Teil 7

In dieser Nacht weckten starke Arme Kai aus seinen Alptraum geschüttelten Schlaf, in denen ein ihm fremd gewordener Masa ihm wütende Beschimpfungen entgegen schleuderte.

"Nein! Es tut mir leid!"

Tränen schossen aus seinen Augen. Nur langsam wurde er sich der Nähe seines Geliebten bewusst.

Sanfte Lippen küssten zärtlich die salzigen Spuren auf seinen Wangen weg. Die mittlerweile so schmerzlich vertrauten Hände strichen beruhigend über sein Haar und seinen zitternden Körper.

Solange, bis Kai in einen erschöpften Schlaf fiel.

Die Stimme seines nächtlichen Besuchers murmelte bis weit in die Morgendämmerung hinein beruhigende Liebkosungen in sein Ohr und hielt die drohenden Alpträume in Schach.

"Kyosuke! Hey, Warte doch mal!" Keuchend lief Kai quer durch den großen Bürotrakt des Hauses hinter Masas Stellvertreter her. Es waren zwei Wochen seit ihrem Gespräch vergangen. Zwei Wochen, seit dem letzten Streit mit Masa, wie Kais innere Uhr rechnete.

Geduldig wartete der Mann, bis Kai bei ihm angelangt war.

"Was gibt es denn, Bot-chan?" erkundigte er sich freundlich.

"Meinst du, ob Masa etwas dagegen hätte, wenn ich Samejima- Sempai und Enjoji besuche?"

`Warum ist er so rücksichtsvoll?´ Argwöhnisch beäugte der Mann Kai. `Was heckt er jetzt wieder aus?´

"Ich denke, er hätte nichts dagegen, wenn sie sich momentan in Tokio aufhalten würden. Nur leider befinden die beiden sich momentan nicht in Japan." erklärte er dem verdutzten Kai.

"Nicht in Japan?" quiekte dieser entsetzt. "Was ist passiert?"

"Euer Bruder..." Kai verzog bei dieser Bezeichnung das Geicht "... hat von Eurem Vater viel Geld geerbt Er und Samejima- san sind seit Monaten auf einer Weltreise. Momentan dürften sie sich auf... äh... Kuba befinden.", stellte er nach einem Blick auf seinen überquellenden Terminkalender fest, welchen er ständig bei sich trug.

"Kuba? Was wollen die denn da?" Empört stampfte Kai mit dem Fuß auf. "Ich langweile mich hier!"

Nur mühsam verkniff sich Kyosuke ein Grinsen. So sehr hatte der Bon sich doch nicht verändert.

"Ich bin sicher, sie wissen sich zu amüsieren." versicherte er. Abfällig schnaubte Kai.

"Aber falls Ihr Gesellschaft braucht- Masanori kommt heute wieder." Nicht gerade erfreulich. Kais Gesicht verdüsterte sich augenblicklich noch mehr.

"Ich weiß nicht, ob ich ihn sehen möchte!", verkündet er.

Kyosuke seufzte verhalten. "Bon.... Ihr müsst langsam Frieden mit ihm schließen. Sonst macht ihr euch nur gegenseitig das Leben schwer."

"Das habe ich ja versucht!" protestierte Kai. "Aber dieser Holzkopf will einfach nicht!"

"Ich bin sicher, Ihr findet einen Weg." Geschäftig griff Kyosuke nach einem Schreibtischordner.

"Wenn Ihr mich jetzt entschuldigen würdet...."

Kai sah ihm nachdenklich hinterher. `Meinen Frieden mit Masa machen- wenn's doch nur so einfach wäre.´

Mit klopfenden Herzen stand Kai vor der Tür zu Masas Zimmer. Es war immer noch das selbe wie vor Jahren. In gewissem Sinne hatte es ihm erleichtert, zu hören, dass Masa es ablehnt hatte, die wesentlich geräumigeren Räumlichkeiten von Kais Vater zu beziehen. Auch wenn er nicht genau sagen konnte, warum er so empfand.

Innerlich rüstete er sich. "Jetzt oder nie!" flüsterte er leise.

Seit ihm vor drei Stunden die Geräusche im Haus Masas Ankunft verraten hatten, hatte er mit sich selbst gerungen. Es war jetzt ein Uhr morgens. Nach langen Grübeln hatte Kai endlich den Punkt erreicht, wo er glaubte, eine Konfrontation mit Masa ertragen zu können. Er wusste nicht, wann er wieder soviel Kraft zusammenkratzen könnte.

Und trotzdem... raste sein Herz und sein Blut wurde so schnell durch seinen Körper gepumpt, dass ihm fast schwindelig wurde. Zaghaft klopfte er an der Tür. Keine Antwort. Zögernd wollte er erneut die Hand heben, als sich die Tür auch schon öffnete.

Mit gelockerten Hemdkragen und ohne den so gut wie allgegenwärtiges Jackett starrte Masa ihn lange wortlos an. Unsicher befeuchtete Kai seine Lippen, ehe er leise fragte: "Kann ich reinkommen? Ich muss mit dir sprechen!", fügte er fast als Entschuldigung hinzu.

Nach einer endlos erscheinenden Weile trat Masa beiseite und liess Kai in sein Zimmer ein.

Dessen Blick überflog rasch den kargen Raum- abgehen von den überladenen Schreibtisch deutete nichts darauf hin, dass hier jemand wohnte- und sah sich suchend nach einer Sitzgelegenheit um. `Er hat noch gearbeitet. So spät in der Nacht!´

Laut fragte er: "Macht es dir etwas aus, wenn ich mich setze?"

Immer noch schweigend wies Masa auf den Schreibtischstuhl. Unsicher liess Kai sich darauf nieder, während Masa wie ein drohender Berg vor ihm stehen blieb. `Er empfängt hier keine Gäste.´ Dafür benutze Masa immer die Büroräume. Kai war seines Wissens immer der einzig gewesen, der Masa in seinem Zimmer besuchen durfte.

Das Schweigen dehnte sich in die Länge. Dehnte und wand sich, bis Kai sich davon fast erdrosselt fühlte. Schließlich liess Masa sich seufzend auf sein schmales Bett nieder. Automatisch schien der Raum weniger drückend auf Kai zu wirken.

"Also- ich dachte, Ihr wolltet reden."

Kai nickte verkrampft.

"Nun... Wenn Ihr kein Wort sag, wird das schwer werden, Bot-chan."

Täuschte er sich, oder schwang in Masas Stimme ein weicher Unterton mit?

"Tut mir leid." krächzte Kai. Seine Stimme hörte sich an, als seie sie jahrelang nicht benutzt worden.

"Ich will das nicht mehr!" brach es aus ihm heraus. Masa merkte auf.

"Was?"

"Diesen Zustand. Egal was passiert, immer wenn wir miteinander reden, wirst du irgendwann so..." Er suchte nach Worten "...hart."

"Spielt Ihr auf den Streit vor zwei Wochen an?" erkundigte sich Masa scharf. Kai, dem dieser Ton in der Stimme seines ehemals besten Freundes nicht entgangen war, zuckte leicht zusammen.

"Nicht nur darauf."

"Hm. Ich verstehe." Nachdenklich zog MAsa ein Knie an und lehnte sich leicht zurück. Diese entspanntere Haltung lockerte etwas von Kais Anspannung .`Wenn er es sich so bequem macht, kann er nicht allzu wütend auf mich sein.´ Mutiger geworden redete er weiter:

"Ach ja? Immer, wenn ich versuche, mit dir zu reden, passiert irgendetwas, ich weiß noch nicht mal was, und wir streiten wieder."

"Und Ihr glaubt, ich wäre alleine Schuld daran?" erkundigte sich Masa ruhig.

"Nein!"

Überrascht sah Masa auf.

"Ich weiß, dass ich die Schuld daran habe. Ich hätte dich damals nicht verraten sollen. Ich hätte bleiben, und nicht weglaufen sollen."

Kai presste hilflos die Hände aneinander. Seine Mundwinkel verkrampften sich, obwohl er gewaltsam versuchte, sie zu lockern, damit Masa ihm nichts ansah.

"Schön, dass Ihr das einsieht!"

"Ich weiß nicht, was Vater dir deswegen angetan hat." Masas Gesicht verfinsterte sich. Mühsam schaffte es Kai weiterzureden: "Aber ich werde es wieder gut machen. Sag mir nur wie!!"

"Ihr denkt, alles wäre so einfach. Braucht Euch nur zu entschuldigen, ein bisschen Buße tun und alles wäre gut. Aber Ihr seid jetzt erwachsen. Ihr müsst Verantwortung für Euer Tun übernehmen."

"Das will ich ja!" Nur mit äußerster Anstrengung verhinderte Kai, dass er anfing zu schreien. "Aber du lässt mich nicht."

"Ich lasse Euch nicht?" Drohend richtete Masa sich auf.

"Hättet Ihr einmal in Eurem Leben richtig zugehört, dann wüsstet Ihr, was ich will!"

"Du willst die Wahrheit.", flüsterte Kai tonlos.

"Ihr sagtet, Ihr wolltet es wiedergutmachen. Wir waren mal Freunde..."

`Waren? Ist es schon vorbei? Fassungslos erstarrte Kai, während Masa fortfuhr: "... Ihr schuldet mir zumindest die Wahrheit."

"Sagst du mir dann auch, was Vater dir angetan hat?" , fragte Kai zögernd.

Langsam stand Masa auf und ging zu dem Stuhl hinüber, auf dem der Junge saß. Endlose Sekunden lang musterte er das Gesicht seines einstigen Schützlings. Dann wandte er sch abrupt ab.

"Betet, dass Ihr nie erfahren werdet, was Euer Verschwinden ausgelöst hat.", sagte er barsch. KAi starrte verzweifelt Masas Rücken an.

"Wie soll ich ehrlich sein, wenn du es auch nicht bist?" fragte er anklagend.

"Manche Sachen solltet Ihr lieber nicht wissen."

"Warum nicht? Soweit ich verstanden habe, wolltest du Ehrlichkeit!"

"Meine Art von Ehrlichkeit würde Euch nicht gefallen." Bitter verschränkte Masa die Arme vor der Brust. Für Kai wirkte diese zusätzliche abwehrende Bewegung wie ein Schlag.

"Das versteh ich nicht!" Mit fastquälender Langsamkeit wandte sich Masa endlich herum.

"Sagen wir mal so..." Er fokussierte Kais Gesicht "....Ihr könntet mich hassen."

"A-Aber warum? Ich könnte dich nie hassen!"

`Er sorgt sich um meine Gefühle?!´

"Ich d-dachte.. DU hasst MICH!"

Wenn Kai jetzt nicht anfing aufzupassen, würde er wirklich anfangen zu stottern!

"Ich könnte Euch nie hassen, Bon!!!" sagte Masa sanft. Er kniete sich vor Kai nieder und legt ihm sanft die Hände auf die Schultern, so dass ihre Gesichter auf der gleichen Höhe waren.

"Warum verlangst du dann Ehrlichkeit von mir? Gibst du mir nicht auch das Recht, dir manche Dinge zu verschweigen?"

"So schlimm ist das, was Ihr mir sagen willst?" Besorgt lächelte Masa den Jungen an. Verschämt blickte dieser beiseite.

"Und das, was du mir sagen willst?"

Im stillen Einvernehmen lächelten sich die beiden Männer verhalten an.

"Frieden?" Schlug Kai vor. Zögernd streckte er die Hand aus.

"Frieden!" Grinsend schlug Masa ein.

Aber es wurde nicht wie vorher. Trotz des Friedensschlusses zwischen den beiden wich Masa ihm aus. Und Kai duldete es. Warum? `Ja, warum?´ fragte er sich selbst mehr als einmal bitter. `Er darf es nicht erfahren!´

Viel gewichtiger waren jedoch Masas Worte: "Ihr könntet mich hassen!"

Was konnte ihm angetan worden sein, dass er so was fürchtete? Oder besser- was hatte Masa getan?

Vier Tage später fand man ca. 96 Km von Osaka entfernt eine Männerleiche. Der Körper war zu sehr verstümmelt, um eine Identifizierung zu ermöglichen. Erst eine zahnärztliche Untersuchung konnte das zerschlagende Gebiss einigermaßen rekonstruieren. Zu 95% Wahrscheinlichkeit stand für die Polizei fest, das der Tote jemand war, der zeitweise unter dem Namen Miosuke Karnoki lebte. Dessen mutmaßlichen Verbindungen zu den verschiedenen Yakuzaclans wurden als mögliche Todesursache angesehen. Die Polizei wusste es besser, als nach dem Täter zu fanden.

In der Saganoresidenz indes ließ ein Dienstbote diskret den Teil mit den Leichenfund aus der Zeitung verschwinden, welche dem junge Bot-chan auf sein Zimmer gebracht wurde. Araki wollt nicht, dass sein junger Schützling davon erfuhr.

Er schützte ihn immer noch.

Sogar vor sich selbst.

TBC

A/N: Sorry, dass es so lange gedauert hat. Bin wie gesagt umgezogen, und habe noch kein Internet. Und wenn ich mir das Ganze so anschaue- Oh Gott! Was habe ich da nur fürn Mief geschrieben???