Die Sprache der Bäume
Kapitel 7
-Nicht perfekt-

„Yemaya?!"

Legolas packte sie behutsam am Arm und schüttelte sie ein wenig.

Sie schien in eine Art Trance gefallen zu sein. Sie stand da wie angewurzelt und murmelte immer wieder vor sich hin, dass sie die Orks kören konnte.

Legolas rief ihren Namen etwas lauter, aber sie reagierte immer noch nicht. Er war ratlos; was sollte er nur tun?

Er wollte sie aus ihrem Dämmerschlaf befreien, war aber nicht gewillt ihr weh zu tun.

In seiner Verzweiflung, die ihm aber nicht anzusehen war, denn wie jeder andere Elb auch konnte er seine Gefühle vor der Welt verbergen, kam ihm die Idee, sie auf den Arm zu nehmen und zu Aragorn zu tragen.

Als er sie gerade hochheben wollte, durchzog ein Windstoß die Lichtung und durchkämmte ihr seidig glänzendes Haar. Wie verzaubert blieb er stehen und beobachtete wie sich einige der Strähnen, die auf ihre Schultern hernieder fielen, leicht im Wind bewegten.

Ohne das er es merkte, hob er seine Hand einwenig und streckte sie nach ihrem dunkelbraunen Schopf aus.

Ja, als er sie das erste Mal sah, hatte sie auf einem Stein gesessen, dieses unendlich schöne Lied gesungen und mit ihrem Haar gespielt. Es kam ihm wie eine Ewigkeit vor, dabei war es noch nicht mal einen Tag her. Gestern hatte er genau den gleichen Zauber verspürt, er konnte und er wollte sich nicht dagegen wehren. Sie war so faszinierend ...

Kurz bevor seine Finger eine der dunklen Wellen berühren konnten, kam er wieder zu sich. Nein, das war jetzt nicht der rechte Zeitpunkt den Verstand zu verlieren!

Er hatte Angst davor, ihrer Anmut erneut zu erliegen, wenn er sie berührte. Also sprach er ihren Namen noch einmal laut aus, so dass sie aufschreckte.

„Yemaya?"

„Legolas, wir müssen..."

Sie hatte die Fassung verloren und schnappte nach Luft.

Legolas legte ihr vorsichtig seine Hand auf die Schulter.

„Yemaya, komm wieder zu Sinnen! Setz dich ein Stück und beruhige dich, wahrscheinlich hattest du nur einen bösen Tagtraum."

Sie warf ihn ein missbilligenden Blick zu und schob seine Hand unsanft von sich weg.

„Nein Legolas, dafür ist jetzt keine Zeit. Wir müssen zu Aragorn. Ob du willst oder nicht: Es steht ein Kampf bevor!"

Sie hatte kaum das letzte Wort ausgesprochen, als sie schon los rannte.

Es hatte den Anschein, dass ihre Füße kaum den Boden berührten, denn da wo sie auftrat, stand das saftige grüne Gras wie eh und je. Selbst Legolas, der jetzt hinter ihr herlief, konnte nicht so leicht auftreten. Sogar wenn er sich darauf konzentrierte, kam es schon das eine oder andere mal vor, dass er einen Grashalm umknickte.

Der Elb bezweifelte, dass auch der beste Fährtenleser ihren Weg verfolgen konnte, da dies schon bei einem normalen Elb fast unmöglich war, wenn er nicht gefunden werden wollte.

„Aragorn.... die Orks.... sie sind...."

Yemaya war vollkommen außer Atem und ein schmaler Streifen ihrer Wangenknochen war vor Anstrengung rot angelaufen, was ihrem zarten Gesicht aber mehr schmeichelte, als es ihm schadete.

Aragorn legte seine Hände auf ihre Schultern und versuchte sie damit zu beruhigen, was aber fehl schlug, denn sie stieß diese weg, als wären sie giftige Schlangen.

„Ruh dich doch erst einmal aus und dann sagst du mir was los ist."

„Warum sagt mir hier jeder, dass ich mich ausruhen soll?", giftete sie zurück.

Aragorn verdrehte seine Augen und schlug einen Ton an, als müsse er ein ungehorsames Kind belehren: „Dann sag uns was los ist, Yemaya"

Sie stand wieder wie angewurzelt da und Legolas hatte Angst, dass sie wieder in diese Trance zurück verfallen würde, was aber nicht der Fall war.

Langsam hob und senkte sich ihr Brustkorb, ihr Mund war leicht geschlossen und niemand wagte es die Stille zu durchbrechen.

Auf einmal strich sie sich mit ihren Händen über die Oberarme, als ob es ihr frösteln würde und sie schluckte schwer.

„Ja, die Orks sind in der Nähe. Ich kann sie ganz deutlich spüren."

Gimli der bis jetzt eher ruhig diesem Schauspiel beigewohnt hatte, rief aus: „Orks? Nur her damit, wir sind schon mit anderen Dingen fertig geworden. Überhaupt, meine Axt sehnt sich nach Orkblut!"

„Sei nicht so voreilig Gimli ", mahnte Yemaya, „man sollte das Böse nie herbei sehnen."

Noch während sie diese Worte aussprach, trat Legolas, der in das scheinbare Nichts aus Blättern und Geäst starrte, zu Aragorn und Berührte ihn leicht am Arm.

„Was siehst du mein Freund?"

„Sie kommen."

„Wie viele?"

„Etwa fünfzig, sie sind in der Überzahl."

Yemaya fiel in diese Unterhaltung ein: „Bei so einer Übermacht können wir sie nie besiegen! Wir müssen weg hier! Folgt mir!"

„Was hast du vor Yemaya?", wollte Aragorn wissen.

„Wir werden sie an einen Platz locken, an dem wir eine Chance gegen sie haben."

„Es liegt uns Zwergen nicht im Blut, einfach davon zu laufen. Woher wollen wir überhaupt wissen, dass sie hinter uns her sind?", fragte Gimli ungehalten.

„Herr Zwerg,", zischte die Frau eben so ungehalten zurück, „diese Orks können das Fleisch jedes Lebewesens besser riechen, als ihr denkt und glaubt ihr, dass Orks einfach an einem sonnigen Tag durch die Gegend spazieren, um sich an der Schönheit dieses Waldes zu ergötzen?"

Gimli brummelte etwas unverständliches in seinen Bart, worauf Yemaya sich zu ihm herunter beugte. Sie schaute in seine Augen und lächelte ihn an, wobei sie seine Hand ergriff, die in einem schweren Zwergenhandschuh steckte.

„Gimli, lieber Freund, glaube mir, wir haben hier keine Möglichkeit mit den Orks fertig zu werden. Willst du mir wirklich nicht folgen?"

Yemayas ziemlich gezwungenes aber doch hübsches Lächeln schien Wunder zu bewirken. Der Zwerg schmolz dahin wie das Wachs einer Kerze.

Als Yemaya sich abwandte um zu gehen, schulterte er seine Axt und lief ihr wie ein getreuer Schoßhund nach.

Allerdings stoppte er und sah zu Legolas und Aragorn, der mit verschränkten Armen grinsend auf ihn herabsah. Auch dass der Elb einen Hauch von einem Lächeln auf den Lippen liegen hatte, gefiel ihm nicht.

„Habt ihr nicht gehört, was Yemaya gesagt hat? Jetzt kommt schon!"

Yemaya hatte sie zu einer Lichtung geführt, die nur ein paar hundert Meter von ihrem vorherigen Standort entfernt war.

Nun lagen sie auf einer kleinen Anhöhe, die mit saftigem grünen Gras bewachsen war und ihnen durch ein paar verdorrte Dornenbüsche, die von einer Art waren, wie Legolas sie noch nie zuvor gesehen hatte, gute Deckung gewährte.

Außer dem Zwitschern der Vögel und dem Rauschen des Windes war kein Ton zu hören. Es herrschte ein angespanntes Schweigen unter den vier Gefährten. Nur ab und an zuckte Yemaya zusammen, als würde sie ungeheuerliche Schmerzen erleiden.

Besorgt sah Legolas sie an, was aber nur mit einem bösen Blick von ihrer Seite her quittiert wurde.

Plötzlich erblickte der Elb mit seinen scharfen Augen einige Schämen zwischen den Bäumen, die durch ihre wuchtigen und ungeschickten Bewegungen nur orkischer Natur seien konnten. Der Gesang der Vögel verstummte und selbst der Wind schien sich davon gemacht zu haben. Er folgte seinen gefiederten Freunden an einen Platz, der ihm freundlicher vorkam.

Nun konnte auch Aragorn sie sehen und er lockerte Andúril. Gimli gab einen knurrenden Laut von sich, denn die Orks waren nicht mehr weit von ihnen entfernt und Aragorn gab das Zeichen zum Angriff.

Yemaya war es, die als erste aufsprang und sich über den kleinen Absatz fallen ließ. Noch im Flug köpfte sie einen Ork, wobei der blaue Stahl ihres Schwertes wie ein eisiges Feuer leuchtete.

Nun kamen ihr auch die Männer zu Hilfe.

Doch schienen die Orks mehr auf diese einzustürmen, als auf Yemaya. Aber schien es abwegig, dass der Grund dafür war, die Frau zu schonen. Nur widerwillig entgegneten sie ihre Schwerthiebe.

Der Haufen der Leichen türmte sich immer höher und auf dem Waldboden waren auch einzelne Gliedmaßen zu erkennen, neben denen schwarze Lachen von Orkblut die Halme des Grases zum welken brachten.

Doch dann geschah das Unglück. Yemaya rammte ihr Schwert erneut einem Ork in den Körper, nur verfehlte sie ihr Ziel und traf anstatt der Kehle, die Schulter ihres Feindes. Durch einen kräftigen Schlag in ihre Hüfte, der von einem anderen nebenstehenden Ork ausging, wurde ihr das Schwert aus den Händen gerissen.

Vor Schmerzen wurde ihr schlecht und weiße Flammen tanzten vor ihren Augen. Sie wollte der Pein gerade nachgeben, als Aragorns Schreie sie wieder zurück ins Geschehen führten. Er hatte das Schauspiel aus dem Augenwinkel mit ansehen müssen, konnte seiner Freundin aber nicht zur Hilfe eilen, da er selbst von Orks umzingelt war.

Als sie wieder klar denken konnte, sah Yemaya, dass der Ork, der sie bedroht hatte nun zu ihren Füßen lag. Wer von den drei anderen ihn getötet hatte, konnte sie nicht sagen. Jedoch musste sie auch feststellen, dass der Ork, der noch immer ihr heißgeliebtes Schwert in der Schulter stecken haben musste, sich auch aus dem Staub gemacht hatte.

Nun stand sie ohne Waffe da. Geblieben war ihr nur noch ein kleiner Dolch, der das einzige sichtbare Symbol ihres Standes war, sich aber weniger zur Verteidigung eignete.

Aragorn, der ihre Misere bemerkte, warf ihr mit den Worten: „Hier nimm!", seinen Bogen zu. Yemaya hielt ihn in ihren Händen, doch benutzte ihn nicht, obwohl ein großer langbeiniger Ork auf sie zu rannte. Sie biss ihre Zähne zusammen und wartete auf den tödlichen Schlag, der aber nicht kam.

Im letzten Moment hatte Legolas einen Pfeil abgeschossen, der dem Ork das schwarze Breitschwert aus der Hand schoss. Ein nächster brachte ihn zu Fall und tötete ihn gleichzeitig.

Ihre Gegner waren alle tot, doch Yemaya stand immer noch unbewegt zwischen den Leichen. Verzweiflung spiegelte sich in ihren Augen wieder. Als sie auf Aragorns rufen nicht reagierte, trat dieser zu ihr.

„Was ist mit dir?"

Ihr Atem ging zitternd und stockte.

Er sprach sie noch einmal an, doch als sie auch darauf nicht reagierte, packte Aragorn sie an den Schultern und schüttelte sie.

Nun sah sie ihn an, doch voll Furcht und als würde sie sich vor ihm schämen.

„Was ist mit dir?", fragte er erneut.

Ein Lächeln zog sich über ihr Gesicht, doch entging es niemanden, dass es nicht ernst gemeint war, denn es schien so gequält zu sein, dass es ihre feinen Züge zu einer Grimmasse verunstaltete.

„Ich...Ich kann doch nicht... mit Pfeil und Bogen umgehen."