Ich habe tatsächlich eine Fortsetzung geschrieben.
Und ich wollte eigentlich was ganz anderes schreiben.
Vielleicht noch eine Fortsetzung?


Die Wohnhöhlen


Kirrs und Rakus Verschwinden war den Alten unbemerkt geblieben, ebenso ihre Rückkehr. Denn die Orcs machten sich wenig aus ihren Kindern. Sie stießen sie umher und gaben ihnen die Reste zu essen.
Die anderen Kinder aber, die bei Einbruch der Dunkelheit aufgewacht waren, saßen um die beiden und hörten gebannt von ihrem Abenteuer.
Staunend erfuhren sie, wie Raku und Kirr eine ganze Armee Zwerge in die Flucht geschlagen hatten.
Schaudernd stellten sie sich vor, selbst in der Höhle gewesen zu sein.
Nagi, ein Winzling, dessen Gesicht nur aus den großen Augen zu bestehen schien, starrte Raku bewundernd an. Für ihn war der ältere Junge ein Held. Wie sehr wünschte er sich, auch einmal ein Abenteuer zu bestehen, die Anerkennung seines Vorbildes zu bekommen. Er war der jüngste und wurde von den anderen immer herablassend behandelt.
Etwas entfernt stand ein älterer Orcjunge, der sehr gut zugehört hatte.
"Das ist lächerlich." meinte er.
"Das waren Ratten, die trifft man hier in den Höhlen ständig, oder was glaubst du, hat es gestern zum Abendessen gegeben?"
"Lüg nicht, Karr!" schrie Nagi und sprang auf. Seine kleinen Fäuste trommelten auf die Oberschenkel von Karr, denn höher reichte er noch nicht.
Er würde es nicht zulassen, dass man sein Idol beleidigte.
Ratten, ha!
Karr hob den Winzling mit einer Hand an seinem schäbigen Hemd hoch.
"Du nervst." sagte er gelangweilt und warf ihn ein Stück weit in die Höhle hinein, wo sich Nagi leise schluchzend zusammenrollte.
Kirr schüttelte den Kopf. Sein Bruder war zum Glück für den Kleinen gut gelaunt, sonst wäre er weniger glimpflich davongekommen. Karr forderte man nicht heraus. Er war der beste Schüler von Bracht. Bracht war der Anführer der Krieger und Jäger, er übte mit den Orcs das Kämpfen und brachte es auch den Kindern bei.
Er hatte sich mit Grartz, dem Stammenführer, unterhalten und die beiden hatten einen Beschluss gefasst.
"Karr!" rief jetzt Bracht. Neugierig beobachteten die Kinder, wie sich Karr zu den beiden Erwachsenen schlich, geduckt in der Erwartung einer Strafe. Einige von ihnen grinsten hämisch. Karr war nicht sehr beliebt und mischte sich immer in die Angelegenheiten der Kinder ein, obwohl er schon fast erwachsen war.
Sie versuchten, etwas von dem leisen Wortwechsel mitzubekommen und spitzten die Ohren.
Dann stahl sich ein breites Grinsen auf Karrs Gesicht. Mit herablassendem Blick ging er zu den Kindern zurück.
"Ich darf heute zu Jagd mit." Verkündete er stolz.
Die Kinder staunten. Wer bei der Jagd mitmachte, gehörte zu den Großen und war von ihnen anerkannt. Man konnte Ruhm erlangen, worunter sich die Kinder allerdings nichts vorstellen konnten. Sie vermuteten, es habe etwas mit Essen zu tun, denn Nahrung war sehr begehrt und die Erwachsenen bekamen immer zuerst davon.
Mit großen Augen verfolgten sie, wie Karr gemessenen Schrittes zu Bracht ging, um seine Jagdwaffe in Empfang zu nehmen. Ihre Blickte folgten ihm, bis er mit den ganzen anderen Erwachsenen im Dickicht des Waldes verschwunden war.
Allein saßen sie nun auf dem Boden der Höhle. Das war jede Nacht so, denn für die Jagd wurden alle Großen gebraucht, zu wenig Beute gab es nach den Ringkriegen, sie konnten froh sein, wenn eine der Jagdgruppen etwas erlegte. Oft ernährten sie sich von den Ratten, die das Pech hatten, sich in der Nähe einer geschickten Orc Hand aufzuhalten.
Kirr legte sich zurück. "So ein Angeber," meinte er verdrießlich. Er fülte den Neid in sich brennen. Er wünschte sich nichts mehr, als auf die Jagd zu gehen. Weil er älter war, bekam sein großer Bruder immer alles vor ihm. Das wäre vielleicht nicht so schlimm gewesen, wenn er Kirr nicht ständig damit aufgezogen hätte.
Raku nickte. Auch er fühlte sich alt genug zum Jagen, auch ihn hatte man nicht gefragt. Dabei war Grartz sein Vater. Und wenn der Vater der Anführer war, konnte man doch einmal eine Ausnahme machen. Außerdem hatte Karr ihn beleidigt.
Gedankenverloren sah Raku tiefer in die Höhle hinein.
"Wo ist Nagi?" fragte er überrascht, als er den Jungen nirgends entdecken konnte.
Die Kinder sahen sich um, sie hatten ebensowenig Ahnung, was mit dem Kleinen passiert war.
"Wir müssen ihn suchen." sagte Raku fest. Verständnislos sahen ihn die anderen an. Man passte nicht auf die Kleinen auf. Man beachtete sie nicht einmal. Und kein Orc half dem anderen, wenn er selbst keinen Nutzen davon hatte.
Urg hatte seine liebe Not gehabt, die Orcgruppe zu vereinen. Nach dem Krieg herrschte Misstrauen und Furcht. Sein Nachfolger Grartz hatte nur deshalb Erfolg, weil die anderen die Vorteile der gemeinsamen Jagd erkannt hatten und weil er keine Scheu hatte, seine Argumente tatkräftig und mit einem rechten Haken zu untermauern.
Raku sah, dass ihm keiner helfen würde. Wortlos stand er auf und sah Kirr an. Dieser sprang auf und stellte sich neben Raku.
"Dann bleibt eben hier, ihr Feiglinge. Er ist bestimmt tiefer in die Höhle gegangen und da gibt es Zwerge." Verärgert drehte er sich um und stampfte los, Kirr im Schlepptau.

Raku war müde. Er hatte den vergangenen Tag damit verbracht, Zwerge zu suchen und sie waren jetzt schon die halbe Nacht unterwegs. Ohne Nahrung und Wasser.
Er fragte sich, warum er sich um den Kleinen sorgte, es gab keinen Grund. Wenn er tot war, war es auch gut, er war völlig unwichtig. Aber irgendetwas sagte ihm, dass das falsch war, dass er Verantwortung hatte und es seine Pflicht war, dem Jungen zu helfen.
Ein bisschen wunderte er sich, dass Kirr einfach so mitgekommen war und schon die ganze Zeit ohne zu murren hinter ihm hertrottete.
Er wollte sich gerade zum Ausruhen setzen, als er ein leises Wimmern hörte.
Obwohl er die Hoffnung, den Jungen zu finden schon aufgegeben hatte, wer weiß wo der hingelaufen war, rannte er los in Richtung des Geräusches.
Und bremste gerade rechtzeitig, bevor er mehrere Meter in die Tiefe gefallen wäre.
Kirr blieb keuchend hinter ihm stehen und sah neugierig hinunter.
In der Dunkelheit der Höhle war nicht viel auszumachen. Etwas links von ihnen führte ein erhabener Pfad scheinbar ins Nichts.
Vorsichtig ging Raku auf dem steinernen Weg, der auf wunderbare Weise aus der mit Trümmern gefüllten Schlucht ragte.
Kirr schloss die Augen. Er war noch nie so hoch über dem Boden gewesen. Ängstlich tasteten seine Füße über den Stein, immer in der Furcht, der Weg könnte plötzlich einstürzen.
"Das muss die Höhle sein, in der wir vorhin waren." Meinte Kirr.
"Wir müssten jetzt über ihr sein." erwiderte Raku zustimmend.
In einiger Entfernung erklang wieder ein leises Wimmern.
"Da lang." Sie gingen etwas schneller und kamen an eine Kreuzung, von der zwei weitere Wege abzweigten. Verblüfft starrten sie auf das unerwartete Hindernis.
"Was machen wir jetzt?" fragte Kirr nervös. "Wenn es noch mehr gibt, verlaufen wir uns."
Raku dachte nach.
Dann zog er sein Schwert und kratzte damit einen Pfeil in den Stein, der in die Richtung zeigte, aus der sie gekommen waren.
Kirr nickte anerkennend.
"Nagi!" rief er. Eine leise Stimme antwortete direkt vor ihnen.
"Lass mich in Ruhe, du böser Zwerg!"
Raku grinste und ging in die Richtung, aus der die Stimme gekommen war.
"Ich bin ein gefährlicher Orc!" Ertönte die Stimme des Kleinen piepsig.
Kirr musste sich beherrschen, um nicht laut loszulachen. Sie kamen wieder zu einer Kreuzung und Raku kratzte einen weiteren Pfeil in den Boden.
"Wenn du mich frisst, bekommst du ganz üble Bauchschmerzen." Jetzt klang der Junge eindeutig verängstigt.
"Beruhige dich," sagte Raku. "Wir tun dir nichts. Wir sind Raku und Kirr."
Einen Moment herrschte Stille.
"Wirklich?" fragte Nagi hoffnungsvoll.
Raku griff zu und verhinderte damit, das Nagi, der vor Schreck einen Hüpfer machte, in die Tiefe stürzte. "Wirklich."
Der Heimweg war gar nicht schwer und Nagi konnte nicht fassen, dass er so nahe am Ausgang gewesen war. Er wollte mit eigenen Augen sehen, dass es Zwerge gab. Es konnte nicht sein, dass sein Held gelogen hatte. Dabei hatte er sich verlaufen und war dem seltsamen Weg immer weiter gefolgt. Bald war er müde geworden und hatte sich verzweifelt hingesetzt. Er hatte gewusst, dass es keine Rettung gab. Kein Orc würde nach ihm suchen.
Erleichtert nahm er Rakus Hand. Das war nochmal gutgegangen.
Es machte auch nichts, dass er keine Zwerge gefunden hatte. Denn tief im Innern wusste er, dass Raku die Wahrheit gesagt hatte.



AN: UAWG, freu mich, wenn es noch Leute gibt, die auch meinen, dass Orcs überqualifiziert sind, dafür, sich besiegen zu lassen. (6 Kommata in einem Satz: Ich bin echt gut:)