One, Two, Three, Four: Ich bin nur ein kleiner Plagiator, bis auf den Plot, die schlechte Grammatik und gewisse Kurzschlüsse im kreativen Zentrum gehört mir in dieser Geschichte nichts, kein Charakter, kein einziges Staubkorn in Hogwarts, nichts, was irgendwie im Potterversum herumrennt. Alles JKRs und Warner Bros ihrs. ^^ Und die multinationalen Konzerne nicht zu vergessen.
Sodele, der Plot kommt langsam in Gang. (Oder auch nicht.) Aber hab ich schon die sozialkritische Ader raushängen lassen? Ich hoffe doch, ja.
Mew, reviewt mir doch bitte, wie ihr's bis jetzt findet. Dank und Blumen kommen dann. ^___^
Kritik ist mir ebenso lieb wie ein roter Teppich und Fanfaren.
So denn...
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04: all things dull and ugly
"Ich komme wieder, wenn du drüber reden willst!" äffte Draco sich selbst nach.
Was war denn das gewesen?
Den Rest des Tages, den ganze Abend und wieder bis spät in die Nacht war die Szene am See in seinem Kopf im Kreis herumgerannt; zu seiner übergroßen Freude hatte das am nächsten Morgen noch tiefere Augenringe als am Vortag zur Folge gehabt. Die anderen hatten in ein Glück mit schlauen Kommentaren verschont. Aber das war auch gut so. Immerhin war er eine Respektsperson; Prefects waren auch dann autoritär, wenn sie tiefe Furchen unter den Augenrändern spatzieren trugen. Zumindest hoffte er, dass der Rest der Welt das auch wußte.
Der Tag schritt fort, das Slytherin-Team hatte sein erstes Quiddichtraining; schauerlicherweise waren sie über die Ferien dermaßen schlecht geworden, dass Draco inständig hoffte, dass kein Gryffindor in der Nähe war, um die Peinlichkeit aus der Nähe zu betrachten... bzw. eigentlich hätte er das hoffen sollen. Er war selber erstaunt darüber, wie egal es ihm war, als er tatsächlich ein paar Gryffindors am Spielfeldrand entdeckt hatte, die blöd zu ihm heraufgrinsten. Als er freundlich zurückgrinste, blickten sie kurz irritiert und verieften sich dann in ein sicherlich überaus interessantes Gespräch.
Hier stimmt doch was nicht. Da hätte nicht viel gefehlt und ich hätte ihnen zugewinkt, dachte Draco, halb über sich verärgert, halb amüsiert.
Nein, hier stimmte tatsächlich was nicht.
Wurde er lasch?
Erst führte er tiefschürfende Gespräche mit seinem Erzfeind am Seeufer, dann betrieb er freundliche nonverbale Kommunikation mit blöden Gryffindorks. Er fing an, an seinem Vater zu zweifeln und fand plötzlich alles blöd, was er all die Jahre toll gefunden hatte. Nachts träumte er von grünen, ziemlich irritierenden Augen, und jetzt kriegte er auch noch einen Quaffel an die Schulter!!
"Schläfst du etwa?"
Nein, hier stimmte tatsächlich was nicht, soviel war klar. Draco rieb sich die Schulter.
"Hey, macht ohne mich weiter." rief er seiner Mannschaft knapp zu, schwenkte nach unten ab, landete und verließ das Spielfeld unter den teils überraschten, teil empörten Blicken der Slytherins und den blöden Glotzaugen der drei Gryffindors.
"Wenn du drüber reden willst!" knurrte er vor sich hin.
Jugend und Erwachsenwerden sind ziemlich verwirrende Dinge. Es schien Draco, als könnte er mit sowas am besten klarkommen, wenn er so lange darüber nachdachte, bis er genug davon hatte; und nachdenken fiel ihm immer besonders leicht, wenn er sich mit Ruhe und Frieden und einigen Regalreihen verstaubter Bücher, die nie jemand anrührte, konfrontiert sah.
In die Abteilung der Bibliothek, in der die ganze Muggelliteratur aufbewahrt wurde, verirrte sich selten jemand hin. Es war fast wie daheim in Malfoy Manor; bloß, dass einen hier keine blutrünstigen Titel aus den Regalen anstarrten. Es war ruhig, es war staubig, die Bücher wurden nie angerührt, perfekte Bedingungen.
Draco hatte diesen Ort bereits vor ein paar Jahre für sich entdeckt, wenn er nachdenken wollte. Sein Vater wäre sicherlich durchgedreht, hätte er gewußt, dass sich sein Sohn in der Nähe dieses Schlammblutgeschreibsels aufhielt, denn die Dinger strahlten ja sicherlich sowas wie schwule Microwellen aus, die die Reinblütigkeit eines Zauberers beeinträchtigten... irgend so ein Firlefanz, aber was der Alte nicht wußte, ließ ihn auch kalt, oder?
Draco machte es sich in einer der breiten Fensterbänke bequem, zog die Beine dicht an den Körper und blickte hinaus.
Es verwirrte ihn ziemlich, was mit ihm los war.
Dass er plötzlich alles in Frage stellte, verkomplizierte die Dinge ungemein.
Sein Vater, immer sein privater Held, soweit er sich zurückerinnern konnte, war in seinen Augen plötzlich nur noch ein nerviger alter Knacker, der wie besessen von einem anderen nervigen alten Knacker war. Mittlerweile war dieser Gedanke nicht mehr erschreckend, Draco hatte sich fast schon daran gewöhnt. Woran er sich nicht gewöhnen konnte, war der Gedanke, was das für ihn hieß. Mußte er auf Voldemorts Seite sein, nur weil sein Vater es war? Mußte er überhaupt auf irgend jemandes Seite sein? Wo war eigentlich die Pointe an dieser ganzen Sache?
Draco hatte das Gefühl, als würden seine ganzen Feindbilder langsam aber sicher zerbröckeln.
Die Todesser erschienen ihm immer weniger erstrebenswert.
Und die Gryffindors fand er zwar immer noch selten dämlich, aber wenn man mal darüber nachdachte, gab es Idioten doch wirklich überall, nicht nur im Haus mit der albernen Miezekatze als Wappentier...
...schon seltsam.
Irgendwie war früher alles einfacher gewesen, als Schwarz noch Schwarz und Weiß noch Weiß gewesen war. Oja. Slytherin war toll, Gryffindor war es eben nicht, reinblütige Zauberer en vogue und die Muggel waren die Nerds der Evolution, und Voldemort der Zitronencremetrüffel auf dem Kosakenzipfel...
Was für ein blöder Vergleich. Draco seufzte. Sogar sein Sarkasmus litt an seiner Identitästkrise.
Wieso hatte er damit angefangen?
Wo kamen diese Gedanken her, die alles in Wanken brachten? Verdammt, er wußte, wer er war. Er war Draco Malfoy, jüngster Sproß der stolzen Linie der Malfoys. Aber warum hatte sich das früher nicht so lächerlich angefühlt?
Und, das war das unheimlichste überhaupt, was ihm bei der ganzen Nachdenkerei den Sommer über aufgefallen war, seit wann dachte er, wenn er an Harry Potter dachte, nicht mehr daran, dass es sich bei ihm um einen äußerst nichtswürdigen Blödmann handelte, dessen Todestag er zum Nationalen Feiertag erklären und die Korken knallen lassen würde?
Wohin war der ganze schöne Hass für diesen Jungen verschwunden, den Draco all die Jahre so liebevoll gepflegt hatte?
Es war nicht mal mehr eine realistische Form der Abneigung ihm gegenüber übrig geblieben, sondern eher sowas wie verdrehte Neugier. Und die Augen in seinen Träumen.
Draco schüttelte sich.
Er mußte krank sein.
Das Geräusch von Schritten ließ ihn aus seinen Überlegungen schrecken und er zog sich beinahe schon reflexartig enger zusammen, so dass seine Gestalt vom langen Samtvorhang an seinem Fenster verborgen wurde. Hier, in der Abteilung für Muggelliteratur, erwischt zu werden, war fast noch peinlicher als... Draco fiel gerade kein passender Vergleich ein, aber er hatte keine Lust auf eine weitere Predigt seines Vaters, sollte er es auf irgendwelchen schrägen Wegen erfahren.
Jemand ging an den Regalen entlang, langsam, bedächtig, suchte sich einige Bücher heraus, stellte sie wieder zurück, und schließlich vernahm Draco ein Rascheln, als hätte sich jemand in den Sessel direkt vor seiner Fensterbank gesetzt, den er eben verschmäht hatte, um die Aussicht genießen zu können.
Na, super.
Jetzt saß er hier hinter dem Vorhang fest, bis die Person, wer immer es auch sein würde, sich wieder bequemen würde, zu verschwinden. Und wer wußte schon, wann das sein würde...
~Spinnst du?~ Auf Vaters Stimme war immer Verlass. Sie verfolgte ihn einfach überall hin, und sei es auch nur als Einbildung in Dracos Kopf. ~Du stehst einfach auf und gehst an dem Jemand vorbei. Ein Malfoy versteckt sich nicht!~
Höchstens vor dir, Vater... dachte Draco.
Er zögerte. Normalerweise würde er auch tun, was die Stimme ihm befahl, aber irgendetwas hielt ihn zurück...
Vorsichtig spickte er durch die Maschen des Vorhanges, um wenigstens die Identität des Anwesenden festzustellen. Wenn es ein Slytherin war, konnte er gefahrlos raus. Natürlich war diese Möglichkeit nicht sehr wahrscheinlich. Slytherins hielten traditionell nicht viel von Muggeln (und, die, die es doch taten, gewöhnten es sich aus Gruppenzwangtechnischen Gründen sehr schnell ab) und hingen demzufolge auch nicht in diesem Teil des Schlosses herum. Er konnte nicht allzuviel sehen. Klar, Samt hatte nur winzige Maschen. Aber ein kleines Loch gewährte visuellen Durchlass auf einen kleinen Ausschnitt der Bibliothek und ein Stück einer Frisur. Bzw. schwarzes, wirres Haar, einen Brillenbügel und ein nur allzu vertrautes Halbprofil...
Draco schluckte unwillkürlich.
Das war nicht fair. Nicht Potter.
Und jetzt?
Draco zog sich ein wenig weiter ans Fenster zurück und spürte das kalte Glas im Nacken. Die Anwesenheit Harrys machte ihn nervör, er konnte nicht genau benennen, wieso es so war. Irgendwie schien sie die Erinnerung an die Träume die letzten paar Nächte wachzurufen, an die er sich morgens lediglich verschwommen erinnern konnte, als würde er sie in vom Inneren eines Goldfischglases aus betrachten. Jetzt, in diesem kleinen Moment, die er hinter Harry auf der Fensterbank saß und sich der kleine Außschnitt aus Harrys Nacken, Haar und Halbprofil in Dracos Netzhaut brannte, durchfuhr die ihn schreckliche Sicherheit, ganz genau zu wissen, was es war, das ihn an allem zweifeln und fragen ließ, was ihm nachts den Schlaf raubte. Und plötzlich war auch eine Erklärung da, warum er nicht mehr zu passen schien, in die Welt, die für ihn erdacht worden war.
Verdammt, er wußte, was es war!
Und dann nieste er und vergaß es sofort wieder.
Sein Entsetzen schwappte in ein anderes über.
Er hatte sich verraten! Verwünschte Nebenhöhlen!
Und just in diesem Moment rumpelte es vor ihm, als würde sich jemand blitzschnell umdrehen, und der Samtvorhang wurde zur Seite gerissen.
"Was?" fragte Draco patzig, als er Harry vor sich sah. Etwas besseres fiel ihm nichts ein. "Hast du noch nie jemanden auf einer Fensterbank sitzen sehen?"
"Malfoy!" zischte Harry. Draco fragte sich, warum er seinen Namen immer so zischen mußte. "Spionierst du mir hinterher?"
"Mal langsam." gab Draco zurück, mit dem Gefühl, sich verteidigen zu müssen. "Ich war zuerst hier gewesen. Was kann ich dafür, wenn dich genau vor mich hinpflanzt?"
Er wußte selber, wie lächerlich er wirken mußte. Hockte wie ein kleines Kind hinter einem Vorhang und spielte Verstecken. Er würde sich ja selbst nicht glauben, wenn er sich hören würde.
Harry sah aus, als könnte er sich nicht entscheiden, loszubrüllen, oder zu lachen; er grinste, als hätte er eine ganz tolle Entdeckung gemacht. "Draco Malfoy verbringt seine Freizeit in der Muggelbibliothek." sagte er langsam und ließ die Worte auf der Zunge zergehen, wie Belgische Schokolade. "Dass ich das noch erleben darf."
Draco fühlte sich ertappt und fummelte nervös an seinem Kragen herum. "Ich... äh, bin nicht hier um zu lesen, falls du das glaubst, Potter."
"Du kannst Lesen?"
"Ich kugele mich vor Lachen." seufzte Draco. "Du wirst er nicht glauben," fuhr er würdevoll fort, "aber auch ich bin mal gern für mich allein. Und normalerweise kommt hier auch niemand her."
"Oh, Verzeihung, bitte." Harry verzog den Mund und sammelte seine Bücher zusammen. "Es wird nicht wieder vorkommen, euer Hoheit. Ich bin schon weg."
"Äh..." Draco spürte, wie die Worte in ihm hochkamen. Und es gab keine Möglichkeit, sie aufzuhalten. "W-warte doch mal, bitte..."
Jetzt sah Harry wirklich aus wie eine Eule. "Wie meinen?"
"Ich ich ich ich meine, was liest du da?"
~Wenn du jetzt noch rot wirst, stehst du zum ersten Mal in deinem Leben als kompletter Idiot da, das ist dir doch hoffentlich klar. Ein Malfoy stammelt nicht! Und schon gar nicht vor HARRY POTTER!~
"Ich glaube nicht, dass dich das interessiert." sagte Harry.
"Ach ja?"
"Muggel-Geschichte." erklärte Harry extra langsam und strich sich eine schwarze Strähne aus den Augen. "Du weißt schon. Schlammblüter. Abschaum und so. Nichts für dich. Machst dir nur deine manikürten Finger dreckig. Warum gehst du nicht zurück zu deinen Slytherinfreunden und Ihr genießt zusammen, wie toll ihr doch seid? Es gibt ja sonst nichts, worüber man sich Sorgen machen müßte."
"Mann, Potter, was haben sie mit dir gemacht?" fragte Draco beinahe amüsiert. "Was ist aus deiner gepflegten Ich-mach-dich-fertig-Konversation geworden? Und warum hockst du so auf dem Buch?"
"Weißt du was, fick dich, Malfoy."
Sprach's und ging strammen Schrittes von dannen.
Draco starrte ihm eine Weile hinterher, unschlüssig, ob er sich jetzt ärgern sollte, oder nicht. Aber irgendwie ging es nicht. Irgendetwas sagte ihm, dass er ein ernsthafteres Problem als Hals hatte, als Harry Potter, der ihm Obszönitäten an den Kopf warf.
Er ließ sich zurücksinken gegen das kalte Glas, ließ die Beine baumeln und fühlte sich elend.
Dann fiel sein Blick auf die langen Bücherregale, und er beschloß etwas.
Noch bis spät in die Nacht konnte man Licht unter seiner Zimmertür durchschimmern sehen. Draco las. Er hatte sich einen großen Haufen Bücher mitgenommen, Muggelbücher. Wenn Bilder darin waren, bewegten sie sich nicht, aber Draco mußte zugeben, sie waren alles andere als langweilig; in diesem Punkt hatte Harry ihm gewaltig Unrecht getan.
Er las in Geschichtsbüchern, über die Fanzösische Revolution und was die letzten zweihundert Jahre in der Muggelwelt so abgegangen war. Es war wirklich interessant, aber er verstand nur ziemlich wenig; gewisse Zusammenhänge erschlossen sich ihm nicht und das ärgerte ihn. Wie konnte etwas scheinbar so schlicht Gestricktes wie die Muggelgeschichte dermaßen seinen Verstand übersteigen? Draco legte das
Buch beiseite, als er gegen drei Uhr früh bei 1871 angekommen war und ließ sich rückwärts auf sein Bett fallen.
Wäre er ein Muggel, würde er es verstehen. Aber fern lag es von ihm, sich zu wünschen, er wäre einer. Dennoch... irgendwie, und das gab er nur ungern zu, faszinierte ihn der Gedanke, dass Muggel doch nicht so dumm waren, wie sein Vater es ihn immer gelehrt hatte.
Und, was noch viel interessanter war, irgendwann einmal mußte die Welt doch noch eins gewesen sein. Nur mit Muggeln... und dann kam die Magie oder irgendjemand entdeckte sie. Und dann... dann gab es Zauberer und Muggel. Und das hieß, dass jeder Zauberer von Muggeln abstammte. Von Schlammblütern... gefährlich, gefährlich. Diese Theorie widerlegte die gesamte Rassentheorie, die sein Vater so liebte. "Vergiss nie, Sohn, wir sind zu Besserem geboren, denn unser Blut ist rein."
Rein, wovon denn rein?
Er mußte herausfinden, wie viel an dieser Sache dran war. Vielleicht war es ja wirklich nur ein verrückter Gedanke. Aber wenn nicht... wenn nicht...
Draco stand auf und rannte nervös auf und ab. Ja, wenn nicht, war sein ganzes Leben eine riesige Lüge und er hatte gar nichts, worauf er sich irgendetwas einbilden konnte. Er würde lediglich Draco sein, der Sohn seines Vaters, der auch niemand war als der Sohn seines Vaters... naja, Mütter natürlich mit inbegriffen. Aber seine Identität, die auf all dieser behegten und gepfelgten Reinblütigkeit fußte, würde aufhören zu existieren. Und wer wäre er dann?
Er mußte es herausfinden.
Und dazu mußte er mehr über die Muggel herausfinden. Vielleicht konnte Harry ihm ja helfen...
~aber natürlich könnte er das.~
Nein, wahrscheinlich nicht. Sauer stellte er fest, dass er schon wieder an seinen Todfeind dachte. Und noch fiel saurer machte es ihn, dass ihm warm wurde und zittrig. Er hoffte, die Gewissheit, die er eben in der Bücherei gehabt hatte, würde sich als falsch herausstellen.
Sodele, der Plot kommt langsam in Gang. (Oder auch nicht.) Aber hab ich schon die sozialkritische Ader raushängen lassen? Ich hoffe doch, ja.
Mew, reviewt mir doch bitte, wie ihr's bis jetzt findet. Dank und Blumen kommen dann. ^___^
Kritik ist mir ebenso lieb wie ein roter Teppich und Fanfaren.
So denn...
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04: all things dull and ugly
"Ich komme wieder, wenn du drüber reden willst!" äffte Draco sich selbst nach.
Was war denn das gewesen?
Den Rest des Tages, den ganze Abend und wieder bis spät in die Nacht war die Szene am See in seinem Kopf im Kreis herumgerannt; zu seiner übergroßen Freude hatte das am nächsten Morgen noch tiefere Augenringe als am Vortag zur Folge gehabt. Die anderen hatten in ein Glück mit schlauen Kommentaren verschont. Aber das war auch gut so. Immerhin war er eine Respektsperson; Prefects waren auch dann autoritär, wenn sie tiefe Furchen unter den Augenrändern spatzieren trugen. Zumindest hoffte er, dass der Rest der Welt das auch wußte.
Der Tag schritt fort, das Slytherin-Team hatte sein erstes Quiddichtraining; schauerlicherweise waren sie über die Ferien dermaßen schlecht geworden, dass Draco inständig hoffte, dass kein Gryffindor in der Nähe war, um die Peinlichkeit aus der Nähe zu betrachten... bzw. eigentlich hätte er das hoffen sollen. Er war selber erstaunt darüber, wie egal es ihm war, als er tatsächlich ein paar Gryffindors am Spielfeldrand entdeckt hatte, die blöd zu ihm heraufgrinsten. Als er freundlich zurückgrinste, blickten sie kurz irritiert und verieften sich dann in ein sicherlich überaus interessantes Gespräch.
Hier stimmt doch was nicht. Da hätte nicht viel gefehlt und ich hätte ihnen zugewinkt, dachte Draco, halb über sich verärgert, halb amüsiert.
Nein, hier stimmte tatsächlich was nicht.
Wurde er lasch?
Erst führte er tiefschürfende Gespräche mit seinem Erzfeind am Seeufer, dann betrieb er freundliche nonverbale Kommunikation mit blöden Gryffindorks. Er fing an, an seinem Vater zu zweifeln und fand plötzlich alles blöd, was er all die Jahre toll gefunden hatte. Nachts träumte er von grünen, ziemlich irritierenden Augen, und jetzt kriegte er auch noch einen Quaffel an die Schulter!!
"Schläfst du etwa?"
Nein, hier stimmte tatsächlich was nicht, soviel war klar. Draco rieb sich die Schulter.
"Hey, macht ohne mich weiter." rief er seiner Mannschaft knapp zu, schwenkte nach unten ab, landete und verließ das Spielfeld unter den teils überraschten, teil empörten Blicken der Slytherins und den blöden Glotzaugen der drei Gryffindors.
"Wenn du drüber reden willst!" knurrte er vor sich hin.
Jugend und Erwachsenwerden sind ziemlich verwirrende Dinge. Es schien Draco, als könnte er mit sowas am besten klarkommen, wenn er so lange darüber nachdachte, bis er genug davon hatte; und nachdenken fiel ihm immer besonders leicht, wenn er sich mit Ruhe und Frieden und einigen Regalreihen verstaubter Bücher, die nie jemand anrührte, konfrontiert sah.
In die Abteilung der Bibliothek, in der die ganze Muggelliteratur aufbewahrt wurde, verirrte sich selten jemand hin. Es war fast wie daheim in Malfoy Manor; bloß, dass einen hier keine blutrünstigen Titel aus den Regalen anstarrten. Es war ruhig, es war staubig, die Bücher wurden nie angerührt, perfekte Bedingungen.
Draco hatte diesen Ort bereits vor ein paar Jahre für sich entdeckt, wenn er nachdenken wollte. Sein Vater wäre sicherlich durchgedreht, hätte er gewußt, dass sich sein Sohn in der Nähe dieses Schlammblutgeschreibsels aufhielt, denn die Dinger strahlten ja sicherlich sowas wie schwule Microwellen aus, die die Reinblütigkeit eines Zauberers beeinträchtigten... irgend so ein Firlefanz, aber was der Alte nicht wußte, ließ ihn auch kalt, oder?
Draco machte es sich in einer der breiten Fensterbänke bequem, zog die Beine dicht an den Körper und blickte hinaus.
Es verwirrte ihn ziemlich, was mit ihm los war.
Dass er plötzlich alles in Frage stellte, verkomplizierte die Dinge ungemein.
Sein Vater, immer sein privater Held, soweit er sich zurückerinnern konnte, war in seinen Augen plötzlich nur noch ein nerviger alter Knacker, der wie besessen von einem anderen nervigen alten Knacker war. Mittlerweile war dieser Gedanke nicht mehr erschreckend, Draco hatte sich fast schon daran gewöhnt. Woran er sich nicht gewöhnen konnte, war der Gedanke, was das für ihn hieß. Mußte er auf Voldemorts Seite sein, nur weil sein Vater es war? Mußte er überhaupt auf irgend jemandes Seite sein? Wo war eigentlich die Pointe an dieser ganzen Sache?
Draco hatte das Gefühl, als würden seine ganzen Feindbilder langsam aber sicher zerbröckeln.
Die Todesser erschienen ihm immer weniger erstrebenswert.
Und die Gryffindors fand er zwar immer noch selten dämlich, aber wenn man mal darüber nachdachte, gab es Idioten doch wirklich überall, nicht nur im Haus mit der albernen Miezekatze als Wappentier...
...schon seltsam.
Irgendwie war früher alles einfacher gewesen, als Schwarz noch Schwarz und Weiß noch Weiß gewesen war. Oja. Slytherin war toll, Gryffindor war es eben nicht, reinblütige Zauberer en vogue und die Muggel waren die Nerds der Evolution, und Voldemort der Zitronencremetrüffel auf dem Kosakenzipfel...
Was für ein blöder Vergleich. Draco seufzte. Sogar sein Sarkasmus litt an seiner Identitästkrise.
Wieso hatte er damit angefangen?
Wo kamen diese Gedanken her, die alles in Wanken brachten? Verdammt, er wußte, wer er war. Er war Draco Malfoy, jüngster Sproß der stolzen Linie der Malfoys. Aber warum hatte sich das früher nicht so lächerlich angefühlt?
Und, das war das unheimlichste überhaupt, was ihm bei der ganzen Nachdenkerei den Sommer über aufgefallen war, seit wann dachte er, wenn er an Harry Potter dachte, nicht mehr daran, dass es sich bei ihm um einen äußerst nichtswürdigen Blödmann handelte, dessen Todestag er zum Nationalen Feiertag erklären und die Korken knallen lassen würde?
Wohin war der ganze schöne Hass für diesen Jungen verschwunden, den Draco all die Jahre so liebevoll gepflegt hatte?
Es war nicht mal mehr eine realistische Form der Abneigung ihm gegenüber übrig geblieben, sondern eher sowas wie verdrehte Neugier. Und die Augen in seinen Träumen.
Draco schüttelte sich.
Er mußte krank sein.
Das Geräusch von Schritten ließ ihn aus seinen Überlegungen schrecken und er zog sich beinahe schon reflexartig enger zusammen, so dass seine Gestalt vom langen Samtvorhang an seinem Fenster verborgen wurde. Hier, in der Abteilung für Muggelliteratur, erwischt zu werden, war fast noch peinlicher als... Draco fiel gerade kein passender Vergleich ein, aber er hatte keine Lust auf eine weitere Predigt seines Vaters, sollte er es auf irgendwelchen schrägen Wegen erfahren.
Jemand ging an den Regalen entlang, langsam, bedächtig, suchte sich einige Bücher heraus, stellte sie wieder zurück, und schließlich vernahm Draco ein Rascheln, als hätte sich jemand in den Sessel direkt vor seiner Fensterbank gesetzt, den er eben verschmäht hatte, um die Aussicht genießen zu können.
Na, super.
Jetzt saß er hier hinter dem Vorhang fest, bis die Person, wer immer es auch sein würde, sich wieder bequemen würde, zu verschwinden. Und wer wußte schon, wann das sein würde...
~Spinnst du?~ Auf Vaters Stimme war immer Verlass. Sie verfolgte ihn einfach überall hin, und sei es auch nur als Einbildung in Dracos Kopf. ~Du stehst einfach auf und gehst an dem Jemand vorbei. Ein Malfoy versteckt sich nicht!~
Höchstens vor dir, Vater... dachte Draco.
Er zögerte. Normalerweise würde er auch tun, was die Stimme ihm befahl, aber irgendetwas hielt ihn zurück...
Vorsichtig spickte er durch die Maschen des Vorhanges, um wenigstens die Identität des Anwesenden festzustellen. Wenn es ein Slytherin war, konnte er gefahrlos raus. Natürlich war diese Möglichkeit nicht sehr wahrscheinlich. Slytherins hielten traditionell nicht viel von Muggeln (und, die, die es doch taten, gewöhnten es sich aus Gruppenzwangtechnischen Gründen sehr schnell ab) und hingen demzufolge auch nicht in diesem Teil des Schlosses herum. Er konnte nicht allzuviel sehen. Klar, Samt hatte nur winzige Maschen. Aber ein kleines Loch gewährte visuellen Durchlass auf einen kleinen Ausschnitt der Bibliothek und ein Stück einer Frisur. Bzw. schwarzes, wirres Haar, einen Brillenbügel und ein nur allzu vertrautes Halbprofil...
Draco schluckte unwillkürlich.
Das war nicht fair. Nicht Potter.
Und jetzt?
Draco zog sich ein wenig weiter ans Fenster zurück und spürte das kalte Glas im Nacken. Die Anwesenheit Harrys machte ihn nervör, er konnte nicht genau benennen, wieso es so war. Irgendwie schien sie die Erinnerung an die Träume die letzten paar Nächte wachzurufen, an die er sich morgens lediglich verschwommen erinnern konnte, als würde er sie in vom Inneren eines Goldfischglases aus betrachten. Jetzt, in diesem kleinen Moment, die er hinter Harry auf der Fensterbank saß und sich der kleine Außschnitt aus Harrys Nacken, Haar und Halbprofil in Dracos Netzhaut brannte, durchfuhr die ihn schreckliche Sicherheit, ganz genau zu wissen, was es war, das ihn an allem zweifeln und fragen ließ, was ihm nachts den Schlaf raubte. Und plötzlich war auch eine Erklärung da, warum er nicht mehr zu passen schien, in die Welt, die für ihn erdacht worden war.
Verdammt, er wußte, was es war!
Und dann nieste er und vergaß es sofort wieder.
Sein Entsetzen schwappte in ein anderes über.
Er hatte sich verraten! Verwünschte Nebenhöhlen!
Und just in diesem Moment rumpelte es vor ihm, als würde sich jemand blitzschnell umdrehen, und der Samtvorhang wurde zur Seite gerissen.
"Was?" fragte Draco patzig, als er Harry vor sich sah. Etwas besseres fiel ihm nichts ein. "Hast du noch nie jemanden auf einer Fensterbank sitzen sehen?"
"Malfoy!" zischte Harry. Draco fragte sich, warum er seinen Namen immer so zischen mußte. "Spionierst du mir hinterher?"
"Mal langsam." gab Draco zurück, mit dem Gefühl, sich verteidigen zu müssen. "Ich war zuerst hier gewesen. Was kann ich dafür, wenn dich genau vor mich hinpflanzt?"
Er wußte selber, wie lächerlich er wirken mußte. Hockte wie ein kleines Kind hinter einem Vorhang und spielte Verstecken. Er würde sich ja selbst nicht glauben, wenn er sich hören würde.
Harry sah aus, als könnte er sich nicht entscheiden, loszubrüllen, oder zu lachen; er grinste, als hätte er eine ganz tolle Entdeckung gemacht. "Draco Malfoy verbringt seine Freizeit in der Muggelbibliothek." sagte er langsam und ließ die Worte auf der Zunge zergehen, wie Belgische Schokolade. "Dass ich das noch erleben darf."
Draco fühlte sich ertappt und fummelte nervös an seinem Kragen herum. "Ich... äh, bin nicht hier um zu lesen, falls du das glaubst, Potter."
"Du kannst Lesen?"
"Ich kugele mich vor Lachen." seufzte Draco. "Du wirst er nicht glauben," fuhr er würdevoll fort, "aber auch ich bin mal gern für mich allein. Und normalerweise kommt hier auch niemand her."
"Oh, Verzeihung, bitte." Harry verzog den Mund und sammelte seine Bücher zusammen. "Es wird nicht wieder vorkommen, euer Hoheit. Ich bin schon weg."
"Äh..." Draco spürte, wie die Worte in ihm hochkamen. Und es gab keine Möglichkeit, sie aufzuhalten. "W-warte doch mal, bitte..."
Jetzt sah Harry wirklich aus wie eine Eule. "Wie meinen?"
"Ich ich ich ich meine, was liest du da?"
~Wenn du jetzt noch rot wirst, stehst du zum ersten Mal in deinem Leben als kompletter Idiot da, das ist dir doch hoffentlich klar. Ein Malfoy stammelt nicht! Und schon gar nicht vor HARRY POTTER!~
"Ich glaube nicht, dass dich das interessiert." sagte Harry.
"Ach ja?"
"Muggel-Geschichte." erklärte Harry extra langsam und strich sich eine schwarze Strähne aus den Augen. "Du weißt schon. Schlammblüter. Abschaum und so. Nichts für dich. Machst dir nur deine manikürten Finger dreckig. Warum gehst du nicht zurück zu deinen Slytherinfreunden und Ihr genießt zusammen, wie toll ihr doch seid? Es gibt ja sonst nichts, worüber man sich Sorgen machen müßte."
"Mann, Potter, was haben sie mit dir gemacht?" fragte Draco beinahe amüsiert. "Was ist aus deiner gepflegten Ich-mach-dich-fertig-Konversation geworden? Und warum hockst du so auf dem Buch?"
"Weißt du was, fick dich, Malfoy."
Sprach's und ging strammen Schrittes von dannen.
Draco starrte ihm eine Weile hinterher, unschlüssig, ob er sich jetzt ärgern sollte, oder nicht. Aber irgendwie ging es nicht. Irgendetwas sagte ihm, dass er ein ernsthafteres Problem als Hals hatte, als Harry Potter, der ihm Obszönitäten an den Kopf warf.
Er ließ sich zurücksinken gegen das kalte Glas, ließ die Beine baumeln und fühlte sich elend.
Dann fiel sein Blick auf die langen Bücherregale, und er beschloß etwas.
Noch bis spät in die Nacht konnte man Licht unter seiner Zimmertür durchschimmern sehen. Draco las. Er hatte sich einen großen Haufen Bücher mitgenommen, Muggelbücher. Wenn Bilder darin waren, bewegten sie sich nicht, aber Draco mußte zugeben, sie waren alles andere als langweilig; in diesem Punkt hatte Harry ihm gewaltig Unrecht getan.
Er las in Geschichtsbüchern, über die Fanzösische Revolution und was die letzten zweihundert Jahre in der Muggelwelt so abgegangen war. Es war wirklich interessant, aber er verstand nur ziemlich wenig; gewisse Zusammenhänge erschlossen sich ihm nicht und das ärgerte ihn. Wie konnte etwas scheinbar so schlicht Gestricktes wie die Muggelgeschichte dermaßen seinen Verstand übersteigen? Draco legte das
Buch beiseite, als er gegen drei Uhr früh bei 1871 angekommen war und ließ sich rückwärts auf sein Bett fallen.
Wäre er ein Muggel, würde er es verstehen. Aber fern lag es von ihm, sich zu wünschen, er wäre einer. Dennoch... irgendwie, und das gab er nur ungern zu, faszinierte ihn der Gedanke, dass Muggel doch nicht so dumm waren, wie sein Vater es ihn immer gelehrt hatte.
Und, was noch viel interessanter war, irgendwann einmal mußte die Welt doch noch eins gewesen sein. Nur mit Muggeln... und dann kam die Magie oder irgendjemand entdeckte sie. Und dann... dann gab es Zauberer und Muggel. Und das hieß, dass jeder Zauberer von Muggeln abstammte. Von Schlammblütern... gefährlich, gefährlich. Diese Theorie widerlegte die gesamte Rassentheorie, die sein Vater so liebte. "Vergiss nie, Sohn, wir sind zu Besserem geboren, denn unser Blut ist rein."
Rein, wovon denn rein?
Er mußte herausfinden, wie viel an dieser Sache dran war. Vielleicht war es ja wirklich nur ein verrückter Gedanke. Aber wenn nicht... wenn nicht...
Draco stand auf und rannte nervös auf und ab. Ja, wenn nicht, war sein ganzes Leben eine riesige Lüge und er hatte gar nichts, worauf er sich irgendetwas einbilden konnte. Er würde lediglich Draco sein, der Sohn seines Vaters, der auch niemand war als der Sohn seines Vaters... naja, Mütter natürlich mit inbegriffen. Aber seine Identität, die auf all dieser behegten und gepfelgten Reinblütigkeit fußte, würde aufhören zu existieren. Und wer wäre er dann?
Er mußte es herausfinden.
Und dazu mußte er mehr über die Muggel herausfinden. Vielleicht konnte Harry ihm ja helfen...
~aber natürlich könnte er das.~
Nein, wahrscheinlich nicht. Sauer stellte er fest, dass er schon wieder an seinen Todfeind dachte. Und noch fiel saurer machte es ihn, dass ihm warm wurde und zittrig. Er hoffte, die Gewissheit, die er eben in der Bücherei gehabt hatte, würde sich als falsch herausstellen.
