Hello again! ^-^ Das hier nimmt langsam ungesunde Ausmaße an. Bis tief in die Nacht dasitzen und schreiben. bwäh. HP gehört nicht mir sondern der Industrie, zumindest zu größten Teilen, und JKR. Huhuuu. Der Plot scheicht Richtung Vollendung. Heißt das etwa, man darf gespannt sein? Greenpeace kommt bis jetzt immernoch nicht drin vor.
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15: Lieber Tee
"Und, wie sieht's aus? Ist er mal aufgewacht?"
"Nicht seit heute morgen. Selbst als der Arzt da war, hat er weiter geschlafen..."
"Oh."
Harry hockte auf dem grünen Sessel neben Dracos Bett im unteren Gästezimmer des Hauses von Elisas Oma. Es war warm hier drin, die Heizung war voll aufgedreht und plätschterte in der Stille vor sich hin.
Elisa saß auf der anderen Seite des Bettes auf der Kante und wechselte gerade den nassen Lappen auf Dracos fiebriger Stirn. Er murmelte kurz etwas undeutliches, aber mehr passierte nicht.
"Was hat er?" fragte das kleine Mädchen.
Harry hob die Schultern. "Der Arzt war sich nicht sicher, weißt du." sagte er leise. "Er vermutete, es läge daran, dass er wohl ziemlich lang draußen in eurem Gebüsch lag, Kälte und Feuchtigkeit ausgesetzt und so. Aber es ging ihm schon gestern nicht allzu gut, glaube ich..."
Er atmete tief durch. "Starke Erkältung, sehr hohes Fieber, ein paar geprellte Rippen..."
Er massierte sich erschöpft die Schläfen. Sehnlichst wünschte er sich Madame Pomfrey hierher. Nicht, dass er dem Muggelarzt nicht traute, ein sehr kompetend wirkender, resoluter Mann mit Spitzbart, brauner, riesiger Arzttasche und einer Stimme, die sogar Hagrid mühelos hätte übertönen können... trotzdem wäre Harry irgendwie wohler gewesen, hätte er Draco in der Obhut eines Zauberers gewußt...
Mittlerweile war es früher abend, wohl so gegen halb sechs, und draußen senkte sich bereits die Dämmerung hernieder. Es hatte angefangen, zu wehen, und die Zweige der Büsche vor dem Fenster tippten sacht gegen das Glas.
Plötzlich öffnete sich die Tür und Elisas Oma betrat den Raum mit einem Tablett auf dem eine Teekanne, drei Tassen und ein kleiner Teller mit Keksen stand. Ihre zierliche, dennoch kräftige Gestalt steckte in einem schwarzen Kleid, ihr ebenfalls schwarzes Haar hatte sie streng nach hinten in einen Knoten gebunden und an ihren Ohren baumelten zwei ziemlich große Goldringe. Eine schmale Brille mit Goldrand saß ihr auf der Nase. Harry hatte sie auf höchstens Ende sechzig geschätzt. Mittlerweile wußte er, dass sie gerade mal 59 Jahre alt war, zumindest hatte sie das behauptet und augenzwinkernd im nächsten Atemzug gesagt, dass man eine Lady allerdings nie nach ihrem Alter frage.
"Ein bißchen spät für Tee,", sagte die Oma, das Tablett auf ein kleines Tischchen neben der Heizung absetzend, "aber ich glaube, den habt ihr beiden nötig." fuhr sie an Harry und Elisa gewandt fort. "Und ich auch."
"Es tut mir leid, dass wir ihnen so viele Umstände machen," begann Harry, wurde jedoch von einer knappen Bewegung der zierlichen Hand der alten Frau resolut abgewürgt.
"Papperlapapp." sagte sie nur. "Und fang ja nicht wieder an, dich zu bedanken, dass wir deinem Freund helfen. Das ist völlig selbstverständlich."
"Ich..." versuchte er es erneut, bekam allerdings nur eine Tasse Tee in die Hand gedrückt.
"Trink den." sagte die alte Frau warm. "Und sorg dich nicht zu sehr um ihn hier."
Ihr Kinn machte eine leichte Bewegung zu Draco hin und sie zwinkerte zweideutig. "Wir kriegen deinen Süßen schon wieder hin. Elisa, Schätzchen, möchtest du Zucker in den Tee?"
"Jaaaa! Ganz viel!!"
Harry stand der Mund in stummen Protest offen und er klappte ihn einige Male auf und zu.
"Er ist nicht mein 'Süßer'!" blubberte er entsetzt hervor. "Wir sind nicht mal äh... äh..."
Elisas Oma lachte glockenhell und setzte sich ihm gegenüber auf einen Stuhl, schlug die schlanken Beine übereinander und meinte halb in ihre Teetasse: "Mein Lieber, du brauchst dich nicht zu genieren. Die Wege der Liebe sind nun mal ziemlich seltsam. Und ich verurteile sowas keineswegs."
"Sie verstehen nicht, ich..."
"Schon gut, Harry." strahlte Elisa fröhlich. "Ich hab ihr gestern alles von euch erzählt. Sie fand es sooo niedlich!"
"Niedlich??"
Die Frau und das Mädchen lachten leise vor sich hin und Harry kam sich ziemlich dämlich vor. Schnell trank er einen Schluck Tee, damit sie nicht sahen, wie rot er angelaufen war.
In diesem Moment ging die Türklingel, so dass Elisas Oma sich erhob um zu öffnen, und Harry war sehr froh, nicht weiter wegen angeblich niedlicher Dinge in Verlegenheit gebracht zu werden.
Elisa kam zu ihm herüber und setzte sich neben ihn auf die Sessellehne. Eine Weile sagte keiner von ihnen etwas.
Besorgt betrachtete Harry das blasse Gesicht in den weißen Laken vor ihm, weiß, nur die Wangen ein bißchen gerötet, besonders um die Verletzung herum, die auf die "fossilen Erziehungsmethoden" des malfoy'schen Haushalts zurückgingen, zumindest soweit Draco das behauptet hatte. Das hellblonde Haar, sonst sorgfältig gekämmt, verteilte sich nun unordentlich um seinen Kopf herum und ließ ihn noch jünger, noch verwundbarer aussehen, wie eine übergroße Porzellanpuppe. Er atmete leise, schnell und rasselnd und seine Lippen waren ganz weiß.
Bei diesem Anblick versetzte es Harry einen nervösen Stich in der Magengegend.
"Du machst dir Sorgen um ihn." sagte Elisa neben ihm und sah Harry groß in die Augen.
Er wußte nicht, was er sagen sollte.
"Natürlich machst du das." sprach Elisa weiter, mit einer Selbstverständlichkeit, die nur kleinen Kindern eigen ist. "Du magst ihn nämlich."
"Ich... weiß nicht..."
"Wie kannst du sowas nicht wissen?" Elisa klang beleidigt und haute ihm auf den Arm. "Natürlich weißt du, dass du ihn magst. Du hattest nämlich furchtbare Angst um ihn!"
"Hatte ich..." murmelte Harry dumpf und erinnerte sich an heute morgen.
Daran, wie er sehr früh aufgewacht und sofort gewußt hatte, dass er allein war. Wo sonst Dracos eigentümlich beruhigende Präsenz gewesen war, fand er in diesem Moment nur ein leeres Zimmer und ein zerwühltes Bett vor.
Er war allein.
Und dann schleichende Panik, die immer größer wurde, denn Draco war auch nicht im Bad gewesen, und seine Sachen von gestern und sein Besen waren weg. Aber er war nicht abgehauen, das spürte Harry irgendwie.
Viel schlimmer, ihn hatte das Gefühl, dass Draco etwas passiert war, nicht mehr losgelassen, sich in seinem Kopf festgebissen und alles in ihm in Adrenalin getränkte alarmbereitschaft versetzt, ihn sich schnell anziehen und die Pension verlassen lassen. Draußen war er suchend auf der Straße herumgerannt und hatte es sich gerade so verkniffen, seinen Besen zu nehmen, und von der Luft aus zu suchen, denn es wurde hell und die Leute waren schon wach.
Unkontrollierbare Gefühle waren durch ihn hindurchgerast, alle durcheinander, alle auf ein Mal, alle nicht wirklich nennbar, und zusammen ergaben sie dieses im Nacken pieksende, die Hände zappeln lassende, hilflose Gefühl, dass man gemeinhin Panik nennt.
Was, wenn die Todesser ihn erwischt hatten? Was wenn...
Und dann hatte plötzlich Elisa vor ihm gestanden, ihn beim Ärmel gepackt und hinter sich her gezogen. Wenige erklärende Worte später wußte er, wo Draco war. Und als er dann bei ihm war, gesehen hatte, dass es ihm leidlich gut ging, er nicht schwer verletzt war oder schlimmeres... war Harry der halbe Himalaya vom Herzen gefallen.
Ja, verdammt, er hatte Angst um ihn gehabt. Und wie.
"Hatte ich..."
Er stand auf, mußte einfach aufstehen und sich neben den blassen, blonden Jungen auf's Bett setzen. Die Kleine hatte völlig recht.
Er, Harry Potter, hatte Angst gehabt, dass Draco Malfoy etwas zugestoßen war. Er hatte recht gehabt, ihm war ganz offensichtlich etwas passiert. Aber er war noch am Leben.
Er wagte nicht, daran zu denken, was gewesen wäre, wenn...
Sacht strich er ein paar wirre Strähnen aus dem Gesicht des Jungen, der einmal sein Feind gewesen war. Er spürte wieder dieses beruhigende Gefühl, dasselbe, wie heute morgen, als Draco die Augen geöffnet, wenn auch nur für einen Moment, und ihn angesehen hatte.
So voller Erleichterung...
Er lebte, er war nicht weg, sondern hier bei ihm. Es verwirrte Harry nicht mal mehr, dass das ein gutes Gefühl war.
Erneut ging die Tür auf und Elisas Oma kam herein.
"Harry," sagte sie, "Das war eben Mr. Morgan an der Tür, ihm gehört die Pension, in der ihr beide übernachtet habt. Ich habe ihn heute mittag angerufen, und ihm eure Lage geschildert, und er war so nett, euer Gepäck vorbeizubringen. Es war ja nicht viel..."
Harry drehte sich zu ihr um und sah sie verständnislos an.
Die alte Frau blickte erstaund zurück. "Na, es ist doch wohl klar, dass ihr beide erstmal hier bei mir bleibt. Du kannst oben in Opas Bücherzimmer übernachten, aber wenn du lieber bei deinem Süßen bleiben willst..."
"Aber..." begann Harry, "Ich meine, wir müssen... und bei Ihnen, ich meine, das wäre für sie doch viel zu viel Arbeit..."
"Ich habe gesagt, das ist selbstverständlich, mein Junge, also mach dir keine Sorgen." unterbrach ihn die alte Frau sanft aber bestimmt. "Und Mr. Morgan läßt dir ausrichten, dass es reicht, wenn du die nächsten Tage vorbeikommst und bezahlst, das eilt nicht. Und gute Besserung."
Harry wußte nicht, was er sagen sollte. Er war es einfach nicht gewohnt, dass Leute einfach so nett zu ihm waren, ohne eine Gegenleistung zu verlangen. Er senkte den Kopf und murmelte leise ein Dankeschön.
Elisas Oma lächelte.
"So, dann kommt mal mit. Ihr könnt mir helfen, das Abendbrot zu machen, damit er hier" sie nickte zu Draco " ein bißchen mehr Ruhe bekommt."
Er schlief nicht oben in Opas Bücherzimmer. Er hatte es probiert, es aber keine fünf Minuten ausgehalten. Am Ende saß er doch wieder im grünen Sessel neben Dracos Bett, eingerollt in eine Wolldecke, und hörte dem Jungen beim Atmen zu.
Tagsüber hatte er nicht daran gedacht, aber jetzt, da es dunkel war und alles um ihn herum schlief, fragte er sich, was Draco eigentlich passiert war. Elisa hatte erzählt, sie hätte ihn im Garten ihrer Oma gefunden, verheddert in diesen übergroßen Wachholderbusch, erschöpft und durchfroren und sein Besen war zu Bruch gegangen. Die Schlüsse daraus waren, dass Draco wohl nachts das Bedürfnis verspürt hatte, zu fliegen, wohin auch immer, und dann, warum auch immer, die Kontrolle verloren hatte und abgestürzt war...
Als er das dachte, tropfte wieder quälende Angst in Harrys Magengegend. Draco war ein guter Flieger, das wußte Harry, immerhin waren sie jahrelang erbitterte Rivalen auf dem Quiddichfeld (und nicht nur da) gewesen, beide beinahe ebenbürtig (nur dass Harry immer einen kleinen, wenn auch entscheidenden Tick besser gewesen war). Die Wahrscheinlichkeit, dass jemand, der auf dem Besen mühelos dreifache Salti und schwindelerregende Schrauben zustande brachte, einfach so abstürzte, lag nahe Null. Es mußte irgendetwas geschehen sein. Vielleicht war er tatsächlich auf Todesser gestoßen. Und wenn ja, hatte Draco mächtig Glück gehabt. Auch wenn er dafür die halbe Nacht bewußtlos in einem Strauch gehangen, und sich womöglich eine Lungenentzündung eingefangen hatte.
Harry schluckte.
Ja, er hatte Angst gehabt, hatte sie auch jetzt noch, schleichende Angst, Sorge darum, ob Draco sich wieder erholte, oder ob es schlimmer wurde.
Solche Gedanken brachten ihm wieder Elisas unerbittliche Konsequenz nahe.
"Du magst ihn."
Es war eine Sache, es zu wissen. Das tat er schon seit geraumer Zeit. Es sich einzugestehen, war eine ganz andere.
Draco mögen...
Ja, das tue ich, dachte Harry und stützte das Kinn auf die angezogenen Knie. Es ist einfach irgendwie passiert, ich weiß nicht wie oder wann... und jetzt ist es nun mal so. Es ist nicht mehr so wie früher...
Diese simple Feststellung ließ ihn lächeln. Er mußte sich erst daran gewöhnen, wie es war, einen Malfoy zu mögen. Aber so schlecht... war es einfach nicht. Und wenn er an die letzten Tage dachte, London, McDonald's, Albträume, Kino, Whiskey und Fernsehen und dann nebeneinander einschlafen... nein, nicht schlecht. Ein gutes Gefühl. Ein schönes. Es kribbelte am Bauch und ließ ihn lächeln.
Leise ließ er sich wieder auf der Bettkante nieder und beugte sich über den Schlafenden. Im fahlen Licht, dass durch die Fenster hereinfiel, sah Draco noch durchsichtiger aus.
"Werd wieder gesund." murmelte Harry leise. "Du Elender Blödmann..."
Vorsichtig nahm er den Waschlappen von Dracos Stirn, wusch ihn in dem kleinen Eimer Wasser, der neben dem Bett stand, bis er wieder feucht und kühl war, wrang ihn aus und legte ihn behutsam zurück an seinen Platz. Es fühlte sich seltsam an, das zu tun; sich sorgend, beinahe intim und sehr nah. Harry verharrte in dieser Position, über das Gesicht des Jungen gebeugt, seine rechte Hand auf der Wange des anderen platziert, beinahe wie gestern morgen.
Er lächelte wieder.
Es fühlte sich an, als würde aller Zorn, der in ihm schwelte, verschwinden und Ruhe in sein Herz fließen, wie Wasser in eine große runde Schüssel.
In diesem Moment schlug Draco die Augen auf, tauchte aus den Tiefen seines traumlosen Schlafes empor. Sein Blick, erst leer und in weite Ferne gerichtet, wurde scharf und die Pupillen glänzten im Nachtlicht wie die einer Katze.
"Hi." sagte Harry leise. "Du lebst ja noch."
"Du bist ja immernoch da." kam es heiser von Draco. Seine Stimme war immernoch nicht ganz zurückgekehrt, aber sie war da. Er räusperte sich schwach.
"Ja."
"Hast du die ganze Zeit da gesessen?"
"Meistens."
"Ich hab Durst..."
Auf dem Tischchen am Fenster stand eine Flasche Mineralwasser. Harry goß etwas in ein Glas und reichte es Draco, der sich halb im Bett aufgesetzt hatte. Er leerte es in kleinen, mühsamen Schlucken und sank dann in die Kissen zurück, schwer aufatmend.
"Wie spät ist es?"
"Keine Ahnung.", gestand Harry, der sich wieder auf der Bettkante niederließ.. "Ich tippe mal auf irgendwann nach Mitternacht. Wie fühlst du dich?"
"Es geht." krächzte Draco.
"Der Arzt meinte, du wärst nur knapp an einer Lungenentzündung vorbei, hättest ein paar Prellungen..." Harry beugte sich ein Stück vor und sah Draco fest in die Augen. "Was ist passiert? Wo warst du? Ich hab mich halb zu Tode gesorgt, als du heute morgen plötzlich verschwunden warst."
"Du hast dich gesorgt..." Auf dem Gesicht des Slytherin bildete sich ein schwaches aber ehrliches Lächeln.
"Ja, verdammt." stieß Harry hervor, emotionaler, als er das vorgehabt hatte. "Ich meine ich meine, du warst nicht da, hast keinen Ton gesagt, und ich dachte ich dachte ich dachte, dir sei was passiert und das ist es ja auch und jetzt bist du krank und verletzt und ich konnte dir nicht helfen und wenn und wenn und wenn..."
Was für einen Blödsinn erzähl ich da? Warum erzähl ich ihn? Was mach ich hier eigentlich? Aber er konnte nichts tun, denn sein Mund öffnete und schloß sich automatisch, schubste die Worte, die schon den ganzen Tag in ihm im Kreis rannten, hinaus in die Öffentlichkeit.
"... und wenn dir was passiert wär, dann dann dann..."
Kühl und sanft fühlte er Fingerspitzen seine Wange berühren, die kribbelnde Spuren auf ihrem Weg hinterließen. Draco lächelte ihn an mit einer Mischung aus sanftem Spott und geisterhafter Zärtlichkeit, was eine komplette Ameisenarmee seinen Rücken hinabrennen ließ. Er spürte, wie seine Wangen zu brennen begannen. Ohne es zu wollen, ergriff er Dracos Hand an seinem Gesicht und drückte sie sanft.
"Du bist so doof." flüsterte er.
"Ich weiß." sagte Draco. "Ich hätte nicht fliegen dürfen... aber in diesem Moment ging es nicht anders..."
"Warum?" fragte Harry. "Warum um alles in der Welt, fliegst du nachts in der Gegend herum; was, wenn dich ein Muggel gesehen hätte?"
"Ich war..." Draco zögerte, atmete tief und schloß seine Augen, bevor er sagte: " Ich mußte weg, weil...ich Angst hatte... vor dir... vor dem, was ich für dich fühle..."
Solche Worte konnten nur zu einer Zeit wie dieser, in einem Zustand wie diesem gesagt werden, das wußte Harry. Bei wachem und gesundem Bewußtsein hätte Draco niemals, niemals! zugegeben, dass... dass...
Harry schluckte. In seinem Magen herrschte Schmetterlingskrieg.
"Hast du noch?" fragte er rauh.
"Weiß nicht... ich glaub nicht..." murmelte Draco, schon halb wieder entschlummert.
Harry legte Dracos weiße Hand wieder auf die Laken zurück, drückte sie noch ein Mal sanft und schüttelte lächelnd den Kopf.
Der Moment war seltsam, genauso seltsam wie diese Nacht, diese ganze Reise und alles was davor gewesen war. Es fühlte sich nicht mehr erschreckend an, nur noch verwirrend. Aber der Moment war auch zu schön, zu angenehm, als dass er ihn irgendwie mit irgendwelchen Fragen verderben wollte. Daher erhob er sich leise und legte den Waschlappen, der eben herabgerutscht war, auf Dracos hitzige Stirn zurück.
"Schlaf ein bißchen..." murmelte er.
Er war schon halb im Begriff, sich umzudrehen, und das Zimmer zu verlassen, als er Dracos Hand spürte, die ihn am Ärmel festhielt, und bestimmt und mit erstaunlicher Kraft zu ihm herabzog.
"Harry," stieß er hervor, die Augen waren weit aufgerissen. "hör mir zu!"
"Was ist denn?" fragte Harry alarmiert und verwirrt. "Ist alles in Ordnung mit dir?"
"Hör mal, ich hab sie gesehen, sie ist zu stark, und wenn es noch mehr sind, dann, also, ich," zischte der blonde Junge aufgelöst. "Du mußt Dumbledore rufen! Die schaffst du nicht allein, selbst wir beide zusammen hätten keine Chance..."
"Wer?" fragte Harry. "Es sind die Todesser?"
"Ja." war die Antwort. "Und noch viel schlimmer, es ist Bellatrix Lestrange..."
Er war wie vor den Kopf geschlagen.
In jedem winzigen Detail hatte sich ihr harsches, tödlich schönes Gesicht in sein Gedächtnis eingebrannt. Als grausames Detail seiner Albträume. Die stechenden Augen, das schwarze Haar, ein dunkler Rahmen um ihre Gestalt, der alles finster werden ließ Und ihr Lachen, dieses grausame, gnadenlose Lachen, als sie Sirius in den Tod schickte.
Voldemort hatte seine beste Handlangerin geschickt, sie zu töten.
Harry saß zusammengekauert auf seinem Sessel, und betrachtete den schlafenden Draco, verbissen mit den Zähnen knirschend.
Da war er wieder, der heiße, alles zersetzende Zorn, ätzend wie Säure, durchdringend und allgegenwärtig. Er hatte ihm den Schlaf geraubt, hatte ihm die Freude am Dasein genommen, ihn das Vertrauen in die Welt verlieren lassen.
Er konnte gar nicht sagen, wie sehr er diese Frau hasste, die Frau, die ihm auch den letzten Menschen genommen hatte, der ihn mit seinen Eltern verbunden hatte.
Er ballte die Fäuste, dass sein Knöchel weiß wurden.
Sie war hier, irgendwo hier in der Nähe. Er wußte, dass sie wartete, wie ein Katze vor dem Mauseloch, bis sie herauskamen und sich ergaben.
Aber das konnte sie sich abschminken, diese seelenlose Bucklerin, Heuchlerin, Mörderin, Schlampe ohnegleichen!!
Wie hypnotisiert stand er auf, langsam, nahm seinen Zauberstab, den er ordentlich auf den Nachttisch gelegt hatte, und lenkte seine Schritte leise in Richtung Tür, öffnete sie, behutsam, um Draco nicht aufzuwecken.
Rache... dachte er.
Fünf Minuten später saß er in der Küche am Tisch, vor ihm eine Tasse Tee auf der mit Butterblümchen und ulkigen Mustern bestickten Tischdecke.
Ihm gegenüber saß Elisas Oma, oder Amber, (beim Abendbrot hatte sie ihm ganz nebenbei mal ihren Namen mitgeteilt,) in kapriziöser Haltung und pustete den Dampf von ihrem Tee.
"Ich konnte auch nicht schlafen." sagte sie und schenkte ihm ein warmes Lächeln. "Deshalb hab ich Tee gekocht."
Jetzt sah sie aus, wie die harmlose, nette und drollige alte Frau von Nebenan, Elisas Oma, die er heute morgen kennenzulernen die Ehre gehabt hatte.
Vor fünf Minuten hatte sie zwischen ihm und der Haustür gestanden. Bestimmt. Unverrückbar. Wie ein kleiner schwarzer Fels, eine Katze mit kriegerischen Augen und gesträubtem Fell. Bereit, zu kämpfen, falls nötig.
"Du weißt, dass dich da draußen nur dein sicheres Verderben erwartet, Harry Potter." hatte sie gesagt, mit einer Stimme, die ihm kalte Schauer über den Rücken hatte laufen, und sämtliche Gedanken betreffend Rache an Bellatrix Lestrange, sämtliche Mordgelüste mit einem Schlag hatte im Keim ersticken lassen. "Deswegen bitte ich dich darum, mit mir in die Küche zu kommen, und mir zuzuhören."
Das war kein liebes, altes Mütterchen mehr, sondern eine autöritäre, weise Frau, die keinen Widerspruch duldete.
Jetzt allerdings hatte sie wieder in den Oma-Modus umgeschaltet, saß im weißen Nachthemd, Morgenmantel, Schlafhaube und PomPom-Pantoffeln am Tisch, trank ihren Darjeeling Second Flush und sah sehr aufgeräumt aus. Wieder ganz Elisas Großmutter, die nett zu Kindern war, vielleicht gerne Geranien züchtete und dann und wann anzügliche Bemerkungen machte...
Harry war verwirrt und völlig aus dem Konzept gebracht und wußte nicht, was er sagen sollte.
Daher machte er nur hilflos "Äh," und hob die Schultern. Dann schüttelte er energisch den Kopf. So ging das ja nicht, hier!
"Sie wissen über die Todesser bescheid?" platzte er hervor. "Woher?"
"Ts, Junge, natürlich weiß ich über die Todesser bescheid." lachte die alte Dame aufgeräumt. "Möchtest du etwas Süßes?" Sie schob ihm einen Keksteller hin.
Ohne nachzudenken, steckte sich Harry ein Schokoplätzchen in den Mund.
"Aber bwoher?" nuschelte er entgeistert und krümelte dabei. "Sind sie eine Hexe?"
Sie schüttelte den Kopf. "Nein," sagte sie. "Aber ich weiß doch so einiges. Ich weiß zum Beispiel genau, wer du bist. Ich wußte es gleich, als Elisa mir erzählt hatte, dass sie im Zug einen jungen Mann mit gezackter Narbe auf der Stirn gesehen hat. Ich weiß, dass du Harry Potter bist, der Junge, der vor etwas mehr als sechzehn Jahren den Dunklen Lord besagt hat, weiß der Kuckuck, wie du das angestellt hast. Ich weiß, dass der Dunkle Lord wieder auferstanden, und die Gefahr größer als jemals zuvor ist."
"Aber woher..." versucht es Harry, beinahe verzweifelt, "woher wissen Sie davon? Muggel wissen doch nichts von der Welt der Zauberer... oder?"
"Also wirklich." Oma Amber, Harry hatte einfach beschlossen, sie so zu nennen, wackelte in gespielter Entrüstung mit dem Kopf. "Natürlich gibt es Muggel, die von der Zaubererwelt wissen. Auch Muggelgeborene können nach Hogwarts, wenn sie die nötige Magie in sich tragen. Irgendwie müssen sie doch von der Schule erfahren, oder?"
"Sind Sie vielleicht ein Squib?" versuchte es Harry.
Erheitertes Kopfschütteln.
"Aber sie sind kein Muggel, oder?"
"Doch, doch." grinste sie. Harry schwirrte der Kopf. Jetzt war sie doch ein Muggel und wußte auch noch von Hogwarts... naja, warum nicht. Die Dursleys wußten es ja auch, auch wenn sie sich seit jeher standhaft gegen dieses Wissen sträubten. Aber ein verrückter Zufall war es schon.
"Mein Bruder hatte seit sieben Generationen als erster in meiner Familie magische Begabung gezeigt." erzählte Oma Amber und nahm einen Schluck Tee. "Sein Name war Charles Mordekai Pierce, ein bescheuerter Name, ich weiß, aber meine Eltern hatten einen seltsamen Sinn für Humor. Vor etwa dreißig Jahren hat er in Hogwarts seinen Abschluß Magna Cum Laude gemacht und ist Auror geworden."
"Und sie?" fragte Harry.
"Tja, Boarding School for Girls, Ausbildung zur Schaufensterdekorateuse, ich hab mit 22 geheiratet und Kinder bekommen." erzählte sie augenzwinkernd. "Damals war das noch ziemlich normal für ein junges Mädchen."
"Äh..." machte Harry. "Ich meine... Zauberei und so..." er wedelte hilflos mit den Händen."
"Nein." lachte sie, und seufzte leicht. "Leider hat es bei mir nicht gereicht. Ich habe zwar einige... Fähigkeiten, aber ich bin eine Muggel, keine Hexe. Ich war immer ein wenig neidisch auf meinen Bruder, besonders, wenn er aus den Ferien heimkam und Dinge schweben lassen konnte und so tolle Leckereien mitbrachte... wie... na...Bertrand Borgs Birnen..."
"Berti Botts Bohnen jeder Geschmacksrichtung." sagte Harry lahm.
"Genau." Oma Amber nahm sich ebenfalls ein Schokoplätzchen und tunkte es grazil in ihren Tee. "Nein, ich bin keine Hexe, Harry, aber ich bin im Wissen über die magische Welt groß geworden. Und obwohl ich nicht nach Hogwarts gegangen bin, weiß ich einiges."
"Aber Sie sagten doch, sie haben magische Fähigkeiten, oder?" hakte Harry neugierig nach.
"Nicht wirklich," Oma Amber wirkte verlegen. "Ich ahne Dinge, aber das ist auch alles. Ich spüre Veränderungen im magischen Feld, wenn du es so nennen willst, spüre, wenn Menschen böser oder guter Absicht sind. Bei dir spüre ich zum Beispiel, dass du ein gutes Herz hast, aber an deinem Zorn halb erstickst. Und deshalb willst du rausgehen und Rache an der Frau üben, die deinen Paten getötet hast, wider besseren Wissens. Du hast gegen sie keine Chance."
"Wie... wie können Sie das wissen??" keuchte Harry überrascht, denn genau das fühlte er.
Oma Amber lächelte geheimnisvoll. "Auch manche Muggel haben gewisse Fähigkeiten." meinte sie leichthin. "Keine Magie, aber es geht in die Richtung. Ich weiß eben gewisse Dinge über Leute, die vor mir sitzen..."
"Was wissen sie noch?" fragte Harry.
"Es sind Todesser hier in der Nähe." sagte Oma Amber, jetzt mit ernster, aber gelassener Stimme. "Sie haben euch bis hierher verfolgt, seit ihr In London ward. Ihr eigentlicher Plan war, euch in eurer Pension zu töten. Heute nacht."
Harry schluckte.
"Wieso heute nacht?"
"Das weiß ich leider nicht." Oma Amber goß sich einen neuen Tee ein, warf fünf Stück Zucker hinterher und rührte das Gebräu klingelnd um. "Todesser sind seltsam, und besonders diese Frau ist nicht leicht zu durchschauen. Ich spüre ihren Geist. Voller Sadismus. Sie will euch langsam zerquetschen wie Spinnen, euch jedes Bein einzeln ausreißen. Den Zeitpunkt hat sie willkürlich gewählt, mehr sehe ich nicht."
Ein weiterer Schauer lief Harry den Rücken herunter.
"Manchmal erinnern sie mich an eine schlechte Kopie des Ku-Klux-Klan." kicherte die alte Frau jetzt. "Du weißt, was das ist?"
Harry erinnerte sich vage.
"Rennen rum, sehen aus wie Gespenster." fuhr Oma Amber fort, "Rufen schlaue Parolen wie 'White Power, alle Macht den Weißen!', gehen hinterher gemeinsam heiß Duschen und machen dann vermutlich so tolle Dinge wie 'ne Bananenkuchentombola!" Und sie lachte schallend.
Harry lächelte unsicher.
"Du bist nicht der humorvolle Typ, oder?"
"Ich weiß nicht." sagte er. "Warum... warum greifen sie uns nicht hier an? Wissen Sie das auch?"
Ein listiges Grinsen glitt über die schmalen Züge der Oma. "Verdammte Axt, und wie ich das weiß, Junge!" kicherte sie und wurde dann ernst, als sie fortfuhr.
"Charles ist tragischerweise damals gefallen, im Krieg gegen Lord Voldemort. Aber davor hat er unsere Familie beschützt, aus Angst, dass seinen Verwandten in der Muggelwelt etwas passieren könnte. Das, so hatte er mir damals anvertraut, würde er sich nie verzeihen."
"Was hat er getan?"
Oma Amber lächelte grimmig. "Hah! Mein Bruder war ein schlauer Fuchs. Er hatte einen Fluch entwickelt, der eine Art Barriere um etwas ziehen kann. Eine Barriere, die die Todesser nicht durchdringen können. Ein Siegel, das auf die magische Matrix des Dunklen Mals reagiert. Ich weiß nicht genau, wie es funktioniert. Mein Bruder faselte irgendwas von umgekehrten Phasen und so weiter. Bei allen Familienmitgliedern zog er diese Barriere um das Haus, in dem sie lebten. Er hätte gern mehr Menschen beschützt..." sie machte ein Pause und holte tief Luft. Für einen Moment sah sie sehr alt aus. "...allerdings, starb er, bevor er sein System dem Ministerium mitteilen konnte... er geriet in einen Hinterhalt. Er starb langsam und qualvoll an den Nachwirkungen der unverzeihlichen Flüche..."
Es war eine Weile still.
"Das... das tut mir leid..." stammelte Harry ungelenk. Und es tat ihm wirklich leid. Noch mehr Menschen, die durch Voldemort leiden mußten...
"Ich weiß." lächelte die Alte Frau, straffte sich dann und fuhr fort: "Jedenfalls, die Barriere wirkt noch heute um dieses Haus. Gegen Voldemort selbst wäre es wahrscheinlich nutzlos, wollen wir hoffen, dass er nicht persönlich auftaucht. Aber seine Häscher können euch hier drinnen nichts anhaben. Und die Nachwirkungen sind so stark, dass sie wohl auch im ganzen Dorf keine Dunkle Magie wirkungsvoll anwenden können. Brimshire ist ein ziemlich geschützter Ort gegen Todesser. Gut, dass ihr zwei Hübschen nicht in London geblieben seid." sie zwinkerte ihm zu.
"Und was sollen wir jetzt tun, ihrer Meinung nach." fragte Harry plötzlich hitzig. "Und hier verkriechen in ihrem sicheren Haus, in ihrem sicheren Ort, obwohl die Mörderin meines Paten da draußen herumläuft?"
"Genau das." sagte die alte Dame aufgeräumt. Sie stand auf, ging zum Herd und setzte einen neuen Kessel Wasser auf. "Ihr bleibt hier. Das ist eure einzige Möglichkeit, um zu überleben."
"Aber..." wollte Harry sagen, doch Oma Amber drehte sich um, wieder erschreckend verwandelt. Die weise Frau, die ihn mit uralten, wissenden Augen ansah.
"Du," unterbrach sie ihn schneidend, "bist wichtig, versteh das! Du darfst dein Leben nicht leichtfertig auf's Spiel setzen! Du mußt erst stärker werden, bevor du irgendetwas unternimmst, hörst du?"
Harry schrumpfte auf seinem Stuhl vor Schreck zusammen.
"Ich weiß, dass du diese Frau hasst, aber deine Zeit wird kommen." fuhr sie ein wenig sanfter, jedoch nicht weniger bestimmt fort. "Bitte hör auf mich, Harry Potter. Bleib hier, renn nicht nach draußen und in deinen Tod. Ob es dir gefällt oder nicht, wenn du stirbst, bevor Lord Voldemort besiegt ist, wird es irgendwann keine Welt mehr geben, in der Muggel leben können, weil das dann Voldemorts Welt ist. Und dann werden Menschen sterben."
"Ich..." Harry schluckte. "Es tut mir leid... ich...will diese Verantwortung nicht länger tragen. Ich will nicht, dass alles von mir abhängt... ich will einfach nur... nicht mehr zornig sein müssen." schloß er lahm. Er wußte selbst nicht, was genau er eigentlich wollte.
Oma Amber hatte sich wieder umgedreht und hantierte am Herd rum, goß kochendes Wasser in einen Becher, den sie vorbereitet hatte, und ein würziger Duft nach feinen Kräutern breitete sich in der Küche aus.
"Ich weiß," sagte sie sanft. "Und ich würde um Himmels Willen auch nicht mit dir tauschen wollen. Es ist kein leichtes Schicksal, dass du hast. Wer will schon solche Verantwortung tragen wollen? Ich wette, du denkst, niemand kann wirklich ermessen, wie sich das anfühlt, wenn das Schicksal der Welt vielleicht von einem abhängt."
Harry nickte stumm und stellte entsetzt fest, dass er den Tränen nahe war.
Die alte Dame, jetzt wieder ganz die alte, setzte sich wieder hin und aß ein weiteres Schokoplätzchen.
"Vielleicht kann das auch niemand ermessen." fuhr sie fort. "Aber ich bin sicher, es gibt zumindest ein paar Menschen, die dir nur Gutes wollen. Und glaub mir, Harry, ich wünsche dir von ganzem Herzen, dass du glücklich wirst, denn du hast es verdient."
"Sie kennen mich doch erst seit gestern morgen..." sagte Harry unsicher, doch die alte Frau lächelte ihn so warmherzig an, dass er wußte, dass sie es ehrlich meinte.
"Du hast ein gutes Herz, Harry Potter." sagte sie. "Bitte bleib noch hier. Mach keine Dummheiten. Bleib wenigstens, bis dein Freund wieder gesund ist."
Harry nickte. Er wußte, dass Oma Amber recht hatte. Eigentlich hatte er es die ganze Zeit gewußt.
"Dann ist ja alles geregelt." sagte sie fröhlich und gähnte. "Und jetzt muß ich ins Bett. Eine alte Frau braucht ihren Schlaf."
Sie erhob sich, hantierte noch einmal kurz an dem Becher mit dem Kräutersud herum und reichte ihn dann Harry.
"Trink den hier." sagte sie. "Er wirkt beruhigend. Du brauchst Schlaf, mein Junge."
"Ja, danke." sagte er, aber Oma Amber war schon auf halbem Weg draußen.
"Gute Naa~hacht." sang sie und winkte grazil mit den Fingern.
"Gute Nacht..."
Der Sud schmeckte herb nach Honig, wilden Kräutern, nach Sonne und warmem Wind. Golden sank er Harrys Kehle hinab, leuchtete noch in seinem Magen nach, als er sich irgendwann am Fußende von Dracos großem Gästebett zusammenrollte und in ruhige Träume versank, Träume von Sommer und Schmetterlingen.
Das Dunkel, das draußen zornig herumschwappte, bemerkte er nicht, aber das mußte er auch nicht, denn hier drin waren sie sicher. Zumindest für eine Weile.
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15: Lieber Tee
"Und, wie sieht's aus? Ist er mal aufgewacht?"
"Nicht seit heute morgen. Selbst als der Arzt da war, hat er weiter geschlafen..."
"Oh."
Harry hockte auf dem grünen Sessel neben Dracos Bett im unteren Gästezimmer des Hauses von Elisas Oma. Es war warm hier drin, die Heizung war voll aufgedreht und plätschterte in der Stille vor sich hin.
Elisa saß auf der anderen Seite des Bettes auf der Kante und wechselte gerade den nassen Lappen auf Dracos fiebriger Stirn. Er murmelte kurz etwas undeutliches, aber mehr passierte nicht.
"Was hat er?" fragte das kleine Mädchen.
Harry hob die Schultern. "Der Arzt war sich nicht sicher, weißt du." sagte er leise. "Er vermutete, es läge daran, dass er wohl ziemlich lang draußen in eurem Gebüsch lag, Kälte und Feuchtigkeit ausgesetzt und so. Aber es ging ihm schon gestern nicht allzu gut, glaube ich..."
Er atmete tief durch. "Starke Erkältung, sehr hohes Fieber, ein paar geprellte Rippen..."
Er massierte sich erschöpft die Schläfen. Sehnlichst wünschte er sich Madame Pomfrey hierher. Nicht, dass er dem Muggelarzt nicht traute, ein sehr kompetend wirkender, resoluter Mann mit Spitzbart, brauner, riesiger Arzttasche und einer Stimme, die sogar Hagrid mühelos hätte übertönen können... trotzdem wäre Harry irgendwie wohler gewesen, hätte er Draco in der Obhut eines Zauberers gewußt...
Mittlerweile war es früher abend, wohl so gegen halb sechs, und draußen senkte sich bereits die Dämmerung hernieder. Es hatte angefangen, zu wehen, und die Zweige der Büsche vor dem Fenster tippten sacht gegen das Glas.
Plötzlich öffnete sich die Tür und Elisas Oma betrat den Raum mit einem Tablett auf dem eine Teekanne, drei Tassen und ein kleiner Teller mit Keksen stand. Ihre zierliche, dennoch kräftige Gestalt steckte in einem schwarzen Kleid, ihr ebenfalls schwarzes Haar hatte sie streng nach hinten in einen Knoten gebunden und an ihren Ohren baumelten zwei ziemlich große Goldringe. Eine schmale Brille mit Goldrand saß ihr auf der Nase. Harry hatte sie auf höchstens Ende sechzig geschätzt. Mittlerweile wußte er, dass sie gerade mal 59 Jahre alt war, zumindest hatte sie das behauptet und augenzwinkernd im nächsten Atemzug gesagt, dass man eine Lady allerdings nie nach ihrem Alter frage.
"Ein bißchen spät für Tee,", sagte die Oma, das Tablett auf ein kleines Tischchen neben der Heizung absetzend, "aber ich glaube, den habt ihr beiden nötig." fuhr sie an Harry und Elisa gewandt fort. "Und ich auch."
"Es tut mir leid, dass wir ihnen so viele Umstände machen," begann Harry, wurde jedoch von einer knappen Bewegung der zierlichen Hand der alten Frau resolut abgewürgt.
"Papperlapapp." sagte sie nur. "Und fang ja nicht wieder an, dich zu bedanken, dass wir deinem Freund helfen. Das ist völlig selbstverständlich."
"Ich..." versuchte er es erneut, bekam allerdings nur eine Tasse Tee in die Hand gedrückt.
"Trink den." sagte die alte Frau warm. "Und sorg dich nicht zu sehr um ihn hier."
Ihr Kinn machte eine leichte Bewegung zu Draco hin und sie zwinkerte zweideutig. "Wir kriegen deinen Süßen schon wieder hin. Elisa, Schätzchen, möchtest du Zucker in den Tee?"
"Jaaaa! Ganz viel!!"
Harry stand der Mund in stummen Protest offen und er klappte ihn einige Male auf und zu.
"Er ist nicht mein 'Süßer'!" blubberte er entsetzt hervor. "Wir sind nicht mal äh... äh..."
Elisas Oma lachte glockenhell und setzte sich ihm gegenüber auf einen Stuhl, schlug die schlanken Beine übereinander und meinte halb in ihre Teetasse: "Mein Lieber, du brauchst dich nicht zu genieren. Die Wege der Liebe sind nun mal ziemlich seltsam. Und ich verurteile sowas keineswegs."
"Sie verstehen nicht, ich..."
"Schon gut, Harry." strahlte Elisa fröhlich. "Ich hab ihr gestern alles von euch erzählt. Sie fand es sooo niedlich!"
"Niedlich??"
Die Frau und das Mädchen lachten leise vor sich hin und Harry kam sich ziemlich dämlich vor. Schnell trank er einen Schluck Tee, damit sie nicht sahen, wie rot er angelaufen war.
In diesem Moment ging die Türklingel, so dass Elisas Oma sich erhob um zu öffnen, und Harry war sehr froh, nicht weiter wegen angeblich niedlicher Dinge in Verlegenheit gebracht zu werden.
Elisa kam zu ihm herüber und setzte sich neben ihn auf die Sessellehne. Eine Weile sagte keiner von ihnen etwas.
Besorgt betrachtete Harry das blasse Gesicht in den weißen Laken vor ihm, weiß, nur die Wangen ein bißchen gerötet, besonders um die Verletzung herum, die auf die "fossilen Erziehungsmethoden" des malfoy'schen Haushalts zurückgingen, zumindest soweit Draco das behauptet hatte. Das hellblonde Haar, sonst sorgfältig gekämmt, verteilte sich nun unordentlich um seinen Kopf herum und ließ ihn noch jünger, noch verwundbarer aussehen, wie eine übergroße Porzellanpuppe. Er atmete leise, schnell und rasselnd und seine Lippen waren ganz weiß.
Bei diesem Anblick versetzte es Harry einen nervösen Stich in der Magengegend.
"Du machst dir Sorgen um ihn." sagte Elisa neben ihm und sah Harry groß in die Augen.
Er wußte nicht, was er sagen sollte.
"Natürlich machst du das." sprach Elisa weiter, mit einer Selbstverständlichkeit, die nur kleinen Kindern eigen ist. "Du magst ihn nämlich."
"Ich... weiß nicht..."
"Wie kannst du sowas nicht wissen?" Elisa klang beleidigt und haute ihm auf den Arm. "Natürlich weißt du, dass du ihn magst. Du hattest nämlich furchtbare Angst um ihn!"
"Hatte ich..." murmelte Harry dumpf und erinnerte sich an heute morgen.
Daran, wie er sehr früh aufgewacht und sofort gewußt hatte, dass er allein war. Wo sonst Dracos eigentümlich beruhigende Präsenz gewesen war, fand er in diesem Moment nur ein leeres Zimmer und ein zerwühltes Bett vor.
Er war allein.
Und dann schleichende Panik, die immer größer wurde, denn Draco war auch nicht im Bad gewesen, und seine Sachen von gestern und sein Besen waren weg. Aber er war nicht abgehauen, das spürte Harry irgendwie.
Viel schlimmer, ihn hatte das Gefühl, dass Draco etwas passiert war, nicht mehr losgelassen, sich in seinem Kopf festgebissen und alles in ihm in Adrenalin getränkte alarmbereitschaft versetzt, ihn sich schnell anziehen und die Pension verlassen lassen. Draußen war er suchend auf der Straße herumgerannt und hatte es sich gerade so verkniffen, seinen Besen zu nehmen, und von der Luft aus zu suchen, denn es wurde hell und die Leute waren schon wach.
Unkontrollierbare Gefühle waren durch ihn hindurchgerast, alle durcheinander, alle auf ein Mal, alle nicht wirklich nennbar, und zusammen ergaben sie dieses im Nacken pieksende, die Hände zappeln lassende, hilflose Gefühl, dass man gemeinhin Panik nennt.
Was, wenn die Todesser ihn erwischt hatten? Was wenn...
Und dann hatte plötzlich Elisa vor ihm gestanden, ihn beim Ärmel gepackt und hinter sich her gezogen. Wenige erklärende Worte später wußte er, wo Draco war. Und als er dann bei ihm war, gesehen hatte, dass es ihm leidlich gut ging, er nicht schwer verletzt war oder schlimmeres... war Harry der halbe Himalaya vom Herzen gefallen.
Ja, verdammt, er hatte Angst um ihn gehabt. Und wie.
"Hatte ich..."
Er stand auf, mußte einfach aufstehen und sich neben den blassen, blonden Jungen auf's Bett setzen. Die Kleine hatte völlig recht.
Er, Harry Potter, hatte Angst gehabt, dass Draco Malfoy etwas zugestoßen war. Er hatte recht gehabt, ihm war ganz offensichtlich etwas passiert. Aber er war noch am Leben.
Er wagte nicht, daran zu denken, was gewesen wäre, wenn...
Sacht strich er ein paar wirre Strähnen aus dem Gesicht des Jungen, der einmal sein Feind gewesen war. Er spürte wieder dieses beruhigende Gefühl, dasselbe, wie heute morgen, als Draco die Augen geöffnet, wenn auch nur für einen Moment, und ihn angesehen hatte.
So voller Erleichterung...
Er lebte, er war nicht weg, sondern hier bei ihm. Es verwirrte Harry nicht mal mehr, dass das ein gutes Gefühl war.
Erneut ging die Tür auf und Elisas Oma kam herein.
"Harry," sagte sie, "Das war eben Mr. Morgan an der Tür, ihm gehört die Pension, in der ihr beide übernachtet habt. Ich habe ihn heute mittag angerufen, und ihm eure Lage geschildert, und er war so nett, euer Gepäck vorbeizubringen. Es war ja nicht viel..."
Harry drehte sich zu ihr um und sah sie verständnislos an.
Die alte Frau blickte erstaund zurück. "Na, es ist doch wohl klar, dass ihr beide erstmal hier bei mir bleibt. Du kannst oben in Opas Bücherzimmer übernachten, aber wenn du lieber bei deinem Süßen bleiben willst..."
"Aber..." begann Harry, "Ich meine, wir müssen... und bei Ihnen, ich meine, das wäre für sie doch viel zu viel Arbeit..."
"Ich habe gesagt, das ist selbstverständlich, mein Junge, also mach dir keine Sorgen." unterbrach ihn die alte Frau sanft aber bestimmt. "Und Mr. Morgan läßt dir ausrichten, dass es reicht, wenn du die nächsten Tage vorbeikommst und bezahlst, das eilt nicht. Und gute Besserung."
Harry wußte nicht, was er sagen sollte. Er war es einfach nicht gewohnt, dass Leute einfach so nett zu ihm waren, ohne eine Gegenleistung zu verlangen. Er senkte den Kopf und murmelte leise ein Dankeschön.
Elisas Oma lächelte.
"So, dann kommt mal mit. Ihr könnt mir helfen, das Abendbrot zu machen, damit er hier" sie nickte zu Draco " ein bißchen mehr Ruhe bekommt."
Er schlief nicht oben in Opas Bücherzimmer. Er hatte es probiert, es aber keine fünf Minuten ausgehalten. Am Ende saß er doch wieder im grünen Sessel neben Dracos Bett, eingerollt in eine Wolldecke, und hörte dem Jungen beim Atmen zu.
Tagsüber hatte er nicht daran gedacht, aber jetzt, da es dunkel war und alles um ihn herum schlief, fragte er sich, was Draco eigentlich passiert war. Elisa hatte erzählt, sie hätte ihn im Garten ihrer Oma gefunden, verheddert in diesen übergroßen Wachholderbusch, erschöpft und durchfroren und sein Besen war zu Bruch gegangen. Die Schlüsse daraus waren, dass Draco wohl nachts das Bedürfnis verspürt hatte, zu fliegen, wohin auch immer, und dann, warum auch immer, die Kontrolle verloren hatte und abgestürzt war...
Als er das dachte, tropfte wieder quälende Angst in Harrys Magengegend. Draco war ein guter Flieger, das wußte Harry, immerhin waren sie jahrelang erbitterte Rivalen auf dem Quiddichfeld (und nicht nur da) gewesen, beide beinahe ebenbürtig (nur dass Harry immer einen kleinen, wenn auch entscheidenden Tick besser gewesen war). Die Wahrscheinlichkeit, dass jemand, der auf dem Besen mühelos dreifache Salti und schwindelerregende Schrauben zustande brachte, einfach so abstürzte, lag nahe Null. Es mußte irgendetwas geschehen sein. Vielleicht war er tatsächlich auf Todesser gestoßen. Und wenn ja, hatte Draco mächtig Glück gehabt. Auch wenn er dafür die halbe Nacht bewußtlos in einem Strauch gehangen, und sich womöglich eine Lungenentzündung eingefangen hatte.
Harry schluckte.
Ja, er hatte Angst gehabt, hatte sie auch jetzt noch, schleichende Angst, Sorge darum, ob Draco sich wieder erholte, oder ob es schlimmer wurde.
Solche Gedanken brachten ihm wieder Elisas unerbittliche Konsequenz nahe.
"Du magst ihn."
Es war eine Sache, es zu wissen. Das tat er schon seit geraumer Zeit. Es sich einzugestehen, war eine ganz andere.
Draco mögen...
Ja, das tue ich, dachte Harry und stützte das Kinn auf die angezogenen Knie. Es ist einfach irgendwie passiert, ich weiß nicht wie oder wann... und jetzt ist es nun mal so. Es ist nicht mehr so wie früher...
Diese simple Feststellung ließ ihn lächeln. Er mußte sich erst daran gewöhnen, wie es war, einen Malfoy zu mögen. Aber so schlecht... war es einfach nicht. Und wenn er an die letzten Tage dachte, London, McDonald's, Albträume, Kino, Whiskey und Fernsehen und dann nebeneinander einschlafen... nein, nicht schlecht. Ein gutes Gefühl. Ein schönes. Es kribbelte am Bauch und ließ ihn lächeln.
Leise ließ er sich wieder auf der Bettkante nieder und beugte sich über den Schlafenden. Im fahlen Licht, dass durch die Fenster hereinfiel, sah Draco noch durchsichtiger aus.
"Werd wieder gesund." murmelte Harry leise. "Du Elender Blödmann..."
Vorsichtig nahm er den Waschlappen von Dracos Stirn, wusch ihn in dem kleinen Eimer Wasser, der neben dem Bett stand, bis er wieder feucht und kühl war, wrang ihn aus und legte ihn behutsam zurück an seinen Platz. Es fühlte sich seltsam an, das zu tun; sich sorgend, beinahe intim und sehr nah. Harry verharrte in dieser Position, über das Gesicht des Jungen gebeugt, seine rechte Hand auf der Wange des anderen platziert, beinahe wie gestern morgen.
Er lächelte wieder.
Es fühlte sich an, als würde aller Zorn, der in ihm schwelte, verschwinden und Ruhe in sein Herz fließen, wie Wasser in eine große runde Schüssel.
In diesem Moment schlug Draco die Augen auf, tauchte aus den Tiefen seines traumlosen Schlafes empor. Sein Blick, erst leer und in weite Ferne gerichtet, wurde scharf und die Pupillen glänzten im Nachtlicht wie die einer Katze.
"Hi." sagte Harry leise. "Du lebst ja noch."
"Du bist ja immernoch da." kam es heiser von Draco. Seine Stimme war immernoch nicht ganz zurückgekehrt, aber sie war da. Er räusperte sich schwach.
"Ja."
"Hast du die ganze Zeit da gesessen?"
"Meistens."
"Ich hab Durst..."
Auf dem Tischchen am Fenster stand eine Flasche Mineralwasser. Harry goß etwas in ein Glas und reichte es Draco, der sich halb im Bett aufgesetzt hatte. Er leerte es in kleinen, mühsamen Schlucken und sank dann in die Kissen zurück, schwer aufatmend.
"Wie spät ist es?"
"Keine Ahnung.", gestand Harry, der sich wieder auf der Bettkante niederließ.. "Ich tippe mal auf irgendwann nach Mitternacht. Wie fühlst du dich?"
"Es geht." krächzte Draco.
"Der Arzt meinte, du wärst nur knapp an einer Lungenentzündung vorbei, hättest ein paar Prellungen..." Harry beugte sich ein Stück vor und sah Draco fest in die Augen. "Was ist passiert? Wo warst du? Ich hab mich halb zu Tode gesorgt, als du heute morgen plötzlich verschwunden warst."
"Du hast dich gesorgt..." Auf dem Gesicht des Slytherin bildete sich ein schwaches aber ehrliches Lächeln.
"Ja, verdammt." stieß Harry hervor, emotionaler, als er das vorgehabt hatte. "Ich meine ich meine, du warst nicht da, hast keinen Ton gesagt, und ich dachte ich dachte ich dachte, dir sei was passiert und das ist es ja auch und jetzt bist du krank und verletzt und ich konnte dir nicht helfen und wenn und wenn und wenn..."
Was für einen Blödsinn erzähl ich da? Warum erzähl ich ihn? Was mach ich hier eigentlich? Aber er konnte nichts tun, denn sein Mund öffnete und schloß sich automatisch, schubste die Worte, die schon den ganzen Tag in ihm im Kreis rannten, hinaus in die Öffentlichkeit.
"... und wenn dir was passiert wär, dann dann dann..."
Kühl und sanft fühlte er Fingerspitzen seine Wange berühren, die kribbelnde Spuren auf ihrem Weg hinterließen. Draco lächelte ihn an mit einer Mischung aus sanftem Spott und geisterhafter Zärtlichkeit, was eine komplette Ameisenarmee seinen Rücken hinabrennen ließ. Er spürte, wie seine Wangen zu brennen begannen. Ohne es zu wollen, ergriff er Dracos Hand an seinem Gesicht und drückte sie sanft.
"Du bist so doof." flüsterte er.
"Ich weiß." sagte Draco. "Ich hätte nicht fliegen dürfen... aber in diesem Moment ging es nicht anders..."
"Warum?" fragte Harry. "Warum um alles in der Welt, fliegst du nachts in der Gegend herum; was, wenn dich ein Muggel gesehen hätte?"
"Ich war..." Draco zögerte, atmete tief und schloß seine Augen, bevor er sagte: " Ich mußte weg, weil...ich Angst hatte... vor dir... vor dem, was ich für dich fühle..."
Solche Worte konnten nur zu einer Zeit wie dieser, in einem Zustand wie diesem gesagt werden, das wußte Harry. Bei wachem und gesundem Bewußtsein hätte Draco niemals, niemals! zugegeben, dass... dass...
Harry schluckte. In seinem Magen herrschte Schmetterlingskrieg.
"Hast du noch?" fragte er rauh.
"Weiß nicht... ich glaub nicht..." murmelte Draco, schon halb wieder entschlummert.
Harry legte Dracos weiße Hand wieder auf die Laken zurück, drückte sie noch ein Mal sanft und schüttelte lächelnd den Kopf.
Der Moment war seltsam, genauso seltsam wie diese Nacht, diese ganze Reise und alles was davor gewesen war. Es fühlte sich nicht mehr erschreckend an, nur noch verwirrend. Aber der Moment war auch zu schön, zu angenehm, als dass er ihn irgendwie mit irgendwelchen Fragen verderben wollte. Daher erhob er sich leise und legte den Waschlappen, der eben herabgerutscht war, auf Dracos hitzige Stirn zurück.
"Schlaf ein bißchen..." murmelte er.
Er war schon halb im Begriff, sich umzudrehen, und das Zimmer zu verlassen, als er Dracos Hand spürte, die ihn am Ärmel festhielt, und bestimmt und mit erstaunlicher Kraft zu ihm herabzog.
"Harry," stieß er hervor, die Augen waren weit aufgerissen. "hör mir zu!"
"Was ist denn?" fragte Harry alarmiert und verwirrt. "Ist alles in Ordnung mit dir?"
"Hör mal, ich hab sie gesehen, sie ist zu stark, und wenn es noch mehr sind, dann, also, ich," zischte der blonde Junge aufgelöst. "Du mußt Dumbledore rufen! Die schaffst du nicht allein, selbst wir beide zusammen hätten keine Chance..."
"Wer?" fragte Harry. "Es sind die Todesser?"
"Ja." war die Antwort. "Und noch viel schlimmer, es ist Bellatrix Lestrange..."
Er war wie vor den Kopf geschlagen.
In jedem winzigen Detail hatte sich ihr harsches, tödlich schönes Gesicht in sein Gedächtnis eingebrannt. Als grausames Detail seiner Albträume. Die stechenden Augen, das schwarze Haar, ein dunkler Rahmen um ihre Gestalt, der alles finster werden ließ Und ihr Lachen, dieses grausame, gnadenlose Lachen, als sie Sirius in den Tod schickte.
Voldemort hatte seine beste Handlangerin geschickt, sie zu töten.
Harry saß zusammengekauert auf seinem Sessel, und betrachtete den schlafenden Draco, verbissen mit den Zähnen knirschend.
Da war er wieder, der heiße, alles zersetzende Zorn, ätzend wie Säure, durchdringend und allgegenwärtig. Er hatte ihm den Schlaf geraubt, hatte ihm die Freude am Dasein genommen, ihn das Vertrauen in die Welt verlieren lassen.
Er konnte gar nicht sagen, wie sehr er diese Frau hasste, die Frau, die ihm auch den letzten Menschen genommen hatte, der ihn mit seinen Eltern verbunden hatte.
Er ballte die Fäuste, dass sein Knöchel weiß wurden.
Sie war hier, irgendwo hier in der Nähe. Er wußte, dass sie wartete, wie ein Katze vor dem Mauseloch, bis sie herauskamen und sich ergaben.
Aber das konnte sie sich abschminken, diese seelenlose Bucklerin, Heuchlerin, Mörderin, Schlampe ohnegleichen!!
Wie hypnotisiert stand er auf, langsam, nahm seinen Zauberstab, den er ordentlich auf den Nachttisch gelegt hatte, und lenkte seine Schritte leise in Richtung Tür, öffnete sie, behutsam, um Draco nicht aufzuwecken.
Rache... dachte er.
Fünf Minuten später saß er in der Küche am Tisch, vor ihm eine Tasse Tee auf der mit Butterblümchen und ulkigen Mustern bestickten Tischdecke.
Ihm gegenüber saß Elisas Oma, oder Amber, (beim Abendbrot hatte sie ihm ganz nebenbei mal ihren Namen mitgeteilt,) in kapriziöser Haltung und pustete den Dampf von ihrem Tee.
"Ich konnte auch nicht schlafen." sagte sie und schenkte ihm ein warmes Lächeln. "Deshalb hab ich Tee gekocht."
Jetzt sah sie aus, wie die harmlose, nette und drollige alte Frau von Nebenan, Elisas Oma, die er heute morgen kennenzulernen die Ehre gehabt hatte.
Vor fünf Minuten hatte sie zwischen ihm und der Haustür gestanden. Bestimmt. Unverrückbar. Wie ein kleiner schwarzer Fels, eine Katze mit kriegerischen Augen und gesträubtem Fell. Bereit, zu kämpfen, falls nötig.
"Du weißt, dass dich da draußen nur dein sicheres Verderben erwartet, Harry Potter." hatte sie gesagt, mit einer Stimme, die ihm kalte Schauer über den Rücken hatte laufen, und sämtliche Gedanken betreffend Rache an Bellatrix Lestrange, sämtliche Mordgelüste mit einem Schlag hatte im Keim ersticken lassen. "Deswegen bitte ich dich darum, mit mir in die Küche zu kommen, und mir zuzuhören."
Das war kein liebes, altes Mütterchen mehr, sondern eine autöritäre, weise Frau, die keinen Widerspruch duldete.
Jetzt allerdings hatte sie wieder in den Oma-Modus umgeschaltet, saß im weißen Nachthemd, Morgenmantel, Schlafhaube und PomPom-Pantoffeln am Tisch, trank ihren Darjeeling Second Flush und sah sehr aufgeräumt aus. Wieder ganz Elisas Großmutter, die nett zu Kindern war, vielleicht gerne Geranien züchtete und dann und wann anzügliche Bemerkungen machte...
Harry war verwirrt und völlig aus dem Konzept gebracht und wußte nicht, was er sagen sollte.
Daher machte er nur hilflos "Äh," und hob die Schultern. Dann schüttelte er energisch den Kopf. So ging das ja nicht, hier!
"Sie wissen über die Todesser bescheid?" platzte er hervor. "Woher?"
"Ts, Junge, natürlich weiß ich über die Todesser bescheid." lachte die alte Dame aufgeräumt. "Möchtest du etwas Süßes?" Sie schob ihm einen Keksteller hin.
Ohne nachzudenken, steckte sich Harry ein Schokoplätzchen in den Mund.
"Aber bwoher?" nuschelte er entgeistert und krümelte dabei. "Sind sie eine Hexe?"
Sie schüttelte den Kopf. "Nein," sagte sie. "Aber ich weiß doch so einiges. Ich weiß zum Beispiel genau, wer du bist. Ich wußte es gleich, als Elisa mir erzählt hatte, dass sie im Zug einen jungen Mann mit gezackter Narbe auf der Stirn gesehen hat. Ich weiß, dass du Harry Potter bist, der Junge, der vor etwas mehr als sechzehn Jahren den Dunklen Lord besagt hat, weiß der Kuckuck, wie du das angestellt hast. Ich weiß, dass der Dunkle Lord wieder auferstanden, und die Gefahr größer als jemals zuvor ist."
"Aber woher..." versucht es Harry, beinahe verzweifelt, "woher wissen Sie davon? Muggel wissen doch nichts von der Welt der Zauberer... oder?"
"Also wirklich." Oma Amber, Harry hatte einfach beschlossen, sie so zu nennen, wackelte in gespielter Entrüstung mit dem Kopf. "Natürlich gibt es Muggel, die von der Zaubererwelt wissen. Auch Muggelgeborene können nach Hogwarts, wenn sie die nötige Magie in sich tragen. Irgendwie müssen sie doch von der Schule erfahren, oder?"
"Sind Sie vielleicht ein Squib?" versuchte es Harry.
Erheitertes Kopfschütteln.
"Aber sie sind kein Muggel, oder?"
"Doch, doch." grinste sie. Harry schwirrte der Kopf. Jetzt war sie doch ein Muggel und wußte auch noch von Hogwarts... naja, warum nicht. Die Dursleys wußten es ja auch, auch wenn sie sich seit jeher standhaft gegen dieses Wissen sträubten. Aber ein verrückter Zufall war es schon.
"Mein Bruder hatte seit sieben Generationen als erster in meiner Familie magische Begabung gezeigt." erzählte Oma Amber und nahm einen Schluck Tee. "Sein Name war Charles Mordekai Pierce, ein bescheuerter Name, ich weiß, aber meine Eltern hatten einen seltsamen Sinn für Humor. Vor etwa dreißig Jahren hat er in Hogwarts seinen Abschluß Magna Cum Laude gemacht und ist Auror geworden."
"Und sie?" fragte Harry.
"Tja, Boarding School for Girls, Ausbildung zur Schaufensterdekorateuse, ich hab mit 22 geheiratet und Kinder bekommen." erzählte sie augenzwinkernd. "Damals war das noch ziemlich normal für ein junges Mädchen."
"Äh..." machte Harry. "Ich meine... Zauberei und so..." er wedelte hilflos mit den Händen."
"Nein." lachte sie, und seufzte leicht. "Leider hat es bei mir nicht gereicht. Ich habe zwar einige... Fähigkeiten, aber ich bin eine Muggel, keine Hexe. Ich war immer ein wenig neidisch auf meinen Bruder, besonders, wenn er aus den Ferien heimkam und Dinge schweben lassen konnte und so tolle Leckereien mitbrachte... wie... na...Bertrand Borgs Birnen..."
"Berti Botts Bohnen jeder Geschmacksrichtung." sagte Harry lahm.
"Genau." Oma Amber nahm sich ebenfalls ein Schokoplätzchen und tunkte es grazil in ihren Tee. "Nein, ich bin keine Hexe, Harry, aber ich bin im Wissen über die magische Welt groß geworden. Und obwohl ich nicht nach Hogwarts gegangen bin, weiß ich einiges."
"Aber Sie sagten doch, sie haben magische Fähigkeiten, oder?" hakte Harry neugierig nach.
"Nicht wirklich," Oma Amber wirkte verlegen. "Ich ahne Dinge, aber das ist auch alles. Ich spüre Veränderungen im magischen Feld, wenn du es so nennen willst, spüre, wenn Menschen böser oder guter Absicht sind. Bei dir spüre ich zum Beispiel, dass du ein gutes Herz hast, aber an deinem Zorn halb erstickst. Und deshalb willst du rausgehen und Rache an der Frau üben, die deinen Paten getötet hast, wider besseren Wissens. Du hast gegen sie keine Chance."
"Wie... wie können Sie das wissen??" keuchte Harry überrascht, denn genau das fühlte er.
Oma Amber lächelte geheimnisvoll. "Auch manche Muggel haben gewisse Fähigkeiten." meinte sie leichthin. "Keine Magie, aber es geht in die Richtung. Ich weiß eben gewisse Dinge über Leute, die vor mir sitzen..."
"Was wissen sie noch?" fragte Harry.
"Es sind Todesser hier in der Nähe." sagte Oma Amber, jetzt mit ernster, aber gelassener Stimme. "Sie haben euch bis hierher verfolgt, seit ihr In London ward. Ihr eigentlicher Plan war, euch in eurer Pension zu töten. Heute nacht."
Harry schluckte.
"Wieso heute nacht?"
"Das weiß ich leider nicht." Oma Amber goß sich einen neuen Tee ein, warf fünf Stück Zucker hinterher und rührte das Gebräu klingelnd um. "Todesser sind seltsam, und besonders diese Frau ist nicht leicht zu durchschauen. Ich spüre ihren Geist. Voller Sadismus. Sie will euch langsam zerquetschen wie Spinnen, euch jedes Bein einzeln ausreißen. Den Zeitpunkt hat sie willkürlich gewählt, mehr sehe ich nicht."
Ein weiterer Schauer lief Harry den Rücken herunter.
"Manchmal erinnern sie mich an eine schlechte Kopie des Ku-Klux-Klan." kicherte die alte Frau jetzt. "Du weißt, was das ist?"
Harry erinnerte sich vage.
"Rennen rum, sehen aus wie Gespenster." fuhr Oma Amber fort, "Rufen schlaue Parolen wie 'White Power, alle Macht den Weißen!', gehen hinterher gemeinsam heiß Duschen und machen dann vermutlich so tolle Dinge wie 'ne Bananenkuchentombola!" Und sie lachte schallend.
Harry lächelte unsicher.
"Du bist nicht der humorvolle Typ, oder?"
"Ich weiß nicht." sagte er. "Warum... warum greifen sie uns nicht hier an? Wissen Sie das auch?"
Ein listiges Grinsen glitt über die schmalen Züge der Oma. "Verdammte Axt, und wie ich das weiß, Junge!" kicherte sie und wurde dann ernst, als sie fortfuhr.
"Charles ist tragischerweise damals gefallen, im Krieg gegen Lord Voldemort. Aber davor hat er unsere Familie beschützt, aus Angst, dass seinen Verwandten in der Muggelwelt etwas passieren könnte. Das, so hatte er mir damals anvertraut, würde er sich nie verzeihen."
"Was hat er getan?"
Oma Amber lächelte grimmig. "Hah! Mein Bruder war ein schlauer Fuchs. Er hatte einen Fluch entwickelt, der eine Art Barriere um etwas ziehen kann. Eine Barriere, die die Todesser nicht durchdringen können. Ein Siegel, das auf die magische Matrix des Dunklen Mals reagiert. Ich weiß nicht genau, wie es funktioniert. Mein Bruder faselte irgendwas von umgekehrten Phasen und so weiter. Bei allen Familienmitgliedern zog er diese Barriere um das Haus, in dem sie lebten. Er hätte gern mehr Menschen beschützt..." sie machte ein Pause und holte tief Luft. Für einen Moment sah sie sehr alt aus. "...allerdings, starb er, bevor er sein System dem Ministerium mitteilen konnte... er geriet in einen Hinterhalt. Er starb langsam und qualvoll an den Nachwirkungen der unverzeihlichen Flüche..."
Es war eine Weile still.
"Das... das tut mir leid..." stammelte Harry ungelenk. Und es tat ihm wirklich leid. Noch mehr Menschen, die durch Voldemort leiden mußten...
"Ich weiß." lächelte die Alte Frau, straffte sich dann und fuhr fort: "Jedenfalls, die Barriere wirkt noch heute um dieses Haus. Gegen Voldemort selbst wäre es wahrscheinlich nutzlos, wollen wir hoffen, dass er nicht persönlich auftaucht. Aber seine Häscher können euch hier drinnen nichts anhaben. Und die Nachwirkungen sind so stark, dass sie wohl auch im ganzen Dorf keine Dunkle Magie wirkungsvoll anwenden können. Brimshire ist ein ziemlich geschützter Ort gegen Todesser. Gut, dass ihr zwei Hübschen nicht in London geblieben seid." sie zwinkerte ihm zu.
"Und was sollen wir jetzt tun, ihrer Meinung nach." fragte Harry plötzlich hitzig. "Und hier verkriechen in ihrem sicheren Haus, in ihrem sicheren Ort, obwohl die Mörderin meines Paten da draußen herumläuft?"
"Genau das." sagte die alte Dame aufgeräumt. Sie stand auf, ging zum Herd und setzte einen neuen Kessel Wasser auf. "Ihr bleibt hier. Das ist eure einzige Möglichkeit, um zu überleben."
"Aber..." wollte Harry sagen, doch Oma Amber drehte sich um, wieder erschreckend verwandelt. Die weise Frau, die ihn mit uralten, wissenden Augen ansah.
"Du," unterbrach sie ihn schneidend, "bist wichtig, versteh das! Du darfst dein Leben nicht leichtfertig auf's Spiel setzen! Du mußt erst stärker werden, bevor du irgendetwas unternimmst, hörst du?"
Harry schrumpfte auf seinem Stuhl vor Schreck zusammen.
"Ich weiß, dass du diese Frau hasst, aber deine Zeit wird kommen." fuhr sie ein wenig sanfter, jedoch nicht weniger bestimmt fort. "Bitte hör auf mich, Harry Potter. Bleib hier, renn nicht nach draußen und in deinen Tod. Ob es dir gefällt oder nicht, wenn du stirbst, bevor Lord Voldemort besiegt ist, wird es irgendwann keine Welt mehr geben, in der Muggel leben können, weil das dann Voldemorts Welt ist. Und dann werden Menschen sterben."
"Ich..." Harry schluckte. "Es tut mir leid... ich...will diese Verantwortung nicht länger tragen. Ich will nicht, dass alles von mir abhängt... ich will einfach nur... nicht mehr zornig sein müssen." schloß er lahm. Er wußte selbst nicht, was genau er eigentlich wollte.
Oma Amber hatte sich wieder umgedreht und hantierte am Herd rum, goß kochendes Wasser in einen Becher, den sie vorbereitet hatte, und ein würziger Duft nach feinen Kräutern breitete sich in der Küche aus.
"Ich weiß," sagte sie sanft. "Und ich würde um Himmels Willen auch nicht mit dir tauschen wollen. Es ist kein leichtes Schicksal, dass du hast. Wer will schon solche Verantwortung tragen wollen? Ich wette, du denkst, niemand kann wirklich ermessen, wie sich das anfühlt, wenn das Schicksal der Welt vielleicht von einem abhängt."
Harry nickte stumm und stellte entsetzt fest, dass er den Tränen nahe war.
Die alte Dame, jetzt wieder ganz die alte, setzte sich wieder hin und aß ein weiteres Schokoplätzchen.
"Vielleicht kann das auch niemand ermessen." fuhr sie fort. "Aber ich bin sicher, es gibt zumindest ein paar Menschen, die dir nur Gutes wollen. Und glaub mir, Harry, ich wünsche dir von ganzem Herzen, dass du glücklich wirst, denn du hast es verdient."
"Sie kennen mich doch erst seit gestern morgen..." sagte Harry unsicher, doch die alte Frau lächelte ihn so warmherzig an, dass er wußte, dass sie es ehrlich meinte.
"Du hast ein gutes Herz, Harry Potter." sagte sie. "Bitte bleib noch hier. Mach keine Dummheiten. Bleib wenigstens, bis dein Freund wieder gesund ist."
Harry nickte. Er wußte, dass Oma Amber recht hatte. Eigentlich hatte er es die ganze Zeit gewußt.
"Dann ist ja alles geregelt." sagte sie fröhlich und gähnte. "Und jetzt muß ich ins Bett. Eine alte Frau braucht ihren Schlaf."
Sie erhob sich, hantierte noch einmal kurz an dem Becher mit dem Kräutersud herum und reichte ihn dann Harry.
"Trink den hier." sagte sie. "Er wirkt beruhigend. Du brauchst Schlaf, mein Junge."
"Ja, danke." sagte er, aber Oma Amber war schon auf halbem Weg draußen.
"Gute Naa~hacht." sang sie und winkte grazil mit den Fingern.
"Gute Nacht..."
Der Sud schmeckte herb nach Honig, wilden Kräutern, nach Sonne und warmem Wind. Golden sank er Harrys Kehle hinab, leuchtete noch in seinem Magen nach, als er sich irgendwann am Fußende von Dracos großem Gästebett zusammenrollte und in ruhige Träume versank, Träume von Sommer und Schmetterlingen.
Das Dunkel, das draußen zornig herumschwappte, bemerkte er nicht, aber das mußte er auch nicht, denn hier drin waren sie sicher. Zumindest für eine Weile.
