Warnung: Jetzt wirds ein wenig gewalttätig!!!! Danke Evala, Töchterchen für dieses interessante Review. :)

Kapitel 9

Als Thranduil die Augen aufschlug, durchzuckten fürchterliche Schmerzen seinen Kopf. Die Dunkelheit erschien ihm wie ein undurchdringlicher Vorhang, so dass der König für einen Moment dachte, dass Augenlicht verloren zu haben. Erst langsam begann er sich an die Umgebung zu gewöhnen. Schemenhaft erkannte der Herrscher des Düsterwaldes eine weitere Person, die ein paar Meter vor ihm zusammengekrümmt auf dem kalten Steinboden lag. Krampfhaft versuchte Thranduil sich zu erinnern, was passiert war und Stück für Stück setzte sich ein Bild in seinem Kopf zusammen. Doch seine Überlegungen rissen ab, als die Gestalt, mit der er sich diesen Ort teilte, aufstöhnte. Seine Aufmerksamkeit wieder auf den Schicksalsgenossen richtend, wurde dem König plötzlich klar, wen er da vor sich hatte.

„Legolas!!", stieß er erschrocken hervor. Thranduil sprang hektisch auf, um seinem Sohn zu Hilfe zu kommen, aber nach einem Schritt riss ihn ein harter Widerstand schmerzhaft zu Boden. Erst jetzt bemerkte der König, dass schwere Eisenkette um seine Handgelenke gelegt waren, und durch die schnelle Aktion hinterließ diese tiefe Schnitte auf Haut des Elben. Legolas war sich in diesem Moment der Anwesenheit seines Vaters noch nicht bewusst. Nur sehr langsam konnte er die schwere Bewusstlosigkeit aus seinem Kopf verscheuchen und die Dunkelheit vor seinen Augen durchdringen. Die Worte des Königs hallten dumpf und unverständlich in seinen Ohren. Und als würde er plötzlich die Welt nicht mehr verstehen, zog der Prinz hart an den Ketten, die ihn hielten. Wie ein Puzzle setzte sich jedoch auch Legolas Erinnerung nach und nach wieder zusammen.

„Vater!", flüsterte er leise und ließ sein Gegenüber aufsehen. „Mein Sohn...", begann er leise. „Ich bin hier..."

Der Prinz fuhr herum, zum einem erleichtert, eine bekannte Stimme zu hören, aber zum anderen besorgt um das Wohl des letzten Mitgliedes seiner Familie, vor allem in dieser Situation. „Wo sind wir?", fragte der Thronfolger unsicher. „Warum?...Wer?" „Das wüsste ich auch gern.", antwortete Thranduil hilflos, gefolgt von bleischwerer Stille. „Eigentlich wollte ich diese Welt unter Bäumen verlassen.", sagte der König plötzlich leise. Legolas sah ihn erschrocken an.

„Nein, Vater!!!", schüttelte er energisch den Kopf. „Du darfst so etwas nicht einmal denken. Haldir wird uns finden, und Elrond...wir müssen nur durchhalten." Der König schaute seinen Sohn voller Schmerz an und dachte auf dessen Worte unweigerlich an die Stunden, als ihn zum letzten Mal die Dunkelheit eingehüllt hatte. Er spürte plötzlich wieder die Wärme und Geborgenheit, die ihn umgab, um kurz darauf die Kälte des Moments zu fühlen, die so tief in ihn kroch wie noch niemals zuvor.

‚Elrond...', dachte Thranduil. ‚Er wird nicht kommen....ich habe ihn von mir gestoßen.' „Ich habe nichts mehr, wofür es sich lohnt, durchzuhalten.", sagte er, mehr zu sich selbst als zu seinem Gegenüber. „Aber Elrond...", setzte der Prinz an. „Er ist weg.", unterbrach ihn der Herrscher voller Trauer. „Weg?...Aber...wieso?", hakte Legolas ungläubig nach. „Weil ... weil ich der größte Dummkopf bin, der unter den Lichtern der Welt wandelt.", kam die schwache Antwort. „Weil ich mich selbst belog."

Thranduil spürte den fragenden Blick seines Sohnes. Und mit einem Mal war alle Scheu vergessen, seinem Gegenüber alles zu erzählen, so groß war sein Bedürfnis, Legolas Einblick in seine Seele zu gewähren, bevor das Ende kam, sei es durch diese Gefangenschaft oder durch seine blutende Seele.

„Noch jetzt fühle ich Elronds Nähe, die Sicherheit und den Frieden in seinen Armen.", begann er kaum hörbar. „Vater...", flüsterte der Prinz mit einem Hauch von Lächeln auf den Lippen. „Ich war so verloren. Es gab nur uns.", fuhr er fort wie in einem Traum gefangen. „Nie war ich so erfüllt wie mit dem Herren von Imladris. Wie habe ich mir gewünscht, diese Momente würden ganze Zeitalter andauernd."

Die Stimme des Herrschers versagte und es dauerte einen Augenblick, bis er wieder in der Lage war, weiter zu sprechen. „Er sagte, dass er mich liebt, aber er wollte nicht, dass ich es höre. Doch das tat ich.", fuhr er schließlich fort. Legolas lächelte nun wirklich. „Und was passierte dann?", fragte dieser sanft. „Ich lief davon, vor ihm ... vor meinen Gefühlen ... meinem Mut ... vor mir, dabei wollte ich es erwidern, aber..."

„Was aber?", warf der Prinz nun verstört ein. „Weil..."Der König suchte nach Worten, aber dann schüttelte er schwach den Kopf. „Er wird nie erfahren, was ich empfinde ... dass ich ihn liebe." Plötzlich spürte der Herrscher, wie ein großes Gewicht von seiner Seele fiel. Er hatte es gesagt, er hatte es akzeptiert, wenn auch zu spät. Legolas sah seinen Vater traurig an. „Aber...warum?", meinte er niedergeschlagen. „Ich verstehe es nicht."

Zu einer Antwort sollte der König nicht mehr kommen, denn mit einem Schlag ging die schwere Eisentür ihres Gefängnisses auf und eine dunkle Gestalt trat ein, welche die Züge der Bewohner von Rhûn trug.

Thranduil blickte seinem Gegenüber fest in die Augen. Er war ein Oberhaupt der Elben und das wollte er auch in seiner letzten Stunde zeigen. Der Gegner kam dann auch umgehend auf den Punkt. „Die geheimen Wege der Waldelben ... wo sind sie und wohin führen sie?", fragte er fast naiv. Der König hielt dessen Blick weiterhin stand und schwieg. Als hätte der Feind dies erwartet, betraten nun ein paar Orks das Verließ. Einer von ihnen baute sich vor Thranduil auf. „Ich stelle ungern eine Frage mehrmals.", meinte ihr Anführer mit schneidender Stimme und legte einen Dolch an den Hals seines Gefangenen. „Töten Sie mich, aber das bringt sie auch nicht weiter.", antwortete der König ruhig. „Da haben sie recht.", gab sein Gegner zu. „Aber von ihrem Sohn können wir uns ohne weiteres trennen."

Der Schlägertrupp näherte sich nun dem Thronfolger. „Beantworten Sie meine Fragen, oder er wird sich bald wünschen, tot zu sein.", fuhr er mit einem hämischen Grinsen fort. Legolas war umstellt von den übelsten Kreaturen Mittelerdes, aber sein Blick ruhte auf Thranduil, dem die Angst und der Kampf mit sich selbst anzusehen waren. „Nein, Vater. Du darfst ihnen nicht sagen, was sie wissen wollen.", rief er dem Herrscher zu. Bevor dieser etwas sagen oder tun konnte, schlossen die Gegner den Kreis um seinen Sohn. „Nein...", schrie er, während er immer wieder mit aller Gewalt an den Ketten zog, die allerdings keinen Zentimeter nachgaben.

Das nächste, das Legolas fühlte, waren Schläge, die ihn mit ungebremster Wucht trafen, und Schmerz, der ihm schnell alle Sinne raubte. Als sich der Thronfolger nicht mehr rührte, ließen die Orks von ihrem Opfer ab.

Thranduil war wie in Trance. Sein Geist konnte das Gesehene nicht mehr fassen, geschweige denn begreifen. In ihm waren auch die letzten Reste der heilen Welt in sich zusammengefallen. Die Stimme seines Feindes vernahm er nur noch bruchstückhaft. So war es fast eine Erlösung, als die Gewalt auch seinen Körper traf. Seine letzten Gedanken, bevor die Dunkelheit ihn gefangen nahm, waren bei Elrond und ihren nur zu wenigen gemeinsamen Stunden. Plötzlich sah der König so klar wie noch nie zuvor. Der Elbenlord war sein Schicksal. Er hatte es verleugnet. Alles war sinnlos geworden. Als die Finsternis über ihn hereinbrach, hatte Thranduil mit seinem Leben angeschlossen und er ergab sich Leere.

Doch die Rache kam prompt. Die Peiniger der beiden Elben brachen nacheinander unter gezielten Pfeilschüssen zusammen. Auch ihr Anführer reagierte zu spät, als die Zwergenaxt auf ihn niederging. Elrond, Haldir und Gimli hatten eine Schneise des Todes hinterlassen, nachdem sie die Eisenberge erreichten. Nichts konnte sie aufhalten. Als der Weg frei war, betraten sie das Verließ, nach dem sie so panisch gesucht hatten und standen nun der grausamen Realität gegenüber. Elrond sank neben Thranduil auf die Knie. Der Kopf des Elbenlords war leer und er wagte es nicht, den von Gewalt gezeichneten Körper seines Königs zu berühren, während Haldir seinen Geliebten vorsichtig ganz nah zu sich zog. Dessen Tränen trafen des Prinzen Gesicht und zeichneten Spuren der Angst und Trauer auf die blutende Haut. Das einzige Geräusch, welches die Stille des Augenblicks zerriss, war ein laute Klirren, als Gimlis Axt zu Boden fiel. „Wir sind zu spät gekommen.", sagte der Zwerg voller Trauer und Schmerz.