Autor notes:

Diese Geschichte verdankt ihr Dasein vor allem zwei Leuten und diesen möchte ich hier danken.

Alfiriel, ohne die ich niemals auf die Idee gekommen wäre, überhaupt etwas über Lily zu schreiben und vor allem
Boromia, die mir mit einer einzigen Aussage (von der ich anfangs nicht einmal begeistert war) eine Vorstellung in den Kopf pflanzte, die sich über Nacht in eine Lebensgeschichte verwandelte.

Die Nachnamen der Hobbits sind aus dem Englischen genommen. Und auch sonst finden sich vielleicht die einen oder anderen englischen Einflüsse.

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A Baggins indeed

Kapitel 1: Unverhofft

Dezember 1419:

Am Ersten des Monats hatte Frodo eine Nachricht aus Buckelstadt erhalten. Sein Vetter Peregrin wünschte, ihn zu sehen. Frodo ließ sich nicht lange bitten und sattelte sein Pony um sich auf den Weg zu den Großen Smials zu machen.
Den ganzen Weg über ertappte er sich dabei, wie er über einen weiteren Satz im Brief nachdachte.
Außerdem ist hier etwas für dich zurückgelassen worden, dass dich sehr überraschen dürfte.'
Was konnte man für ihn in den Großen Smials schon zurückgelassen haben, und vor allem, wer?

Einen Augenblick gingen seine Gedanken zurück zu seinem letzten Besuch in den Großen Smials, einen Monat, bevor er das Auenland verlassen hatte. Das Gesicht eines Mädchens tauchte für einen Augenblick vor seinen Augen auf, doch war es verblasst, ehe er weiter darüber nachdenken konnte.

Er wickelte seinen Umhang enger um sich und trieb sein Pony zur Eile, als der Wind zu wehen begann und einige Schneeflocken vom Himmel tanzten. Bald hätte er Buckelstadt erreicht.

Der Hobbit in den Ställen begrüßte ihn freundlich und nahm sich sogleich seines Ponys an. Frodo stapfte zum Eingang. Pippin hatte ihn bereits erwartet und führte ihn in die große, gemütliche Höhle.
Frodo war erschöpft und legte sich gleich nach dem Abendessen schlafen.

Als er am nächsten Morgen erwachte, sah er, dass sich über Nacht ein weißer Teppich aus Schnee, über dem Auenland ausgebreitet hatte. Pippin saß bereits in der Küche und nippte an einer Tasse Tee. Frodo leistete ihm Gesellschaft und nach einem ausgiebigen Frühstück setzten sich die beiden vor den Kamin, wo sie sich ihre Pfeifen stopften und lange erzählten. Frodo berichtete von den Wiederaufbauarbeiten in Hobbingen. Beinahe alles, das durch die Strolche und Saruman zerstört wurde, war wieder aufgebaut worden. Auch Bag End würde in wenigen Monaten wieder bewohnbar sein.
"Das ist gut!"
Die Hobbits sahen sich überrascht um. Pippin grinste, als er Adelard erblickte, Frodo begrüßte ihn freundlich. Adelard gesellte sich zu ihnen und sie unterhielt sich einige Zeit. Doch plötzlich griff Adelard nach Frodos Schultern und sah ihn ernst an.
"Du erinnerst dich bestimmt noch an meine Tochter Asphodel, nicht wahr, Frodo?", fragte er.

Für einen Augenblick blitzten Frodos Augen auf. Wie könnte er sie vergessen? Schon sein ganzes Leben lang, hatte er ein Auge auf sie geworfen und wann immer er in den Großen Smials war, versuchte er, so oft wie möglich in ihrer Nähe zu sein. Sie war wunderschön gewesen und nur wenige Jahre jünger, als er selbst. Ihre langen, rostbraunen Haare hatte sie meist mit einer Spange im Nacken zusammengebunden. Doch was er niemals vergessen würde, waren ihre Augen. Sie waren dunkel gewesen und hatten einen Glanz in sich, den Frodo nie zuvor gesehen hatte.
Er hatte sie geliebt und erst, als es schon beinahe zu spät war, erfuhr er, dass auch sie ihn liebte. Sie muss gewusst haben, dass er ging. Sie hatte ihn selbst darauf angesprochen, doch er hatte geschwiegen. Dennoch verbrachten sie die Nacht gemeinsam. Nie würde er diese Nacht vergessen.

Er lächelte bei dem Gedanken daran und Pippin bemerkte, dass seine Wangen eine rötliche Färbung annahmen.

Es war zu spät gewesen. Mehr als diese eine Nacht war ihnen nicht vergönnt. Sie war umgekommen, während Saruman sich des Auenlandes bemächtigte. Er wusste nicht, wie es geschehen war, oder wann. Alles, was man ihm gesagt hatte war, dass sie nicht mehr lebte.

"Ich erinnere mich gut an sie", antwortete er schließlich.
Adelard nickte und dann begann er zu erzählen.
"Ich weiß, was geschehen ist, in jener Nacht, Frodo. Ich erfuhr es erst Wochen später und ich war wütend gewesen, doch das soll nun keine Rolle mehr spielen. Sie schrieb dir einen Brief, der dich niemals erreichte. Wie wir alle, erfuhr auch sie, dass du das Auenland verlassen hattest und lange Nächte vergingen, in denen sie auf deine Rückkehr hoffte. Doch du bist nicht gekommen. Bald konnte sie nicht mehr verstecken, was in jener Nacht geschehen war und am 23. April war es soweit. Die Wehen setzten ein, doch es sollte keine einfache Geburt werden. Stunden litt sie unter großen Schmerzen, bis am Morgen des 24. endlich das Kind geboren war. Ein Mädchen, dessen Name Lily sein sollte, denn Lilien waren ihre Lieblingsblumen."
Frodo hatte sich Adelards Geschichte schweigend angehört, doch er spürte, wie es ihm mit jedem seiner Wort, schwerer fiel zu atmen.

Ein Kind? Er war Vater? Das konnte nicht sein. Was sollte er mit einem Kind machen? Er hatte schon auf viele Kinder acht gegeben, als er noch im Brandyschloss lebte, aber er hatte nie daran gedacht, selbst welche zu haben. Erst recht nicht jetzt, nach dem Ringkrieg. Er musste sich erst wieder daran gewöhnen, nicht verfolgt zu werden, zu Hause zu sein.
Er konnte kein Kind haben, das war unmöglich.

"Ein Kind", keuchte er und sah ihn voller Entsetzen und zugleich verwundert an.
Adelard nickte.
"Ein Kind, gesund und munter. Doch die Geburt war schwer und meine Tochter war sehr erschöpft. Sie schlief lange und als sie wieder erwachte, berichtete sie mir alles über jene Nacht. Doch nicht nur das, sie äußerte auch einen Wunsch. Das Kind sollte den Namen seines Vaters, Baggins, tragen und es sollte bei seinem Vater aufwachsen, sollte er jemals zurückkehren. Ich versicherte ihr, ihrer Bitte nachzukommen und bald darauf schlief sie wieder ein. Ein Schlaf aus dem sie nicht mehr erwachen sollte."
Adelards Ausdrucks war ernst, doch Tränen standen in seinen Augen. Frodo brachte kein Wort heraus und starrte verzweifelt ins Leere.
"Sie hat dich geliebt, Frodo. Sie hat dich wirklich geliebt."

Adelard hätte noch mehr gesagt, doch seine Trauer übermannte ihn. Pippin legte ihm tröstend einen Arm auf die Schulter und sah Frodo an, der noch immer nicht fassen konnte, was ihm soeben offenbart wurde.

Ein Kind.
Asphodel war bei seiner Geburt gestorben, und nicht, wie er glaubte, beim Angriff der Menschen. Sie war gestorben, weil sein Kind geboren wurde.
Sein Kind.
Es sollte bei seinem Vater aufwachsen, sollte er jemals zurückkehren.'
Die Worte hallten wie ein böses Omen in seinem Kopf wieder.
Seine linke Hand griff unwillkürlich nach dem weißen Edelstein, der an einer Kette um seinen Hals hing.
Sollte er jemals zurückkehren.'

"Frodo?"
Pippin sah ihn besorgt an. Er war blass und die Röte, die zuvor seine Wangen geziert hatte, war verschwunden. Frodo nickte, um zu zeigen, dass alles in Ordnung war.
In Wahrheit jedoch, war er sich selbst nicht sicher, was er fühlte oder fühlen sollte.
Asphodel, das Mädchen, das er schon immer geliebt hatte, war tot, weil sie ein Kind gebar. Doch nicht irgendein Kind, sondern sein eigenes.

Tränen traten in seine Augen, doch er schluckte sie hinunter.
Er war der Vater von Asphodels Tochter. Vater. Er war kein Vater, er konnte kein Vater sein.
Die Wunden seiner Reise gingen tief, doch wie tief sie waren, wusste nicht einmal er selbst. Konnte er auf ein Kind achten? Wollte er das überhaupt?

"Ich möchte sie sehen", sagte er plötzlich.
Adelard nickte, trocknete seine Tränen und führte ihn in sein Zimmer. Dort, in einer Ecke des dunklen Raumes, stand ein Kinderwagen. Frodo spürte, wie seine Knie mit jedem Schritt weicher wurden. Einige Schritte vor dem Kinderwagen blieb er stehen.

Adelard sprach mit dem Kind, also schlief es nicht. Das Mädchen war hellwach, denn nun quiekte es vergnügt, doch Frodo wagte noch immer nicht, näher zu treten.
Sein Kind.
Adelard winkte ihn zu sich. Unsicher sah sich Frodo zu Pippin um, der ihm aufmunternd zunickte. Zögernd trat er schließlich näher.

Neugierig betrachteten ihn die leuchtenden, braunen Kinderaugen. Dünne braune Löckchen zierten den Kopf des Mädchens. Die Pausbäckchen waren leicht gerötet. Ein Lächeln breitete sich plötzlich auf dem kleinen Gesicht auf. Das Mädchen quiekte vergnügt.

Frodo, der erst nur verwundert und unsicher in den Kinderwagen geblickt hatte, lächelte nun selbst. Ehe er wusste, was er tat, hatte er die Kleine vorsichtig auf seinen Arm genommen. Die neugierigen Augen wendeten sich nicht einmal von ihm ab. Ihre Hände erwischten seinen rechten Zeigefinger und umklammerten ihn fest.

Sein Kind, doch es sah aus wie Asphodel. Das Mädchen hatte ihre Augen. Die selben leuchtenden Augen, in die er sich vor so vielen Jahren verliebt hatte. Asphodel war tot, doch in ihr lebte sie weiter.

Frodo bemerkte nicht, wie Adelard und Pippin vielsagende Blicke tauschten.
Seine Augen waren mit Tränen gefüllt, als er ihr lächelnd über die zarten Wangen strich.
Seine Tochter.
"Lily Baggins", flüsterte er. Sie strahlte über das ganze Gesicht und Frodo wusste, dass er sie liebte.

~tbc~