Teil 3

Ungläubig kopfschüttelnd beobachtete Kai seinen ehemaligen Beschützer, der sichtlich gemütlich an seinen Küchentisch saß und wachsam die Blicke durch die kleine Wohnung schweifen liess.

"Wie hast du mich gefunden?"

"Oh..." schien Masa ihn endlich wieder zu bemerken

"Ihr habt es mir wirklich nicht gerade leicht gemacht. Es war nicht sehr nett, wie Ihr einfach Euer Wort gebrochen habt und ohne Kommentar spurlos verschwunden seid."

"Tut mir leid." murmelte Kai beschämt. Vor dieser Unterredung hatte er sich seit jener letzten Nacht in Hause seines Vaters gefürchtet. Denn das sie kommen würde, war ihm immer klar gewesen. Masa entkam man nicht so einfach.

"Habt Ihr gefunden, wonach Ihr gesucht habt?" Masa sah ihn mit einem seltsamen Blick an.

Kais Antwort war so leise, dass der ältere Mann sie fast überhört hätte: "Nein, leider nicht!"

"Das tut mir leid für Euch!" bemerkte er ungerührt. "Dennoch war es verantwortungslos, wie Ihr verschwunden seid. Euch hätte sonst was Passieren können!"

"Ist es aber nicht. Ich kann sehr gut auf mich selber aufpassen!"

"Das sieht man." kommentierte Masa trocken angesichts des Chaos in der Wohnung. Kai errötete, als er an die Ursache dieser Unordnung dachte. Er hatte heute morgen nicht viel Zeit gehabt, die Spuren der letzten Nacht zu beseitigen. Für einen uneingeweihten Beobachter wie Masa musste es wie die Verkörperung des absoluten Chaos aussehen.

"Das ist nicht immer so!" wiegelt er ab. "Und bis jetzt hat noch niemand versucht, mich umzubringen."

"Ach nein?" im ersten Moment glaubte er, Masa hätte doch etwas von der vorhergegangenen Nacht erfahren. Aber dann zog der Yakuza eine zusammengefaltete Papierrolle aus der Tasche und knallte sie vor Kais Nase.

"Was soll das?" verständnislos starte er auf die Zeitung.

"Schlagt im Regionalteil die Seite 12 auf."

"Wieso?"

"Tut es einfach, Bon. Hinterfragt nicht immer alles."

Entnervt schlug Kai die angegebene Seite auf.

"Und? Wieder 340 Todesopfer durch Verkehrsunfälle dieses Jahr. Was hat das mit mir zu tun?"

"Das!" Masa pointete einen Finger auf eine kleine Anzeige am linken Rand.

"Verschwundener Kendomeister aufgetaucht? Der seit langem vermisste Kai Sagano soll gestern Abend in der Nähe eines Dojos gesichtet sein, wo er sich mit zwei Schülern messen musste? ..... Was für ein Quatsch. Die beiden wollten es nicht anders." frustriert schlug er mit der flachen Hand auf die Zeitung.

"Es geht nicht darum, worum es bei den Streit ging, sondern darum, das es in der Zeitung erschienen ist. Seit froh, dass ich Euch vor allen anderen gefunden habe."

"Pah, du nimmst das viel zu ernst!"

"Seid Ihr euch da sicher? Ihr habt immer noch Feinde. Jetzt sogar mehr als zuvor."

"Was soll das heißen? Die meisten interessieren sich doch gar nicht mehr für mich. Ich weiß nicht, wieso du dich so aufregst!"

"Es ist meine Aufgabe..."

"Jetzt fang nicht wieder damit an. Behaupte nicht, du hättest die ganze Zeit nach mir gesucht!"

"Ist das so unwahrscheinlich für Euch?"

"Ja. Ich finde, du hast deine Zeit verschwendet. Ich komme nicht mehr zurück. Sag das dem alte Sack!"

Wütend sprang Kai auf.

"Ich wünschte, dass könnte ich." Traurig blickte Masa in Kais Augen. Seltsam berührt zuckte dieser zurück. Es war das erste Mal seit zwei Jahren oder noch länger, dass Masa ihn richtig anschaute. Offen. Ohne den Schutzschild, den man immer unsichtbar über seinen Augen wähnte und der sein innerstes verbarg.

"Was... was ist passiert? Hat er dich rausgeworfen, oder..." Kai zögerte weiter zu sprechen. Der Gedanke, wie sein Vater Masa wegen seines Verschwindens bestrafte, war einer seiner größten Alpträume. Wenn er Masa seinetwegen irgendetwas angetan hatte, könnte er nicht damit leben. Aber er hätte gar nicht anders handeln können. Und offenbar hatte sein alter Freund noch alle Finger.

"Nein." beruhigte Masa ihn. " Er war zwar nicht sehr erfreut, aber das ist es nicht, was ich sagen wollte."

" Was dann? Hat er endlich den Löffel abgegeben?" fragte Kai durch Masas Antwort beruhigt.

"Ja. Euer Vater ist tot. Es tut mir leid."

Stumm saß Kai neben Masa im Wagen. Nach Masas Eröffnung war er diesem Widerspruchslos aus der Wohnung gefolgt. Er war seltsam gelähmt Es war eine Sache, dem eigenen Vater den Tod zu wünschen. Eine andere davon zu hören. Sie hatten sich nie verstanden. Aber alleine schon der Gedanke, ihm nicht mehr die Schuld zuschieben zu können, falls wieder was in seinem Leben schief läuft ,war ernüchternd. Sogar sehr.

Zögernd brach er das Schweigen.

"Masa?"

"Ja, Bon?"

Der Mann schaute immer noch aus dem Fenster.

"Wie ist er gestorben?"

" Vor 11 Monaten." antwortet er, ohne den Blick von der vorbeiziehenden Landschaft abzuwenden. Instinktiv erriet er, was Kai wirklich fragen wollte.

"Es war lange nach deinem Verschwinden. Es hatte nichts mit dir zu tun!"

"Wirklich nicht?"

Langsam wendete Masa den Kopf.

"Natürlich nicht. Es war ein Herzanfall. Er hatte sich wegen einer Bandenstreitigkeit aufgeregt. Ihr habt nichts damit zu tun." schloss er.

"Es ging sehr schnell. Er hat nicht gelitten."

Lächelnd wandte sich Masa wieder ab.

"Hm." grübelte Kai vor sich hin. Nach einer Weile beteiligte er sich an der Landschaftsanstarrerei. Dann fiel plötzlich der Groschen.

"Du, Masa?"

Nicht im geringsten genervt wandte sich der Angesprochene ihm wieder zu. "Was ist, Bon?"

"Heißt das, du bist jetzt der Chef der Kansai Shouryuukai Yakuza?"

`Ziemlich ungewohnte Situation!´ Seufzend liess Kai sich auf sein Bett fallen. In seinem alten Zimmer war nichts verändert. Nur der Bettbezug war von einem Diener gewechselt worden. Ansonsten flogen noch genau dieselben Sachen durch die Gegend, wie vor seiner Abreise.

Als ob diese zwei Jahre gar nicht existiert hätten.

"Dabei wollte ich doch nie zurückkommen."

"Warum eigentlich nicht?" Erschrocken merkte Kai, dass er seinen letzten Gedanken offenbar laut ausgesprochen hatte.

"Kyosuke!"

"Hey, erdrück mich nicht!" lachend wehrte der Mann Kais stürmische Umarmung ab.

"Also wenn du mich schon so empfängst, wundere ich mich, dass Masa noch lebt!"

"Masa.... " ernüchtert liess er Kyosuke los.

"Er ist wirklich jetztder Chef hier, oder?"

"Stimmt!" bestätigte der Mann grinsend. "Und ein verdammt guter. Nicht, dass euer Vater kein guter Chef war...." setzte er unsicher hinzu, als er Kais seltsamen Blick bemerkte.

"Ist schon gut. In gewisser Hinsicht ist es ja auch gut, dass der alte Sack tot ist. Nur... was mache ich hier?"

"Wisst Ihr das denn nicht?"

"Was?"

"Masa hat Eurem Vater versprochen, Euch zu finden und auf Euch aufzupassen!"

"Immer wieder dieselbe Leier. Ich bin kein kleines Kind mehr." `Und dabei hatte ich so gehofft....´

"Augenscheinlich nicht. Ihr seid ja richtig erwachsen geworden, Bon!" übertrieben beeindruckt musterte Kyosuke Kais Gestalt.

"Ach hör auf. Verschwinde einfach!" Plötzlich wütend schleuderte er eins seiner Kopfkissen in die Richtung des älteren Mannes.

"Hey, was ist denn jetzt los??? Also ein bisschen weniger aufbrausend hättet Ihr in den zwei Jahren schon werden können!"

Verdattert stolperte Kyosuke rückwärt zur Tür.

"RAUS HIER!!!!"

Aufgebracht schmiss Kai auch noch ein zweite Kissen durch den Raum. Glücklicherweise jedoch prallte es an der gerade zugleitenden Tür ab.

Frustriert liess er sich auf sein unordentliches Bett sinken.

"Verdammt Masa! Wie konntest du mir das antun?"

`Es hat sich nichts verändert. Gar nichts!´

Es war ein seltsames Gefühl für die Bewohner der Sagano Residenz, nach so langer Zeit wieder Licht aus den Fenstern des jungen Bot-Chans dringen zu sehen. Bis weit in die Nacht hinein schien Kai aufzubleiben. Aber nicht nur die Bediensteten warfen hin und wieder einen mit Erinnerungen gefüllten Blick zum Fenster hin. Das durch den hinausdringenden Lichtschein noch finster erscheinende Schattengeflecht im Garten unterhalb des Fenster verbarg einen weiteren Beobachter.

"Ob er mir jemals vergeben kann?" flüsterte eine Stimme, als sich endlich weit in der Nacht Kais Silhouette am Fenster abzeichnete und kurz darauf das Licht erlosch.

TBC

A/N: Ein riesengroßen Arigato an alle, die mir so tolle FBs geschickt haben . (habe ehrlich gesagt eher mit Buhrufen gerechnet und wollte mich nie wieder auf diese Seite trauen). Schleiche jedenfalls jetzt nicht mehr Hintertürchen herein.