Es war halb zwei in der Nach zum Samstag. Der gesamte Slytherin Gemeinschaftsraum war leer geworden. Draco saß allein in einem Strohsessel, direkt vorm Fenster, den Blick gepannt in die Flammen richtend. Er beobachtete das Feuer, dass ihm ein Gefühl von Wärme gab, doch ein ganz anderes. An den Wänden hinter ihm zitterten die Schatten in monumentaler Größe. Das einzige Geräusch, was das Knistern der Äste im feuer. So wurden der Gemeinschaftsraum zu dieser späten Stunde nahezu ganz vom feuer beherrscht.
Draco war tief in Gedanken versunken. Er überlegte, was er tun sollte. Eigentlich hatte es keinen Sinn, jetzt schon schlafen zu gehen. Er würde wohl kaum ein Auge zu machen können. Abwesend sah er die Plakate an der Pinwand an, die die als Schülerinformation im Gemeinschaftsraum hing und meist nichts wichtiges verkündete. Nachdem er alles scheinbar überflogen hatte, nichts seine Aufmerksamkeit von seinen Gedanken ablenken können, stand er auf und wanderte einige Schritte im Raum umher. Was war es? Was? Warum? Er konnte sich einfach nicht erklären warum.
Er ging zurück zu seinem Lieblingssessel, schob ihn so, dass er direkt ins Feuer sehen konnte und lies sich nieder. Er lehnte den Kopf zurück und spürte die Müdigkeit, doch er würde nicht schlafen können. Ihm ging die Geschichte mit Ginny ziemlich nahe, aber er wusste überhaupt nicht warum. Gewiss er konnte ihre Probleme verstehen. Es ging ihm sogar ähnlich, auch wenn es sich in ihm, in einer anderen Art und Weise gezeigt hatte. Aber das erklärte keineswegs, warum er so unruhig war. Es erklärte nicht, warum bei dem Gedanken an das Treffen das Blut in seinen Adern zu zittern begann. Er konnte keinen Zusammenhang sehen. Er wusste einfach nicht, warum es ihm so erging. Wie konnte dieses Mädchen, dieses doch sehr unscheinbare Mädchen, so viel in ihm bewegen. Wie konnte es ihn so bewegen, dass er sogar während des Unterrichts Mühe hatte, sich zu konzentrieren. Ja, er hatte einiges nicht verstanden, was in den letzten beiden Wochen drangekommen war. Alles wegen Ginny Weasley?
Sie hatte ihn niederstürzen lassen, ohne auch nur einen Finger zu heben. Er hatte mit ihr begonnen an allem zu Zweifeln, was sein Vater ihn bisher gelehrt hatte. Es war eine Rebellion gegen seinen Vater, der jedoch noch fest schlief, und das war gut so. Draco hatte begonnen, alles zu hinterfragen, hinter jeder Phrase das Fünkchen Wahrheit zu suchen. Oft vergebens. Er fand keinen Halt mehr in der Welt. Keinem konnte er glauben, keinem Vertrauen. Alles versuchte ihm Ideologien einzupflanzen, sich einzuschmeicheln oder taten auf irgendeine Weise nicht das, was die Wahrheit von ihnen verlangt hätte. Außer Ginny.
Draco strengte seine Gedanken bis ins Untragbare an. Er wollte eine Lösung oder zumindest die Idee einer Lösung finden, wenn er Ginny morgen entgegentreten sollte. Was war es, dass seine Beziehung zu ihr so besonders machen. Was war sein Gefühl? Die Lösung lag zwar eigentlich nah, doch sie lag so nah, dass Draco sie nur übersehen konnte.
Das war es, es war ihm unerklärlich, wie er von dieser Oberfläche hatte in die tiefen des Meeres gleiten können. Er hatte die Ebene verlassen, auf der alle, Snape wie sein Vater, McGonagall wie Flitwick, ja selbst Voldemort und Dumbledore waren. Er hatte die Ebene verlassen, in der alles nur eine Seite hatte. Er hatte begonnen, erst das zu glauben, was er selbst für richtig empfand. Er hatte allem absagen müssen, das ihm nur erzählt wurde. Er hatte begonnen selbst zu denken, kontovers zu denken. Er war jetzt ein Außenseiter, ohne dass es jedoch die zu denen er jetzt nicht mehr gehörte wissen konnten. Er war Ginny ähnlich geworden.
Er lächelte. Er hatte es sehr weit getrieben. Hatte sogar einige Bücher aus der Muggelbibliothek mitgenommen, um zu sehen, was jene schrieben, die er gehasst hatte. Er hatte nicht begonnen zu lesen, aber er war stolz, so weit in seinen neuen Zweifeln gefangen zu sein. Er hatte beim Durchblättern ein Zitat gefunden, dass verblüffend genau auf diese Art von Welt passte, auch wenn es in einem völlig andern Kontext stand. Es lautete:
«Sei nicht wissbegierig, Roderigo, wie ich! Wenn wir die Lüge einmal verlassen haben, die wie eine blanke Oberfläche glänzt, und diese Welt nicht bloß als Spiegel unseres Wunsches ansehen, wenn wir es wissen wollen, wer wir sind, ach Roderigo, dann hört unser Sturz nicht mehr auf, und es saust dir in den Ohren, dass du nicht mehr weißt, wo Gott wohnt. Stürze dich nie in deine Seele, Roderigo, oder in irgendeine, sondern bleibe an der blauen Spiegelfläche wie die tanzenden Mücken über dem Wasser - auf dass du lange lebest im Lande, Amen.»
Draco verstand den Zusammenhang nicht ganz, er wollte eigentlich das Ganze lesen, aber er war noch nicht dazu gekommen. Aber es passte irgendwie zu seiner Situation. Er hatte nun die Oberfläche verlassen. War am 3. August eingebrochen und schwamm nun in der tiefe des Ozeanss, zwischen allen Meinungen und Ideologien. Und darauf konnte er stolz sein..
Und dennoch war er nicht an den Saal der Erkenntnis gestoßen, hatte die Tür nicht außmachen können. Er hatte lediglich daran geklopft, aber diese Tür musste eingerannt werden. Dazu hatte Draco freilich nicht den Mut, aber die helfende Hand Ginnys wartete auf ihn - ohne dass der Wissbergieriege es zu ahnen vermochte.
Dieser war schließlich gänzlich von der Müdigkeit gelähmt. Nur mit Mühe hielt er die Augen offen. Er sah ins Feuer, als suche er in Flackern die Antwort. Er sah durchs Fenster, als läge in der Stille der Nacht eine Erklärung zu hören. Doch er konnte nichts finden. Erschöpft musste er die Augen schließen. Er sank in einen merkwürdigen Halbschlaf. Plötzlich begegnetem ihm alle kürzlichen Erlebnisse mit Ginny nocheinmal, die Eindrücke jener Augenblicke wurden im Traum plötzlich wieder Realität.
Er steht wieder unten im dunkeln Gang, emotional aufgerüttelt und wütend, als ihm Ginny entgegen kommt. Sie sieht ihm direkt in die Augen. Sekunden hält er ihrem Blick stand. Sekunden sehen sie sich in die Augen. In Sekunden ist er wie gelähmt. Kann nicht hassen. Sie dreht sich einfach um und geht. Er steht allein. Und alles, alles wiederholte sich unheimlich. Das Unterbewusstsein entfaltete sich vollkommen. Die Augenblicke in der Muggelbiblitohek. Jedes Wort, jedes Zeichen. Alles ...
Draco riss die Augen wieder auf, es hatte keinen Sinn. Er stand auf und ging, legte sich hin un versuchte zu schlafen.
Ginny stand vor dem Spiegel im Gryffindor Baderaum - alle anderen waren gegangen. Sie nahm die Bürste in die Hand um ihr Haar von den Wirren des Tages zu befreien. Sie empfand das Kämmen ihrer langen roten Haare seit ihrer Kindheit als eine sehr angenehme Beschäftigung, bei der sie immer entspannt nachdenken konnte. Sie konnte sich im Spiegel sehen und konnte sich fast ganz auf ihr Inneres konzentrieren. So hatte sie es sich angewöhnt, währenddessen immer den ganzen Tag noch einmal durchzugehen. Oft kamen ihr Gedanken, die einen ganz besonderen Platz in ihrem Tagebuch eingenommen hatten.
Schon als Kind - als ihre Mutter ihr noch das Haar kämmte - hatte sie das Kämmen als das Ende des Tages gesehen. Nachdem sie sich die Zähne geputzt hatte - was sie damals schon selber konnte - kam ihre Mutter und kämmte ihr die Haare. Danach ging sie ins Bett. Doch das hatte sie als kleines Mädchen schon zur Nacht, zum Schlafen gezählt. Es war nicht mehr die Realität des Tages, es war eine Traumwelt, ebenso wie die Märchen die sie damals während des Kämmens erzählt bekam.
Mittlerweile wusste sie, dass ein klarer Unterschied zwischen Tag und Nacht eigentlich gar nicht möglich war. Doch dieses Reflektieren der Zeit zwischen dem Aufstehen und dem Kämmen hatte sie beibehalten. Sie dachte, während die Bürste sanft durch die Haare strich, an all das, was sie seit dem jeweiligen Morgen getan, gedacht oder gefühlt hatte. Oft waren es stupide, einfache Überlegungen - oft auch Ideen die nie Wirklichkeit wurden. Aber an manchen Tagen fielen ihr beim Kämmen die Gedanken nur so zu. Sie wirbelten wie verrückt in ihre Seele und sie verarbeitet sie hier, hier vor ihrem Spiegelbild. Face-to-face.
Es war nicht einmal das Kämmen selbst, was so einen Eindruck vermittelte. Es war vielmehr, dass sie sich ganz und gar auf sich konzentrierte. Das dies nicht beim Zähneputzen geschah, war mehr Zufall als Absicht, sie hatte sich das beim Kämmen angewöhnt. Es war die letzte Handlung des Tages, abgesehen von ihren sporadischen Tagebucheinträgen. Darüber hinaus schien ihr das Zähneputzen nicht würdevoll genug. Dies hastigen Bewegungen - da konnten keine sicheren Gedanken gefasst werden. Nein, die ruhigen, gleichmäßigen Striche, die der Kamm vollführte waren genau die Harmonie, die sie für ihr Seelen- und Gedankenleben brauchte.
Heute rumorte es besonders in ihr. Sie hatte allen Grund dazu. Sie hatte heute den ganzen Tag frei gehabt, weil diverse Lehrer krank oder auf irgendwelchen Fortbildungen waren. So hatte sie sich das Buch, das sie damals in der Muggelbibliothek genommen hatte, vorgenommen.
Es war eine ganz neue, seltsame Welt gewesen. Noch nie zuvor hatte sie so etwas gelesen. Sie hatte ein wenig das Gefühl, als sei das Buch nur zur Unterhaltung geschrieben, nur damit ein Muggel sich damit die Zeit vertreiben konnte. Es schien keinen Sinn zu haben, wie sie es von all den Zauber- und Schulbüchern gewöhnt war. Und dennoch war etwas an diesem Buch. Dieses Buch hatte ihr eines schmerzlich klargemacht:
Harry Haller, dieser Steppenwolf, war er ihr selbst nicht verflucht ähnlich. Dieser Mensch, der abgekapselt von der Welt lebt, ganz allein, ein Dichter oder Künstler. Auch er war mitten unter Menschen - er wohnte schließlich in einem Bürgerhaus, was auch immer das sein sollte - doch er war allein. Allein in seinem Steppenwolfdasein. Dieses Buch schien ihr wie ein Spiegel. Ein Spiegel ihres Lebens. Und diese Hermine, hatte sie nicht Ähnlichkeiten mit Draco? Ginny hatte immer mehr den Eindruck, als sei das Buch für sie geschrieben - so ähnlich wie jenes "Traktat vom Steppenwolf" das Harry Haller in die Hände gefallen war. Es floss ihr kalt über den Rücken. Nein, es war nicht für sie geschrieben. Aber es war der Spiegel ihres Lebens, dieses kleine Muggelwelt in ihren Händen. Die Erkenntnis lang schon zwischen den Zeilen. Sie wusste natürlich, dass das Buch schon lange vor ihrer Zeit geschrieben war. Aber sie dachte einfach darüber nach, was das alles zu bedeuten hatte. Wer war sie? Das war die Frage, die sie sich ganz direkt stellte. Wer war sie - und vor allem: Wer wollte sie sein?
Was war mit ihr? Was war mit Draco? War auch Draco so einsam wie sie? Hatte auch der das Gefühl, von niemand verstanden zu werden – ebenso wie jene seltsame Hermine im Steppenwolf. Was war die Wirklichkeit um sie? Alles war nicht, was es war. Alles konnte durch Zauberei verändert werden. Aber sie war sie. Ich bin ich. Hämmerte sie sich immer ein. Ich bin ich. Aber was ...
Sie war sich sicher, dass sie dem Schlüssel zu allem nah war: Was war es? Was hatte sie so sehr beeindruckt in jener Nacht. Sie wollte es jetzt und hier, vor diesem Spiegel herausfinden - warum?
Warum hatte sie so ein seltsames Gefühl wenn sie Draco sah? War es nur Erinnerung? Warum wurde ihr so seltsam warm? Erinnerungen? Erinnerungen die sie sogar zum Zittern brachten? Es musste mehr als bloße Erinnerung sein. Es musste mehr sein. Aber was?
Sie versuchte sich an ähnliche Zustände zu erinnern. Sie begann in ihrer Seele zu kramen. Suchte ihre Kindheit und ihre Schulzeit ab. Bis an den heutigen Tag. Aber da war nichts. Da war nie ein vergleichbarer Moment gewesen. Sie suchte ihre Gedankengänge ab - was war es?
Sie hob den Blick und sah sich an. Ihr Spiegelbild blickte sie an. Es war genau jenes Mädchen, das Draco damals gesehen haben musste. Ein 16-jähriges Mädchen, mit großen dunklen Augen. Jenes Mädchen, das auch in ihm ein ungewöhnliches und unsicheres Gefühl ausgelöst haben musste. Was hatte sie noch gesagt? Oder hatte sie überhaupt etwas gesagt?
Die erste Begegnung, was war der Schlüsse? Unter, der dunkle Gang. Wie sie ihn sah. Sie schloss die Augen und stellte sich alles genau vor. Vor ihr steht Draco Malfoy. Aus seinen starren, hellblauen Augen dringt ein ernster Blick in ihre Seele. Aufrechte Körperhaltung, halblange Haare. Ein süßes lächeln auf den Lippen ?
Sie öffnete die Augen - sah wieder direkt in das Spiegelbild. Sie sah es an und vereinte die beiden Bilder, Vorstellung und Spiegelbild, tief in ihrem Inneren miteinander.
Jetzt! Jetzt endlich floss ein reißender, heißer Bach durch jede kleinste Ader ihres Körpers. Sie konnte es kaum glauben und spürte es im selben Moment doch so fest. Wie hatte sie solange nichts merken können? Wie hatte sie es so langen verdrängen können? Sie sah in die eigenen Augen, konnte es so deutlich lesen, deutlich, so deutlich als habe es jemand eingemeißelt. Der Spiegel warf ihr die langersehnte und himmlische Erkenntnis zu:
ICH, GINNY WEASLEY, BIN VERLIEBT ! - DRACO ICH LIEBE DICH !
Draco war tief in Gedanken versunken. Er überlegte, was er tun sollte. Eigentlich hatte es keinen Sinn, jetzt schon schlafen zu gehen. Er würde wohl kaum ein Auge zu machen können. Abwesend sah er die Plakate an der Pinwand an, die die als Schülerinformation im Gemeinschaftsraum hing und meist nichts wichtiges verkündete. Nachdem er alles scheinbar überflogen hatte, nichts seine Aufmerksamkeit von seinen Gedanken ablenken können, stand er auf und wanderte einige Schritte im Raum umher. Was war es? Was? Warum? Er konnte sich einfach nicht erklären warum.
Er ging zurück zu seinem Lieblingssessel, schob ihn so, dass er direkt ins Feuer sehen konnte und lies sich nieder. Er lehnte den Kopf zurück und spürte die Müdigkeit, doch er würde nicht schlafen können. Ihm ging die Geschichte mit Ginny ziemlich nahe, aber er wusste überhaupt nicht warum. Gewiss er konnte ihre Probleme verstehen. Es ging ihm sogar ähnlich, auch wenn es sich in ihm, in einer anderen Art und Weise gezeigt hatte. Aber das erklärte keineswegs, warum er so unruhig war. Es erklärte nicht, warum bei dem Gedanken an das Treffen das Blut in seinen Adern zu zittern begann. Er konnte keinen Zusammenhang sehen. Er wusste einfach nicht, warum es ihm so erging. Wie konnte dieses Mädchen, dieses doch sehr unscheinbare Mädchen, so viel in ihm bewegen. Wie konnte es ihn so bewegen, dass er sogar während des Unterrichts Mühe hatte, sich zu konzentrieren. Ja, er hatte einiges nicht verstanden, was in den letzten beiden Wochen drangekommen war. Alles wegen Ginny Weasley?
Sie hatte ihn niederstürzen lassen, ohne auch nur einen Finger zu heben. Er hatte mit ihr begonnen an allem zu Zweifeln, was sein Vater ihn bisher gelehrt hatte. Es war eine Rebellion gegen seinen Vater, der jedoch noch fest schlief, und das war gut so. Draco hatte begonnen, alles zu hinterfragen, hinter jeder Phrase das Fünkchen Wahrheit zu suchen. Oft vergebens. Er fand keinen Halt mehr in der Welt. Keinem konnte er glauben, keinem Vertrauen. Alles versuchte ihm Ideologien einzupflanzen, sich einzuschmeicheln oder taten auf irgendeine Weise nicht das, was die Wahrheit von ihnen verlangt hätte. Außer Ginny.
Draco strengte seine Gedanken bis ins Untragbare an. Er wollte eine Lösung oder zumindest die Idee einer Lösung finden, wenn er Ginny morgen entgegentreten sollte. Was war es, dass seine Beziehung zu ihr so besonders machen. Was war sein Gefühl? Die Lösung lag zwar eigentlich nah, doch sie lag so nah, dass Draco sie nur übersehen konnte.
Das war es, es war ihm unerklärlich, wie er von dieser Oberfläche hatte in die tiefen des Meeres gleiten können. Er hatte die Ebene verlassen, auf der alle, Snape wie sein Vater, McGonagall wie Flitwick, ja selbst Voldemort und Dumbledore waren. Er hatte die Ebene verlassen, in der alles nur eine Seite hatte. Er hatte begonnen, erst das zu glauben, was er selbst für richtig empfand. Er hatte allem absagen müssen, das ihm nur erzählt wurde. Er hatte begonnen selbst zu denken, kontovers zu denken. Er war jetzt ein Außenseiter, ohne dass es jedoch die zu denen er jetzt nicht mehr gehörte wissen konnten. Er war Ginny ähnlich geworden.
Er lächelte. Er hatte es sehr weit getrieben. Hatte sogar einige Bücher aus der Muggelbibliothek mitgenommen, um zu sehen, was jene schrieben, die er gehasst hatte. Er hatte nicht begonnen zu lesen, aber er war stolz, so weit in seinen neuen Zweifeln gefangen zu sein. Er hatte beim Durchblättern ein Zitat gefunden, dass verblüffend genau auf diese Art von Welt passte, auch wenn es in einem völlig andern Kontext stand. Es lautete:
«Sei nicht wissbegierig, Roderigo, wie ich! Wenn wir die Lüge einmal verlassen haben, die wie eine blanke Oberfläche glänzt, und diese Welt nicht bloß als Spiegel unseres Wunsches ansehen, wenn wir es wissen wollen, wer wir sind, ach Roderigo, dann hört unser Sturz nicht mehr auf, und es saust dir in den Ohren, dass du nicht mehr weißt, wo Gott wohnt. Stürze dich nie in deine Seele, Roderigo, oder in irgendeine, sondern bleibe an der blauen Spiegelfläche wie die tanzenden Mücken über dem Wasser - auf dass du lange lebest im Lande, Amen.»
Draco verstand den Zusammenhang nicht ganz, er wollte eigentlich das Ganze lesen, aber er war noch nicht dazu gekommen. Aber es passte irgendwie zu seiner Situation. Er hatte nun die Oberfläche verlassen. War am 3. August eingebrochen und schwamm nun in der tiefe des Ozeanss, zwischen allen Meinungen und Ideologien. Und darauf konnte er stolz sein..
Und dennoch war er nicht an den Saal der Erkenntnis gestoßen, hatte die Tür nicht außmachen können. Er hatte lediglich daran geklopft, aber diese Tür musste eingerannt werden. Dazu hatte Draco freilich nicht den Mut, aber die helfende Hand Ginnys wartete auf ihn - ohne dass der Wissbergieriege es zu ahnen vermochte.
Dieser war schließlich gänzlich von der Müdigkeit gelähmt. Nur mit Mühe hielt er die Augen offen. Er sah ins Feuer, als suche er in Flackern die Antwort. Er sah durchs Fenster, als läge in der Stille der Nacht eine Erklärung zu hören. Doch er konnte nichts finden. Erschöpft musste er die Augen schließen. Er sank in einen merkwürdigen Halbschlaf. Plötzlich begegnetem ihm alle kürzlichen Erlebnisse mit Ginny nocheinmal, die Eindrücke jener Augenblicke wurden im Traum plötzlich wieder Realität.
Er steht wieder unten im dunkeln Gang, emotional aufgerüttelt und wütend, als ihm Ginny entgegen kommt. Sie sieht ihm direkt in die Augen. Sekunden hält er ihrem Blick stand. Sekunden sehen sie sich in die Augen. In Sekunden ist er wie gelähmt. Kann nicht hassen. Sie dreht sich einfach um und geht. Er steht allein. Und alles, alles wiederholte sich unheimlich. Das Unterbewusstsein entfaltete sich vollkommen. Die Augenblicke in der Muggelbiblitohek. Jedes Wort, jedes Zeichen. Alles ...
Draco riss die Augen wieder auf, es hatte keinen Sinn. Er stand auf und ging, legte sich hin un versuchte zu schlafen.
Ginny stand vor dem Spiegel im Gryffindor Baderaum - alle anderen waren gegangen. Sie nahm die Bürste in die Hand um ihr Haar von den Wirren des Tages zu befreien. Sie empfand das Kämmen ihrer langen roten Haare seit ihrer Kindheit als eine sehr angenehme Beschäftigung, bei der sie immer entspannt nachdenken konnte. Sie konnte sich im Spiegel sehen und konnte sich fast ganz auf ihr Inneres konzentrieren. So hatte sie es sich angewöhnt, währenddessen immer den ganzen Tag noch einmal durchzugehen. Oft kamen ihr Gedanken, die einen ganz besonderen Platz in ihrem Tagebuch eingenommen hatten.
Schon als Kind - als ihre Mutter ihr noch das Haar kämmte - hatte sie das Kämmen als das Ende des Tages gesehen. Nachdem sie sich die Zähne geputzt hatte - was sie damals schon selber konnte - kam ihre Mutter und kämmte ihr die Haare. Danach ging sie ins Bett. Doch das hatte sie als kleines Mädchen schon zur Nacht, zum Schlafen gezählt. Es war nicht mehr die Realität des Tages, es war eine Traumwelt, ebenso wie die Märchen die sie damals während des Kämmens erzählt bekam.
Mittlerweile wusste sie, dass ein klarer Unterschied zwischen Tag und Nacht eigentlich gar nicht möglich war. Doch dieses Reflektieren der Zeit zwischen dem Aufstehen und dem Kämmen hatte sie beibehalten. Sie dachte, während die Bürste sanft durch die Haare strich, an all das, was sie seit dem jeweiligen Morgen getan, gedacht oder gefühlt hatte. Oft waren es stupide, einfache Überlegungen - oft auch Ideen die nie Wirklichkeit wurden. Aber an manchen Tagen fielen ihr beim Kämmen die Gedanken nur so zu. Sie wirbelten wie verrückt in ihre Seele und sie verarbeitet sie hier, hier vor ihrem Spiegelbild. Face-to-face.
Es war nicht einmal das Kämmen selbst, was so einen Eindruck vermittelte. Es war vielmehr, dass sie sich ganz und gar auf sich konzentrierte. Das dies nicht beim Zähneputzen geschah, war mehr Zufall als Absicht, sie hatte sich das beim Kämmen angewöhnt. Es war die letzte Handlung des Tages, abgesehen von ihren sporadischen Tagebucheinträgen. Darüber hinaus schien ihr das Zähneputzen nicht würdevoll genug. Dies hastigen Bewegungen - da konnten keine sicheren Gedanken gefasst werden. Nein, die ruhigen, gleichmäßigen Striche, die der Kamm vollführte waren genau die Harmonie, die sie für ihr Seelen- und Gedankenleben brauchte.
Heute rumorte es besonders in ihr. Sie hatte allen Grund dazu. Sie hatte heute den ganzen Tag frei gehabt, weil diverse Lehrer krank oder auf irgendwelchen Fortbildungen waren. So hatte sie sich das Buch, das sie damals in der Muggelbibliothek genommen hatte, vorgenommen.
Es war eine ganz neue, seltsame Welt gewesen. Noch nie zuvor hatte sie so etwas gelesen. Sie hatte ein wenig das Gefühl, als sei das Buch nur zur Unterhaltung geschrieben, nur damit ein Muggel sich damit die Zeit vertreiben konnte. Es schien keinen Sinn zu haben, wie sie es von all den Zauber- und Schulbüchern gewöhnt war. Und dennoch war etwas an diesem Buch. Dieses Buch hatte ihr eines schmerzlich klargemacht:
Harry Haller, dieser Steppenwolf, war er ihr selbst nicht verflucht ähnlich. Dieser Mensch, der abgekapselt von der Welt lebt, ganz allein, ein Dichter oder Künstler. Auch er war mitten unter Menschen - er wohnte schließlich in einem Bürgerhaus, was auch immer das sein sollte - doch er war allein. Allein in seinem Steppenwolfdasein. Dieses Buch schien ihr wie ein Spiegel. Ein Spiegel ihres Lebens. Und diese Hermine, hatte sie nicht Ähnlichkeiten mit Draco? Ginny hatte immer mehr den Eindruck, als sei das Buch für sie geschrieben - so ähnlich wie jenes "Traktat vom Steppenwolf" das Harry Haller in die Hände gefallen war. Es floss ihr kalt über den Rücken. Nein, es war nicht für sie geschrieben. Aber es war der Spiegel ihres Lebens, dieses kleine Muggelwelt in ihren Händen. Die Erkenntnis lang schon zwischen den Zeilen. Sie wusste natürlich, dass das Buch schon lange vor ihrer Zeit geschrieben war. Aber sie dachte einfach darüber nach, was das alles zu bedeuten hatte. Wer war sie? Das war die Frage, die sie sich ganz direkt stellte. Wer war sie - und vor allem: Wer wollte sie sein?
Was war mit ihr? Was war mit Draco? War auch Draco so einsam wie sie? Hatte auch der das Gefühl, von niemand verstanden zu werden – ebenso wie jene seltsame Hermine im Steppenwolf. Was war die Wirklichkeit um sie? Alles war nicht, was es war. Alles konnte durch Zauberei verändert werden. Aber sie war sie. Ich bin ich. Hämmerte sie sich immer ein. Ich bin ich. Aber was ...
Sie war sich sicher, dass sie dem Schlüssel zu allem nah war: Was war es? Was hatte sie so sehr beeindruckt in jener Nacht. Sie wollte es jetzt und hier, vor diesem Spiegel herausfinden - warum?
Warum hatte sie so ein seltsames Gefühl wenn sie Draco sah? War es nur Erinnerung? Warum wurde ihr so seltsam warm? Erinnerungen? Erinnerungen die sie sogar zum Zittern brachten? Es musste mehr als bloße Erinnerung sein. Es musste mehr sein. Aber was?
Sie versuchte sich an ähnliche Zustände zu erinnern. Sie begann in ihrer Seele zu kramen. Suchte ihre Kindheit und ihre Schulzeit ab. Bis an den heutigen Tag. Aber da war nichts. Da war nie ein vergleichbarer Moment gewesen. Sie suchte ihre Gedankengänge ab - was war es?
Sie hob den Blick und sah sich an. Ihr Spiegelbild blickte sie an. Es war genau jenes Mädchen, das Draco damals gesehen haben musste. Ein 16-jähriges Mädchen, mit großen dunklen Augen. Jenes Mädchen, das auch in ihm ein ungewöhnliches und unsicheres Gefühl ausgelöst haben musste. Was hatte sie noch gesagt? Oder hatte sie überhaupt etwas gesagt?
Die erste Begegnung, was war der Schlüsse? Unter, der dunkle Gang. Wie sie ihn sah. Sie schloss die Augen und stellte sich alles genau vor. Vor ihr steht Draco Malfoy. Aus seinen starren, hellblauen Augen dringt ein ernster Blick in ihre Seele. Aufrechte Körperhaltung, halblange Haare. Ein süßes lächeln auf den Lippen ?
Sie öffnete die Augen - sah wieder direkt in das Spiegelbild. Sie sah es an und vereinte die beiden Bilder, Vorstellung und Spiegelbild, tief in ihrem Inneren miteinander.
Jetzt! Jetzt endlich floss ein reißender, heißer Bach durch jede kleinste Ader ihres Körpers. Sie konnte es kaum glauben und spürte es im selben Moment doch so fest. Wie hatte sie solange nichts merken können? Wie hatte sie es so langen verdrängen können? Sie sah in die eigenen Augen, konnte es so deutlich lesen, deutlich, so deutlich als habe es jemand eingemeißelt. Der Spiegel warf ihr die langersehnte und himmlische Erkenntnis zu:
ICH, GINNY WEASLEY, BIN VERLIEBT ! - DRACO ICH LIEBE DICH !
