Disclaimer: Keine der wundervollen Charaktere Tolkiens gehören mir, allerdings ist der Held der Geschichte meiner Phantasie entsprungen! Rating: PG 13, wegen teilweise blutigen Szenen...

@ Daenor: Natürlich spielen die Gefährten zum Teil nicht unwichtige Rollen bei der Geschichte, aber hab noch ein wenig Geduld! - Und ob´s ein Happy- End gibt...die Valar mögen es wissen! *g* @Auxia: Auch dich muss ich um Geduld bitten, sie werden kommen! Und ehe du deine Drohung wahr machst, hier das nächste Update! *gg* - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - -- - - - - - - - - - - - - - - - - - - -

"Cuja! Wo bist du? Cuja!" Ameron rief verzweifelt immer wieder ihren Namen. Die Wölfin war nun schon den dritten Tag nicht nach Hause gekommen, und das bereitete den Jungen große Sorge. Nie zuvor war sie so lange verschwunden gewesen, nicht mehre Tage hintereinander. Der nun fünfzehnjährige Ameron machte sich mittlerweile große Sorgen, er fürchtete ehrlich um das Leben seiner einzigen Freundin und Gefährtin. Was sollte er nur ohne sie Anfangen? Ameron ging zurück zu seiner Hütte, nahm das Schwert und hing es sich an den Gürtel.

Er hatte gelernt, damit umzugehen, immer wieder hatte er es in die Hand genommen und sich die Bewegungen und Erklärungen seines Vaters ins Gedächtnis gerufen. Obwohl er nur noch ein einfacher Bauer sein wollte, hatte Thuron, Amerons Vater immer darauf geachtet, dass er in Übung blieb. Sein Sohn hatte immer genau zugesehen und mit seinem kleinen Holzschwert die Bewegungen des Vaters imitiert. Thuron musste darüber lachen, aber er fand es gut, dass sich sein Junge dafür interessierte. Sein Wunsch war es, dass Ameron eines Tages nach Minas Tirith gehen würde und in die Dienste des Truchsess Denethor treten würde, so wie er einst.

Ameron musste lange trainieren, um das schwere, lange Schwert halten zu können, aber mittlerweile hatten seine Muskeln genügend Kraft, um die Waffe sicher zu führen. Ameron schulterte sich noch den Bogen und den Köcher mit den Pfeilen und machte sich nun auf die Suche nach der Wölfin. Lange wanderte er durch den riesengroßen Wald, der Junge lauschte auf jedes Geräusch, ob sie irgendwo verletzt lag? Aber es war kein Winseln zu hören. In seiner Verzweiflung versuchte er, Cuja durch Heulen auf sich aufmerksam zu machen. Auf Geheul reagierte sie normalerweise sofort und gab umgehend Antwort. Also begann Ameron, so laut wie er nur konnte, zu heulen. Es klang wie das Geheul eines Wolfes, kein Unterschied war zu hören zu dem eines Wolfes. Nach einer Weile verstummte der Junge und lauschte angestrengt. Nichts war zu hören. Betrübt trottete Ameron weiter.

Stunde um Stunde war er nun schon unterwegs, ohne eine Spur von Cuja zu entdecken. Er blickte sich aufmerksam um, in diesen Teil des Waldes war er noch nie gewesen, aber er konnte sehen, dass er fast den Waldrand erreicht hatte. Er stimmte wieder das Wolfsgeheul an und lauschte dann, ob er etwas hören würde. Auf einmal stockte ihm der Atem. Ameron hörte deutlich, wie ein Wolf heulte! Cuja! Der Junge würde die Stimme seiner Gefährtin immer wieder erkennen. Aber wo steckte sie bloss? Das Heulen kam von außerhalb des Waldes, das hörte er deutlich. Vorsichtig schlich er sich an den Waldrand und entdeckte schließlich eine Hütte. Es lebten offenbar Menschen hier, scheu blickte sich Ameron um, konnte aber niemanden entdecken. Langsam trat er aus der Sicherheit des Waldes und umrundete vorsichtig das Haus. Dahinter entdeckte er einen kleinen, vergitterten Verschlag und eine ihm bekannte schwarze Schnauze wurde durch die Gitterstäbe gedrückt. "Cuja! Was machst du denn da?" rief er aus und lief, alle Vorsicht vergessend, auf die gefangene Wölfin zu. "Ich habe dich sofort hier heraußen, meine Freundin. Halte aus." Ameron werkte an dem Riegel herum, der den Käfig verschloss.

"He, was treibst du da, Junge?" rief eine rauchige Männerstimme. Ameron fuhr herum und sah wenige Schritte vor sich einen Mann, der ein Schwert in der Hand hielt und ihn böse anfunkelte. "Cuja gehört zu mir, du hast kein Recht, sie gefangen zu halten!" gab Ameron wütend zurück und beobachtete jede Bewegung des Jägers. "Wer, will es mir verbieten? Du etwa, du freche Rotznase? Mach, dass du von hier verschwindest, bevor ich dir mit meinem Gürtel lehre, wie man mit Erwachsenen spricht!" Um seinen Worten mehr Gewicht zu verleihen, begann der Mann, an seiner Hose herumzunesteln.

Ameron zog sein Schwert und stellte sich abwehrbereit vor ihm hin: "Du wirst mich bestimmt nicht anfassen! Ich nehme den Wolf wieder mit nach Hause, ob es dir nun passt oder nicht!" sagte der Junge mit finsterer Miene, in einem drohenden Tonfall. Seine Stimme begann sich gerade zu verändern, sie klang schon dunkler als die eines Kindes, und unterstrich seinen Ärger. Er war nun wirklich kein kleiner Junge mehr, auch körperlich reifte er langsam zum Mann. Aber sein Gegner sah in ihm nichts weiter als einen Halbstarken, der mit einem großen Schwert vor ihm herumfuchtelte und sich mächtig wichtig machte.

Der Tierfänger wollte dem frechen Kerl eine Lektion verpassen, doch als sich ihre Schwerter klirrend kreuzten, merkte er seinen Fehler. Er hatte den Jungen furchtbar unterschätzt, es gelang ihm einfach nicht, Ameron das Schwert aus der Hand zu schlagen. Wut und Angst ergriffen Besitz von dem Mann, der sonst nur auf schwächere Geschöpfe Macht ausüben konnte, dicke Schweißperlen standen ihm auf der Stirn, seine Abwehrbewegungen wurden immer hektischer. Ameron bemerkte, dass der Mann Fehler zu machen begann. Das war seine große Chance! Mit einer geschickten Finte brachte er den Jäger zu Fall und setzte ihm die Schwertspitze an dessen Kehle.

"Ich habe gesagt, ich nehme den Wolf mit mir, und das meine ich auch so." sagte Ameron betont ruhig und bemerkte mit einem kleinen Grinsen, dass der Mann mit schreckgeweiteten Augen heftig nickte. Der Junge steckte die Waffe weg und befreite Cuja. Ohne sich um den Mann zu kümmern, ging er mit der Wölfin an seiner Seite Richtung Wald davon. Was er jedoch nicht sah war, dass der Jäger sich aufrappelte und ein Messer aus seinem Gürtel zog. "Dafür wirst du bezahlen, du widerliche Rotznase!" schrie er mit sich überschlagender Stimme dem Jungen zu und schleuderte mit aller Kraft sein Jagdmesser. Ameron hatte sich umgedreht, als er den Schrei vernommen hatte.

Die Wucht des Aufpralles riss ihn von den Beinen, als das Messer ihm in die Seite fuhr. Mit einem qualvollen Aufschrei griff sich Ameron an die Wunde, in der das Messer steckte. Wie durch Schleier sah er, dass der Mann auf ihn zukam und Angst ergriff den Jungen. Seine zitternde Hand tastete sich an den Gürtel und er zog sein Messer. Ohne groß zu zielen warf er die Waffe mit aller Kraft und Ameron sah, wie der Jäger getroffen zusammenbrach.

Der Junge kämpfte gegen die Übelkeit und die Schmerzen an, die durch seinen Körper tobten. Die rechte Hand hatte er fest auf die Wunde an seiner Seite gepresst und stand schwankend auf. Langsam wankte er zu dem Feind und zog ihm das Messer aus der Brust. Ameron steckte es wieder in seine Scheide und nahm dann den Griff des anderen Messers in die rechte Hand. Einmal tief durchatmen, dann zog er es mit einem Ruck aus seinem Körper heraus. Der Schmerz ließ ihn laut aufschreien und auf die Knie fallen. Es dauerte eine Weile, bis sich die roten Schleier vor seinen Augen gelichtet hatten. Mit Cujas Hilfe stand er wieder auf und machte sich schwankend auf den weiten, beschwerlichen Heimweg.

Jeder Schritt war eine Qual für Ameron, immer wieder durchfuhr ihm ein heißer Schmerz, der ihn Sterne sehen ließ. Der verletzte Junge nahm die Umwelt überhaupt nicht wahr, wenn ihn Cuja, seine treue Wölfin nicht zur Hütte geführt hätte, wäre Ameron nie da angekommen. Endlich hatten die Beiden ihr Ziel erreicht und Ameron ließ sich laut stöhnend aufs Bett fallen und schloss völlig erschöpft die Augen. Der Schmerz war mittlerweile unerträglich und raubte ihm den Atem. Mühsam richtete sich der Junge wenig später auf und zog sein blutgetränktes Hemd aus. Die Wunde blutete noch immer ein wenig und klaffte ziemlich auseinander. Ameron wusste, dass er sie säubern und verbinden musste. Unter Schmerzen stand er vom Bett auf und schwankte zu dem Eimer mit Wasser, den er immer in der Hütte hatte. Ameron tauchte ein sauberes Tuch in das kühle Wasser und begann, mit zusammengebissenen Zähnen, die Wunde so gut es ging auszuwaschen. Die Tränen traten dem Jungen in die Augen, am liebsten hätte er laut aufgeschrieen, weil die Behandlung so weh tat. Aber endlich hatte er es geschafft und Ameron legte noch einen Verband an. Mit letzter Kraft gelangte er zu seinem Bett und legte sich nieder, er fühlte sich schrecklich schwach und müde. Kurz, nachdem Ameron die Augen geschlossen hatte, schlief er auch schon fest. Er bekam nicht mehr mit, wie Cuja sich leise winselnd neben ihm auf das Bett legte und sich ganz nah an ihn drängte. Die Wölfin ahnte, dass ihr Freund nun alle Wärme und Nähe brauchen würde, die sie ihm geben konnte.

Schwer atmend wälzte sich Ameron von einer Seite zur anderen, dicke Schweißperlen standen auf seiner Stirn und immer wieder begann er im Fiebertraum nach seinen Eltern zu rufen. Die Wunde hatte sich entzündet und Ameron hatte sehr hohes Fieber, schon seit Tagen war er kaum zu sich gekommen. In den wenigen wachen Momenten schaffte er es, ein wenig Wasser zu sich zu nehmen, das er aus dem Eimer schöpfte. Cuja ließ Ameron keine Sekunde aus den Augen, immer wieder leckte sie liebevoll über sein Gesicht und den Körper, was ihm irgendwie Erleichterung verschaffte.

Aber Amerons Körper besiegte das Fieber und nach einigen Tagen begann die Temperatur langsam wieder zu sinken. Sein Kopf wurde wieder klarer und ihm fiel die Königskrautsalbe wieder ein, die er aus den gesammelten Blättern hergestellt hatte. Als er aufstehen wollte, versagten ihm die Beine fast den Dienst, durch das Fieber und weil er keine Nahrung zu sich nehmen konnte, war Ameron schrecklich schwach geworden. Nur mit äußerster Willenskraft schaffte er es, die Dose mit der Salbe zu erreichen. Er bestrich sich die Verletzung dick mit der Salbe und legte wieder einen Verband darüber. Bald fühlte er sich bedeutend besser und die Wunde begann, sich ohne Probleme zu schließen.

Ameron hatte seine Lektion schmerzlich gelernt, nie wieder würde er einem scheinbar besiegten Gegner den Rücken kehren. Und er hatte jegliches Vertrauen in sein Volk verloren, von diesem Zeitpunkt an mied er es gekonnt, von Menschen, die in seinen Wald kamen, gesehen zu werden. Allerdings ließ sich so gut wie nie jemand hier blicken, was Ameron allerdings nur Recht sein konnte, er hatte genug von den Menschen. Was der Junge jedoch nicht wissen konnte, war, dass die Menschen aus der Umgebung den toten Jäger gefunden hatten und eine Verbindung zu den beiden Toten, die vor zwei Jahren auf dem Waldpfad gelegen hatten, hergestellt hatten. Bald war von einem Einsiedler die Rede, der Jeden, der es wagte den "Wald ohne Wiederkehr", wie sie Amerons Wald von nun an nannten, zu betreten, bedingungslos tötete.

*

Die Jahre vergingen, Ameron wuchs zu einem großen, schlanken Mann heran, dessen schwarzes Haar ihm frech ins Gesicht fiel, es war einfach nicht zu bändigen. Die braunen Augen sahen jede noch so kleine Bewegung im Dickicht und seine Ohren konnten das Rascheln einer Maus auf dem Waldboden ausmachen. Alle seine Sinne waren durch das Leben in der Wildnis geschärft und Ameron hatte großes Geschick im Umgang mit Bogen, Schwert und Messer erlangt. Er zählte nun schon fast vierundzwanzig Jahre, er hatte sich längst an sein Leben als Einsiedler gewöhnt. Außerdem war noch immer seine treue Cuja an seiner Seite, die Wölfin war mittlerweile auch schon in die Jahre gekommen, ihr silbriges Fell war an einigen Stellen bereits schneeweiß geworden, doch sie war Ameron nach wie vor eine treue Freundin, die ihm nicht von der Seite wich.

"Komm, altes Mädchen, lass uns an den Fluss gehen!" rief Ameron über seine Schulter und wartete geduldig, bis Cuja hinter ihm hergetrottet kam. Sie konnte nicht mehr so schnell laufen wie früher, aber es störte die Beiden im Grunde nicht, Ameron nahm auf die alte Wölfin immer Rücksicht.

Schließlich waren sie aber doch am Ufer des Flusses angekommen, und Ameron zog sich Jacke, Hemd und Stiefel aus. Es war ein recht heißer Tag und der junge Mann wollte Erfrischung in den kühlen Fluten finden. Mit einem eleganten Hechtsprung sprang er ins tiefe, schnell fließende Wasser und tauchte bis zum Grund. Er war ein ausgezeichneter Schwimmer und Taucher, die Strömung schien Ameron nicht zu stören, mit kraftvollen Bewegungen kämpfte er dagegen an. Als er wieder auftauchte, sah er dass sich Cuja neben seinen Sachen an das Ufer gelegt hatte und offensichtlich schlief.

Wehmütig dachte der junge Mann daran, dass sie nun schon seit vielen Jahren an seiner Seite war und dass ihre Lebensuhr bald ablaufen würde. Diese Gedanken ließen die Tränen in seine Augen schießen, er wusste gar nicht, wie er je ohne Cuja zurechtkommen würde. Aber noch war sie ja da, es hatte keinen Sinn, sich darüber den Kopf zu zerbrechen. Amerons Jugend ließ ihm diese finsteren Gedanken schnell wieder vergessen und er schwamm noch geraume Zeit durch den Fluss, ehe er ans Ufer kletterte, wo er stürmisch von Cuja begrüßt wurde. Nass wie er war, legte er sich in den feinen Sand und genoss die Sonnenstrahlen auf seiner Haut, die ihn gleichzeitig wärmten und trockneten. In diesen Momenten genoss Ameron sein Leben in vollen Zügen, er dachte nicht an die täglichen Mühen, die ein einsames Leben im Wald forderte, er lebte einfach!

Ameron wurde durch einen lauten Donner wach. Erschrocken blinzelte er und sah über sich die dunklen Gewitterwolken, die die Sonne verdunkelt hatten. Er erhob sich und sah zu Cuja, die sich neben ihn gestellt hatte und den jungen Mann abwartend ansah. "Wir sollten besser nach Hause gehen, Mädchen. Hier wird's bald ziemlich ungemütlich werden." Sagte er zu der Wölfin, die mit dem Schwanz wedelte. Rasch hatte er sich wieder angezogen und die Beiden machten sich auf den Weg zurück in den Wald. Kaum waren sie unter den ersten Bäumen durchgegangen, brach plötzlich, wie aus dem Nichts kommend, ein heftiger Sturm los. Die Bäume ächzten und schwankten, kleinere Äste und Blätter wurden einfach weggerissen und wirbelten ziellos durch die Luft. "Schnell Cuja! Zur Hütte!" versuchte Ameron gegen den Sturm anzuschreien, aber das wilde Getöse verschluckte die Worte einfach. Aber die Wölfin verstand ihn auch so und hielt sich an seiner Seite.

Mittlerweile hatte es den Anschein, als wollte die Welt untergehen. Blitze zuckten über den schwarzen Himmel, gefolgt von dröhnendem Donner, der in den Ohren nachhallte. Ameron konnte sich nicht daran erinnern, jemals solch ein Unwetter erlebt zu haben. Aus dem Sturm war mittlerweile ein Orkan geworden, armdicke Äste wurden einfach von den Bäumen gerissen uns stürzten zu Boden. Ein lautes Knacken und Knarren ließ Ameron stoppen und er sah nach oben.

Fassungslos sah er einen großen Baum auf sich zustürzen, aber er machte keine Anstalten, sich in Sicherheit zu bringen, der Schreck hatte den jungen Mann bewegungsunfähig gemacht. Ein heftiger Stoß riss ihn von den Beinen und Sekundenbruchteile später fühlte er einen heftigen Schmerz in seinem rechten Bein. Für einige Momente nahm Ameron nichts weiter wahr als Schmerz, vor seinen Augen wallten Nebel und er bekam kaum noch Luft. Langsam drangen wieder Geräusche an seine Ohren, er hörte das Tosen des Sturmes, das Dröhnen des Donners und das Rauschen des nun einsetzen des Regens. Aber da war noch ein anderer Laut, einer der Ameron das Blut in den Adern gefrieren ließ.

Ein leises Winseln kam unter dem Baum hervor, der junge Mann wandte den Kopf und sah nah neben sich Cuja liegen, ein dicker Ast des umgestürzten Baumes lag quer über ihren Körper. "Cuja!" schrie er laut auf und stemmte sich mit aller Kraft gegen den Baum, der ihn noch immer gefangen hielt. Ameron biss die Zähne zusammen und konnte ein Stöhnen nicht unterdrücken, als er es endlich geschafft hatte und sein Bein hervorzog. Auf allen vieren kroch er zur Wölfin und dem jungen Mann stockte der Atem, als er seine Gefährtin sah. Mit aller Kraft stemmte er den Ast in die Höhe und schaffte es, das verletzte Tier unter dem Holz hervorzuziehen. Als das immense Gewicht von ihrem Brustkorb genommen war, winselte Cuja wieder leise und schlug schwach mit ihrem Schwanz, aber sonst bewegte sie sich nicht.

"Cuja, nein! Bitte bleib bei mir! Ich bringe dich nach Hause!" schluchzte Ameron und schob sachte seine Arme unter den Körper der alten Wölfin. Er nahm sie auf seine Arme und stand schließlich auf. Als der junge Mann das rechte Bein belastete, durchzuckte ihn ein heftiger Schmerz, der ihn aufschreien ließ. Aber das Bein vermochte ihn zu tragen und so hinkte Ameron so schnell es ihm möglich war zurück zu seiner Hütte. Cuja lag völlig bewegungslos in seinen Armen, nur ihr flacher Atem verriet dem besorgten Mann, dass sie noch am Leben war.

Ameron schien es, als ob stunden vergangen waren, bis er an der Hütte angekommen war und die Wölfin vorsichtig auf ihr Lager bettete. Sie war so schwach, dass sie den Kopf nicht heben konnte, nur ihr Schwanz schlug kurz auf den Boden, als ob sie Ameron Dank sagen wollte. Der junge Mann tastete behutsam ihren Körper ab und merkte zu seinem Schrecken, dass mehrere Rippen gebrochen waren. An Cujas Nase klebte ein wenig Blut, das jedoch nicht von der kleinen Schürfwunde an der Schnauze stammte. Als Ameron ihren schweren Atem bemerkte, krampfte sich sein Herz zusammen und er musste schlucken. Cuja war zweifelsfrei sehr schwer verletzt worden, die Rippen mussten ihre Lungen durchbohrt haben und er merkte, wie seine Gefährtin immer schwächer wurde, ohne dass er ihr helfen konnte. Ameron wusste, dass seine geliebte Cuja sterben würde und Tränen flossen über seine Wangen. "Cuja, meine liebe Gefährtin." Stammelte er und nahm vorsichtig ihren Kopf in seine Hände. Die Wölfin sah ihn aus ihren wunderschönen braunen Augen an und leckte dem jungen Mann über sein tränennasses Gesicht, als ob sie Abschied nehmen und ihn trösten wollte. Schwach wedelte sie noch kurz mit ihrem Schwanz, dann merkte Ameron, dass ihr Kopf nun schwer in seinen Händen lag.

Langsam legte er ihn zurück auf das Lager und blickte in ihre Augen, die starr ins Nichts gerichtet waren. Cuja, seine Gefährtin in den vielen Jahren der Einsamkeit, war tot. Ameron schloss ihr sachte die Augen und streichelte liebevoll über ihr weiches Fell, dann legte er seinen Kopf auf den leblosen Körper der Wölfin und schluchzte laut. Er ließ seiner Trauer freien Lauf, Ameron weinte laut und konnte sich gar nicht mehr beruhigen. Der junge Mann fühlte eine Einsamkeit, die er seit vielen Jahren nicht mehr gefühlt hatte.

Nach einigen Stunden hatte sich das Unwetter verzogen und Ameron begann, nahe der Hütte für Cuja ein Grab auszuheben. Das war das letzte, was er für seine treue Freundin tun konnte. Er erinnerte sich viele Jahre zurück, damals hatte er seine Eltern beerdigen müssen, aber er fühlte keinen Unterschied. Damals wie heute musste er einen wichtigen Teil seines Lebens zu Grabe tragen.

Als er mit dem graben fertig war, ging er langsam in die Hütte und kam kurz darauf mit der toten Wölfin auf den Armen wieder ins Freie, die er in ihre Decke gewickelt hatte. Vorsichtig bettete er sie in die Grube und strich noch einmal liebevoll über ihren erkalteten Körper und flüsterte ein letztes Lebewohl. Schweren Herzens schaufelte Ameron Erde über das Tier und stand danach noch lange Zeit an ihrem Grab. In Gedanken sprach er zu seiner Mutter und bat, sie möge Cuja bei sich aufnehmen und beschützen, wo immer sie auch sein mögen.

Dann hinkte er langsam zurück in seine Hütte, er setzte sich schwerfällig an den Tisch und bettete den Kopf auf seine verschränkten Arme. Unfähig, irgendeinen klaren Gedanken zu fassen, verharrte Ameron stundenlang in dieser Lage, bis er langsam den Kopf hob und sich mit einer müden Handbewegung über die Augen strich. Nun, da alles vorüber war, bemerkte der junge Mann die Schmerzen in seinem rechten Bein wieder und sah an sich herab. An seinem rechten Oberschenkel hatte ein abgebrochener Ast einen langen Riss hinterlassen. Ameron machte sich nun daran, die Wunde von dem verkrusteten Blut zu befreien, strich Salbe darüber und verband sie schließlich. Er humpelte zu seinem Bett und streckte sich erschöpft aus, der Schmerz und die Trauer forderten ihren Tribut und so schlief der unglückliche junge Mann schließlich ein.

Aber Ameron sollte nicht zur Ruhe kommen, in seinen Träumen stürzten die Eindrücke des Tages und die Erlebnisse der letzten Jahren auf ihn ein und verwoben sich zu schrecklichen Alpträumen, die ihn immer wieder schweißgebadet und laut schreiend aufwachen ließen. Aber als der Morgen am Horizont zu grauen begann, fiel der junge Mann endlich in einen tiefen, traumlosen Schlaf, der ihm wieder zu neuen Kräften verhelfen würde.