, Holz zum Erhalten des Feuers zu finden, ohne die wärmende Glut würde er die Nacht nicht überleben. Es war eisig kalt, der Wind schnitt tief in die Haut, sodass es schmerzte und die Luft tat in den Lungen weh. Selten hatte Ameron eine derartige Kälte erlebt. Mit einem kurzen Blick hinter sich auf den Wagen, dessen Räder er abgenommen und durch Kufen ersetzt hatte, erkannte er, dass er genug Holz für die nächsten Tage haben würde. Zufrieden nickend wendete er den Wagen und wollte schon nach Hause gehen, als er ein Stück entfernt einen großen Ast liegen sah. Den wollte er sich nicht entgehen lassen, mit einem Kennerblick hatte der Junge bemerkt, dass das Holz zumindest über die Nacht reichen würde! Ameron ließ den Wagen stehen und lief auf den Ast zu.
Er wollte sich gerade darum bücken, als er unter ihm ein Tier liegen sah, halb vom Schnee verdeckt. "Es muss vom Ast erschlagen worden sein" sagte er leise zu sich und zog das Holz von dem Körper und legte ihn zur Seite. Dann begann er, den Schnee wegzuschaufeln und erkannte schließlich, um welches Tier es sich handelte. Ein Wolf! Ein Laut des Bedauerns entfuhr seiner Kehle und zärtlich strich seine Hand über das dichte, weiche Fell. Ameron stutzte, als er merkte, dass der Körper noch warm war, er konnte noch nicht lange hier liegen! Langsam gruben sich seine Finger durch die grauen Haare des Wolfes und der Junge presste seine Handfläche auf den Brustkorb des Tieres. Ihm blieb die Luft weg, als er einen schwachen Herzschlag fühlte. Der Wolf lebte noch! Ameron überlegte kurz, sollte er wirklich...? Aber hier lag ein Lebewesen, das ohne ihn zum Tode verurteilt war, er musste es zumindest versuchen. Entschlossen lief der Junge zurück und holte den Wagen. Er lud das meiste Holz wieder ab und legte es auf einen Haufen, später würde er es wieder holen, nun aber brauchte er den Platz. Behutsam griff er unter den Körper des Wolfes und hob ihn vorsichtig an, erstaunlicherweise war das Tier nicht besonders schwer, er fühlte die Knochen unter dem Fell hervorstechen. Es musste halb verhungert sein! Ameron dachte keine Sekunde daran, dass der Wolf erwachen und ihn an die Kehle gehen konnte, seine Mutter hatte nie etwas schlechtes von diesen Tieren erzählt und ein Schutzgeist würde bestimmt keinen Menschen anfallen!
Sachte bettete er den Wolf auf den Wagen und deckte ihn mit seinem Umhang zu, das geschwächte Tier brauchte ihn dringender als er. So schnell er konnte, fuhr er mit seiner Fracht zur Hütte, wo er das leblose Tier hineintrug und es neben dem Feuer auf den Boden legte. Rasch errichtete er aus ein wenig Stroh und einigen alten Lumpen ein Lager, worauf er den Wolf bettete und begann, das nasse Fell mit einem Tuch abzureiben. Ameron sah, dass es eine Wölfin war, ihr Fell war recht hell und als es trocken war, schimmerte es in verschiedenen Silbertönen. Noch nie hatte er ein derartig prächtiges Tier gesehen, trotz ihrer Magerkeit strahlte sie Stärke aus. Der Junge begann, den Körper der Wölfin abzutasten und bemerkte, dass der rechte Vorderlauf gebrochen war. Er sprang auf, suchte zwei dünne Äste und schiente das verletzte Bein. Er hatte sich einmal den Arm gebrochen und hatte gesehen, wie es seine Mutter gemacht hatte. Behutsam versorgte Ameron das verletzte Tier und deckte es schließlich noch mit einer Decke zu. Er nahm ein Stück Fleisch vom Haken und gab es in einen Topf um daraus Suppe zu machen. Wenn die Wölfin erwachen würde, hatte sie bestimmt Hunger. Während das Fleisch kochte, lief er rasch und holte das restliche Brennholz aus dem Wald, um die Wölfin später nicht mehr alleine lassen zu müssen. Während er durch den Schnee stapfte, dachte er daran, dass er nun nicht mehr allein wäre, zumindest eine Zeit lang hätte er ein lebendes Wesen um sich, zu dem er sprechen konnte. Wenn sie überlebte! Dieser Gedanke dämpfte die Freude sehr und Ameron beeilte sich noch mehr, um wieder nach Hause zurückzukehren. "Mutter, ich habe deinen Schutzgeist in meiner Hütte, hast du sie gesehen, die silberne Wölfin? Hilf mir bitte, dass sie nicht stirbt!" bat er im Stillen seine Mutter und hoffte, dass sie ihm beistehen würde.
Als er wieder zurück war, öffnete er leise die Tür, um das verletzte Tier nicht zu stören und huschte rasch hindurch. Erleichtert stellt Ameron fest, dass die Wölfin noch atmete, aber sie war noch immer nicht erwacht. Leise seufzend nahm sich der Junge einen Teller Suppe und setzte sich an den Tisch und aß langsam, aber er wandte keinen Blick von dem Tier, immer in der Hoffnung, dass er erwachen würde. Rasch wurde es dunkel, der Wind heulte um die Mauern und rüttelte an dem Fensterladen. Aber Ameron beachtete ihn dieses Mal gar nicht, ihm tanzenden Licht des Feuers saß er und wandte kein Auge von der Wölfin, von Zeit zu Zeit strich er ihr übers Fell und bemerkte, dass ihr Körper wieder wärmer geworden war, die Unterkühlung hatte sie überstanden. Lange saß der Junge neben dem Tier auf dem Lager, doch irgendwann in der Nacht übermannte ihn der Schlaf und er rollte sich neben der Wölfin zusammen.
Früh am nächsten Morgen wurde Ameron durch eine Bewegung an seiner Seite geweckt. Er öffnete die Augen und sah, dass die Wölfin erwacht war und ihn aus haselnussbraunen Augen unverwandt ansah. Langsam setzte sich der Junge auf und die beiden musterten sich eine Weile, ohne sich zu bewegen. Es war aber keinesfalls bedrohlich, für keinen von ihnen, sondern es war mehr ein stilles Kennenlernen, ein Vertraut machen und Freundschaft schließen zwischen der Wölfin und dem einsamen Jungen. Dieser Moment war der Beginn einer tiefen Freundschaft, das fühlten beide in ihren Herzen. Schließlich streckte Ameron vorsichtig die Hand aus und die silberne Wölfin leckte mit ihrer weichen Zunge sanft darüber. Sie schien zu wissen, dass sie dem Kind ihr Leben zu verdanken hatte und keine Gefahr von ihm ausging. Ameron lächelte sie an und erhob sich langsam, um sie nicht zu erschrecken. Er nahm eine Schüssel und füllte etwas Suppe hinein, die er der Wölfin vor die Schnauze stellte. Erst roch das wilde Tier vorsichtig, so etwas war ihr völlig fremd, aber dann ließ sie ihre Zunge eintauchen und kostete. Schnell war die Schüssel leer und sie sah Ameron erwartungsvoll an. "Na, hast du noch Hunger? Warte, gleich kommt noch eine Portion!" sagte er leise und nahm die Schüssel, um sie erneut zu füllen. Freudig beobachtete er die Wölfin, wie sie auch diesmal alles verputzte und sich schließlich zufrieden über die Lippen leckte. "Dir hat es wohl geschmeckt, habe ich recht?" fragte Ameron lächelnd und bemerkte glücklich, wie der Schwanz langsam auf den Boden schlug. Mit einem zufriedenen Schnaufen legte die Wölfin den Kopf auf die Vorderpfoten und schloss langsam die Augen. Der Junge war überglücklich, sie lebte und hatte gefressen. Und sie schien sich wohl zu fühlen und ihm zu vertrauen, das hatte ihm das Wedeln ihres kurzen Schwanzes verraten. Amerons Herz hätte Luftsprünge vor Freude veranstalten mögen, er war nun nicht mehr alleine, er hatte eine Freundin gefunden!
Die Wölfin blieb bei Ameron. Auch, als sie wieder völlig genesen war, wich sie ihm kaum von der Seite, er hatte eine Gefährtin gefunden, der er alles anvertrauen konnte, die ihn verstand und ihn zu trösten vermochte, wenn er von Alpträumen geplagt, des Nachts schweißgebadet aufwachte und weinte. Sie war da, legte ihren großen Kopf auf die Brust des Jungen und sah ihn mit ihren haselnussbraunen Augen an. Er nannte sie nach dem Schutzgeist seiner Mutter, Cuja. Ameron war sich sicher, dass seine Mutter die Wölfin zu ihm gesandt hatte, damit er eine Freundin hatte, die ihm über seine Einsamkeit hinweghalf.
